Die Aktuelle Debatte wurde von Herrn Kollegen Hartmann für die einbringende CDU-Fraktion eröffnet. Die ebenfalls einbringende SPDFraktion wird jetzt durch Herrn Kollegen Pallas vertreten.
Plenarsitzung, ohne dass dieses Hohe Haus über die Themen Asyl und Integration diskutiert. Das macht deutlich: Für die Fraktionen im Sächsischen Landtag, insbesondere die Regierungsfraktionen aus CDU und SPD, ist es ein sehr wichtiges Thema, und das ist auch gut so. Viele Menschen in Sachsen sind von dem Thema berührt, betroffen oder bewegt – auf die eine oder andere Art und Weise. Wir leben in einer Zeit, in der Menschen aus individueller Not heraus nach Europa, nach Deutschland, nach Sachsen kommen und hier Schutz suchen.
Zurzeit leben etwa 16 000 Asylbewerber und 4 000 Ausreisepflichtige in Sachsen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat die Prognose erst kürzlich auf 23 000 Neuantragsteller in diesem Jahr angehoben. Wie viele von denen Asyl bekommen oder wieder ausreisen müssen, wissen wir nicht. Klar ist aber, meine Damen und Herren: Viele werden als Flüchtlinge anerkannt und hier in unserem Land ihre neue Heimat finden. Deshalb ist unsere Hauptaufgabe, diese Menschen so gut es geht und schnell zu integrieren.
Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen haben bereits viel unternommen, um diese Herausforderung zu meistern; angefangen vom Bekenntnis zu Asyl und Integration im Koalitionsvertrag über die Aufwertung des Themas Integration durch eine eigene Staatsministerin für dieses Thema bis hin zu den Haushaltsentscheidungen, in denen wir für die Aufnahme, Unterbringung und die Integration von Asylsuchenden zu Recht sehr viel Geld bereitgestellt haben.
Es wurde in den letzten Wochen klar, dass wir gerade in dem Bereich der Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtungen noch mehr und das auch schneller tun müssen. Denn es ist leider kein Einzelfall, dass von heute auf morgen in irgendeiner kleineren oder mittleren Stadt in Sachsen eine Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung aufgemacht wird und quasi über Nacht mehrere Hundert Menschen dorthin gebracht werden, ohne Vorwarnzeit, ohne Gelegenheit, sich als Verwaltung oder Bevölkerung darauf einzustellen – und das in der derzeitigen Stimmung, meine Damen und Herren. Das darf einfach nicht mehr passieren.
Es kann aber keine Rechtfertigung dafür sein, dass rassistisch motivierte Demonstrationen oder Übergriffe stattfinden. Als Regierung dürfen wir nicht noch zusätzlich Anlässe schaffen. Deshalb begrüße ich das Konzept für die Erstaufnahmeeinrichtungen, das gestern in der Kabinettssitzung vorgestellt wurde. Das wird die Grundlage für mehr Planbarkeit an der Stelle sein. Dennoch ist es aus meiner Sicht unerlässlich, die beiden festen Standorte Dresden und Leipzig schneller als bisher vorgesehen „ans Netz“ zu bringen. So große Einrichtungen gehören einfach nicht in die kleinen Städte, und wir müssen die Außenstellen in der Peripherie so schnell es geht schließen.
Die Debatte am heutigen Tage steht unter dem Eindruck der Ereignisse der letzten Wochen in Freital. Dabei hebt sich die Stadt nicht besonders von anderen sächsischen Städten ab. Aber an ihrem Beispiel lassen sich die Herausforderungen besonders deutlich darstellen.
Wir haben erlebt, wie sich durch die sehr schnelle und unvorbereitete Eröffnung der Außenstelle über Nacht die Stimmung radikalisierte, wie eigentlich abnehmende asylfeindliche Demonstrationen über Nacht massiv wieder angewachsen sind und wir in Freital eine radikalisierte und konfrontative Stimmung zwischen asylfeindlich gesinnten Menschen und den Asylsuchenden, aber auch den Leuten, die sich für Asyl und Integration einsetzen, haben.
