Warum haben wir dennoch angesichts dieser vielfältigen Initiativen ein zunehmendes Sicherstellungsproblem in einigen Regionen Sachsens? Derzeit haben wir aktuell drei Planungsregionen mit Unterversorgung, eine davon mit hausärztlich festgestellter Unterversorgung, und wir haben 21 Planungsregionen mit drohender Unterversorgung im haus- und fachärztlichen Bereich. Warum? Ich versuche, vier Gründe zu nennen.
Erstens. Nach wie vor wirkt der demografische Wandel für die medizinische Versorgung doppelt negativ, einerseits, weil mehr Menschen älter werden und daher mehr Bedarfe anfallen, andererseits, weil auch Ärztinnen und Ärzte in Sachsen älter werden und wir vor einem Berg an Praxisübergaben stehen und viele, die in den Ruhestand gehen wollen, zu wenig Nachfolger finden.
Zweitens. Junge Ärztinnen und Ärzte haben eine andere Vorstellung vom Berufsleben als das früher der Fall war – mehr Anstellungsverhältnisse im MVZ, mehr Krankenhäuser. Es gibt mehr berufliche Unterbrechungen, und auf jeden Fall sind junge Mediziner zurückhaltender bei der Gründung oder der Übernahme einer eigenen Praxis, vor allem auch vor dem Hintergrund der finanziellen Aufwendungen, die dafür anstehen.
Drittens haben wir nach wie vor im System der gesetzlichen Krankenversicherung ein Anreizsystem für Niederlassungen, das sich negativ für strukturschwache Regionen auswirkt, beispielsweise die Anzahl von Privatpatien
ten vor Ort, die dazu führt, dass junge Ärztinnen und Ärzte nicht gern in strukturschwache Regionen gehen und wir deshalb dort die Wirkung haben, dass sich der Ärztemangel noch verstärkt.
Nicht zuletzt ist ein Problem, das für viele Fachkräfte gilt, dass junge Leute, die eine berufliche Zukunft und Familiengründung planen, ungern in Regionen gehen, in denen kulturelles Leben, Schulen und andere Einrichtungen eher auf dem Rückzug sind.
Der Antrag der Linksfraktion erscheint daher sehr nachvollziehbar; und ich finde es auch gut, dass wir regelmäßig hier im Landtag über die Situation, über getroffene Maßnahmen und deren Wirkung und die sinnvolle Zusammenarbeit über die sektorbezogenen Strukturen im Gesundheitswesen diskutieren. Ob jedoch die Maßnahmen, die der Antrag konkret enthält, sinnvoll sind, darüber sollten wir streiten und auch streiten können; denn die von mir bereits angesprochenen vielfältigen Maßnahmen versuchen, auf all diese genannten Ursachen einzugehen.
Es ist derzeit fast überall möglich, eine individuelle, ganz auf die örtlichen Gegebenheiten zugeschnittene Lösung für Probleme zu erzielen, wenn man denn nur den Arzt hat, der bereit ist, dorthin zu gehen. Wir haben mittlerweile Anstellung von Ärzten in Praxen, die von der KV übernommen werden. In Görlitz haben wir die erste Hausarztpraxis, wo die Kassenärztliche Vereinigung gesagt hat, wir übernehmen das und stellen einen jungen Arzt an, der ausprobieren kann, ob er diese Praxis für länger übernehmen möchte. Wir haben Zuschläge für niedergelassene Ärzte, wenn sie selber in ihrer Praxis Ärzte anstellen. Vor fünf, sechs Jahren haben wir noch gesagt, das wird wahrscheinlich nie gehen. Mittlerweile geht das.
Die Linksfraktion – ich interpretiere es – will aus der Not des Mangels im niedergelassenen medizinischen Bereich im Prinzip alles zusammenfassen – Planung und Förderung – und schießt aus meiner Sicht damit ein wenig über das Ziel hinaus. Denn die Selbstverwaltung, die wir im Gesundheitssystem in Deutschland haben, stellt eine ganz große Stärke in diesem Gesundheitswesen dar. Ich werde darauf noch einmal eingehen.
