Protocol of the Session on September 16, 2015

Die Konzentrationswirkung der Vorrang- und Eignungsgebiete verhindert eine Verspargelung der Landschaft, da die Ausweisung geeigneter Standorte den Ausschluss von Windenergie im restlichen Gebiet nach sich zieht. Es ist das Ziel der Koalition, die regionalen Planungsverbände auf dem Weg der Fortschreibung zu unterstützen und in einem geregelten und zügigen Verfahrensablauf einen rechtskräftigen und auch rechtssicheren Beschluss des Regionalplanes zu ermöglichen;

(Beifall bei der CDU und der SPD)

denn nur dies schafft Rechtssicherheit bei der Steuerung der Windenergienutzung. Für uns ist es wichtig, gemeinsam mit den regionalen Planungsverbänden darüber zu beraten, wie die Bürgerinteressen in besonderem Maße Berücksichtigung finden können und wie auf der lokalen Ebene ein gerechter Interessensausgleich gelingen kann.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Die Linksfraktion. Frau Dr. Pinka, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Urban! Drei oder vier Landkreise sind noch nicht flächendeckend Sachsen, würde jetzt die Naturwissenschaftlerin sagen. Bis zu 100 % fehlt hier noch ein wenig.

(Beifall bei den LINKEN)

Aber zurück zum Antrag: Die Fraktion DIE LINKE hat bereits im Dezember 2014 einen Antrag mit dem Titel „Energiewende voranbringen – Länderöffnungsklausel nicht in Anspruch nehmen“, Drucksache 6/466, in den Geschäftsgang eingebracht. Wir haben diesen am 27. Februar im Umweltausschuss mit Sachverständigen anhören lassen. Daher haben wir alle zusammen – auch die AfD hat an dieser Anhörung teilgenommen – einen gewissen Wissensvorsprung. Diese Anhörung ergab, dass die Umsetzung der sogenannten 10H-Regelung wie in Bayern die Energiewende in Sachsen zum Stillstand bringen würde. Aber das ist offensichtlich Ihr Ziel für Deutschland.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Ja!)

Prima Alternative, kann ich da nur sagen.

Auch ich weiß aus Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern, dass viele Menschen Bedenken haben, wenn sie hören, dass neue Windenergieanlagen bei ihnen gebaut werden sollen. Es geht darum, dass gewohnte Blickbeziehungen verstellt werden, es geht um Infraschall, und es geht natürlich auch um Vogelschredderargumentation. Ich will diese Probleme auch nicht kleinreden oder lächerlich machen; große Windräder in nächster Nähe haben eine erdrückende Wirkung. Es gibt Menschen, die tatsächlich anfällig für Infraschall sein können und nicht schlafen können. Hier muss es ohne Zweifel Untersuchungen geben.

Es kann auch nicht sein, dass Tiere besser beschützt werden müssen als Menschen. Mich stört aber, dass sich plötzlich Leute als Vogelkundler ausgeben, wenn eine Windpotenzialfläche bei ihnen in der Nähe auftaucht. Mich stört das Klein-Klein der Diskussion, wenn es nur um die nächste Umgebung geht und sich die Leute für dieselben Probleme drei Orte weiter überhaupt nicht mehr interessieren. Aber auch das ist menschlich und nachvollziehbar.

Es ist vieles möglich, denkbar und sinnvoll. Ein von allen Seiten mit Windrädern eingekreistes Dorf sollte vorab planerisch verhindert werden. Bei bestimmten Sonnenständen sollten Windräder abgeschaltet werden, wenn sie einen Schlagschatten verursachen. Auch aus Gründen des Fledermaus- und des Vogelschutzes können solche Anlagen an bestimmten Standorten zu bestimmten Zeiten oder Wetterlagen abgeschaltet oder gar nicht errichtet werden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin.

Sehr geehrte Kollegin, Sie haben eben ausgeführt, dass Infraschall ein Problem ist und untersucht werden müsste. Können Sie mir bitte einmal beantworten, warum Sie

dann letztens unseren Antrag zur Untersuchung von Infraschall als Fraktion komplett abgelehnt haben?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Er hat nicht zugehört, was du gesagt hast!)

