Protocol of the Session on July 9, 2015

Das von der Bundesregierung geschnürte Maßnahmenpaket zur Beschleunigung von Asylverfahren ist ausdrücklich zu unterstützen und zu begrüßen. Neben der Verstärkung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit Personal kann die Clusterbildung der Herkunftsländer von Asylsuchenden wesentlich zur Verkürzung der Antragsverfahren beitragen.

Meine Damen und Herren, jeder Mensch, der nach Sachsen kommt und Schutz und Asyl begehrt, hat den Anspruch auf ein faires rechtsstaatliches Asylverfahren und ein Recht auf eine sachgerechte Aufnahme und eine sachgerechte Unterbringung. Wer nachweislich asylberechtigt ist und willens, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren, der darf alle möglichen Unterstützungen erwarten.

Ich sage noch einmal ganz deutlich: Der eigene Wille des Asylsuchenden an der Mitwirkung einer schnellen Bearbeitung des Asylantrages sowie der unabdingbare Wille zur Integration sind entscheidende und unerlässliche Voraussetzungen für einen guten Start in eine neue Zukunft.

(Beifall bei der CDU sowie vereinzelt bei der SPD und der AfD – Beifall bei der Staatsregierung)

Bei den Bürgerinnen und Bürgern kann nur mit klarem, nachvollziehbarem Verwaltungshandeln und hoher Transparenz in der Kommunikation miteinander um Akzeptanz geworben werden. Nicht immer ist das in der vergangenen Zeit gelungen. Letzteres führte manchenorts zu

großen Diskussionen und Spannungen in der Bevölkerung, aber auch zu gewalttätigen Ausschreitungen, und extremistische Strömungen in unserer Gesellschaft haben die Notlage der um Hilfe suchenden Menschen und die Situation der aufnehmenden Kommunen für unverantwortliche Stimmungsmache, Radikalismus und gewaltsame Übergriffe ausgenutzt. Das ist mit unserem demokratischen Selbstverständnis unvereinbar und gehört von der Öffentlichkeit strikt abgelehnt.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang ausdrücklich bei dem Ministerpräsidenten für seine Regierungserklärung. Er hat noch einmal unterstrichen, wie unsere Position dazu ist. Ich bedanke mich auch für das Handeln der Staatsregierung insgesamt beim Thema Asyl, der Unterbringung und Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen. Herzlichen Dank im Namen der CDU-Fraktion!

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren, Sachsen ist ein gastfreundliches Land; wir sind international bestens aufgestellt. Wir bieten Investoren, Kulturschaffenden, Forschern und Wissenschaftlern an unseren Hochschulen gute Bedingungen. Über 20 000 ausländische Studenten sind hier in Sachsen an den Universitäten eingeschrieben.

Es leben viele Sachsen mit Migrationshintergrund in unserem Land. Sie haben beste Voraussetzungen, um beruflich erfolgreich zu sein und sich persönlich zu entwickeln.

Gemeinschaft, meine Damen und Herren, verbindet. Das ist im Familienverband so und das ist im gesellschaftlichen Zusammenleben so. Daran sollten wir uns orientieren und daran sollten wir uns auch in Zukunft messen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Kollege Kupfer sprach für die CDU-Fraktion. Jetzt werden wir Herrn Kollegen Panter für die SPD-Fraktion hören.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Sachsen leben vier Millionen Menschen; etwas mehr als zwei Millionen Frauen und etwas weniger als zwei Millionen Männer. Wir haben in diesem Land ungefähr 1,2 Millionen Rentnerinnen und Rentner, die mit ihrer Hände Arbeit diesen Freistaat aufgebaut haben und jetzt ihren wohlverdienten Ruhestand genießen. Es gibt in diesem Land ungefähr 600 000 junge Menschen unter 20 Jahren, die ihr Leben noch vor sich haben und dieses Leben gestalten wollen.

All diese Menschen haben Erwartungen an ihr Leben, an ihre Zukunft, und sie erwarten natürlich von uns, von der Politik, dass wir diese Zukunft für sie mitgestalten. Sie wollen gut leben in unserem Land, sie wollen sich wohlfühlen, sie wollen etwas aus ihrem Leben machen, und

unsere Entscheidungen, die wir hier treffen, tragen dazu bei, dass sie das auch können. Es ist unsere Verantwortung, das zu ermöglichen. Was ist in Zukunft also wichtig für Sachsen?

