Meine Damen und Herren! Wer einen verurteilten Gewalttäter als Kandidaten für den Leipziger Stadtrat aufstellt, der sollte sich mit Formulierungen, dass Gewalt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf, doch ein wenig zurückhalten. Ich sage Ihnen ganz klar in meinem persönlichen Namen und im Namen der Fraktion DIE LINKE: Wir lehnen Gewalt nicht nur in Bezug auf politische Auseinandersetzung ab, wir lehnen Gewalt prinzipiell ab, auch bei unpolitischen Auseinandersetzungen und im privaten Bereich.
(Beifall bei den LINKEN – Holger Szymanski, NPD: Das sehen wir ja! Sieht die Genossin Nagel das auch so? Sprechen Sie da wirklich für die ganze Partei?)
Sie von der NPD-Fraktion können mich beschimpfen, wie Sie wollen! Jede einzelne Beschimpfung Ihrerseits ist für mich ein Grund mehr, mich mit Ihnen auseinanderzusetzen.
(Holger Szymanski, NPD: Ich habe Sie gar nicht beschimpft, das war nur eine Frage! Ich kenne doch die Genossin Nagel!)
Aber die Worte des stellvertretenden Landesvorsitzenden der NPD, Maik Scheffler, am Dienstagabend auf Ihrer merkwürdigen Kundgebung waren nicht gegen mich gerichtet, sondern sie verharmlosten auf widerliche Art und Weise die Taten des neonazistischen Terrornetzwerkes, welches sich selbst den Namen NSU gegeben hat. Herr Szymanski, Sie haben eben mit derselben Argumentation angefangen. Ich muss aber die von Herrn Scheffler hier leider noch einmal wiederholen. Die Rede ist von 18 Taten in Leipzig, und die Medien berichten nicht darüber. Der NSU hat aber nur neun Anschläge verübt, und alle Medien berichten dauerhaft darüber.
Einerseits ist das einfach widerlich, und andererseits frage ich mich: neun Anschläge? Es waren doch zehn Morde. Oder bezieht sich diese Aussage nur auf Anschläge ohne Tote, um dem Vergleich mit den Leipziger Vorfällen standzuhalten? Aber auch da sind uns allen nur zwei bekannt. Kennt der stellvertretende NPD-Landesvor
sitzende weitere Anschläge des NSU? Woher? Warum? Damit sollten sich die Ermittlungsbehörden auch einmal beschäftigen.
Die von Ihnen beantragten Ermittlungen laufen. Dafür braucht niemand Ihren Antrag. Wir lehnen ihn ab.
Frau Köditz sprach für die Fraktion DIE LINKE. Wir sind immer noch in der ersten Rederunde. Ich sehe in dieser keinen weiteren Redebedarf. Wir könnten eine zweite Runde eröffnen. Die einbringende Fraktion ergreift nochmals das Wort. Bitte, Herr Szymanski.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Ausführungen von Herrn Pohle möchte ich jetzt nicht weiter eingehen. Ich habe schon in meinem Zwischenruf deutlich gemacht, was ich von ihm halte. Herr Pohle, Sie sind für mich nach dieser Rede eindeutig ein Antidemokrat!
Herr Brangs, Sie können nicht anders! Frau Köditz, ich habe diese Erklärung jetzt mit Interesse zur Kenntnis genommen. Diese Distanzierung von jeglicher Gewalt finde ich gut. Nur hat das mit der Realität, die Ihre Partei, Ihre Anhänger, Ihre Mitglieder praktizieren, wenig zu tun. Ich habe mir gerade vorgestellt, ich hätte am Rande einer Demo der Linken gestanden, so wie Sie bei uns am 17. Juni am Haus der Presse in der Nähe gestanden haben.
Ich mag mir nicht wirklich vorstellen, was mir dann wahrscheinlich widerfahren wäre. Es wäre auf jeden Fall nicht so friedlich abgegangen wie bei Ihnen, als Sie völlig unbehelligt unsere Demonstration beobachten konnten.
Insofern weiß ich nicht, was da Ihr Problem ist, aber das Thema Fotografie ist ein gutes Stichwort. Das wollte ich sowieso noch anbringen. Es gibt noch einen anderen Genossen, nicht von der LINKEN, sondern von der SPD, den Genossen Marc Dietzschkau, Mitarbeiter der SPDFraktion hier im Landtag.
Wir mussten vor den Steineschmeißern von links, die uns auf dem Rückweg von unserer friedlichen Demonstration attackiert haben, ungefähr eine Stunde hier im Haus
Zuflucht suchen und wurden – nachdem es wieder möglich war – nach und nach von der Polizei hinausgeleitet. Mein ausdrücklicher Dank gilt noch einmal den eingesetzten Polizeikräften.
Während dieser Zeit schlich dieser Genosse Dietzschkau hier durch die Flure und fotografierte die Anwesenden – für ihn wahrscheinlich eine mutige antifaschistische Heldentat. Man weiß ja, wie diese Leute gestrickt sind. In dieser Zeit hat Herr Dietzschkau diese Fotos bei Facebook veröffentlicht. Ich habe heute übrigens in diesem Zusammenhang eine Strafanzeige gestellt.
Er twitterte dann unter anderem: „Nazi flüchten in den Landtag! Unfassbar! Dabei ist die Elbe nur ein paar Meter weiter.“
Ich stelle mir einmal vor, wenn ein Mitarbeiter meiner Fraktion solche Mordfantasien geäußert hätte, was dann hier im Hohen Haus losgewesen wäre. So viel zur SPD.