Aus meiner Sicht – wenn man dem Weg, den der Antrag beginnt zu gehen, weiter folgt – ist das in der Konsequenz eine Schwächung der Selbstverwaltung und die Selbstverwaltung ist nur noch ausführendes Organ. Ich glaube nicht, dass das das Ziel sein sollte, welches wir anstreben sollen.
Nach dem Motto: „Der Weg ist das Ziel“ will ich gern einige Ansätze aufnehmen und meine Gedanken dazu sagen. Die allumfassende sektorübergreifende Bedarfsplanung als Ziel ist für mich eher ein Leitbild denn eine konkrete Handlungsoption. Ich glaube, es ist eine Illusion, dass wir die komplexe gesundheitliche Versorgung von Prävention, ambulanter, stationärer Akutversorgung,
stationärer Pflege in einen einzigen Bedarfsplan packen könnten. Was geboten ist – wenn man sich auf dieses Leitbild konzentriert –, ist eine Verzahnung und ein gegenseitiges Bezugnehmen der verschiedenen Planungsinstrumente in den Bereichen. Das – auch das ist unbestritten – muss mehr erfolgen als bisher. Denn gerade die Vielseitigkeit des ärztlichen Bereiches, von der Niederlassung im hausärztlichen als auch im fachärztlichen Bereich über die Gemeinschaftspraxen bis hin zur Anstellung in Kliniken, MVZ – gerade diese Vielfalt ist das, was uns in den nächsten Jahren über diese drohende Unterversorgung wird hinweghelfen können. Genau dazu, für die Organisation dieser Vielfalt, brauchen wir eine starke Selbstverwaltung. Deshalb müssen wir eher nachdenken, wie wir das wieder stärken und anregen.
Dabei spielt das angesprochene Landesgremium eine große Rolle. Auch aus meiner Sicht sollte das Landesgremium eine aktivere Rolle und nicht nur bei der Notarztversorgung einnehmen, sondern dieses Landesgremium sollte die spezifische Unterversorgung in den Regionen aus dem Kleinen heraus dazu nutzen, dort Modelle für sektorübergreifende Versorgung zu schaffen, um uns damit Vorbilder für die größeren Zusammenhänge zu bieten. Keinesfalls sollte das Landesgremium den kompletten Sicherstellungsauftrag übernehmen.
Die Zusammensetzung des Gremiums – auch das ist ein kleiner Punkt, bei dem ich dem Antrag recht gebe – sollte noch einmal überdacht werden. Ich habe von Anfang an gesagt, aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, die kommunale Ebene stärker einzubeziehen.
Zu den Punkten 3 und 4 des Antrages ist der Stellungnahme der Staatsregierung nicht sehr viel hinzuzufügen, nur etwas Kleines, aus meiner Sicht sehr Wichtiges, das noch nicht in der Stellungnahme aufgetaucht ist. Die gesetzliche Verankerung der Expertenkommission zur Ermittlung einer einfachen, unbürokratischen und gesetzlichen Personalbemessung im stationären Gesundheitsbereich ist ein großer Erfolg für alle, die sich seit Jahren für eine Stärkung der Pflege gerade auch in Krankenhäusern starkmachen.
Ver.di hat den Bedarf in diesem Jahr im stationären Bereich mit 160 000 Stellen, davon allein 70 000 Stellen im Pflegebereich, festgestellt. Bei dieser Größenordnung stehen das Gesundheitswesen und die solidarische Versicherung vor einem enormen Problem; denn selbst wenn wir die finanziellen Mittel für diese Stellen zur Verfügung stellen können, gibt es keine einfache Antwort auf die Frage, woher die Fachkräfte für diese Stellen kommen können – in einer Zeit, in der die Anzahl der Jugendlichen und der jungen Menschen eher nicht ausreichend vorhanden ist, um überall den Fachkräftebedarf auch nur annähernd decken zu können.
Hier wiederum sind keine einfachen Lösungen vorhanden. Ein abgestimmtes Konzept, das mithilfe dieser Expertenkommission dazu beitragen kann, dass wir die objektiven Bedarfe mit den wirklich vorhandenen Mög
lichkeiten von Ausbildung, Teilzeitstellen und vielem mehr miteinander in Einklang bringen – das sollte der nächste Schritt sein. Ich denke, wir sollten als Erfolg werten, was der Bundesgesetzgeber an der Stelle gemacht hat.
