Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ökolandbau: Da bekommt man als GRÜNER regelmäßig irgendwelche Anwürfe, dass man sich für Landwirtschaft einsetzt, die eigentlich Museumslandwirtschaft ist. Es gibt auch Äußerungen, dass man die richtige Landwirtschaft vor den grünen Demagogen beschützen muss.
Ich werde deswegen nicht damit anfangen, über die ökologischen Folgen und die Vorteile der ökologischen Landwirtschaft zu berichten, sondern ich möchte es einmal andersherum aufziehen. Wir haben gestern etwas zum Länderfinanzausgleich gehört. Wir haben gehört, dass Sachsen ein normales Land, eine normale Wirtschaftskraft, geworden ist. Wir haben heute sehr viel über die Außenwirtschaft gehört. Wir haben mitbekommen, dass in Sachsen die Wirtschaft wächst. Die Landwirtschaft ist auch ein Teil der Wirtschaft.
Jahr 1991 in allen Wirtschaftsbereichen sehr ordentlich entwickelt hat, gibt es Wirtschaftsbereiche, in denen sich die Leistung versechsfacht hat. Das kann man für die
Landwirtschaft leider nicht so sagen. Da ist die Bruttowertschöpfung zwar auch ein wenig gewachsen, aber mehr oder weniger stabil geblieben.
Das ist auf so einen langen Zeitraum betrachtet nicht wirklich gut für unsere Gesamtbilanz. Man muss leider sagen, dass die Landwirtschaft zu den wirtschaftlichen Wachstumsbremsen gehört.
Gleichzeitig wissen wir seit Langem, und zwar seit 1990/1991, dass es diesbezüglich einen unglaublichen Produktivitätsfortschritt an Entwicklung gegeben hat. Warum spiegelt sich das aber nicht in den Zahlen wider? Wir haben dieses Jahr doch die Klagen gehört: Es bleibt ja gar kein Geld bei den Landwirten hängen. Das fassen alles die großen Discounter ab. Das bleibt im Handel.
Andere, die viel verdienen – – Der Bauernverband hat, glaube ich, sogar Aufkleber gebastelt, auf denen steht, wie viel Cent von einem Euro Erlös aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Produkte beim Landwirt hängen bleiben. Das bleibt nicht nur im Handel, sondern davon geht auch ganz viel Geld an die Industrie, die ihm Düngemittel usw. verkauft. Es bleibt nicht viel beim Landwirt hängen.
Außerdem haben wir ein ganz extremes Jahr. Nicht nur diejenigen, die sich mit Landwirtschaft beschäftigen, sondern auch alle anderen haben es in den Schlagzeilen gelesen, dass die Preise für Milch, Fleisch und Getreide auf den Weltmärkten stark gefallen sind. Das Wirtschaftsjahr 2014/2015 war so schlecht wie seit fünf Jahren nicht mehr. Im bundesdeutschen Durchschnitt ist das Einkommen der hauptberuflichen Landwirte gegenüber dem Vorjahreszeitraum 2013/2014 um 35 % eingebrochen und liegt nur noch bei 30 000 Euro Betriebsergebnis je Familienkraft. Bei den Milchbauern ging es sogar um 44 % zurück. Das ist ein langfristiger Trend, denn seit Jahrzehnten geben bundesweit im Durchschnitt jährlich 2 % der Landwirte ihren Beruf auf. Auch das ist kein gutes Signal.
Auf Sachsen heruntergebrochen: Der Rückgang ist dramatisch, was wir an Leistungen haben, und zwar in Bezug auf die Erwerbstätigen. Im Jahr 2000 hatten wir noch über 40 000 Erwerbstätige in der Landwirtschaft, im Jahr 2013 waren es gerade noch circa 29 000 Erwerbstätige. Aktuellere Zahlen liegen mir nicht vor. Immer weniger Menschen verdienen in der Landwirtschaft ihr Geld. In der Gesamtwirtschaftsleistung ist es eine Wachstumsbremse. Irgendetwas läuft doch falsch.
Dann muss man auch wissen, dass circa 60 % der Gewinne vom Staat finanziert werden, nämlich über die Direktzahlungen der EU, die Flächenprämien. Diesbezüglich gibt es in dieser Gesamtbetrachtung eine Ausnahme – ich will nicht Jammertal sagen – in diesem Wirtschaftsbereich. Das sind die Biolandwirte. Sie erzeugen höherpreisige Lebensmittel für den einheimischen Markt.
(Frank Kupfer, CDU: Die kriegen wohl keine Förderung? So ein Blödsinn! – Weitere Zurufe von der CDU)
Ja. Aber die produzieren vor allen Dingen höherwertige Leistungen. Deshalb bleibt auch am Ende mehr übrig. Dort geht der Trend in eine andere Richtung: Unternehmensergebnis plus Personalaufwand sind im Durchschnitt um 10 % gestiegen, nämlich auf 45 000 Euro. Im Jahr 2014 haben wir in Deutschland einen Umsatz mit Biolebensmitteln von knapp 8 Milliarden Euro gehabt.
Wir sehen auch aus dem Verbraucherverhalten: Die Trends gehen in diese Richtung. Die Menschen wollen mehr Bio, sie wollen mehr hochwertige Sachen haben. Das ist ein absoluter Wachstumsmarkt.
Unser Staatsminister für Landwirtschaft hat das auch erkannt und sagte, dass das keine Museumslandwirtschaft ist, sondern dass das etwas ganz Innovatives ist.
Wir haben aber auch schon andere Fakten gehört. Gestern haben wir über die Vorteile von Kleinkläranlagen und die Wasserrahmenrichtlinie gesprochen, die unbedingt angegangen werden muss: Nitrate – die Vorteile möchte ich gar nicht hervorholen. Zur Biodiversität hatten wir auch schon eine Aktuelle Debatte.
