Protocol of the Session on September 16, 2015

(Fortwährende Zurufe des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Realistisch anschauen – –

Herr Piwarz, wenn Sie eine Frage stellen wollen...

(Christian Piwarz, CDU: Nein, ich rufe dazwischen, das darf ich nämlich!)

Sie haben gar keine Ahnung, deshalb können Sie gar keine Frage stellen; insofern sollten Sie vielleicht einmal den Mund halten. Hören Sie erst einmal zu, dann werden Sie vielleicht das eine oder andere sogar verstehen.

(Beifall bei den LINKEN)

Den Schuljahresbeginn schönzureden – reibungsloser Start, vor jeder Klasse steht ein Lehrer – bringt es nicht. 20 % der eingestellten Lehrerinnen und Lehrer sind schulartfremd eingestellt worden – das sind knapp 200 Lehrerinnen und Lehrer. 20 % sind Seiteneinsteiger – auch knapp 200 Lehrerinnen und Lehrer, die zurzeit sofort in eine Fortbildung gehen müssten, um den Anforderungen, die im Freistaat Sachsen an den Schulen gestellt werden, wirklich gerecht zu werden.

Was passiert? Einen Kurs gibt es bisher im Freistaat Sachsen mit 25 Lehrerinnen und Lehrern, die ihre Ausbildung begonnen haben, und dabei ist der größte Anteil noch aus dem vergangenen Schuljahr, die zum Teil noch keine Ausbildungen als Pädagogen hatten.

Wir wollen uns einmal anschauen, wie es mit den Einstellungszahlen aussieht. Die Ministerin hat verkündet, dass 964 Lehrerinnen und Lehrer unbefristet eingestellt worden sind – positiv, sehr gut, keine Frage.

(Christian Piwarz, CDU: Na also!)

755 Lehrerinnen und Lehrer sind ausgeschieden. Als wir hier im Hohen Hause über den Haushalt debattiert haben, ist uns klar zugesagt worden: Alle, die ausscheiden, werden wieder ersetzt. Darüber hinaus stehen uns noch Stellen im Maße von 385 unbefristeten Einstellungen zur Verfügung. Wenn ich eine Differenz bilde zu dem eingestellten Personal und dem, das uns im Haushalt zur Verfügung steht, haben Sie im Moment 176 Stellen nicht besetzt, die unbefristet besetzt werden könnten.

Jetzt frage ich Sie – aber vielleicht muss ich Sie gar nicht fragen, Frau Kurth, sondern eher Herrn Unland –: Herr Unland, sind das schon die ersten Stellen, die wir wieder einsparen, weil Sie sich nicht so viele Lehrer leisten wollen, oder wann werden denn diese Lehrer unbefristet eingestellt? Denn die Belastung der Lehrerinnen und Lehrer ist extrem, sehr extrem.

Es gibt ein Schreiben, einen offenen Brief von Grundschullehrern – Sie haben es alle bekommen, denke ich, zumindest die bildungspolitischen Sprecher –, von der GEW, in dem es einen großen Hilferuf gibt.

(Christian Piwarz, CDU: Wann denn? Wahrscheinlich wieder nur bei Ihnen!)

Die Ministerin hat ihn bekommen; es ist ein offener Brief an die Ministerin, schauen Sie ihn sich einmal an.

(Zurufe der Abg. Christian Piwarz und Steve Ittershagen, CDU)

Wir haben in diesem Schuljahr 6 000 Schülerinnen und Schüler zusätzlich. Allein dafür brauchen wir in unserem Schulsystem 270 Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich. Wie sieht es zu Beginn des Schuljahres aus: Drei Wochen lang wurde zu Beginn des Schuljahres an Grundschulen nur Klassenleiterunterricht durchgeführt, keine klassische Stundentafel; die hat bis vor drei Wochen an vielen Schulen noch überhaupt nicht existiert, um einen planmäßigen Unterricht durchzuführen.

