Protocol of the Session on October 8, 2015

(Dr. Frauke Petry, AfD: Sie sind zuverlässig, Herr Lippmann! – Weitere Zurufe von der AfD)

Wenn das der Auftakt zu einer populismusfreien, inhaltlichen Arbeit sein soll, dann haben Sie ja jetzt noch vier Jahre Zeit, daran anzuknüpfen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Ich wiederhole das, was Kollege Stange zu Ihrem gestrigen Antrag gesagt hat: „Parlamentarische Arbeit vorgetäuscht“.

Vielleicht ist es ja Ausdruck einer gewissen politischen Rückständigkeit, dass es schon der zweite Antrag innerhalb von zwei Plenarwochen ist, mit dem Sie etwas fordern, was schon längst weitestgehend umgesetzt ist. Beim letzten Mal waren es die Ruhestandseintritte bei den Polizisten.

Kurzum: Wir werden den Antrag ablehnen. Wir GRÜNE setzen uns seit Jahren für eine familienfreundliche Arbeitszeit, eine Stärkung von Beruf und Familie und eine Verbesserung der Zusammenarbeit in diesem Punkt ein.

Dem öffentlichen Dienst kommt dabei eine hohe Vorbildfunktion zu. Die große Zahl der Beschäftigten, der hohe Anteil von Frauen, die große Flexibilität bei der Organisation der Arbeitsabläufe eröffnen dem öffentlichen Dienst tatsächlich die Chance, ein familienfreundlicher Arbeitgeber zu sein, und diese Chance muss man tatsächlich nutzen.

Man muss aber auch erwähnen – das hat Kollege Hartmann bereits ausgeführt –, dass sich die Staatsregierung bereits in vielen Punkten hierbei gut hervortut und redlich bemüht. Zum Beispiel ist das Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr bereits seit 2006 Zertifikatsträger des Audits „Beruf und Familie“. Das von Ihnen, verehrte Kollegen von der AfD, hervorgehobene Finanzministerium darf diesen Titel übrigens erst seit 2013 führen. Solche Zertifizierungen sind zu begrüßen und setzen voraus – das ist der Schritt, bevor man zu Instrumenten wie Telearbeit greift –, dass sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und darüber nachdenken, was eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie und

Prozesse für eine Attraktivität des öffentlichen Dienstes sind.

Zu den Maßnahmen der Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehört nun wahrlich mehr als die Telearbeit. Dazu gehören auch Heim- und Teilzeitarbeit, flexible Arbeitszeiten, der Ausgleich von Mehrarbeitsstunden und ein familienbewusstes Führungsverhalten. Es geht auch darum, berufliche Nachteile abzuwenden, die sich insbesondere aus Teilzeitarbeit oder Erziehungszeiten ergeben. Häufig wird das bei der Beförderung der Arbeitnehmer noch nicht vollumfänglich berücksichtigt. Dafür braucht es klare gesetzliche Regelungen, und da gibt es Hebel, über die wir reden müssen.

Wir sollten aber nicht die Telearbeit herausnehmen, denn es braucht dafür ein Gesamtkonzept für einen attraktiven öffentlichen Dienst. Sie picken sich einen einzigen Punkt, der wahrscheinlich schon am weitesten in der Umsetzung ist, heraus, und dieser Punkt allein kann sogar kontraproduktiv sein; denn – wie schon mehrfach dargestellt wurde – Telearbeit hat auch Nachteile.

Mitarbeiter werden nicht vollumfänglich in den Geschäftsbetrieb integriert und identifizieren sich vielleicht nicht mehr ausreichend mit der Behörde. Sie sind zu wenig an den formellen und informellen Arbeitsabläufen dran. Das sind Risiken, denen man sich stellen muss, wenn man eine ordentliche Bewertung braucht.

Es ist wichtig, eine gute Balance zu finden und sich über die Kosten zu unterhalten, zu denen Sie generell herzlich wenig ausführen. Gerade das Pilotprojekt des Finanzministeriums, bei dem es um einen datenhochsensiblen Bereich geht, zeigt deutlich, dass ein Über-den-KammScheren von Telearbeit alles andere als angebracht ist.

(Gelächter bei der AfD)

Einen Steuerbescheid von zu Hause zu erledigen ist etwas anderes, als ein normales Geschehen in einem Ministerium zu bearbeiten, und das kann man nicht über einen Kamm scheren, wie Sie es hier tun.

