Es gibt hierzu keine Aussprache. Daher spricht nur die einreichende Fraktion. Frau Abg. Jähnigen, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum zweiten Mal bringen wir einen Antrag zur Sächsischen Bauordnung in den Landtag ein. Die Reform der Bauordnung ist dringend, und die Abschaffung der Stellplatzpflicht dürfte, lese ich den Koalitionsvertrag, inzwischen politisch konsensfähig sein und darf nicht länger ausgesessen werden.
Wir GRÜNE wollen deshalb mit diesem Gesetzentwurf den Zwang zur Schaffung von Autostellplätzen für alle privaten und öffentlichen Bauvorhaben endlich abschaffen. Wir wollen Baukosten senken, und wir wollen den Städten und Gemeinden Handlungsspielräume für ihre Stadtentwicklung durch den Erlass eigener Stellplatzsatzungen geben. Eine Ausnahme machen wir: Das ist die Pflicht für barrierefreie Stellplätze für mobilitätseingeschränkte Menschen. Diese können und sollen weiterhin angeordnet werden.
Diese neuen kommunalen Stellplatzsatzungen können die Pflichten zur Schaffung von Stellplätzen für Fahrräder und Autos sehr konkret, sehr situations- und vorhabenbedingt regeln. Sie können durch die Erhebung von Stellplatzablösegebühren für die Finanzierung gebietsbezogener Projekte des öffentlichen Verkehrs, des Radverkehrs oder für Parkierungsanlagen sorgen. Diese Satzungen werden von den Stadt- und Gemeinderäten in öffentlicher Sitzung beraten und beschlossen. Sie sind damit deutlich transparenter als Einzelfallentscheidungen in den Behörden.
Mit dem Gesetzentwurf wollen wir aber auch Innenminister Ulbig unter die Arme greifen; denn er hat so etwas zwar immer mal angedeutet, aber bisher noch nicht umgesetzt. Bereits in der vorherigen Legislaturperiode hat
eine Vertreterin des Innenministeriums in der Beratung über unseren Antrag gesagt, dass das auch die Auffassung des Innenministeriums sei. Es wurde – mehrfach! – die große Bauordnungsnovelle angekündigt, mit der die Stellplatzpflicht abgeschafft werden sollte.
Auf die Bauordnungsnovelle wartet Sachsen seit Jahr und Tag. Herr Innenminister, Sie haben den Mut, unseren Vorschlag zur Senkung von Baukosten in Ihrem Dresdner OB-Wahlkampf noch einmal zu verkünden. Dazu muss ich Ihnen sagen: Kündigen Sie mal etwas weniger an und setzen Sie mal etwas um!
Denn die Kommunen benötigen zum Erlass eigener Stellplatzsatzungen eine längere Übergangsfrist. Sie müssen planen, es muss diskutiert und dann entschieden werden. Deshalb sieht unser Gesetzentwurf ein Inkrafttreten ab dem 01.01.2017 vor. Wir werden in der Anhörung mit den Vertretern der Spitzenverbände darüber diskutieren, ob diese Zeit ausreichend ist. Schließlich müssen den Informationen Beratungen vorausgehen, und wir brauchen sicherlich auch eine Mustersatzung.
Wie ist die Ausgangslage in Sachsen? Die Parksituation für Räder und Kfz ist in den dünner besiedelten Regionen ganz anders als in den dicht bebauten Städten. In den Stadtteilen der Großstädte, die dicht bebaut sind und in denen sich hauptsächlich Mietwohnungen befinden, verzichten zunehmend mehr Menschen auf den Besitz eines eigenen Autos. Sie nutzen das Carsharing neben dem öffentlichen Verkehr und dem Radverkehr. Teilweise gibt es beim Radverkehr einen großen Parkdruck, aber eine Parkierungsanlage für Radverkehr ist billiger und platzsparender zu schaffen als Autoparkplätze.
Leider – das fällt uns dann wieder auf die Füße – sind die Stellplatzpflichten für Räder in der letzten Legislaturperiode von CDU und FDP weitgehend abgeschafft worden. Aktuelle kommunale Radverkehrsanalysen zeigen, dass das ein Fehler war, aber den können wir hiermit korrigieren.
Für die weniger dichte Wohnbebauung im ländlichen Bereich ist die Anordnung separater Stellplätze oft völlig obsolet. Da ist genügend Platz vorhanden, und der muss nicht extra bebaut werden. Deshalb müssen Bauaufsichtsbehörden das auch nicht mehr prüfen. Das müssen sie aber jetzt noch.
Eine generelle Stellplatzpflicht, wie jetzt noch in § 49 der Sächsischen Bauordnung, wird diesem differenzierten Bedarf nicht gerecht. Wir sollten es den Behörden einfacher machen.
Viele Bundesländer, die diese Stellplatzpflicht schon vor längerer Zeit abschafften, haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Stellplatzpflicht stammt im Übrigen noch aus der sogenannten Reichsgaragenordnung des Führers von 1939, in der das Auto geführt werden sollte. Sachsen ist das allerletzte Bundesland, dass diese verstaubte Regelung noch anwendet.
