Protocol of the Session on December 16, 2015

Wir haben jetzt eine Neuregelung, die Länderfinanzausgleich und Umsatzsteuervorwegausgleich zusammennimmt, die dynamisch ist. Das heißt, wir partizipieren auch an den zukünftigen Entwicklungen. Das ist ein großer Erfolg, auf den wir für die Zukunft bauen können.

Dass die unterschiedliche Gemeindefinanzkraft ausgeglichen wird – sowohl von Länderseite, indem die Anrechnung auf 75 % hochgesetzt wird, aber auch vom Bund, der im Bereich der Gemeindefinanzkraft eine Bundesergänzungszuweisung bezahlen soll, was allein für Sachsen 550 Millionen Euro ausmachen würde –, ist ebenso eine wichtige Komponente.

Was heißt das für uns konkret? Der Ministerpräsident hat schon gesagt, dass wir womöglich besser dastehen als bisher. Aber um es konkret zu machen: Für das Jahr 2019 wird auf der Basis der Steuerschätzung prognostiziert, dass wir gut 800 Millionen Euro mehr einnehmen als bisher über den Länderfinanzausgleich. Wenn man das mit der letzten großen Tranche vergleicht, die wir im

Rahmen des Solidarpaktes II im Jahr 2018 bekommen – das sind 733 Millionen Euro –, dann können wir im Prinzip davon ausgehen, dass unsere Einkommensausstattung aus dem Jahr 2018 verstetigt wird. Das ist für uns eine sehr gute Nachricht.

Ich möchte noch einmal drei Komponenten herausnehmen, die mir besonders wichtig sind, drei wirklich gute Gründe, warum wir gemeinsam für diesen Kompromiss werben sollten. Das eine ist die psychologische Komponente, weil – wenn dieser Kompromiss so umgesetzt wird – die Wiedervereinigung auch in der Finanzverfassung endlich umgesetzt wird. Das wäre eine gute Nachricht für uns, weil die Zweizügigkeit, das Aufstocken beim Solidarpakt II in Zukunft ein Ende hätte – Kollege Kupfer hat es ja auch schon angesprochen.

Das Zweite, das mir persönlich immer wichtig ist, ist ein systematischer Grund: Länderfinanzbeziehungen sind immer kompliziert, und sie werden kompliziert bleiben, aber sie werden doch etwas einfacher, etwas durchschaubarer, transparenter und nachvollziehbarer. Das ist, denke ich, auch ein wichtiger Erfolg.

Aber der wichtigste Punkt ist natürlich der finanzielle Aspekt. Wenn dieser Vorschlag so umgesetzt wird und auch im Bund die Zustimmung erhält, dann haben wir eine Planbarkeit über 2019 hinaus, mindestens bis 2030. Das wäre ein großer Gewinn – das Damokles-Schwert, das am Rosshaar über uns hängt, würde weiterhin hängen bleiben, würde nicht fallen.

Das bedeutet für uns, dass die solide Haushaltspolitik, die der Freistaat in den letzten 25 Jahren betrieben hat, die uns Rücklagen, die uns Vermögen beschert hat, damit fortsetzen können; denn die wirtschaftliche Entwicklung in dieser Zeit war eine sehr dynamische, eine gute. Trotz allem ist unsere Steuerkraft weiterhin unterdurchschnittlich. Das heißt, wir haben ein Steueraufkommen pro Kopf, das leider Gottes ganz am Ende der Skala liegt.

Mit dem vorliegenden Kompromiss können wir aber sicherstellen, dass dieses Einkommen auf niedrigem Niveau weiter aufgestockt wird auf ein auskömmliches Niveau. Oder ich möchte es vielleicht etwas flapsiger formulieren: Wir sind vermögend, aber einkommensschwach, wir bekommen aber jetzt auch unseren KombiLohn obendrauf und können damit arbeiten. Das muss dann natürlich auch Auswirkungen auf die kommenden Haushalte und schon auf die kommenden Haushaltsverhandlungen haben, weil wir dadurch natürlich auch –

Die Redezeit, Herr Kollege Panter!

– ich bin gleich so weit – mehr Handlungsspielraum haben. Wir werden diesen nutzen. Die Zustimmung des Bundes ist noch nötig. Ich danke dem Ministerpräsidenten für das bisher Geleistete und wünsche mir als Landespolitiker, wenn ich diesen Weihnachtswunsch äußern darf, dass möglichst alle Fraktionen das auch unterstützen werden.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das war Herr Kollege Panter für die einbringende SPD. Jetzt spricht für die Fraktion DIE LINKE Kollege Scheel.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Zunächst einmal lassen Sie mich ein formales Argument bringen: Ich betrachte mit Sorge, dass die Aktuelle Debatte in diesem Hause mittlerweile für alles Mögliche missbraucht wird: im letzten Monat zur 1. Lesung eines Gesetzentwurfes und jetzt eine verquaste Regierungserklärung im Miniformat, wofür Sie offensichtlich zwei Sekundanten von CDU und SPD brauchen. Ehrlich gesagt, Herr Ministerpräsident, das haben Sie doch gar nicht nötig.

