Protocol of the Session on September 1, 2015

Herr Hartmann, hätten Sie mir zugehört, dann hätten Sie der Rede zwei Elemente, die wir momentan als Lösung sehen, entnehmen können.

(Alexander Krauß, CDU: Fass doch mal zusammen!)

Wir brauchen eine bundesweite Debatte, und ich möchte, dass wir sie vor allen Dingen vonseiten des Freistaates Sachsen führen.

Ich bin ja bei Ihnen, dass wir momentan nicht Polizisten von der Straße rekrutieren und das Problem lösen können. Da bin ich bei Ihnen. Wir brauchen eine bundesweite Debatte über die Priorisierung von Einsatzlagen in Deutschland mit allen Bundesländern. Es ist damit zu rechnen, dass wir in Sachsen nicht die Einzigen sein werden, die mittelfristig dieses Problem haben werden.

Von daher bin ich bereit, dass wir gemeinsam hier eine solche Debatte führen, um zukünftig auch zu sagen: Es ist dann wieder leichter. Da muss man sich auch die Frage stellen: Womit ist die Bundespolizei momentan beschäftigt? Wie sind Kräfte aus anderen Bundesländern auch kurzfristig zu akquirieren? Ich halte das für die ehrlichere und schnellere Antwort, als jetzt auf Wachpolizisten zu setzen.

(Zuruf des Staatsministers Markus Ulbig)

Das ist eine Diskussion, die relativ schnell gehen dürfte. Die Wachpolizei braucht ein Jahr, Herr Minister.

Lassen Sie mich zum Schluss deutlich sagen: Unser aller Ziel muss es sein, dass wir die Ereignisse wie in Heidenau vorletztes Wochenende, aber auch ein weiteres umfassendes Versammlungsverbot in Sachsen nicht wieder erleben müssen.

Vielen Dank

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Wir gehen in die nächste Runde. Es beginnt wieder die Linksfraktion, Herr Abg. Stange.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs etwas sagen, was mir persönlich auf der Seele brennt.

(Oh!-Rufe von der CDU)

Wenn der Herr Urban von der AfD hier ein Bild zeichnet von syrischen Flüchtlingen, jungen Männern – wenn ich das mal übersetzen darf, was er gesagt hat –, dann handelt es sich überwiegend um jugendliche, spätpubertierende, klauende, Drogen vertickende, vergewaltigende Muselmänner.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Das hat er nicht gesagt!)

Wenn man das übersetzt – können Sie zuhören? –,

(Uwe Wurlitzer, AfD: Dann ist Ihre Übersetzung völlig daneben!)

wenn man das so übersetzt, dann werden Sie Ihrer Rolle, die Sie in der Gesellschaft einnehmen wollen, tatsächlich gerecht.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Wer ist denn jetzt der Hetzer?)

Sie sind keine Saubermänner der AfD, sondern Sie sind Brandstifter in Nadelstreifen,

(Uwe Wurlitzer, AfD: Wunderbar!)

die Demonstrationen fordern und sich gegen den Rechtsstaat, gegen Gewaltlosigkeit und gegen eine aufnahmefähige Gesellschaft richten.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN – Carsten Hütter, AfD: Kümmern Sie sich mal um den verlängerten Arm Ihrer Partei!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Äußerte sich dieser Hass bis vor einem Jahr eher unter der Hand und nur in besonders radikalisierten Kreisen der extremen Rechten, so bricht sich in den letzten Tagen dieser Hass nahezu ungezügelt Bahn. Aber so neu ist das alles auch nicht. Lichtelläufe 2013 in Schneeberg, die BI „Heidenau hört zu“ im Herbst 2014, diese beiden Wegmarken zeigen,

dass es wesentlich früher Handlungsbedarf in dieser Gesellschaft und mithin in unserem Staat gegeben hätte.

Mit dem Entstehen von Pegida, Legida und Co. hat die Innenministerkonferenz vor einer Instrumentalisierung der Ängste der Bürger durch das rechtspopulistische und rechtsextremistische Spektrum gewarnt. Aber noch immer geht das Landesamt für Verfassungsschutz von falschen Tatsachen aus, bewusst oder unbewusst.