Aus diesen vielen Gründen – ich hoffe, ich habe sie sehr differenziert dargestellt – werden wir den Antrag der Linksfraktion ablehnen. Wir bedanken uns aber schon einmal für diese konstruktive Debatte, weil ich es wirklich wichtig finde, dass wir in diesem Hause über dieses Problem öfter sprechen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Demografiewandel ist eine große Herausforderung und bedeutet einen ständig angepassten Entwicklungsprozess nicht nur bei der medizinischen Versorgung. Von Überversorgung bei der medizinischen Versorgung zu sprechen erscheint beim Betrachten der Liste der Unterversorgung – Quelle: KVS Sachsen – unrealistisch. Lange Wartezeiten für Termine bei Fachärzten, volle Wartezimmer und eine nervenaufreibende Suche nach Hausärzten im ländlichen Raum beweist, dass es da Defizite gibt.
Wichtig ist, das Prinzip der Subsidiarität darf nicht aufgegeben werden. Vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Ärztemangels hat sich das primäre Ziel der Bedarfsplanung der KVS Sachsen gewandelt. Es sollen flächendeckende hausärztliche, fachärztliche und physiotherapeutische Versorgungen der Patienten gewährleistet werden. Im Sinne dieses primär verfolgten Zieles soll die Bedarfsplanung ein Instrument sein, das Versorgungsgeschehen besser zu erfassen, Versorgung zu steuern und so ein ausgewogenes und am regionalen Bedarf orientiertes Versorgungsangebot zu schaffen.
In Ostsachsen ist vor allem im ländlichen Raum der Ärztemangel gravierend. Ein Beispiel dafür ist der Raum Hirschfelde-Wittgendorf-Drausendorf. Hier traten in den letzten Jahren mehrere Hausärzte in den wohlverdienten Ruhestand, ohne ihre Praxen an einen Nachfolger übergeben zu können. Das ist in Sachsen leider kein Einzelfall. Etwas Weitsicht für die Einbeziehung der Kommunen, der regionalen Verwaltungseinheiten sowie der vor Ort praktizierenden Ärzte in die Bedarfsplanung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum ist dringend erforderlich.
Entscheidungen fernab der Realität und nur anhand von Gutachten und Prognosen müssen der Vergangenheit angehören. Auch Ausnahmeregelungen bei der Niederlassung von Ärzten dürfen kein Tabu sein wie bei der 2014 gelaufenen Zulassungsproblematik am Beispiel eines Urologen, der mit seiner Frau, einer niedergelassenen und dringend benötigten Hausärztin in Seifhennersdorf, die
Region verlassen wollte, da er als Urologe für Seifhennersdorf keine Zulassung bekam, weil im 22 Kilometer entfernten Zittau und Löbau bereits ein Urologe praktiziert.
Entfernungsvorgabe der Kassenärztlichen Vereinigung ist hier 25 Kilometer – aus Sicht der Bürger total überzogene Bürokratie. Laut Kassenärztlicher Vereinigung wird bei der Bedarfsplanung derzeit bewusst aus Gründen der Finanzierbarkeit des Systems die Zahl der ambulanten Ärzte begrenzt, auch weil der politische Mut für andere Steuerungsinstrumente fehlt, zum Beispiel eine zugleich wirksame, aber auch sozial gerechte Eigenbeteiligung.
Die Große Koalition verankerte im Koalitionsvertrag vor reichlich einem Jahr mehrere Regierungsvorhaben. So wollen die Koalitionspartner die neuen gesetzlichen Möglichkeiten zur Mitgestaltung der Bedarfsplanung einschließlich der sektorübergreifenden Versorgung
Was ist seitdem umgesetzt worden? Wurde das Gutachten zur künftigen Krankenhausplanung schon in Auftrag gegeben? Wann wird mit Ergebnissen gerechnet? Wie will die Regierungskoalition ihr Ziel, hohe medizinische Qualität soll sicher und gut erreichbar sein, umsetzen? Wird sich auch die Nahverkehrsstrategiekommission mit der guten Erreichbarkeit der ambulanten Versorgung im ländlichen Raum befassen? Oder lässt sich die Koalition mit der Umsetzung der Schwerpunkte jetzt bis 2019 Zeit?