(Zuruf von der CDU)

Sie hätten sich doch ganz normal – wie Hessen auch – hinstellen und uns hier eine Regierungserklärung halten können und da auch alle Ihre Aspekte darstellen können. Die Aktuelle Debatte dafür zu gebrauchen, in der wir nur 5 Minuten Zeit dafür haben, darauf zu reagieren in freier Rede, das ist, ehrlich gesagt, natürlich nicht so der ganz feine Stil.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Das war nur das Formale zum Beginn. Lassen Sie uns doch gemeinsam miteinander ein paar vernünftige Regeln festlegen!

(Lachen bei der CDU)

Zweitens. Ich glaube, auch wir sind überrascht, dass es noch gelungen ist, in diesem Jahr eine Lösung der Länder zu erreichen.

(Zuruf: Hört, hört!)

Natürlich! Wir sind ja in einigen Ländern beteiligt. Insofern sind wir überrascht und auch positiv überrascht,

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

da es gelungen ist, einen Kompromiss der Länder zu erreichen. Das ist etwas Gutes für den Föderalismus, weil die Länder gemeinsame Positionen gegenüber dem Bund aufmachen können müssen. Dazu braucht es eben auch Gemeinsamkeit.

Wenn wir jetzt auf die letzten Wochen, Monate und Jahre zurückschauen, war von Gemeinsamkeit in der Debatte um den Länderfinanzausgleich nicht gerade viel zu spüren. Es war eher der Streit, ein Streit wie bei den Kesselflickern um bestimmte Positionen. Da war der große Bruder aus Bayern, der meinte, er will nicht mehr so viel Geld in die Haushaltskasse hineingeben. Da war die große Schwester in Nordrhein-Westfalen, die der Auffassung war, sie möchte auch einmal zwei Jahre wenigstens gut aussehen. Und dann waren noch wir, die

wir uns auch noch mit „beigebracht“ haben: Die Vergemeinschaftung von Schulden, das wäre eine ganz schlimme Sache, darf man gar nicht machen.

(Christian Piwarz, CDU: Das ist ja auch so!)

Lassen wir lieber die Leute verrecken, wenn sie sich in den Schuldenberg hineingetrieben haben. Herr Kupfer hat ja gerade darauf Bezug genommen.

Also, es sah nicht gerade so aus, als würden wir wirklich einen solchen Kompromiss finden können. Und wenn ich noch an die Debatte zu den Regionalisierungsmitteln denke, wo es dem Bund gelungen ist, die Ländergesamtheit auseinanderzudividieren und am Ende den Osten über den Tisch zu ziehen, dann war auch das kein gutes Zeichen, kein gutes Vorzeichen für die Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich.

(Einzelbeifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Länder haben sich ein wenig benommen wie die Kinder. Wie gesagt, sie waren nicht bereit, gegenseitig Zugeständnisse zu machen. Und jetzt haben wir eine tolle Lösung. Denn was ist, wenn die Kinder das Gefühl haben, dass sie zu viel Geld einzahlen oder nicht genug Geld in der Kasse ist? Da kommen alle auf eine ganz grandios Idee: Wir brauchen mehr Taschengeld!

Und natürlich gehen sie da zum Vati Schäuble und zu Mutti Merkel und sagen: Mensch, ihr habt uns 7 Milliarden angeboten im Juni, wir hatten euch schon einmal auf 8,5 Milliarden – wie sieht es denn aus: 9,7 hört sich auch nicht schlecht an?!

Wir sind gespannt. Und ich denke, der Bund tut gut daran, trotzdem diesen Kompromiss mitzutragen, da er Frieden in diese Debatte bringt und wir im nächsten Jahr ja auch ein paar Landtagswahlen haben und da, glaube ich, auch einen Strich darunter haben sollten. Aber es gibt eben auch ein paar Knackpunkte, und die sollen wenigstens erwähnt sein in der kurzen Zeit.

Auf der Habenseite steht: Ja, wir haben eine Lösung. Auf der Negativseite: Wir haben es nicht erreicht, dass die kommunale Finanzkraft vollständig eingerechnet wird, die 11 % oder besser die 25 %, die jetzt noch fehlen; das ist richtig Geld. Die erfreuen natürlich die Kollegen in Baden-Württemberg. Aber das ist eine Ungerechtigkeit, weil die, die reiche Städte haben und wenig für sie zahlen müssen, trotzdem auch noch weniger in den Ausgleich zahlen müssen.

Und: Wir haben nicht erreicht, für die Frage der Infrastrukturinvestitionen, die im Osten und für den AufbauOst so wichtig sind und auch weiterhin wichtig sein werden, eine Regelung zu finden, die über Ost-WestFragen hinausgeht, sondern Bedürftigkeit in den Mittelpunkt stellt und genau die Frage des Solidarpaktes, damit auch die Solidarmittel, die ja weiterhin der Bund vereinnahmt, vernünftig und vernunftgemäß vereinnahmt und verausgabt werden.