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte dem Ministerpräsident ganz herzlich für seine klaren Worte in der Regierungserklärung danken, weil er ganz deutlich gemacht hat, was in Zukunft wichtig ist in Sachsen; es sind die Menschen, die wir in den Mittelpunkt stellen müssen, und das hat der Ministerpräsident ganz klar getan; vielen Dank dafür.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Es sind nicht nur die Menschen, die schon seit Generationen in Sachsen leben, sondern auch die, die zu uns kommen – auch ganz kurzfristig zu uns gekommen sind –, und auch die, die noch zu uns kommen werden. Die wichtigste Aufgabe, die uns aktuell umtreibt, ist zweifelsohne das Thema Asyl und Integration.

Dabei geht es gar nicht nur darum, Menschen, die aus der Fremde zu uns kommen, in unsere sächsische Gesellschaft zu integrieren. Es geht darum, dass alle Menschen, die in unserem Land leben, auch Teil dieses Landes sind und sein dürfen; dass wir alle eine Gemeinschaft sind zwischen Pleiße und Neiße, dass wir dort ein Zuhause miteinander haben.

Sicher bewerten wir beim Thema Integration einzelne Aspekte ganz unterschiedlich in diesem Hohen Hause, und – seien wir einmal ehrlich – auch zwischen den Koalitionspartnern gibt es die eine oder andere unterschiedliche Herangehensweise.

(Zuruf von der CDU: Was?)

Das halte ich im Übrigen aber für vollkommen normal; es sind ja schließlich auch zwei unterschiedliche Parteien. Was aber wichtig ist: dass wir einen gemeinsamen Wertekanon teilen. Dieser Wertekanon, der auf Freiheit, auf Menschlichkeit und auf Toleranz fußt, der auch auf einer deutlichen Ablehnung von Hass und Gewalt fußt

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

und auch die Überzeugung vertritt, dass alle Menschen gleich sind – egal, ob es christlich motiviert ist oder ob es humanistisch motiviert ist: Alle Menschen sind gleich – das ist die Basis, die es uns möglich macht, mit Menschen fair, mit Respekt und menschenwürdig umzugehen.

Auf dieser Basis können wir auch ganz schwierige Themen gemeinsam anpacken. Ich bin deshalb sehr froh über die klaren Worte des Ministerpräsidenten gewesen, weil es auch eine neue Nachdenklichkeit ist, die uns allen – nicht nur der Koalition, sondern uns allen – sehr gut zu Gesicht steht.

Es gehört aber auch zur Wahrheit dazu, dass wir uns in Sachsen mit dem Thema Integration lange schwergetan haben. In unserem Freistaat leben rund 125 000 ausländi

sche Mitbürgerinnen und Mitbürger und ungefähr 21 000 Asylbewerberinnen und Asylbewerber.

Wir haben ihnen, aber auch uns gegenüber die Pflicht, ihnen hier ein gutes Leben zu ermöglichen. Der Freistaat Sachsen ist in den letzten Monaten große Schritte auf diesem Weg vorangegangen: Wir sorgen dafür, dass die Asylbewerber, die zu uns kommen, die Migrantinnen und Migranten, die bei uns leben, verstärkt unsere Sprache lernen. Wir sorgen dafür, dass sie von ihrer eigenen Hände Arbeit leben können. Insoweit müssen wir noch einiges verbessern, aber wir sind auf einem guten Weg. Wir sorgen dafür, dass ihre Bildungsabschlüsse besser anerkannt werden. Und wir sorgen dafür, dass sie menschenwürdig wohnen und leben können.

Das klappt noch nicht perfekt, keine Frage. Oft sind die Bearbeitungszeiten im Asylbereich zu lang, die bürokratischen Labyrinthe ziemlich verzweigt und die Kommunikation mangelhaft. Zudem können Einzelfälle sehr kompliziert sein. Aber wir haben in den vergangenen Monaten eines geschafft: Wir haben im Kopf einen Schalter umgelegt und die Weichen neu gestellt.