In den verdichteten Stadträumen können die Stadträte nach unserem Willen selbst entscheiden, wo das wichtige Instrument der Stellplatzablöse eingesetzt wird. Stellplatzablösegebühren können erhoben werden, wenn der Stellplatzbedarf eines Vorhabens nicht auf dessen eigenem Gelände befriedigt werden kann. Das ist eine typische Situation in dicht bebauten Stadtteilen.
Aus den Ablösegebühren können neben Parkierungsanlagen auch Radverkehrsanlagen, Anlagen des öffentlichen Verkehrs und Bus- oder Straßenbahnhaltestellen finanziert werden – ein verkehrspolitisches Lenkungsinstrument erster Güte, gerade auch für Kommunen, die über wenig Geld verfügen.
Wenn eine Baugemeinschaft eine anliegende CarsharingStation und die Straßenbahn nutzen will, finden wir, sollten keine Stellplatzablösebeträge erhoben werden. Ein Tiefgaragenstellplatz kostet je nach Bodenbeschaffenheit und Zufahrt circa 15 000 bis 30 000 Euro, und bis zu 10 000 Euro pro Stellplatz kostet die Ablösegebühr. Umgelegt kann sich das mit bis zu 100 Euro pro Monat auf die Miete auswirken, und dabei brauchen viele Men
schen in innerstädtischen Gebieten keine privaten Autoparkplätze mehr, dafür aber umso dringender bezahlbaren Wohnraum.
Anders ist es bei Bauvorhaben mit großem Verkehrsaufkommen: einem Gewerbepark oder einem Einkaufsmarkt. Hier kann über die Stellplatzablöse in einer kommunalen Satzung eine vorbildliche Erschließung geschaffen und eine parkende Blechlawine in anliegenden Stadtteilen vermieden werden, zum Nutzen aller.
Wie wird sich unser Gesetzentwurf insgesamt auswirken? Die kommunale Ebene wird mit dieser Regelung gestärkt, die können selbst entscheiden. Sie haben Gestaltungsspielraum, mehr als jetzt. Das ist gelebte Subsidiarität. Die neue Regelung schafft natürlich Verwaltungsvereinfachungen für die örtlichen Bauaufsichtsbehörden. Für die Bauherren, die auf Autoabstellplätze verzichten, senkt sie die Baukosten. Mindereinnahmen für die Gemeinden hingegen sind nicht zu befürchten. Im Gegenteil: Durch den gezielten Einsatz von Stellplatzablösegebühren kann die Finanzierung von Erschließungsvorhaben, die für die Gemeinden oft sehr teuer sind, verbessert werden.
Die kommunalen Spitzenverbände haben ebenso wie der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften unsere letzte Initiative schon öffentlich unterstützt. Herr Dr. Viehweger als Vertreter der Sächsischen Wohnungsgenossenschaften sagte damals in einer Pressemitteilung: In Sachsen muss jeder Autostellplätze schaffen, aber Spielplätze für Kinder sind nicht gesetzlich vorgeschrieben. – Das findet er falsch. Alles in allem: Wir schlagen Ihnen einen zeitgemäßen und ökonomisch sowie ökologisch sinnvollen Schritt vor.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen: Nutzen Sie unseren Gesetzentwurf, um endlich diese verstaubte Bauordnung zu reformieren!
Meine Damen und Herren, das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf „Gesetz zur Aufhebung der Stellplatzpflicht“ an den Innenausschuss zu überweisen. Wer gibt die Zustimmung? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist der Überweisung stattgegeben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein aktuell offen ausgetragener Streit zwischen verschiedenen Gewerkschaften wie der IG Metall oder der IG Bergbau, Chemie, Energie mündet im Hinweis eines Metallerkollegen aus Emden an seine Kollegen in den Braunkohlerevieren – Zitat –: „Immerhin können wir aus eigenen Erfahrungen von Strukturwandel sprechen. Wichtig ist,“ so raten sie, „den notwendigen, nachhaltigen Umbau frühzeitig, entschlossen und konstruktiv anzugehen.“
Am Montag hat Minister Dulig von den schmerzhaften Erfahrungen der Ostdeutschen mit dem Begriff Strukturwandel gesprochen. Er hat sicher recht. Mir ist es letztlich auch egal, wie wir die aktuellen Vorgänge nennen wollen: „Auslaufen der Kohle“, die Sprachregelung des IG BCE, oder „Kohleausstieg“, das Wort, das die Umweltverbände nutzen. Es ist nicht allein Herrn Gabriels Klimabeitrag, der das Ende der Kohle einläutet. Das Ende der ungezügelten Braunkohleverstromung ist eine Forderung der Zeit, an der auch die Damen und Herren von der CDU nicht vorbeikommen werden.
Wir müssen sehen: Es gibt kein „Weiter so!“ bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Bitte verkennen Sie die Realitäten nicht und hören Sie auf, den Leuten zu versprechen, dass alles so bleiben wird, wie es vor zehn Jahren vielleicht einmal war. Meine Fraktion versucht seit Längerem, hier im Parlament darauf hinzuwirken, frühzeitig und vorausschauend im Strukturwandelprozess im Interesse der sächsischen von Braunkohleabbau und verstromung betroffenen Regionen, insbesondere der Lausitz, zu agieren. Denn auch wir wollen keine Strukturabbrüche.