(Christian Piwarz, CDU: So ein Unsinn!)

Es gibt zunehmend aus dem ganzen Land – von Eltern, Schülern, auch von Schulleitern – Anfragen bezüglich der Unterrichtsversorgung. Es gibt Klassen, die noch nicht eine Stunde Biologie, noch nicht eine Stunde Chemie hatten. Die Stundentafelkürzung ist schon zu Beginn – –

(Steve Ittershagen, CDU: Sie übertreiben maßlos!)

Ich finde es toll, wie Sie reagieren; das muss unheimlich treffen, was wir hier sagen.

(Christian Piwarz, CDU: Unerträglich!)

Sie müssen bitte zum Ende kommen, Frau Falken.

Die Stundentafel ist schon zu Beginn des Schuljahres extrem gekürzt.

Der Ministerpräsident hat schon zur Haushaltsdebatte gesagt: So viele Lehrer, wie gebraucht werden, so viele Stellen stehen auch zur Verfügung. Dies fordern wir hier und heute ein.

(Christian Piwarz, CDU: Das machen wir auch! – Weitere Zurufe von der CDU)

(Beifall bei den LINKEN)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Bienst, bitte.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Jetzt sind wir gespannt, Herr Bienst, was Sie uns sagen! Eigentlich stimmt das alles nicht, was Frau Falken gesagt hat, oder?!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich auf das linke Märchen reagiere, möchte ich eine Sachstandsanalyse durchführen. Ich glaube, hier im Hohen Hause kennt jeder den Film von Harold Ramis mit Bill Murray „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

Ich könnte jetzt noch einmal kurz den Sachverhalt schildern; aber das würde nicht viel zur Sache beitragen. Im Kern geht es darum, dass der TV-Moderator jeden Tag nach dem Aufwachen immer wieder das Gleiche erfährt. Ich würde den Titel dieses Films gern abwandeln in „Und jährlich grüßt DIE LINKE mit Bildungshorrorszenarien“.

Ich möchte das natürlich belegen und gehe vier Jahre zurück. Im Jahr 2011 lautete der Titel des Antrags der Fraktion DIE LINKE – Frau Präsidentin, ich zitiere –: „Geisterfahrt des Kultusministers beim Einsatz von Lehrkräften zum Schuljahresbeginn beenden!“, im Jahr 2012: „Sachsen wehrt sich gegen die Schulpolitik der Kultusministerin und die Diffamierung der Lehrerinnen und Lehrer …“, im Jahr 2013: „Motiviert oder streikend ins neue Schuljahr? – Forderungen der Lehrerinnen und Lehrer erfüllen!“, im Jahr 2014, vor der Sommerpause: „Staatsregierung akut versetzungsgefährdet – Chaos zum Schuljahresbeginn rechtzeitig abwenden!“ Und heute: „Alle Jahre wieder: Das Märchen vom reibungslosen Start ins neue Schuljahr“.

(Christian Piwarz, CDU: Immer dasselbe! – Cornelia Falken, DIE LINKE: Ist nicht zwischendurch ein Kultusminister zurückgetreten?)

Liebe Kollegin Falken, ich frage mich: Wo haben Sie die von Ihnen gerade genannten Informationen her? Ich denke, dass gerade die Unterrichtsqualität im Freistaat Sachsen nicht ständig abnimmt. Wir haben eine Schullandschaft mit hoher Qualität organisiert und werden sie auf diesem Niveau halten. Ich habe keine Schreiben, von denen Sie gerade berichtet haben, zu verfehlter Personalpolitik und verfehltem Personaleinsatz erhalten. Nach Ihrer Darstellung werden die Probleme immer größer. Ich weiß nicht, woher Sie diese Kenntnis haben.

Dass wir ein Personalentwicklungskonzept vorlegen, steht in der Koalitionsvereinbarung. Ich glaube, darin steht auch ein Termin: bis Ende des Jahres 2015. Nun schreiben wir den Monat September. Ich kann also nicht nachvollziehen, warum wir schon im September dieses Personalentwicklungskonzept vorlegen sollen.