Letztendlich beabsichtigen Sie in Ihrem Antrag die Stärkung des ländlichen Raumes mit der Telearbeit. Werte Damen und Herren von der AfD, das ist schlichter Unsinn, denn hier erliegen Sie einem Irrtum. Die alternierende Telearbeit – das wurde bereits dargestellt – setzt ja voraus, dass man auch zu Teilen in der Dienststelle vor Ort ist. Der Arbeitsplatz bleibt erhalten. In der Regel reden wir hierbei von über 50 % der Arbeit, die von zu Hause erledigt wird. Das ersetzt nicht den Arbeitsplatz in der Dienststelle. Es ersetzt auch nicht das Fahren zur Behörde, an die Dienststelle. Dementsprechend ist es leidlicher Unsinn, wenn Sie hier behaupten, dass das zu einer Stärkung des ländlichen Raumes führen würde. Dafür brauchen wir andere Instrumente.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da müsste man über das Standortekonzept nachdenken und über die Frage, welche Behörden wir im ländlichen Raum haben, anstatt dieses hier als vermeintliche Lösung

zu präsentieren. Auch das berücksichtigen Sie in Ihrem Antrag nicht.

Gestatten Sie mir einen letzten Aspekt. Das letzte Pilotprojekt zu fordern bringt nichts. Es braucht eine umfassende Gesamtkonzeption für einen attraktiven öffentlichen Dienst. Diese bleiben Sie schuldig. Als meine Fraktion im Haushaltsbegleitgesetz einen entsprechenden Entschließungsantrag vorgelegt hat, der das alles beinhaltete, hat sich die AfD nicht zu Wort gemeldet und diesem Gesamtantrag nicht zugestimmt. Und jetzt stellen Sie sich hier hin und fordern Telearbeitsplätze. Das ist unehrlich, werte Damen und Herren.

(Oh-Rufe von der AfD – Uwe Wurlitzer, AfD: Haben Sie paar Taschentücher für mich? – Heiterkeit im Saal)

Meine Damen und Herren! Die erste Runde ist absolviert. Gibt es Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen für eine zweite Runde? – Frau Abg. Dr. Petry, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Da dieser Antrag, obwohl Gemeinsamkeiten durch alle Fraktionen festzustellen sind, so viel Diskussionsbedarf erfordert, möchte ich dazu Stellung nehmen.

Sehr geehrter Herr Hartmann, Sie haben letztlich mit vielen Worten nur unterstrichen, dass es in der Tat Gemeinsamkeiten gibt. Anders als manche Fraktion haben wir kein Problem, diese Gemeinsamkeiten deutlich zu machen.

Oppositionsarbeit heißt aber nicht immer nur zu kritisieren, sondern auch Regierungshandeln zu befördern. Wenn Sie das alles vorhaben, dann legen Sie doch einen Plan vor, wie Sie, wenn Sie es für richtig halten, die Anzahl der Telearbeitsplätze weiter erhöhen werden. Denn dass in der Statistik eine Steigerung von 96 Arbeitsplätzen im Jahr 2010 auf 175 Arbeitsplätze im Jahr 2014 ausgewiesen wird, sieht nicht nach einem gezielten Ausbau aus. Wir werden es im Rahmen der Haushaltskontrolle weiter untersuchen, und Sie werden hoffentlich berichten.

(Lachen des Abg. Christian Hartmann, CDU)

Die Ausführungen anderer Redner – Herr Lippmann, danke, wir hätten sonst die erste Debatte ohne das Wort „populistisch“ gehabt, aber Sie sind zuversichtlich und zuverlässig in Ihrer unsachlichen Art und Weise –

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

zeigen aber auch, dass nicht zugehört wurde. Natürlich möchten wir Kosten evaluieren, und es war mitnichten die Rede davon, dass nur Kosten eingespart werden sollen, auch wenn es sinnvoll ist. Die Kosteneffizienz kann nicht nur hinsichtlich der Einrichtung von Arbeitsplätzen begutachtet werden, sondern es geht auch darum, welche Kosten die Arbeitnehmer verursachen, wenn sie sich auf den Arbeitsweg begeben.

Dass der ländliche Raum nicht gefördert wird, wenn Mitarbeiter nicht mehr an fünf Tagen in der Woche zur Arbeit kommen, sondern nur noch an zwei Tagen, das müssen Sie mir einmal erklären, Herr Lippmann. Offensichtlich leben Sie nicht auf dem Land, und wenn Sie dort leben, dann sind Sie nicht häufig genug dort.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

In diesem Zusammenhang denken wir nach wie vor, dass es sinnvoll ist, diese Kosten zu untersuchen. Dass diese in unterschiedlichen Ministerien variieren werden, ist gut möglich. Wie und ob sie in großem Maße variieren, Herr Hartmann, das könnte man in einer Untersuchung feststellen. Letztlich geht es darum, Computerarbeitsplätze einzurichten. Ob die elektronische Akte oder andere Dokumente transportiert werden müssen, ist wohl eher eine Frage der Breitbandanbindung, und über die haben wir schon vorher gesprochen. Diese wollen Sie ja in jedem Fall fördern.