Lassen Sie uns heute, sehr geehrter Herr Ministerpräsident – vorhin war er noch da –, sehr geehrter Herr Staatsminister, zum zweiten Mal klare Worte sagen und Klarheit zu einem Umstand vereinbaren. Sprechen wir künftig bei jenen, die Asylsuchende und Geflüchtete der Menschenwürde durch Hetze und Gewalt zu berauben versuchen und sie vertreiben wollen, nicht von Asylkritikern und besorgten Bürgern, sondern von fremdenfeindlichen, rassistischen und extremistischen Menschen in diesem Land, denn das sind sie.

Herr Kupfer, lassen Sie mich eins ins Stammbuch schreiben.

(Oh!-Rufe von der CDU)

Wenn Sie von ganz normalen Menschen sprechen, dann sage ich, ohne die, die Sie meinen, stigmatisieren zu wollen: In den Jahren von 1933 bis 1945 und auch danach

(Frank Kupfer, CDU: Sehr schön!)

ist man gemeinhin überrascht gewesen, was ganz normale liebevolle Familienväter und -mütter in den Lagern der Holocaustmaschinerie angestellt haben.

(Zuruf von der CDU: Was hat denn das jetzt damit zu tun? – Zurufe von der CDU)

Ich will es ganz klar sagen: Hüten wir uns davor, als ganz normale Bürger zu bezeichnen, wer dem rasenden Mob schreiend, johlend und applaudierend hinterherläuft. Auch das sei ganz klar und deutlich gesagt.

(Beifall bei den LINKEN – Uwe Wurlitzer, AfD: Wer ist jetzt hier der Brandstifter?)

Die Eskalation in Heidenau ging nicht auf das Konto von Linksautonomen. Es war doch wohl eindeutig, wer den Rechtsstaat herausgefordert hat. Da gibt es nichts zu deuteln.

Kommen wir zum Thema Polizei.

Sehr geehrter Herr Staatsminister, die Polizei ist eigentlich das Organ, das das Gewaltmonopol des Staates innehat. Sie haben gestern Abend bei „Fakt ist“ und heute hier gesagt, die Aufgaben der Polizei hätten sich geändert. Der Laie staunt, der Kenner wundert sich, denn die Aufgaben zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit – was Ordnung in diesem Zusammenhang auch immer sein soll – haben sich nicht geändert. Es sind weder die vielen Demos, Fußballspiele oder anderen Großereignisse noch die Asylsuchenden und Geflüchteten, die die Polizei bis zur Handlungsunfähigkeit getrie

ben haben. Das scheint nur vordergründig so. Es ist der Stellen- und Personalabbau der letzten Jahre, den Sie bis heute nicht gestoppt haben. Wenn Sie gestern Abend in besagter Sendung „Fakt ist“ tatsächlich davon gesprochen haben, dass beim Personalabbau nunmehr ein Nullstand erreicht sei, dann war eher der Wunsch der Vater des Gedanken.

Kollege Hartmann, mit 2 000 Beamten mehr, also dem Stand vor dem Abbau, hätten wir ganz anders dagestanden als jetzt. Auch das gehört der Ehrlichkeit wegen dazu.

Sollten Sie den Einstellungskorridor für den Polizeivollzugsdienst nicht weiter öffnen, werden Sie den Personalbestand von jetzt knapp 10 900 Beamten im Vollzugsdienst über einen kleinen Bauch von 11 190 im Jahr 2020 bis 2025 auf 11 090 entwickeln. Das sind gerade einmal 200 mehr als jetzt. Innerhalb von zehn Jahren ist das eine richtig tolle Leistung.

Nach meiner Auffassung sollten Sie die Versuche beenden, in der Öffentlichkeit als Kenner und Könner zu gelten. Sie haben mit dem Stellenabbau von 2 400 Stellen bei der Sächsischen Polizei diese in den Kollaps getrieben. Sie sind damit verantwortlich.