Noch eine Bemerkung zum Thema Gewalt und Statistik: Es ist interessant, was von links kritisiert wird. Die Innenminister veröffentlichen immer die polizeiliche Kriminalstatistik bzw. die Statistik über die politisch motivierte Gewalt, kurz PMK genannt. Von links wird kritisiert, dass die Erfassungskriterien falsch wären und in dem Zusammenhang geändert werden müssten.
Interessant sind die konkreten Zahlen, wenn man das einmal herunterbricht bzw. sich beim Innenminister konkret erkundigt, wie sich die PMK links im Einzelnen zusammensetzt und wie sie sich entwickelt hat. Die Gewaltstraftaten von links im Freistaat Sachsen haben sich folgendermaßen entwickelt: Die Körperverletzungen sind gestiegen, vom Jahr 2012 zum Jahr 2013 von 47 auf 109, haben sich also mehr als verdoppelt, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte – also in der Regel Polizisten – von 15 auf 32. Der Landfriedensbruch hat auch leicht zugenommen von 10 auf 13. Die Brandstiftungen haben zugenommen von 4 auf 7. Gleichgeblieben ist der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr usw.
Genau das ist diese Entwicklung, die wir momentan in Leipzig erleben und wo ich im Gegensatz zu dem Herrn Pohle eben nicht erkennen kann, dass die Strafverfolgungsbehörden dort wirklich ihr Möglichstes tun. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass nach meiner Meinung und der Meinung meiner Fraktion dort politische Interessen eine Rolle spielen. Es ist ganz angenehm, wenn man die Nazis, wie Sie sie bezeichnen, durch die Straßen jagen kann, wie wir das hier am 17. Juni erlebt haben, oder wenn man Kandidaten der NPD körperlich oder ihre Autos angreift, sie abfackelt.
Politisch ist das irgendwie witzig. Da macht man dann irgendwelche Witzchen. Das ist alles ganz lustig. Aber man ist ganz, ganz wehleidig, wenn man selbst angegriffen wird, tatsächlich oder vermeintlich. Wir haben das erlebt, als sich der Herr Präsident entschlossen hatte, eine Sondersitzung ein paar Stunden später durchführen zu wollen. Er ist Ihnen letztendlich entgegengekommen. Da zieht man dann aus dem Parlament aus. Da ist man wehleidig. Um Gottes willen, wie kann so was sein? Nazis hätten die Würde des Hohen Hauses hier beschmutzt.
Wir haben überhaupt nichts beschmutzt. Wir haben uns ganz normal hier aufgehalten und haben uns, als das möglich war, wieder nach draußen bewegt. Insofern ist das heuchlerisch, was hier sowohl von der Union – die anderen haben sich nicht zu Wort gemeldet – als auch von den LINKEN zu dem Thema gesagt wird. Ich finde es bemerkenswert, meine Damen und Herren, dass Sie sich offensichtlich alle gemeinsam nicht von politischer Gewalt distanzieren wollen.
Das war Herr Szymanski für die einbringende NPD-Fraktion in der zweiten Runde. Gibt es jetzt in dieser zweiten Rednerrunde aus den Fraktionen weiteren Redebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Möchte die einbringende Fraktion eine dritte Runde eröffnen? – Auch nicht. Damit hätte die Staatsregierung das Wort. –
(Staatsminister Markus Ulbig: Die nimmt es nicht! – Dr. Johannes Müller, NPD: Auch sehr bezeichnend, Herr Ulbig!)
Kein Redebedarf. Wir können also zur Abstimmung kommen. Aber vorher hat die NPD-Fraktion noch die Möglichkeit eines Schlusswortes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es sehr bemerkenswert, dass der Staatsminister Ulbig hier nicht das Wort ergreift. Es ist ja keine Neuigkeit, zugegebenermaßen. Er scheut sich ja auch sonst, bei NPD-Anträgen zu sprechen, gibt dann gelegentlich seine Reden zumindest zu Protokoll. Dort kann man diesen Unfug nachlesen, den er äußern würde. Insofern ist es vielleicht ganz gut, dass er hier nicht direkt vor dem Parlament das Wort ergreift. Auf jeden Fall ist es bezeichnend, dass Sie auch hier schweigen, dass Sie grinsend dasitzen, wenn es um das Thema „Linke Gewalt in Leipzig“ geht. – Da grinst er gerade wieder, der Herr Ulbig.
Und genau in dieser Kontinuität sind auch die Polizeieinsätze in diesem Zusammenhang, die Sie und Ihr Gesinnungsbruder und Parteifreund Bernd Merbitz anleiten. Insofern wundert es mich auch nicht, dass wir zum
Beispiel bei unserer Demonstration am 17. Juni eben keinen ausreichenden Polizeischutz hatten: zwei Hundertschaften. Das ist natürlich ein Thema – das ist ja sogar von der LINKEN kritisiert worden –, dass offensichtlich die Polizeikräfte nicht ausgereicht haben. Das wird natürlich dann alles auch im Innenausschuss zu bewerten sein.
In dem Zusammenhang freue ich mich auch schon auf die Auseinandersetzung mit Ihnen, Herr Ulbig. Auf jeden Fall hat die Staatsregierung heute wieder einmal ein erbärmliches Bild abgegeben, was sie von politischer Gewalt hält. Politische Gewalt von links – das wird toleriert.
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/14594 zur Abstimmung. Es ist punktweise Abstimmung begehrt worden. Die wollen wir jetzt gleich vollziehen.
Ich stelle zur Abstimmung in dieser Drucksache 5/14594 den Punkt 1. Wer ihm seine Zustimmung geben möchte,