Ich stelle fest, dass man selbst bei Themen, die Konsens sein sollten, alle Kraft aufwendet, um einen möglichen Dissens zu produzieren. Damit haben wir kein Problem. Wir diskutieren gern weiter und bitten weiterhin um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Das war Frau Dr. Petry für die AfD-Fraktion in einer zweiten Rederunde. Gibt es weiteren Redebedarf? – Das stelle ich nicht fest. Wird noch eine dritte Runde gewünscht, Frau Dr. Petry? – Dann frage ich die Staatsregierung, wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Ulbig, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Um es aus der Sicht der Staatsregierung zu beschreiben und im Bild zu bleiben: Die Staatsregierung hat das Thema schon längst auf dem Schirm, Frau Dr. Petry. Ein vernünftiger Ausbau von Telearbeit ist einerseits Bestandteil des Koalitionsvertrages und andererseits machen sich alle Ressorts nicht nur Gedanken, sondern sind intensiv in guten Gesprächen mit den Personalvertretungen, und einzelne Beispiele – seien sie vom SMF oder vom SMWA – sind hier schon vorgetragen und in einzelnen Redebeiträgen gelobt worden.

Allein in meinem Zuständigkeitsbereich, im SMI, nutzen etwa 50 Bedienstete die Telearbeit. Wir haben seit 2001 eine Rahmendienstvereinbarung, die dafür alles Notwendige regelt. Aktuell sind wir intensiv dabei und arbeiten mit den einzelnen Vertretungen daran, diese Vereinbarung anzupassen. Wir wollen die Hürden weiter senken und außerdem sogenannte mobile Kurzzeittelearbeit ermöglichen – also flexible Telearbeit je nach konkreter Situation; denn diese ist besonders geeignet, wenn kurzfristige Projekte anstehen. Sowohl für uns als Arbeitgeber als

auch für die Bediensteten ist eine solche Vereinbarung, eine solche Möglichkeit ein echter Gewinn.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Dr. Petry, wenn man sich Ihren Beitrag angehört hat und den Antrag durchliest, könnte man ja denken, Telearbeit sei das Allheilmittel für sämtliche Herausforderungen unseres Landes. Das ist aus meiner Sicht eine maßlose Übertreibung. Es geht dabei nicht darum, einen Dissens dem Grunde nach hervorzutun, sondern man muss genau prüfen, wo das Arbeiten von zu Hause aus sinnvoll ist und wo Telearbeit angezeigt ist; denn es gibt dafür auch Grenzen. Das hat Herr Lippmann deutlich gemacht. Ich will es noch einmal vortragen: Manche Aufgaben löst man am besten im Team.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Staatsminister?

Gern.

Sehr geehrter Herr Ulbig, Herr Minister, können Sie mir bitte sagen, wo ich in meinem Beitrag erwähnt habe, Telearbeit sei das Allheilmittel? Im Gegenteil, ich habe sowohl auf Vor- als auch Nachteile hingewiesen.

(Zurufe von den LINKEN)

Frau Dr. Petry, ich will ganz besonders an Ihren letzten Beitrag erinnern, als Sie hier vorn gestanden und sich darüber aufgeregt und geärgert haben, –

(Dr. Frauke Petry, AfD: Ich habe mich nicht geärgert!)

dass kritische Positionen vorgetragen worden sind und dass es Grenzen bei diesem Thema gibt. Aus diesem Grunde fühlte ich mich veranlasst, noch einmal deutlich zu machen, dass es Grenzen gibt: neben den Teamvoraussetzungen, die an manche Arbeit gebunden sind, auch sensible Daten, wie sie beispielsweise bei der Arbeit von Personalern eine Rolle spielen; sie bleiben besser im Büro. Auch Besprechungen erfordern eine Anwesenheit und Führungskräfte sollten auch Mitarbeiter führen und vor Ort tätig sein. Diese Punkte wollte ich noch einmal hervorheben.

Es bleibt also dabei: Die Staatsregierung wird auch weiterhin in allen Bereichen die Telearbeit nicht nur prüfen, sondern den Ausbau genau dort vorantreiben, wo er sinnvoll ist. Im Endeffekt ist es immer wieder eine individuelle Entscheidung des Einzelnen, ob er oder sie das Angebot annehmen und nutzen möchte. Dazu brauchen wir den Antrag weiß Gott nicht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei den LINKEN und den GRÜNEN – Beifall bei der Staatsregierung)