Im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hieß es, dass „Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens einzubeziehen sind“ und „dass auch kleinere Gruppierungen Berücksichtigung finden und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven abgebildet werden sollen“.
Der vorliegende Entwurf setzt davon kaum etwas um. Zwar werden – das wurde schon gesagt – 16 weitere Vertreterinnen und Vertreter aus gesellschaftlichen Bereichen aufgenommen. Im Minimalkonsens der Länder ist auf GRÜNE-Initiative der Bereich der Lesben und Schwulen auf dem Ticket von Thüringen jetzt dabei, aber bei der gesellschaftlichen Vielfalt darüber hinaus hat sich eben wenig getan. Es kommt hinzu: Es gab keine offene Diskussion über die Kriterien von gesellschaftlicher Relevanz. Stattdessen stützt sich die Repräsentationsmechanik weiterhin auf althergebrachte Dominanzen und auf politische Vorlieben, und das finden wir nicht zeitgemäß.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine solche Medienpolitik wird der Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der pluralistischen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts nicht gerecht; und dieser Staatsvertrag soll nun auf Jahre Bestand haben? Wie nah an der heutigen Gesellschaft ist es beispielsweise, wenn Muslime nur von einem Bundesland entsendet werden können und nicht wie die christlichen Kirchen behandelt werden, die ja jeweils weiterhin zwei feste Sitze im Fernsehrat haben? Dabei sind Muslime die größte religiöse Minderheit in Deutschland.
Ein weiteres Problem – es wurde auch angesprochen – ist die Gleichstellung von Frauen und Männern. Diese wird auch hier nur sehr zögerlich angegangen. Aktuell sind nur circa 20 % Frauen in den gesamten Gremien. Mit der vorgeschlagenen Regelung, dass bei jeder neuen Entsendung einem männlichen Mitglied eine Frau und einem weiblichen Mitglied ein Mann folgen soll, wird der Fernsehrat mittelfristig kaum ausgeglichen besetzt werden. Wir GRÜNE fordern hier eine klare politische Vorgabe so wie der Deutsche Frauenrat: eine paritätische Besetzung als Zielformulierung und Umsetzungsregelung für die entsendeten Gruppen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden uns bei diesem Entwurf enthalten. Wir halten es aber für das Mindeste, dass die zweite Protokollerklärung umgesetzt wird, die eine rechtzeitige Überprüfung der Pluralität vor Ablauf der Amtszeit vorsieht. Außerdem wäre es eine
denkbar schlechte Idee, wenn dieser Siebzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag als Schablone für die dringend notwendige Novellierung des MDR-Staatsvertrages gelten würde.
Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Wünscht die Staatsregierung das Wort? – Bitte, Herr Minister.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Sächsischen Landtags! In Anbetracht dessen, dass die Fraktionen schon viele Eckpunkte des Siebzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages
beschrieben haben, möchte ich den Schwerpunkt meiner Ausführungen auf einige Aspekte legen, die ich für besonders wichtig halte, und natürlich auch auf die eine oder andere Anmerkung aus Ihrem Kreis reagieren.
Zunächst zur technischen Seite. Es ist schon erwähnt worden, dass wir mit diesem Gesetzentwurf den Staatsvertrag in Landesrecht transformieren wollen und damit den Siebzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der am 18. Juni von den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten unterzeichnet worden ist, umsetzen möchten.
Er besteht aus zwei Bestandteilen. Ich möchte das deshalb auch noch einmal herausstreichen, weil ich zum Schluss auch noch etwas zu den EU-rechtlichen Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag sagen möchte.
Zum einen ist es die ZDF-Staatsvertragsnovelle, auf die sich die Redner hier vornehmlich fokussiert haben. Ich beginne mit der ZDF-Staatsvertragsnovelle aus Sicht der Medienpolitik der Staatsregierung.
