Protocol of the Session on March 12, 2015

(Dr. Frauke Petry, AfD: Dann gehen Sie mal auf die Straße!)

Wenn ich in den letzten Wochen den Fernseher angemacht habe, habe ich Pegida gesehen, dann habe ich Berichte gesehen, und zwar bundesweite Berichte über Sachsen, wo es um asylfeindliche Demonstrationen ging, und im Zusammenhang mit diesen asylfeindlichen Demonstrationen hat es zunehmend Übergriffe auf Flüchtlinge in diesem Freistaat gegeben.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Sie haben das Zauberwort gerade schon genannt!)

Zwischen dem 11.11.2014 und dem 21.01.2015 haben allein im Landkreis Sächsische Schweiz–Osterzgebirge 14 asylfeindliche Demonstrationen stattgefunden. Letzten Freitag konnte man in Freital miterleben, wie etwa anderthalbtausend Menschen auf einer asylfeindlichen Demonstration versucht haben, gewaltsam zu einer Unterkunft von Asylbewerbern durchzubrechen, und zwar gewaltsam gegen die Polizei. Das finde ich auch benennenswert an dieser Stelle.

Für diesen Freitag, also für morgen, musste eine Veranstaltung zum Thema Asyl des CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus Brähmig abgesagt werden, und den Anmeldern einer Solidaritätskundgebung vor dem Heim

in Freital wurde gesagt, dass sie diese Veranstaltung besser absagen sollen, weil deren Sicherheit und körperliche Unversehrtheit nicht mehr gewährleistet werden kann. Dann darf man noch die Frage stellen, von wem in diesem Land eigentlich eine Gefahr ausgeht.

Das kann man alles komplett ausblenden und sich eine eigene Realität konstruieren. Aber dann darf man sich auch nicht wundern, wenn es zunehmend viele Menschen gibt, denen es schwerfällt, den Unterschied zwischen Ihnen, die da jetzt sitzen, und denen, die da vorher gesessen haben, festzustellen.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Das ist eine Frechheit vor dem Herrn! – Weitere Proteste bei der AfD)

Jetzt nehmen Sie als Beleg für Ihre Problembeschreibung eine angeblich steigende Zahl von Straftaten. In Wirklichkeit handelt es sich um eine steigende Zahl von Straftaten zu Plakatbeschädigungen. Das kann man falsch finden, aber Sie müssen der Wahrheit halber auch dazu sagen, dass nicht alle, die Plakate von Nazis im Wahlkampf beschädigen, Linksextremisten sind. Damit wird diese Zahl meiner Ansicht nach extrem verfälscht. Dasselbe gilt für die Teilnahme an Versammlungen bzw. an Blockaden. Menschen, die an Blockaden teilnehmen, sind nicht zwangsläufig Linksextreme, wie Sie das gern sehen wollen. Deswegen ist Ihr Zahlenwerk auch nicht schlüssig.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Das ist klar!)

Da kommen wir zu einem wichtigen Punkt, der Ihrem Antrag zugrunde liegt, und zwar die Extremismustheorie. Mit Ihrer Extremismustheorie werden Sie regelmäßig bei der Beschreibung von gesellschaftlichen Zuständen scheitern. Weder ist jeder Mensch, der sich gegen Nazis auf die Straße setzt oder deren Plakate beschädigt, ein Linksextremist, noch ist jeder, der sich rassistisch gibt, der Nationalismus, Homophobie oder antisemistische Einstellungen vertritt, ein Rechtsextremist. Denn all diese Dinge, Diskriminierung und Ideologien der Ungleichwertigkeit, sind keine Phänomene gesellschaftlicher Ränder, sondern sie kommen in der gesamten Gesellschaft vor.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Das ist eine Extradebatte, auf die man heute aufgrund der Zeit nicht eingehen kann. Deshalb will ich noch ein Schlaglicht auf Ihren Punkt zum Aussteigerprogramm aus dem sogenannten Linksextremismus werfen.