Diese und weitere Fragen stellen sich die Opposition und auch die besorgten Bürger im Land, da eine schnelle und konsequente Umsetzung der im Koalitionsvertrag verankerten Regierungsvorhaben notwendig ist. Die Menschen in Sachsen erwarten eine verbesserte Versorgung, speziell in Gebieten mit Unterversorgung.
Ein weiterer Schwerpunkt sollte aufgrund der demografischen Entwicklung der Bereich Pflege sein. Zu verbessern ist auf alle Fälle die allgemeine Personalsituation in den Krankenhäusern und Pflegeheimen. Auch die Hausarzt- und Facharztproblematik in Sachsen soll unbedingt bei der Fortschreibung des Krankenhausplans bedarfsgerechte Berücksichtigung finden.
Die AfD-Fraktion beantragt eine punktweise Abstimmung über den vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In diesem Jahr wurden auf Bundesebene gleich mehrere Gesetze zur Stärkung der Pflege, der Gesundheitsversorgung, der medizinischen Versorgung verabschiedet. Es ist daher wichtig und richtig, dass wir jetzt darüber diskutieren, wie der Freistaat die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen nutzen wird. Die Themen des Antrags sind also hochaktuell. Alle Abgeord
Neben der Unterversorgung sind aber eben auch Überversorgung und Fehlversorgung in einigen Ballungsregionen entstanden.
Meine Damen und Herren! Wenn wir die Patientinnen und Patienten überall in Sachsen wohnortnah und bedarfsgerecht versorgen wollen, müssen wir dringend über neue Versorgungsformen reden. Dafür, Herr Wehner, setzt das GKV-Versorgungsverstärkungsgesetz, das im Juli in Kraft getreten ist, einfach zu wenig Anreize.
Die ambulante Versorgung und die Krankenhausversorgung dürfen nicht länger getrennt betrachtet werden. Wir brauchen mehr Anreize für eine integrierte Versorgung. Ein Weg kann zum Beispiel der Aufbau regionaler Gesundheitsverbünde sein. Ein erfolgreiches integriertes Versorgungssystem orientiert sich eben nicht an statistischen Zahlen, sondern an der Entwicklung und den Bedarfen der regionalen Bevölkerung, insbesondere auch bei der Versorgung bisher benachteiligter Personengruppen, beispielsweise von Menschen mit Behinderungen, sozial benachteiligten Personen oder auch Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Meine Damen und Herren! Um das zu erreichen, müssen die Regionen und auch die Kommunen deutlich mehr Einfluss bei der Planung, Steuerung und Gestaltung bekommen.
Ich habe viele Jahre in einem kommunalen Ausschuss für Gesundheit und Soziales gearbeitet und weiß, wie viele Aufgaben der sozialen Daseinsfürsorge in und von den Kommungen erledigt werden, in der Pflege, bei der Eingliederungshilfe, auch als Träger kommunaler Krankenhäuser oder im öffentlichen Gesundheitsdienst. Die Kommunen und Landkreise wissen am besten, wie der Versorgungsbedarf vor Ort ist. Ich plädiere deshalb dafür, dass in Sachsen Modellregionen gebildet werden, in denen integrierte sektorenübergreifende Versorgung
Frau Ministerin, nutzen Sie den Dialog und die Gesprächsmöglichkeiten in dem nach § 90 a SGB V gebildeten Landesgremium, um diese sektorenübergreifende Bedarfsplanung der gesundheitlichen Versorgung voranzubringen. Das ist doch ein guter Vorschlag.
Es reicht nicht, lediglich lokale Initiativen zur Verbesserung der Versorgungssituation zu unterstützen, wie Sie in der Stellungnahme schreiben. Suchen Sie besonders mit den strukturschwachen Regionen neue Wege. Wenn das nicht gelingt, werden die Versorgungslücken im ländlichen Raum immer größer. Das geht dann auch zulasten der Notfallversorgung. Hier sehen wir bundesweit und auch in Sachsen anhand der steigenden Einsatzzahlen, dass das auch etwas damit zu tun hat, dass die Hausarztbesuche immer seltener werden.
Kurzum: Eine Landesoffensive ist jetzt dringend notwendig. Deshalb gibt es Zustimmung von uns zum Antrag.