Sie haben mir wahrscheinlich wirklich nicht zugehört. Ich kann gern noch einmal zurückspulen. Ich habe gesagt, dass ich schon der Meinung bin, dass wir solche Untersuchungen brauchen. Aber wir müssen sie natürlich standortkonkret durchführen. Da nützt eine pauschale Aussage, wie Sie sie hier im Antrag treffen, gar nichts.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Jörg Vieweg, SPD)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Bitte.

Bitte.

Wir hatten einen Antrag auf ein Moratorium, also zu einer Untersuchung zu Infraschall gestellt. Sie stehen jetzt hier im Plenum

(Christian Piwarz, CDU: Die Frage!)

und sagen: Infraschall muss untersucht werden.

Bitte stellen Sie die Frage.

Sie haben gerade völlig daneben geantwortet. Bitte gehen Sie auf meine Frage ein.

Ich gehe gerade auf Ihre Frage ein. Ein Moratorium ist durchaus etwas anderes als eine standortkonkrete Untersuchung von Infraschall.

(Beifall bei den LINKEN)

Ein Moratorium bedeutet für mich die Verhinderung eines gesamten Gebietes, also sachsenweit. Das ist ein Moratorium.

Jetzt möchte ich bitte weitermachen.

Bitte.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ich glaube, er hat es noch nicht ganz verstanden!)

– Das können wir dann später klären.

Ich war dabei stehengeblieben, dass wir Abschaltzeiten brauchen und dass es Maßnahmen gibt, die man ohne Weiteres festlegen kann. Diese müssen bei der Anlagengenehmigung festgelegt und dann überwacht werden.

Einige der Sachverständigen haben in der Anhörung gesagt, dass durch eine 10H-Regelung die Spielräume für die erneuerbaren Energien zu klein würden. Ich gebe daher Auszüge aus dem Statement von Dr. Uhlig vom

Planungsverband Chemnitz wieder. Er sagte, unter Annahme eines Abstandes von der Siedlung bis zur Windkraftanlage blieben ihm nach Abzug sogenannter harter Tabuzonen, also Zonen, die er überhaupt nicht überplanen kann, zum Beispiel Siedlungen, oder wo er Abstände einhalten muss, wie Autobahnen, Hochspannungsleitungen usw., 7 % seiner regionalen Planungsfläche. Dann berücksichtigt er weiche Tabuzonen, zum Beispiel Bereiche in der Nähe prägender Kulturlandschaften. Da blieb ihm noch 1 % seines Potenzialgebietes übrig. Da wird es schon eng, aber es würde dem Grundsatz, Windkraft substanziell Raum zu geben, noch entsprechen. Dann ging er in seinen Ausführungen darauf ein, was die Umsetzung einer gesetzlichen Bindung in der Baugesetzgebung und die Einführung einer 10H-Regelung für ihn bedeuten würde. Das wäre ein zusätzliches hartes Tabukriterium, nämlich ein gesetzliches. Damit könnte er kein Windenergiekonzept für seinen Planungsverband mehr umsetzen.

Wichtig ist der Grundsatz, dass das Ziel erreicht werden muss. Wir brauchen einen bestimmten Anteil erneuerbarer Energien im Netz, und das möglichst schnell. Planungsgrundlage hierfür sind die allesamt zu geringen Ausbauziele für die erneuerbaren Energien in Sachsen. Wenn nicht einmal diese erreicht werden können, dann hat die Staatsregierung ihren Job schlecht gemacht.

Fest steht, dass eine Landschaft mit erneuerbaren Energien anders aussieht. Fest steht, dass dies mit den aktuellen Sehgewohnheiten kollidiert. Aber der sprichwörtliche Kampf gegen die Windmühlen ist ein Zeichen dafür, dass sich Gewohnheiten – hier Sehgewohnheiten – ändern müssen. Die in der Landschaft sichtbare Energiegewinnung zeigt uns immer wieder neu, mit welchem Aufwand und unter welchen Schmerzen Energiegewinnung stattfindet. Da werden nicht mehr irgendwo in der Lausitz gleich einmal 1 800 Hektar für 300 Millionen Tonnen Kohle am Stück umgepflügt, sondern wir selbst sind plötzlich betroffen. Der Strom kommt nicht mehr aus der Steckdose, sondern vom Windrad um die Ecke.