Es gibt ein solches Programm auf Bundesebene. Auf der zugehörigen Hotline sind im ersten Jahr des Programmes, 2011/2012 war das, genau 33 Anrufe eingegangen. Darunter waren drei besorgte Familienangehörige. Darunter waren drei Personen, die es scheinbar ernst gemeint haben. Bei einem ist es wirklich zu einem Ausstieg gekommen. Darunter gab es einen Anrufer, der überhaupt keinen Bezug zum Linksextremismus hatte, einen, der sich zum Linksextremismus informieren wollte, und 25 Anrufe, bei denen laut der Bundesregierung – ich zitiere – „von einer nicht ernst gemeinten Kontaktaufnahme

auszugehen ist“. Genau darum kommt die linke Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke zu dem Ergebnis – Zitat –: „Die Bundesregierung hat nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass es einen Bedarf an ihrem Aussteigerprogramm für angebliche Linksextremisten gibt.“ Das sehen wir auf Landesebene genauso.

Wenn Sie diese 33 Kontaktaufnahmen auf unser Bundesland herunterrechnen, werden Sie sehen, dass Sie einfach nur Geldverschwendung im Sinn haben. Weil Sie genau das wissen, weil Sie die Anfragen und Antworten aus dem Bundestag kennen ist vollkommen klar, dass dieser Antrag ein Antrag zu einer Scheindebatte ist. Dieser Antrag hat nur einen einzigen Zweck: Er richtet sich nicht an eine interessierte Öffentlichkeit. Es gibt keine öffentliche Debatte zu dem Thema. Es ist ein Scheinantrag. Der einzige Adressat dieser Debatte ist die CDU. Sie wollen innerhalb der Unionsfraktion Stimmung machen, und zwar mit dem Ziel, die Diskurse in dieser Fraktion weiter nach rechts zu verschieben. Dass Sie damit Erfolg haben, haben wir leider als eigentliche Tragik hier miterleben müssen.

Ich fasse zusammen: Der Antrag ist inhaltlich falsch. Der Antrag ist ein Scheinantrag. Der Antrag wird nicht gebraucht, und natürlich wird er von uns abgelehnt.

(Beifall bei den LINKEN – Dr. Frauke Petry, AfD: Das wird auch nicht gebraucht! – Zuruf von der AfD: Auf nach Connewitz!)

Für die SPDFraktion spricht jetzt der Abg. Homann.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion lehnt politisch motivierte Gewalt in jeder Form ab, auch jene, die von linksmilitanten Gruppen verübt wird. Das Grundgesetz definiert das Gewaltmonopol des Staates. Das ist ein wichtiger Eckpfeiler unseres Rechtsstaates. Dabei muss es bleiben.

Meine Fraktion verurteilt insbesondere die Übergriffe auf die Polizeiposten in Leipzig-Connewitz. Ich bedanke mich an der Stelle ausdrücklich für die klaren Worte meines Kollegen Albrecht Pallas. Dies erfordert ein entschiedenes Vorgehen der Sicherheitsbehörden. Ich bin mir sicher, dass dies bei der Polizei in guten Händen ist.

Wir müssen diese Probleme sehr ernst nehmen. Aber wir müssen sie auch politisch einordnen. Ein Grundgedanke dieses Antrages, den wir kritisch hinterfragen müssen, ist: Funktioniert alles, das sich im Kampf gegen Neonazis bewährt hat, auch im Kampf gegen militante Linksextremisten? Sie sagen, dass das funktioniert. Ich sage, dass das ein Fehlschluss ist. Das Austeigerprogramm ist ein gutes Beispiel dafür. Das Aussteigerprogramm Rechtsextremismus funktioniert. Das Aussteigerprogramm Linksextremismus funktioniert offensichtlich nicht.

Sie haben zu Recht die Frage gestellt: Warum gibt es keine Vereine, die Anträge stellen? Das ist so, weil es keine Vereine gibt, die sich mit dem Thema „gegen

Linksextremismus“ beschäftigen, weil das eine falsche Strategie wäre.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt mindestens seit 2011 keinen Antrag, der sich explizit mit dem Thema Linksextremismus an das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“ richtet.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Brauchen Sie einen Antrag für die Bekämpfung des Linksextremismus?)