Überall kann Biolandwirtschaft einen wertvollen Beitrag leisten. Es gibt die Broschüre „Ökologischer Landbau – Was, wie, warum?“ der Sächsischen Staatsregierung, in der es heißt: „Die sächsischen Verbraucher können auf ein von Jahr zu Jahr größer gewordenes regionales Angebot bei Ökolebensmitteln zurückgreifen, denn der ökologische Landbau hat sich in Sachsen erfolgreich entwickelt. So stieg in den letzten zehn Jahren die Anzahl der ökologischen Unternehmen um mehr als das Doppelte. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche erhöht sich um 80 %.“ – Das klingt auch schon mal gut.
Weiter heißt es: „Die ökologisch bewirtschaftete Fläche ist von 12 000 Hektar 1999 auf über 36 000 Hektar 2014 gestiegen.“, also um 187 %. Es entwickelt sich.
Jetzt könnte man doch sagen: Es ist doch alles gut! Aber in Deutschland beträgt die Fläche an ökologischer Landwirtschaft 6,5 %, in Sachsen sind es gerade einmal 4 %. Das ist nicht so gut. Damit sind wir nah an der roten Laterne – bundesweit.
Wir haben vorhin gehört, dass es ein Wachstumsmarkt ist, den wir offensichtlich noch nicht richtig ausschöpfen. Ferner haben wir das Problem, dass wir Biolebensmittel importieren müssen, da wir noch nicht einmal die eigene
Nachfrage aus Sachsen mit biologisch angebauten Lebensmitteln befriedigen können. Da ist noch ganz viel Luft nach oben.
Ich frage Sie, warum Sie so kleinstaatlich denken? Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland eine Entwicklung im ökologischen Landbau. Wir haben auch eine Entwicklung im Freistaat Sachsen. Aber die Bodenverhältnisse sind in Sachsen andere als in Brandenburg. In Brandenburg ist es für einen Bauern lukrativer, auf Öko umzustellen, weil die Wertschöpfung – darin gebe ich Ihnen völlig recht – höher ist. Also, warum denken Sie so kleinstaatlich?
Die Sächsische Staatsregierung hatte sich zum Ziel gesetzt, den Ökolandbau auf 10 % zu erweitern. Jetzt liegen wir bei 4 %. Ich weiß nicht, ob sie kleinstaatlich gedacht hat. Das war wahrscheinlich noch zu der Zeit, als Sie der zuständige Staatsminister waren. Auf Bundesebene spricht man vom Ziel 20 %. Der Freistaat Bayern setzt sich das auch als Ziel. Andere Länder sind auch sehr ehrgeizig.
Ich habe gerade davon gesprochen, dass Sachsen diesbezüglich eine Deckungslücke hat. Wir müssen Biolebensmittel importieren. Sie kommen nicht nur aus Rumänien, sondern auch aus China, aus Südamerika etc. Das ist ein Irrsinn, denn das Geld sollte hier bei uns bleiben.
Erstaunlicherweise – angesichts der neuesten Zahlen in der Entwicklung – fordert auch der Bauernverband, dass endlich mehr für den Ökolandbau getan werden soll
und nicht nur Fördergelder fließen sollen, wovon wir schon gesprochen haben, sondern auch eine staatliche Forschungsoffensive gestartet werden soll: heimische Rohstoffe seitens der Ökoverarbeitung, einheimische Händler sollen auch bevorzugt werden.
Das ist genau unser Ansatz. Wir brauchen eine Strategie, wie wir den Anteil des Ökolandbaus erhöhen können. Nur darum geht es, damit wir uns irgendwann einmal diesen 10 % oder vielleicht sogar 20 % nähern. Bisher haben wir nur ein Konzept, das aber nur die bisher zur Verfügung stehenden Fördermittel zusammenschreibt, die Sie schon angesprochen haben, Herr Kollege Kupfer.
Aber offensichtlich reicht das nicht; denn wir merken, die Entwicklung geht nicht in die Richtung, die Mittel vermehren sich nicht ordentlich. Wir bleiben in Sachsen mit der roten Laterne, mit unseren 4 %, einfach irgendwo hängen.
(Frank Kupfer, CDU: Ich habe doch nicht gesagt, dass es nicht mehr gefördert werden soll! Das ist doch Quatsch! – Gegenruf von Valentin Lippmann, GRÜNE: Regen Sie sich doch nicht so auf!)
Ich möchte noch den Hinweis geben: Wir haben heute an anderer Stelle schon über die Wirtschaft gesprochen. Wir wollen Sachsen zu einem Wirtschaftsstandort machen – bzw. ist er das auch schon in weiten Teilen –, bei dem wir vor allem mit innovativen Produkten glänzen und Spitzenprodukte aus Sachsen haben, die wir auch als Label herausbringen können. Genau das wollen wir auch im Bereich der Landwirtschaft.
Das bietet diese Sparte Ökolandbau. Es geht uns nicht um Umstellung auf 100 %, sondern wir sprechen hierbei von dem Ziel: 10 bis 20 %. Das heißt nur, dass im Gesamtportfolio der Wirtschaftsbereich Landwirtschaft die Stabilität steigern wird, weil man dadurch unabhängiger von Marktzyklen und Preiskrisen, wie wir sie derzeit haben, wird. Ferner ist es so, dass wir vor allen Dingen – das ist ganz wichtig – die Bruttowertschöpfung in den Betrieben stärken, denn diese ist im Ökolandbau höher; ob Sie das nun wahrhaben wollen oder nicht.