Alle Vorredner haben auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 25. März 2015 hingewiesen. Wir sind aufgefordert gewesen, in relativ überschaubarer Zeit die geltenden Vorschriften des ZDF-Staatsvertrages zu überarbeiten und insbesondere auch an dem Gebot der Vielfaltsicherung auszurichten. Die Organisation des öffentlichrechtlichen Rundfunks, meine Damen und Herren, muss dabei Ausdruck des Gebots der Vielfaltsicherung sein und natürlich auch dem Gebot der Staatsferne genügen. Ich finde, Herr Neubert, Frau Maicher, das ist in wesentlichen Punkten eine große Verbesserung im Gegensatz zu den Regelungen, die wir derzeit haben.
Sie hatten sich ja bereits zu der Frage der Gremienzusammensetzung geäußert. Es ist eine erhebliche Neuerung, dass wir auf jetzt 60 Mitglieder im Rundfunkrat kommen, weil ich glaube, dass sich die Qualität der Beratungen im Rundfunkrat dadurch wesentlich verbessern wird; denn 77 Mitglieder in einer großen Veranstaltung zu einer Meinungsbildung zu bringen, ist schon ein großes Unterfangen. Auch der Verwaltungsrat reduziert sich um zwei Mitglieder von 14 auf 12.
Der zweite Punkt ist, dass nach dem ZDF-Staatsvertragsentwurf die Aufsichtsgremien des ZDF noch transparenter arbeiten müssen. Ich habe jetzt zwei ZDF-Fernsehratssitzungen miterlebt, in denen die Öffentlichkeit beteiligt war. Es ist eine Neuerung gewesen, dass die Sitzungen vollständig öffentlich gemacht werden. Es gibt einen abgegrenzten Besucherbereich; wir haben ja auch Programmbeschwerden über die Art und Weise der Berichterstattung. Auffällig ist, dass insbesondere diejenigen Personen, die sich mit Eingaben an das ZDF wenden, auch den Sitzungen beiwohnen – ich habe mich auch am Rande der Sitzung mit einigen unterhalten können – und dadurch ein Gefühl dafür bekommen, mit welcher Ernsthaftigkeit zum Beispiel auch über deren Beschwerden verhandelt wird.
Einen neuen Weg der Vielfaltsicherung geht der Staatsvertrag bei den 16 Vertretern von Verbänden und Organisationen aus verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Hierzu wurde bereits ausgeführt. Wir haben beim Siebzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag ebenfalls das Verfahren mit reguliert. Für Sachsen ist der Bereich ehrenamtlicher Zivil- und Katastrophenschutz vorgesehen und das Ausführungsgesetz ist ebenfalls Inhalt dieses Gesetzentwurfes. Das Verfahren wurde ja von Herrn Neubert schon beschrieben.
Frau Maicher, ich habe eine Bemerkung zu Ihrer These, dass das Spektrum nicht umfangreich genug sei. Sie haben das Beispiel der Muslime verwendet. Wir haben in Deutschland nach den Zahlen, die ich mir gestern zufällig angeschaut habe, vier Millionen Muslime. Wir haben aber 40 Millionen Mitglieder in der katholischen und evangelischen Kirche. Ich finde es äußerst angemessen, dass zwei Kirchenvertreter der evangelischen und katholischen Kirche im Fernsehrat sind, und es ist ein Entgegenkommen gegenüber dieser großen Minderheit von vier Millionen – das ist eine erhebliche Zahl –, dass dort ein Mitglied in den Fernsehrat entsandt werden kann. Eine Umkehrung dieses Verhältnisses würde dem tatsächlich abgebildeten gesellschaftlichen Spektrum in Deutschland meines Erachtens nicht gerecht werden.
Ein weiteres Kernstück des novellierten ZDF-Staatsvertrages ist es, dass es bei der Entsendung von Mitgliedern in den ZDF-Fernsehrat künftig Frauen und Männer in einem angemessenen Verhältnis zu berücksichtigen gilt. Herr Neubert, Sie hatten ja die These vertreten, dass hier Artikel 3 verletzt sein könnte.