Sie können endlich den Ausweg nehmen. Sie müssen nicht auf das Ergebnis der Fachkommission warten. Mit der Schnapsidee, 300 Wachpolizisten in zwölf Wochen Ausbildung „schnellzubesohlen“ und danach hoheitlich einzusetzen, haben Sie auch nicht auf die Fachkommission gewartet, sondern auf Frank Kupfer. Für die Ausbildung dieser 300 Leute brauchen Sie Kapazitäten. Die schicken Sie schließlich nicht zur Volkshochschule zu Häkel- oder Deutschkursen. Bilden Sie doch gleich 300 wirkliche Polizisten aus. Das wäre die Antwort, die wir hier heute brauchen.

Wer davon ausgeht, dass wir diese 300 Polizisten nur kurzfristig brauchen, sie also befristet einstellen, der irrt. Sie werden beim Personalbestand, den Sie brauchen, wenn Sie nicht deutlich den Korridor nach oben öffnen, wie wir es seit einigen Monaten deutlich artikulieren, frühestens vielleicht nach 2025 dahin kommen, die nötige Zahl an Polizisten zu haben. Das ist aber Unsinn. Wir brauchen diese Lösung jetzt. Deshalb wäre es angebracht, den Korridor jetzt zu öffnen. Wenn Kollege Michel recht hat, brauchen wir dazu nicht einmal einen Nachtragshaushalt. Wir brauchen nur den politischen Willen und das Ja vom in sich ruhenden Finanzminister Unland, der fast alle Minister hier am langen Arm verhungern lässt.

Meine Damen und Herren! Noch einen Satz zu Heidenau. Wichtig wäre gewesen, dass man nach dem ersten Tag in Heidenau die Polizei nicht alleinlässt und in den zweiten Tag hineinjagt, ohne ein sinnvolles Konzept zu haben. Wenn die Angabe stimmt, dass sogar die Technik da gewesen ist, dann frage ich mich, warum man sie nicht zum Einsatz gebracht hat. Das ist verantwortungslos. An dieser Stelle müssen Konsequenzen folgen, bin ich der Auffassung. Es kann nicht sein, dass die Polizei hier völlig alleingelassen wird und der Inspekteur die Kollegen völlig alleinlässt, zur allgemeinen Verfügung.

Ja, wenn sich Sachsen blamiert, dann – Kollege Bartl hat es mir einmal so gesagt –, tut es dies gleichmäßig über fast alle Gewalten hinweg, und man könnte, wenn man es wohlwollend verstehen will, ja sagen, das Oberverwaltungsgericht hat im Grunde so entschieden, um den Weg zum Bundesverfassungsgericht freizumachen. Das wäre ja noch eine Sichtweise der Ehrenrettung.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Fakt ist: Das Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und das Oberverwaltungsgericht können in ihrem Eifer nach dem Sündenfall der Allgemeinverfügung zur Untersagung aller Versammlungen und Aufzüge am 19. Januar in Dresden nun die Grenzen weiter austesten und die Freiheit und Demokratie – so ihre Vorstellung –, die freiheitliche demokratische Grundordnung in Sachsen einzudämmen versuchen. Nur werden sie eben Gott sei Dank durch das höchste deutsche Gericht gestoppt. Nicht nur, dass das Landratsamt leichtfertig Hand an die Verfassung legt; offenbar sekundiert dabei auch gegen den erklärten Willen des Innenministers die Polizeispitze der Polizeidirektion Dresden. In der Anhörung des Verfassungs- und Rechtsausschusses zu Dresden räumte Polizeipräsident Kroll damals offenherzig ein, dass er jederzeit wieder so handeln würde.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Guter Mann!)

Als der Ministerpräsident und der Innenminister gemeinsam grübelten, wie das Willkommensfest gesichert werden kann, arbeiteten Landratsamt und Polizeidirektion daran, die Allgemeinverfügung beim OVG durchzusetzen und inhaltlich zu unterfüttern. Deutlicher kann man der Landesspitze nicht in den Rücken fallen.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: In der Sackgasse noch Gas gegeben!)