Erinnern möchte ich an unseren Antrag aus der 5. Legislaturperiode des Sächsischen Landtags mit dem Titel „Forschungsprogramm für einen Strukturwandel in der Lausitz“. In der Argumentation wurde ich von CDUSeite immer wieder darauf hingewiesen, dass zum Beispiel der Umbau der Industrie- und Wirtschaftsregion Lausitz ohne Probleme laufe. Ich solle mich da bitte nicht einmischen. Erst vor vier Tagen schrieben die Handelskammer, die Wirtschaftsinitiative Lausitz und der Unternehmerverband Brandenburg/Berlin der Kanzlerin: Es ist eine gemeinsame, konzeptionelle und länderübergreifende Strukturpolitik notwendig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns bitte damit anfangen, ehe das Kind in den Brunnen gefallen ist, und warten Sie dabei nicht noch länger auf andere. Bundeswirtschaftsminister Gabriel versucht, Fortentwicklungen der letzten Bundesregierung mit eigenen Vorschlägen zu korrigieren, und fordert unter anderem eine Klimaschutzabgabe für alte Braunkohlekraftwerke. Offensichtlich glaubt er auch nicht an eine Reform des Emissionshandels in der Europäischen Union. Auf die Frage, ob ein zusätzlicher Beitrag zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes europäisch unzulässig wäre, antwortet er der Bundestagsfraktion von CDU und CSU im März 2015 – ich zitiere –: „Bis 2020 wird der Emissionshandel keine nennenswerten Signale für den notwendigen Anpassungsprozess senden; es besteht deshalb die Gefahr von späten, abrupten Anpassungen und damit Strukturbrüchen. Das soll mit dem Klimabeitrag vermieden und es sollen für einen Strukturwandel rechtzeitig die richtigen, ökonomischen Signale gesetzt werden.“
Der SPD-Parteikollege und sächsische Wirtschaftsminister, Martin Dulig, hat diesbezüglich eine andere Sicht. Denn er fordert die Rücknahme der vorgeschlagenen Klimaschutzabgabe. Unter anderem geht er einer IG BCE-Studie auf den Leim, wonach bereits in zwei Jahren Stilllegungen von Kraftwerken in Größenordnungen drohen. Die Klimaabgabe sei unverantwortlich und hätte noch nicht absehbare Folgen für die regionale Weiterentwicklung der sächsischen Braunkohleregion, so Herr Dulig.
Ich möchte mich jetzt hier nicht zum Für und Wider dieser Abgabe äußern; diese Debatte hatten wir bereits. Aber hier ist unübersehbar, dass es einen Bedarf an Steuerung der Entwicklung in diesen Regionen gibt. Ich zitiere daher gern Herrn Rohwer aus der Aktuellen Debatte vom Montag: „In der Lausitz existiert eine Monoindustrie.“ – Oder Herrn Homann, ebenfalls vom Montag: „Wir dürfen Arbeitsplätze und Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielen.“ – Das Plädoyer ist also erkannt. Deshalb noch einmal mein Plädoyer: Wir brauchen eine ehrliche Diskussion zum Strukturwandel, und zwar hier in Sachsen und im Idealfall mit Brandenburg.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns doch nichts vor: Herr Gabriel wird uns nicht weiterhelfen. Seiner Meinung nach braucht es aufgrund der Energiestrategie der Bundesregierung zunächst keine spezifischen Kompensationsmaßnahmen für einzelne Regionen. Das bedeutet: Der Bund wird Sachsen kaum mit der Strukturwandelunterstützung unter die Arme greifen. Das müssen
wir erst einmal so hinnehmen und gleichwohl im Bund auf Unterstützung drängen. Der erste Schritt muss jedoch von hier aus getan werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Gesetzentwurf gibt uns die Chance, zunächst Sachverständige anzuhören, die uns die Strukturbedarfe erläutern und Vorschläge unterbreiten, wie denn dauerhaft durchhaltbare Strukturen und neue und vergleichbar gut bezahlte Arbeitsplätze in den zur Diskussion stehenden Gebieten geschaffen werden können. Ich bitte Sie daher, der Einbringung in die Fachausschüsse zuzustimmen, wohl wissend, dass dieses Thema eigentlich in den Bereich der Staatskanzlei gehören würde. Ich schlage dem Präsidenten dennoch vor, als federführenden Ausschuss den Umweltausschuss zu benennen, da im Umweltministerium das Referat „Grundsatzfragen ländlicher Raum“ etabliert ist, in dem auch die sächsische Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet wurde. Als mitberatenden Ausschuss schlage ich Ihnen den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vor.
Meine Damen und Herren, das Präsidium schlägt Ihnen vor, den soeben eingebrachten Gesetzentwurf an den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft – federführend – und an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zu überweisen. Wer gibt die Zustimmung? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überweisung beschlossen und wir können den Punkt schließen.