Protocol of the Session on June 18, 2014

Ich denke, dass Berlin irgendwann zur Vernunft zurückkehrt. So ganz ohne ökonomischen Sachverstand und ganz ohne das Akzeptieren von wissenschaftlichen Erkenntnissen kann man auch eine Energiewende nicht machen, meine Damen und Herren. Wenn man nur auf Ideologie setzt, dann geht das schief, das haben wir alles schon einmal erlebt. Das Vorgängersystem ist an seiner Ideologie, meine Damen und Herren, zugrunde gegangen. Deswegen ist es wichtig, dass wir als Sachsen immer wieder warnen und darauf hinweisen, wie falsch so ein Mindestlohn gerade für Ostdeutschland und für den ländlichen Raum ist, ebenso die Mietpreisbremse und viele andere Dinge, die in Berlin gerade debattiert werden. Wir werden das auch weiter tun. Ich wünsche uns auch den Mut, dass wir als Sachsen weiter unsere Position nach vorne tragen. Wenn wir es als letzte marktwirtschaftliche Landesregierung in diesem Land und als letzter Hüter der Werte der Freiheit, der Werte der friedlichen Revolution nicht tun, dann wird es keiner tun. Auch wenn es manchmal unangenehm ist: Bitte, liebe Staatsregierung, mach das so weiter. Ich werde es als Fraktionsvorsitzender dieser tollen Partei auf jeden Fall tun.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Kollege Zastrow sprach für FDP-Fraktion. – Als Nächstes könnte die Fraktion GRÜNE das Wort ergreifen. – Ich sehe aber keinen, der das Wort ergreifen möchte. Wir kommen jetzt zur NPDFraktion. Hier ergreift das Wort Herr Delle.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe die Aufregung gar nicht. Ich könnte mich daran gewöhnen, wenn nach dem 31. August die Plätze hier links von mir dauerhaft leer bleiben würden.

(Beifall bei der NPD – Volker Bandmann, CDU: Wichtig ist, dass die Plätze hier links von mir ganz leer bleiben!)

Zum Thema an sich möchte ich nicht viel sagen. Die Tatsachen wurden hier wieder verdreht. Es möchte wohl keiner die Wahrheit zur Kenntnis nehmen.

Meine Damen und Herren! Herr Minister Morlok! „Starke Wirtschaft für ein starkes und lebenswertes Sachsen“, so lautet der Arbeitstitel Ihrer Fachregierungserklärung. Sie haben dazu langatmig und blumig ausgeführt; nur was diese Losung mit der FDP und der Staatsregierung zu tun hatte, blieben Sie uns dennoch schuldig. Dass sich – übrigens auf die gesamte BRD bezogen – so manche wachstumsrelevanten Wirtschaftskennzahlen statistisch brauchbar vermarkten lassen, ist nicht eine politische Leistung, sondern vielmehr dem niedrigen Ausgangsniveau nach der Finanzkrise sowie der geradezu niederschmetternden Schwäche vieler anderer Nationen geschuldet. Diejenigen konjunkturellen Strohfeuer in manchen Bereichen bzw. Regionen, die zu verzeichnen sind, ereignen sich nicht wegen, sondern trotz Ihres Wirkens.

Sachsen kann sich nur glücklich schätzen, dass es noch über ausreichend Leistungsträger in den Unternehmen, den Bildungs- und Forschungseinrichtungen und der Arbeiterschaft verfügt, die so manche politische Fehlentwicklung mehr als kompensieren.

Sie sprechen von einem liebens- und lebenswürdigen Sachsen, können jedoch in Ihrem Handeln nicht den Nachweis antreten, damit auch wirklich alle Landesteile im Freistaat gleichwertig im Sinn zu haben – wie es im Übrigen die Verfassung gebietet. Sachsen ist nämlich mehr als nur Dresden, Chemnitz oder Leipzig; nur hat sich in so manchen Kreisen des Freistaates – vor allem in der ländlichen Peripherie – Sachsen so entwickelt, dass sich auch unter Ihrer Regierungsverantwortung als Staatsminister die kontinuierliche Abwanderung und der sozioökonomische Strukturverfall fortsetzten. Ihre selektive und geschönte Darstellung mag dem Umstand geschuldet sein, dass Sie Ihre voraussichtlich und auch hoffentlich letzte Fachregierungserklärung nicht als Bankrotterklärung verfassen lassen wollten.

Meine Damen und Herren, die Politik ist wahrlich nicht erst seit dieser Legislaturperiode damit konfrontiert, dass allgemein die sächsische Unternehmenslandschaft eine – relativ zum Gesamtdurchschnitt gesehen – geringere Größenstruktur aufweist. Die Bedeutung von Kleinst- und Kleinunternehmen besitzt für den Freistaat ein größeres Gewicht als anderenorts. Ein Drittel der Beschäftigten Sachsens befindet sich in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten. Fast 90 % der sächsischen Unternehmen sind als sogenannte KKU zu klassifizieren. Über drei Viertel aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten – und damit weit mehr als im bundesweiten Vergleich – entfallen in Sachsen auf den Mittelstand.