Zur Realität in Freital und überall in Sachsen gehört auch, dass es neben den Menschen, die sich für Integration engagieren, und der großen Masse an Unentschlossenen, die wir noch gewinnen können, eine relevante Gruppe von Menschen mit geschlossenem rassistischem Weltbild oder rassistischen Einstellungen in Bezug auf dieses Thema gibt.
Nicht umsonst hat am Montag nach der Bürgerversammlung in Freital Frank Richter, der Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, gesagt, es gebe einen harten Kern von Menschen, die menschenfeindlich argumentieren. Diesen harten Kern muss man identifizieren und gesellschaftlich ächten. Ich stimme ihm in dieser Frage ausdrücklich zu.
Wenn wir wollen, dass Integration gelingt, dass die Stimmung im Land nicht noch weiter vergiftet wird, müssen wir genau das tun: Wir müssen Rassismus wieder gesellschaftlich ächten. Zu diesem demokratischen Konsens müssen wir alle zurückkehren, meine Damen und Herren.
Dabei nehme ich keine hier im Landtag vertretene Partei aus. Wir haben alle die gleiche Verantwortung, ob Regierung oder Opposition, ob Fraktionschef oder einfacher Abgeordneter. Wir sind Vorbilder für die Menschen in Sachsen und müssen uns auch so verhalten. Es muss Schluss sein mit Zündeln, Schluss sein mit Fischen am rechten Rand, es muss Schluss sein mit gegenseitigem Vorführen und machtpolitischen Spielchen. Dafür steht zu viel auf dem Spiel, meine Damen und Herren.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wir sollten alle unsere Verantwortung annehmen und Haltung zeigen, Haltung für das Recht auf Asyl, für Mitmenschlichkeit und für die Fähigkeit unserer Gesellschaft, Menschen in Not zu helfen und sie zu integrieren. Wir schaffen das!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Freital am 6. März 2014: 1 500 Menschen demonstrieren gegen die Errichtung einer Asylunterkunft im Hotel „Leonardo“. Einige versuchen, aus dem Zug auszubrechen und zur Unterkunft zu gelangen. Ein Teilnehmer sagte, nachdem dies durch die Polizei unterbunden wurde: „Dann komme ich heute Nacht wieder und zünde das Ding an.“
Hoyerswerda Anfang Juni 2014: Auf eine Notunterkunft, in der 27 Menschen untergebracht sind, wird ein Behälter mit brennbarer Flüssigkeit geworfen. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund ist nicht ausgeschlossen.
Meißen in der Nacht vom 27. zum 28. Juni: Auf ein Haus, in dem 35 Flüchtlinge unterkommen sollen, wird ein Brandanschlag verübt. Ein fremdenfeindliches Motiv ist sehr wahrscheinlich.
Das ist nur ein Ausschnitt dessen, was wir hier in Sachsen in den vergangenen Wochen erleben mussten. Sie kennen die Zahlen. Im Jahr 2014 hat sich die Zahl von Übergriffen und hasserfüllten Manifestationen vor Asylunterkünften verdreifacht. Diese Zahl des Vorjahres haben wir in diesem Jahr bereits erreicht.
Vor diesem Hintergrund ist es eine Frechheit, Kollege Hartmann, den ich gerade nicht sehe, wenn Sie die Menschen, die sich schützend vor eine Unterkunft stellen, mit Rechtspopulisten auf eine Stufe stellen. Das geht nicht!
Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier sind Grundwerte unserer Gesellschaft bedroht, nämlich, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Diese Situation, die wir in Sachsen vorfinden, kommt nicht von ungefähr. Wir müssen nicht so tun, als sei Rassismus über Nacht über Sachsen gekommen.
Die Linie des größeren Koalitionspartners in dieser, aber auch in vorhergegangenen Regierungen war es, Asylsuchende unsichtbar zu machen, sie an den Rand dieser Gesellschaft zu drängen, ihnen Integration und Teilhabe an der Gesellschaft vorzuenthalten.