Das ist besonders schade, weil ich glaube, damit haben wir uns eine Chance vergeben. Aber die Debatte kann ja noch kommen, weil der Bund ja trotzdem eine Lösung anbieten muss, wie er zukünftig mit dem Solidaritätszuschlag umgeht.

Insgesamt bleibt festzuhalten: Eine Lösung ist da. Sie ist eine, mit der auch der Osten noch leben kann; aber es ist leider nicht der ganz große Wurf. Und lassen Sie mich auch das sagen: Ich finde es trotzdem bemerkenswert, dass die Frage des Umsatzsteuervorwegausgleichs geklärt ist, die ja hoch umstritten war und die für uns eine psychologische Kriegsführung bedeutet hätte, wenn aus den Haushalten der anderen Länder noch Geld rübergeflossen wäre in den nächsten Jahren, sie abzuschaffen und gleichzeitig als Länderfinanzausgleich wieder einzuführen.

Die Redezeit!

Ich komme zum Ende. – Das ist schon eine gute Idee gewesen. Dabei belasse ich es für heute.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Scheel sprach für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt spricht Frau Dr. Petry für die Fraktion AfD.

Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, eine Einigung ist im Länderfinanzausgleich erreicht worden. Gleichwohl ist bereits angesprochen worden, dass ein großer Wurf etwas anders aussähe. Auch wir von der AfD-Fraktion können nicht verstehen, welche sachlichen Gründe weiterhin gegen eine Anrechnung der kommunalen Finanzkraft zu 100 % gesprochen haben, wie sie zahlreiche Finanzexperten seit geraumer Zeit fordern. Das ist wohl das Wesen politischer Kompromisse. Wir sehen, dass an anderer Stelle dafür durchaus auf Wünsche, auch aus den Ländern, eingegangen wurde.

Der größte Kritikpunkt, den wir sehen, liegt vor allen Dingen darin, dass die Bundesregierung bisher nicht zugestimmt hat, und dass wir auch wissen, dass wir zeitkritische Verhandlungen vor uns haben; denn kommt es zu einer Einigung nicht mehr im Jahr 2016, dann steht die Bundestagswahl bevor, und dann ist die Frage, ob wir zu einem derartigen Kompromiss, wie jetzt angedacht, überhaupt noch in kurzer Frist gelangen können.

Das heißt, hier wurde ein bisschen die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Trotzdem ist eine 16 : 0 – Einigung ein starkes Signal der Länder an den Bund. Wir hoffen, dass Sachsen zusammen mit anderen Ländern weiterhin das Rückgrat behält, um gegenüber dem Bund diese Forderungen auch durchzusetzen.

Wir sehen kritisch – und das vor allen Dingen auch im Hinblick auf eben die nach wie vor schwache Steuerkraft unseres eigenen Bundeslandes –, dass bei der Dynamisie

rung selbstverständlich von weiteren Steigerungen bei den Umsatzsteuereinnahmen ausgegangen wird. Das sehen wir vor allem deswegen kritisch, weil es bereits jetzt diverse Warnzeichen für eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums in vielen Regionen gibt.

Deswegen ist eine Prognose zu jährlich steigenden Steuereinnahmen bis zum Jahre 2019 etwas mutig. Ich verweise darauf, dass unsere Fraktion bereits mehrfach darauf hingewiesen hat, auch im Rahmen der Haushaltsverhandlungen, dass wir für Sachsen nicht nur eine Rücklage, sondern einen – wie wir es nennen – Konjunkturausgleichsfonds haben müssen, um in starken Zeiten für schwache Jahre vorzusorgen.

Es ist zu berücksichtigen, dass bei dem derzeit angedachten Kompromiss die Sonderbedarfsbundesergänzungsmittel im Jahr 2020 vollständig wegfallen werden und auch bei den Regionalisierungsmitteln Kürzungen erreicht wurden, die Sachsen schaden. Diese Entwicklung müssen wir im Blick behalten, auch wenn durch die Neuordnung eine Normalisierung der Finanzbeziehungen erreicht werden kann und – das halten wir in der Tat auch für wichtig – die Ostländer nicht mehr als die „neuen“ Länder dastehen, sondern zukünftig integriert werden in den Gesamtländerfinanzausgleich über alle 16 Bundesländer.

Zu kritisieren ist weiterhin – aber dieses Problem besteht ebenfalls seit Jahrzehnten –, dass die Stadtstaaten weiterhin massiv besser gestellt sind und dass ein Großteil des Länderfinanzausgleichs unter anderem in die Bundeshauptstadt fließt, wo relativ wenig erwirtschaftet wird. Hier hätte ich mir ein stärkeres Signal gewünscht, dass auch eine Bundeshauptstadt mehr zum Sparen animiert wird.