Warum erwähne ich dies so explizit? Ganz einfach deshalb, weil Sie, Herr Minister Morlok, nichts dazu gesagt haben, inwiefern sich ein unternehmerisches Größenwachstum heimischer Betriebe – flächenmäßig ausgewogen verteilt – abzeichnen würde, um beispielsweise durch eigenfinanzierte Forschung und Entwicklung die Innova

tionsfähigkeit des sächsischen Wirtschaftsraumes zu gewähren. Aber wie könnten Sie auch – es ist ja nichts geschehen.

Ich vermisste angesichts der ebenfalls geschilderten Wirtschaftsstruktur im Freistaat auch eine Darstellung, was Ihr politischer Beitrag gewesen wäre, um die Einbindung von Kleinunternehmen in Verbundinitiativen voranzutreiben – und zwar in Verbundinitiativen, die vollständige Wertschöpfungsketten abbilden und sich selbst zu finanzieren in der Lage sind bzw. zumindest eine Entwicklung dahin gehend aufweisen.

Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Ziel eines unternehmerischen Größenwachstums verbunden sind die Aspekte Ertragskraft und Eigenkapitalausstattung im sächsischen Mittelstand. Jedoch – Ihrer Rede nach zu urteilen – scheinen Sie auf diesem Feld kaum einen Handlungsbedarf zu erkennen. Es reicht allerdings nicht aus, nur an ein paar Schrauben im Bereich der Fremdkapitalbeschaffung zu drehen; privates Beteiligungskapital steht in Sachsen noch in viel zu ungenügendem Maße zur Verfügung. Letzteres wäre insbesondere im Blick auf das Gründergeschehen im Land von maßgeblicher Relevanz. Auch in Sachsen ist das Gründergeschehen rückläufig. Diesbezüglich ist auch keineswegs weiterführend, lediglich auf einen Zusammenhang mit einer zunehmenden Arbeitskräftenachfrage zu verweisen, da schließlich der Gründungsimpetus aus der Erwerbslosigkeit heraus nicht zwingend der nachhaltigste ist.

Schlussendlich sollen junge Unternehmen langfristig und ohne staatliche Alimentation auf eigenen Beinen stehen können. Würde außerhalb regierungsamtlicher Schönfärberei die Überzeugung eines wirklichen wirtschaftlichen Aufschwungs geteilt werden, müsste dies doch als Treiber für das Gründungsgeschehen Wirkung zeigen. Sie werden bekanntlich auch nicht müde, die Exportmärkte als allein selig machend anzuführen. Doch ist vorwiegend die Binnenmarktentwicklung für den Rückgang der Gründungsdynamik verantwortlich. Folglich darf die binnenkonjunkturelle Belebung nicht aus den Augen verloren werden, und dort, wo in Sachsen noch eine hohe Gründungsquote zu verzeichnen ist – wie im industriellen Hightech-Bereich –, hinkt man im Bereich der technologieorientierten Dienstleistungen hinterher. Wer wie Sie, Herr Morlok, den Innovationsbegriff inflationär bemüht, darf sich zum Gründergeschehen aber nicht ausschweigen.

Auch in der Enquete-Kommission Technologie und Innovation wurde das Thema Unternehmensgründungen ausgiebig behandelt; und wer die Protokolle nachliest, stellt fest, dass hinsichtlich der Kapitalfrage auf reiner Darlehensebene ohne Zuschussförderung nur schwer voranzukommen ist. Allerdings werden die Möglichkeiten, im Rahmen der GRW Investitionszuschüsse zu gewähren, künftig geringer.

Doch auch abseits vom Gründungsgeschehen dürfen Standortqualität und Umgang mit Fördermitteln in Sachsen einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.

Blicken wir nur ins Vogtland, zum Beispiel nach Plauen. Es wäre interessant gewesen, wenn Ihren Ausführungen zu entnehmen gewesen wäre, in welcher Höhe Fördermittel zum dortigen MAN-Werk flossen und ob dort nach der Verlagerung eine technologisch gleichwertige Produktion stattfinden wird, die ein wünschenswertes Innovationspotenzial in sich birgt. Wird nämlich nicht qualitativ hochwertig produziert, laufen sämtliche Qualifizierungsmaßnahmen zum Fachkräftebedarf ins Leere. Über den Fachkräftemangel wird – wenngleich ohne konkrete aussagekräftige, differenzierte Bedarfsanalyse – hier immer sehr viel lamentiert; doch über die Demografie möchte man mit Ausnahme der NPD am liebsten schweigen.

Die steigende Tendenz zur Vollerwerbsgründung bei Frauen ist unter diesem Licht besehen für den Freistaat auf längere Sicht ebenso wenig zielführend wie die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte.

Wesentlich zielführender wäre es, Anreize zu setzen, die die Ausbildungsanstrengungen der Unternehmen steigern. Eine Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen der IHK Leipzig kam zu dem erschreckenden Ergebnis, dass fast 40 % der ausbildenden Unternehmen ihre Ausbildungsanstrengungen reduzieren oder sogar zur Gänze einstellen möchten. Hinzu kommt, dass schon die kommenden fünf Jahre laut dem Institut für Mittelstandsforschung mehr als 5 000 Unternehmensübergaben im Freistaat zu bewerkstelligen sind.

Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, Sie bewegen sich in Ihren Reden gern zwischen Dresden und Freiberg, um über Elektrotechnik und Mikroelektronik zu schwadronieren, oder verweilen im Raum Chemnitz, um dem Maschinen- und Fahrzeugbau zu huldigen. Das ist auch alles recht und gut, aber über Ostsachsen, das Erzgebirge und das Obere Vogtland enthalten Sie uns Ihre Rezepte zur Wirtschaftsbelebung wie immer vor. Nach wie vor sind der Erzgebirgskreis oder auch Bautzen von der Abwanderungsproblematik betroffen. Ganz Ostsachsen hinkt in der Wirtschaftskraft spürbar hinterher. Doch gerade den strukturschwachen Regionen könnte auf dem rohstoffpolitischen Sektor eine deutschlandweit einzigartige Perspektive erwachsen: seltene Erden in Mittelsachsen, Flussspat, Zinnvorkommen, Lithium im Erzgebirge oder respektable Kupfervorkommen in der Lausitz.

Welche Maßnahmen ergreift die Staatsregierung, um anstelle der interessierten ausländischen Investoren den Nutzen im heimischen regionalen Wirtschaftskreislauf zu halten? Vermutlich aber stehen diesem berechtigten sächsischen Eigeninteresse die üblichen Wettbewerbsregeln genau jener Brüsseler EU entgegen, deren administrative Vorschriften und Informationspflichten Deutschlands Unternehmen jährlich Kosten von sage und schreibe 25 Milliarden Euro verursachen.

Herr Morlok, da Sie sich zu einem anderen Thema in Ihrer Regierungserklärung nicht geäußert haben, sehe ich mich veranlasst, dies nun zu tun: Im Ländervergleich hinsichtlich des Arbeitnehmerentgeltes nimmt Sachsen

einen beschämenden 13. Platz ein; bei den verfügbaren Einkommen ist es Platz 12. Der Produktivitätsrückstand gegenüber den alten Bundesländern ist nach wie vor beträchtlich. Die Wohnungswirtschaft weist, bezogen auf die privaten Eigentümer, einen hohen Leerstand auf.

Ich hätte mir auch gewünscht, Sie hätten etwas zum extrem hohen Anteil der Teilzeitbeschäftigung im Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch im Einzelhandel in Sachsen gesagt, der in den genannten Bereichen immerhin über 50 % beträgt. Ganz allgemein ist der Grad an Teilzeitbeschäftigung im Erzgebirgskreis, im Vogtlandkreis und im Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ungesund hoch und übersteigt die 27-%-Marke. Im Landkreis Görlitz arbeiten sogar nahezu 32 % der Beschäftigten in Teilzeit.

Herr Morlok, Sie können nicht auf der einen Seite ständig nach ausländischen Fachkräften rufen, aber gleichzeitig zulassen, dass das Potenzial der eigenen Landsleute brachliegt.

(Beifall bei der NPD)

Herr Morlok, Sie rühmen die sächsische Wirtschaft, nur weil sie eine Art ökonomischer Polyphem – will heißen:

der Einäugige unter den Blinden – ist, wissen in Wirklichkeit jedoch genau, dass die sächsische Wirtschaft nach dem Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 ohne die bisherige staatliche Förderpolitik nicht nachhaltig wettbewerbsfähig ist.

Abschließend möchte ich Ihnen noch den wesentlichen Unterschied zwischen Ihnen als FDP-Minister und mir als NPD-Abgeordneten mit auf den Weg geben: Wenn man wirklich wiedergewählt werden möchte, dann ist man gut beraten, unseren Bürgerinnen und Bürgern die Wahrheit zu sagen und nicht immer alles nur schönzureden.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Für die NPD-Fraktion sprach Herr Delle. – Wir sind am Ende der ersten Rednerrunde angekommen und treten nun in eine zweite ein. Gibt es Redebedarf bei der CDU-Fraktion? – Nicht. Die FDP hat keine Redezeit mehr. Gut, somit sind wir am Ende der Aussprache zur Fachregierungserklärung angekommen, und der Tagesordnungspunkt 1 ist beendet.

Wir treten ein in den

Tagesordnungspunkt 2

2. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Aufhebung der Stellplatzpflicht

Drucksache 5/12881, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/14533, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Die Reihenfolge in der ersten Runde: GRÜNE, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht.

Das Wort für die einbringende Fraktion der GRÜNEN ergreift Frau Kollegin Jähnigen.

(Jürgen Gansel, NPD:

Das ist jetzt aber inkonsequent! –

Weiterer Zuruf von der NPD:

Die Stellplatzpflicht ist halt so wichtig! –

Die Stellplatzpflicht ist

Ihnen wichtig, die Arbeitsplätze sind es nicht! Das

ist schon sehr interessant bei den GRÜNEN! –

Bitte, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.