Ich möchte noch einmal die Regelung darstellen: Sofern ein neues Mitglied entsandt wird, sieht der Gesetzentwurf vor, dass einem männlichen Mitglied eine Frau und einem weiblichen Mitglied ein Mann folgen muss. Sofern eine Organisation oder ein Verband zwei Vertreter entsenden kann, sind künftig je eine Frau und ein Mann in den Fernsehrat zu entsenden. Sie hatten ja die These vertreten – das werde ich mit Ihnen hoffentlich noch weiter beurteilen und betrachten können –, dass es am Ende nicht zu einer Verbesserung der Gleichstellung in den Gremien
kommen wird. Mir fehlte einfach die Vorstellungskraft, warum es aufgrund dieser Regelung nicht dazu kommen sollte; denn wenn ich eine Organisation mit zwei Vertretern habe, dann habe ich schon dort die „Halbteilung“, einmal Frau, einmal Mann. Ich finde, dem Gleichstellungsgebot und der Verfassungsrechtsprechung ist hier in angemessener Weise Genüge getan.
Lassen Sie mich bitte noch einmal zu der Frage des europäischen Inhalts unserer Gesetzesnovelle kommen. Es gab ja eine Kritik aufgrund der Androhung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland, dass der aktuelle Umsetzungsstand im Rundfunkstaatsvertrag nicht mehr den Richtlinien der Europäischen Union entspreche. Insbesondere geht es dabei um die AVMD-Richtlinie speziell zur Frage der Rechtshoheit über die Fernsehveranstalter. Es hat dazu eine entsprechend intensive Abstimmung gegeben mit der Staatsministerin für Kultur und Medien, mit Frau Prof. Grütters, ebenso mit der EU-Kommission selbst.
Wir haben in der Neuformulierung eine Regelung aus der aktuellen AVMD-Richtlinie übernommen, in welcher Fallkonstellation ein Fernsehveranstalter als in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassen gilt. In Anlehnung an die geltende Fassung dieser Richtlinie ist jetzt neu geregelt, dass eine Unterwerfung unter den Rundfunkstaatsvertrag und die landesrechtlichen Vorschriften auch in den Fällen gelten soll, in denen zwar kein in der EU gelegener Uplink, wohl aber eine der Bundesrepublik zugewiesene Übertragungskapazität eines Satelliten
Ich finde, es ist ein sehr moderner Ansatz, dass wir uns jetzt auch dazu verständigen, dass wir die zugewiesene Übertragungskapazität als Anknüpfungspunkt aus der AVMD-Richtlinie übernommen haben. Das ist ein moderner Bestandteil des Rundfunkstaatsvertrages, der deutlich in die Zukunft weist und uns auch sicherlich in den nächsten Jahren mit der Frage der Bund-LänderArbeit zur Medienkonvergenz weiter beschäftigen wird.
Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass der Staatsvertrag insbesondere im Hinblick auf die Novelle des ZDF-Staatsvertrages eine anspruchsvolle Aufgabe war. Die Länder haben hier bewiesen, innerhalb kurzer Zeit eine pragmatische und sachgerechte Lösung zu finden. Als zuständiger Staatsminister für den MDR-Staatsvertrag sage ich hier: Das wird uns auch beim MDR-Staatsvertrag gelingen. Ich bitte deshalb um Zustimmung zum Siebzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag.
Entschuldigung! Reden können Sie noch. Redezeit ist noch vorhanden. Alles gut! Ich hatte Sie übersehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Piwarz, zur Klarstellung möchte ich noch einiges ergänzen. Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Panter, was das Abstimmungsverhalten in Thüringen angeht, so muss man der Ehrlichkeit halber hinzufügen, dass schon drei oder fünf Tage nach Bildung der neuen Regierung die Runde der Ministerpräsidenten stattfand. Daher kann man es sicherlich nachsehen, dass von Thüringer Seite eigene Aspekte nicht mehr in dem gewünschten Maße eingebracht werden konnten.
Ich möchte untersetzen, warum wir uns der Stimme enthalten werden. Schon Frau Dr. Maicher hat wichtige Argumente genannt. Einer Versteinerung wird nicht ausreichend entgegengewirkt. Wer das Urteil gelesen hat, der weiß, mit welchem Nachdruck das Bundesverfassungsgericht gerade in Bezug auf diesen Aspekt argumentiert hat.