Grundgedanke war und ist es zum Teil heute noch, die Schutz suchenden Menschen hier erst gar nicht ankommen zu lassen, nicht wirklich ankommen zu lassen, sondern auf deren schnelle Rückführung zu setzen. Vor diesem Hintergrund konnten sich in Sachsen weder adäquate Strukturen zur Aufnahme, zur Teilhabe und zur Betreuung der betroffenen Menschen noch eine Willkommenskultur entwickeln. Im Gegenteil, die politische
Linie spiegelte sich auch im politischen Diskurs wider. Rassistische Einstellungen wurden höchst offiziell stimuliert und bagatellisiert.
Das erleben wir heute noch in Freital und in Meißen durch Aussagen von gewählten Vertretern, die auch Ihrer Partei angehören, liebe Kollegen der CDU.
Auch der Innenminister – das soll hier noch einmal gesagt werden – wusste vor einigen Monaten nichts anderes zu tun, als mit Vertretern und Vertreterinnen einer rassistischen Bewegung in Sachsen zu sprechen, die sozusagen als Speerspitze rassistischer Einstellungen inzwischen auch bundesweit fungiert.
Liebe Vertreterinnen und Vertreter der CDU, ich kann einmal gegenfragen: Haben Sie in den vergangenen Wochen jenen die Hand gereicht, die unter dem Motto „Refugees Welcome“ für eine offene Gesellschaft in Sachsen ringen? Haben Sie jenseits von Presseterminen mit Geflüchteten gesprochen, wie sie sich in dieser Situation hier fühlen?
Man kann das weiterführen: Anstatt auf das Grundrecht auf Asyl hinzuweisen, hat der Innenminister gestern in seiner Pressemitteilung noch einmal auf die schnellere Rückführung oder die Ausreisepflicht hingewiesen. Genau diese negative Konnotation in Bezug auf das Thema führt zu so etwas, was wir in Freital vorfinden.
Wohin die stiefmütterliche Behandlung des Themas auch führt, lässt sich an der Problematik der Erstaufnahme gut betrachten. Die Überfüllung der Kapazitäten ist kein Thema dieses oder des vergangenen Jahres. Bereits 2013 – und das wissen Kollegen besser, die vorher schon im Landtag saßen – eskalierte die Situation in der Erstaufnahme in Chemnitz. Damals wurde die Außenstelle in Schneeberg errichtet. Auch 2014 mussten in Chemnitz zusätzlich Kapazitäten geschaffen werden.
In den ersten zwei Monaten des Jahres 2015, vor allem aber mit Blick auf bleibende und sich steigernde Eskalationen und globale Konfliktlagen dürfte endgültig klar geworden sein, dass die Platzzahl dringend steigen muss und dass die geplanten neuen Einrichtungen in Leipzig und Dresden mit 2016 und 2017 viel zu spät kommen. Aber nein, man tat vollkommen überrascht und schaffte Hals über Kopf Interims, die menschenwürdigen Grundstandards widersprechen, überging bei der Standortwahl Oberbürgermeister(innen) und Landräte, heizte damit das Klima der Nichtakzeptanz und Ablehnung in der Bevölkerung noch an
und zog sich dann in dieser Debatte auf die Position zurück, man habe doch alles richtig gemacht oder es sei doch gar kein Problem. Der Teiltitel der Debatte „Bürgerinnen und Bürger einbinden“, den Sie heute gewählt
haben, irritiert vor diesem Hintergrund der Ereignisse der letzten Wochen und Monate gewaltig. Genau diese Ideen für eine bessere Kommunikation – –
Ich hätte noch einen Satz. – Diese notwendigen Ideen für eine bessere Kommunikation, aber auch für qualitative Standards fehlen uns in der sogenannten Konzeption, die gestern vom Innenminister vorgestellt wurde.
Frau Nagel sprach für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt ergreift für die AfD Herr Kollege Wippel das Wort.