Ich will jetzt nicht Diskussionen provozieren, wie viele Menschen von dem einen Windrad versorgt werden und was ist, wenn Windstille herrscht. Es geht mir darum zu zeigen, wie sich die Landschaft verändern wird, wenn sich die Energiequellen vor unserer Haustür ändern. Hier geht es um Akzeptanz. Wann sind die Windräder, die Biogasanlage, die Fotovoltaikanlage bei mir um die Ecke akzeptabel? Sie sind es in erster Linie wohl, wenn ich selbst einen Vorteil davon habe, wenn ich an ein Nahwärmenetz angeschlossen bin oder günstiger als vom eigenen Gaskessel Heizung und Warmwasser bekomme, wenn mein Kind oder Enkel in der Kindertagesstätte durch ein gemeindeeigenes Windrad das Mittagessen subventioniert bekommt usw.

Mit der eigenen Beteiligung an Erneuerbare-EnergienAnlagen sieht es wegen der schlechten privaten Finanzlage in Sachsen wohl eher mau aus. Aber auch da gibt es Möglichkeiten, wenn ein politischer Wille mit der genügenden Kreativität gekoppelt wird.

Mit den sperrigen Planungsprozessen in Endlosrunden, die wir derzeit haben, in denen nicht zusammen ein Ziel gestaltet, sondern gegeneinander argumentiert wird und in denen selbst einige Bürgermeister nur widerwillig die von der Staatsregierung gesteckten Ziele umsetzen, ist das kaum zu machen.

Die Energiewende ist eine Aufgabe, die nur gelingen kann, wenn möglichst viele sehen, dass es sich dabei um ein wichtiges Projekt handelt. Das gelingt nicht, wenn widerwillig über irgendwelche nicht verstandenen Papierberge abgestimmt werden muss und sich die Mehrheit irgendwie über den Tisch gezogen fühlt. Hier ist viel zu tun, wozu die Staatsregierung bis jetzt offenbar noch keine richtige Lust hat oder wofür sie noch zu träge ist.

Vielleicht braucht der Herr Ministerpräsident Tillich gar keine 10H-Regelung mehr, um die eigenen Ziele zu verfehlen. Seltsame Verteilungsschlüssel im Landesentwicklungsplan und eine rigide Ablehnungspolitik in den Landesdirektionen führen dazu, dass keine Windenergieanlagen mehr errichtet werden können. Hier wird nichts mehr ermöglicht oder kooperativ gelöst, sondern nur noch verhindert. Ein Beispiel dafür ist der Antrag der energieökologischen Modellstadt Ostritz, die Standorte für weitere Windenergieanlagen zum Repowering beantragen wollte. Der Stadtrat hatte bereits 2012 dafür einstimmig votiert. Der regionale Planungsverband begrüßte das Vorhaben ausdrücklich und sah seine eigenen Planungen nicht behindert. Dennoch lehnte die Landesdirektion ab. Die Stadt hatte auch mit einem Widerspruch keinen Erfolg. Es gibt weitere Beispiele, bei denen die Staatsregierung selbst vor Ort gewollte Projekte unterbindet.

Der Stillstand bei der Energiewende ist das eine. Das andere ist die Frage, inwiefern eine solche Regelung überhaupt Bestand hätte. In der eingangs erwähnten Anhörung zum Antrag sprachen neben den Experten von den Planungsverbänden und vom Landschaftsschutz Juristen, ein Stadtwerke-Chef und Wissenschaftler. Einen breiten Raum nahm die Diskussion ein, inwieweit eine Vergrößerung des Abstandes zwischen Windkraftanlage und Wohnbebauung überhaupt möglich sein könnte und rechtlich Bestand hätte. Die 10H-Regelung löst nämlich keine Probleme, sondern schafft neue.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die AfDFraktion meint, der Anwalt der kommunalen Ebene in der Frage der Windkraftnutzung zu sein. Es wäre sinnvoller gewesen, in den Planungsregionen aufgrund des Wissens aus der Anhörung aufklärend unterwegs zu sein; denn die Privilegierung der Windkraft im Außenbereich hätte auch durch die Einführung einer 10H-Länderöffnungsklausel in der Baugesetzgebung Bestand. Eine Verhinderungsplanung durch Kommunen und regionale Planungsträger mittels Regionalplan wäre wie bisher rechtswidrig. Sie würde nur neue Rechtsstreitigkeiten hervorrufen und dennoch am Ende hinten herunterfallen. Damit wäre, glaube ich, niemandem geholfen.

Von daher lehnen wir Ihren Antrag ab.