Die Vielfalt des politischen und gesellschaftlichen Spektrums wird keinesfalls adäquat abgebildet. Dies wird zum Beispiel daran deutlich, dass kleine Gruppen und Parteien, die politische Minderheitenpositionen vertreten, keinen Zugang erhalten.
Ich habe nicht behauptet, der Staatsvertrag verstoße gegen das Grundgesetz, sondern darauf hingewiesen, dass das im Grundgesetz niedergelegte Ziel einer adäquaten Frauenförderung nicht erreicht wird. Ich wette gerne mit Herrn Dr. Jaeckel, dass der nächste ZDF-Fernsehrat prozentual weniger Frauen haben wird. Es ist strukturell so, dass von den Ländern nur Männer entsandt werden. Für jede Einzelposition werden tendenziell eher Männer benannt. Wir haben jetzt nur noch Einzelplätze zu vergeben. Die Evangelische und die Katholische Kirche handeln schon mustergültig, indem sie eine Frau und einen Mann entsenden. Das wird weiterhin so sein. Aber das wird nicht ausreichen.
Abschließend zum MDR-Staatsvertrag: Ich hatte Herrn Panter nicht angesprochen und fand es interessant, dass er sich angesprochen fühlte. Tatsächlich gemeint hatte ich die Staatsregierung in ihrer Eigenschaft als Rechtsaufsichtsbehörde im MDR-Staatsvertragsgebiet. Die Staatsregierung müsste jetzt die Verhandlungen über einen neuen MDR- Staatsvertrag starten. Im Mai herrschte Einigkeit aller drei Länder, diesen Weg gehen zu wollen. Die Staatsregierung hat bisher insoweit leider nichts getan. Wir wissen – wir kommunizieren diesbezüglich ja über Kleine Anfragen –, wie zaghaft und zurückhaltend Sie in diesem Bereich agieren. Vor diesem Hintergrund äußere ich noch einmal den Wunsch, den MDRStaatsvertrag stärker in den Fokus zu nehmen.
Ich hoffe, dass auch der Landtag als Legislative beteiligt wird, um mit der hier abgebildeten politischen Vielfalt auf die Debatte einwirken zu können. Der entsprechende Ausschuss des Thüringer Landtags hat für sich einen solchen Beschluss gefasst.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lieber Herr Neubert, Sie haben erneut den MDRStaatsvertrag angesprochen und dabei behauptet, die Staatsregierung agiere insoweit zaghaft. Daher muss ich noch einmal an das Pult treten und etwas dazu sagen. Die Staatsregierung des Freistaates Sachsen ist in dieser Angelegenheit nicht zaghaft.
Wir haben uns intern Gedanken darüber gemacht, in welcher Form der MDR-Staatsvertrag hätte novelliert werden können. Ich möchte aber auf den Umstand hinweisen, dass in Sachsen-Anhalt eine Landtagswahl ansteht. Zu anderen Gesetzen haben wir von der Landesregierung von Sachsen-Anhalt schon die Aussage gehört, dass sie diese Gesetze nicht mehr durch den Landtag bringen werde. Das ist der Hauptgrund dafür gewesen, dass wir gesagt haben: Wir als Exekutive müssen unsere Arbeit wieder aufnehmen, nachdem die Landtagswahl am 16. März 2016 stattgefunden und sich eine Regierung gebildet hat.
Herr Neubert, Sie selbst haben doch auf die besondere Situation nach der Landtagswahl in Thüringen hingewiesen. Es ist relativ schwierig, einen so komplexen Vorgang wie den MDR-Staatsvertrag zu bearbeiten, wenn es eine unsichere Gesprächsgrundlage gibt.
Derzeit lautet in der Staatsregierung die Auftragslage, sich mit dem MDR-Staatsvertrag intensiv zu beschäftigen. Dies ist auch deshalb notwendig, weil wir in der BundLänder-Arbeitsgruppe zur Medienkonvergenz einen
großen Bereich zu regulierender Themen zu bearbeiten haben. Ich habe die Vorstellung, mit den Fraktionen nochmals im Ausschuss darüber zu sprechen, welche Details des großen Themas „Medienkonvergenz“ tatsächlich auf der Tagesordnung stehen werden.