Das zeigt, dass Ihre Analyse falsch ist. Sie glauben, nur weil in beiden Begriffen das Wort Extremismus vorkommt, wären beide mit den gleichen Mitteln zu bekämpfen. An dieser Stelle haben Sie von Anfang an unrecht.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich gehe weiter in der Analyse. Der Verfassungsschutzbericht sagt natürlich, dass es einen Anstieg bei linksextremistisch motivierten Straftaten gibt. Aber darunter zählen, wie richtigerweise schon erwähnt, die Sitzblockierer. In einem Bericht des „Spiegels“ vom 4. Mai 2014 wird aus höheren Polizeikreisen zitiert: „Wenn jemand aus dem bürgerlichen Lager an einer Sitzblockade teilnimmt, begeht er zwar eine Straftat, aber man muss sich fragen, ob es Sinn macht, das als politisch motivierte Kriminalität links zu melden.“ Selbst die Polizei hinterfragt kritisch ihre eigenen Zahlen.

Ich sage an dieser Stelle: Darüber, ob eine Sitzblockade wirklich eine Straftat ist, kann man diskutieren. Aber den Unterschied zwischen einem friedlichen Sitzblockierer und einem gewalttätigen Autonomen müssen wir politisch klarstellen.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN – Uwe Wurlitzer, AfD: Herr Homann, wenn Sie den Bericht weiterlesen, dann …)

Genau das tun Sie mit Ihrem Antrag nicht.

Ja, es gibt Linksextremismus. Natürlich müssen wir den ernst nehmen.

(Zuruf der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Aber bitte lassen Sie uns Probleme in unserer Gesellschaft auch gewichten. Es gibt seit 1990 in Deutschland 185 Todesopfer rassistischer und rechtsmotivierter Gewalt. Wir haben eine Mordserie des NSU. Wir hatten im Jahr 257 gewalttätige Übergriffe mit 419 Betroffenen aus dem rechten Lager in Sachsen, die das Ergebnis eines politischen Klimas sind, an dem – ich bin jetzt vorsichtig – Sie nicht ganz unschuldig sind.

(Heiterkeit bei der AfD – Uwe Wurlitzer, AfD: Das hat wirklich noch gefehlt!)

Das heißt, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten verharmlosen an keiner Stelle Linksextremismus.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Nein, natürlich nicht! – Weiterer Zuruf von der AfD: Das ist undemokratisch!)

Wir sagen aber auch: Das größere Problem in diesem Land sind Neonazis, und denen gilt unserer allererste Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen noch einen dritten Punkt: Warum schreiben Sie einen Antrag zum Thema Linksextremismus? Sie wollen auch ein wenig von den eigenen Reihen ablenken;

(Uwe Wurlitzer, AfD: Wieso? – Dr. Frauke Petry: Das ist eine Unverschämtheit! Das haben Sie gerade getan!)

denn ohne zu pauschalisieren: Natürlich möchten Sie gerne einen Sören Oltersdorf verstecken, der 2004 zum JN-Europakongress gefahren ist, oder eine Franziska Schreiber, über die Ihr EU-Abgeordneter Prenzel selbst sagte, ihr völkischer Nationalismus – –

(Uwe Wurlitzer, AfD: Pretzel heißt er!)

Pretzel? – Aber Sie bestreiten doch nicht, dass er das wirklich über Ihre Kollegin gesagt hat? Das ist ja schon mal ein Fortschritt.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Uwe Wurlitzer, AfD: Wir gehen wenigstens kritisch mit den Leuten um im Gegensatz zu Ihnen!)

Also, es gibt schon die Kritik an Ihrem völkischen Nationalismus aus der eigenen Partei. Das heißt:

Erstens. Ihre Analyse ist fehlerhaft.

Zweitens. Die von Ihnen vorgeschlagenen Instrumente sind ungeeignet.

Drittens ist das ein Ablenkungsmanöver.