Natürlich gibt es zu einem Schuljahresbeginn auch Probleme, das will ich überhaupt nicht bestreiten. Denken Sie nur daran, dass wir in Sachsen 385 000 Schüler an öffentlichen Schulen haben und dass dort circa 29 500 Lehrerinnen und Lehrer beschäftigt sind. Wenn ich beide Zahlen addiere, komme ich auf 414 500 Menschen in

diesem System. Natürlich treten bei denjenigen, die innerhalb dieses Systems wirken, also sowohl bei den Schülerinnen und Schülern als auch bei den Lehrerinnen und Lehrern, Krankheiten und Ausfälle auf. Das ist nicht anders als in einem Konzern mit einer knappen halben Million Mitarbeiter, also eine ganz normale Erscheinung.

Die Behauptung, eine Stundentafel liege nicht vor oder eine klassische Stundentafel werde nicht erfüllt, wage ich zu bezweifeln. Das müssten Sie mir bitte an dieser Stelle beweisen.

Genauso müssten Sie mir beweisen, dass aufgrund planmäßiger Stundenzahlkürzung ein planmäßiger Unterrichtsausfall entstehe. Wir haben in unserem Fachausschuss unser klassisches „Herbstlaub“. Für die anderen Kollegen zum Verständnis: Das ist eine Excel-Tabelle, in der auf die Stunde und den Lehrer genau aufgeschlüsselt wird, wie und wo Schule hier in Sachsen passiert.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Auf den Lehrer genau?)

Diese Excel-Tabelle haben wir eben noch nicht vorliegen. Aber Sie behaupten hier, dass im Schulbereich in Sachsen alles schieflaufe. Ich habe bisher noch kein entsprechendes Signal gehört. Es gibt nur wenige Ausnahmen, wo genau das eingetreten ist, was ich gerade erläutert habe: Stundenausfall infolge von Krankheit.

Nennen Sie uns bitte Beispiele, Frau Falken! Sollte es Unzulänglichkeiten geben, dann werden wir diese beseitigen. Aber wir brauchen, wie gesagt, Beispiele. Dazu will ich in der nächsten Runde mehr sagen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Für die SPDFraktion Frau Raether-Lordieck, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank! Meine Damen und Herren! Auch wenn der Titel des Antrags es nahelegt: Nein, ich werde vor diesem Hohen Haus keine Märchen erzählen. Vielmehr werde ich bei der Wirklichkeit und bei den Fakten bleiben. Zu diesen gehört, dass wir jede Lehrkraft, die eine unserer sächsischen Schulen verlassen hat, eins zu eins durch neu – und unbefristet! – eingestellte Pädagogen und Pädagoginnen ersetzt haben.

Darüber hinaus sind über 250 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer eingestellt worden, die wir natürlich aufgrund des Anstiegs der Schülerzahlen dringend brauchen; das geben wir gern zu.

Ich erzähle auch kein Märchen, wenn ich darauf hinweise, dass es bisher nicht so war. Noch 2012 wurden trotz steigender Schülerzahlen Lehrerstellen abgebaut. Diese Praxis haben wir in unserer Koalition überwunden. Bei uns stehen keine Stellenkürzungen mehr auf der Tagesordnung. Vielmehr werden wir auch in den kommenden Jahren für stetige Neueinstellungen von Lehrerinnen und Lehrern sorgen, um die Kolleginnen und Kollegen zu

ersetzen, die aus Altersgründen in ihren wohlverdienten Ruhestand wechseln.

Natürlich gehört es zur Wahrheit dazu, auch Probleme zu benennen. Angesichts von 20 % Quereinsteigern und weiteren 20 % schulartfremd beschäftigten Lehrkräften müssen wir uns die Frage nach der Lehrerrekrutierung und letztlich nach der Attraktivität des Lehrerberufs bei uns in Sachsen stellen.