Ich habe es vorhin schon gesagt: Alle Menschen sind gleich. Die Menschenwürde kommt allen Menschen zu. Bestimmte Wünsche, Sehnsüchte und Bedürfnisse haben alle Menschen. Das müssen wir anerkennen und das tun wir. Dass wir zu dieser gemeinsamen Grundüberzeugung gelangt sind, bedeutet für unser Land einen sehr wichtigen Schritt nach vorn.

Ich bin dankbar, dass in unserem Land trotz Pegida und Co. – Legida, Cegida und wie sie alle heißen – immer mehr Menschen für Weltoffenheit Engagement zeigen. Es sind aber leider nicht alle. Bei einigen scheinen im Zuge der Pegida-Demonstrationen alle Hemmungen zu fallen. Die zunehmende Aggressivität – wir haben es vorhin schon gehört – wird schon daran deutlich, dass wir bis Ende Mai 31 Überfälle auf Flüchtlingsheime verzeichnen mussten. Es gab Feindseligkeiten, die meiner Meinung nach unser Land zusehends vergiften. In dieser Situation zu behaupten, dass es keine rechten Umtriebe gebe, ist nicht nur naiv, sondern auch gefährlich.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Sachsen hat ein Problem mit Rassismus. Es ist längst überfällig, dass wir dieses Problem offen ansprechen. Wenn der stellvertretende Ministerpräsident das offen sagt, dann hat er recht. Wenn der Ministerpräsident ihm beipflichtet, dann finde ich das gut und richtig.

Sehr oft ist in den vergangenen Wochen darauf hingewiesen worden, dass Pegida und Co. dem Ruf Sachsens schaden und dass dies nicht das Bild ist, das wir von Sachsen nach außen vermitteln wollen. Das ist unbestritten so. Aber was ist die Konsequenz daraus? Probleme mit Rechtsextremismus kleinreden oder totschweigen? Jahrelang wurde so getan, als ob die Sachsen gegen Rechtsextremismus immun seien. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Zukunft eine andere Herangehensweise

wählen müssen. Wir müssen aufhören, Probleme unter den Teppich zu kehren, nur um den schönen Schein zu wahren.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Unser Außenbild ist zweifelsohne wichtig. Aber all das, was wir über Jahre aufgebaut haben, wird durch Umtriebe wie Pegida und Co. sehr schnell wieder eingerissen. Es kommt also vor allem auf die innere Haltung an.

Die zahlreichen Willkommensinitiativen und -bündnisse, die in Sachsen gerade in den letzten Monaten entstanden sind, agieren ganz hervorragend. Dafür gilt ihnen – das darf ich für die gesamte SPD-Fraktion sagen – unser ausdrücklicher Dank. Es reicht aber nicht aus, dass allein die Willkommensinitiativen und -bündnisse tätig werden; jede und jeder Einzelne im Land trägt Verantwortung für unsere Demokratie.

Umso mehr ärgern mich manche Aussagen von Kolleginnen und Kollegen aus diesem Haus. Jetzt mögen einige denken, ich wolle meinen Koalitionspartner kritisieren. Das ist an dieser Stelle mitnichten der Fall. Einige Mitglieder dieses Hauses treffen Aussagen und legen Herangehensweisen an den Tag, die ich für abscheulich halte. Ich meine ganz konkret Mitglieder der AfD-Fraktion.

(Carsten Hütter, AfD: Das ist doch nur dummes Gerede! Butter bei die Fische!)

Ich gebe gern ein Beispiel und verweise auf den Kollegen Hütter. Wer ihn nicht kennt: von mir aus gesehen ganz hinten rechts.

(Heiterkeit bei der SPD)

Herr Kollege Hütter, stimmt es, dass Sie zwei Mal unangemeldet im Asylbewerberheim „Leonardo“ in Freital waren?

(Carsten Hütter, AfD: Nein!)

Sie haben, glaube ich, eine Pressemitteilung herausgegeben.

Stimmt es, dass Sie dort gestört haben und dass Sie Hausverbot bekommen haben?

(Carsten Hütter, AfD: Nein!)

Ach so? Das ist ja interessant. Ich glaube, dann müssen wir uns noch einmal mit dem Heimleiter in Verbindung setzen.

(Zurufe von der AfD: Sie schwindeln! – Lügen Sie doch nicht!)