Protocol of the Session on May 21, 2014

Darüber hinaus müssen wir der Verwaltung klare Vorgaben machen. Nicht die Verwaltung soll darüber entscheiden, ob es eine Schule mit 20 Schülern in der Eingangsklasse im ländlichen Raum geben darf, sondern wir sollten das ganz klar in das Gesetz schreiben, dass für Schulen im ländlichen Raum 20 Schüler in der Klassenstufe 5 in Oberschulen ausreichen. Das ist ein ganz klarer Auftrag, den wir als FDP auch für die Schulgesetznovelle sehen.

Wir wollen zudem mehr Flexibilität erreichen. Statt Mindestschülerzahlen für jedes Jahr sollten bei Grundschulen zum Beispiel Gesamtschülerzahlen gelten. Dann brauchen wir nicht mehr über die Frage zu diskutieren, ob die Mindestschülerzahlen jetzt in einem Schuljahr weniger sind oder nicht, sondern wir müssen einfach das Problem bewältigen. Wenn einmal ein Schüler fehlt, es nur 14 Anmeldungen sind und im nächsten Schuljahr sind es wieder 17 oder 18, entziehen wir in diesem Schuljahr eben nicht die Mitwirkung, sondern sagen: Es sind beispielsweise 16 Schüler im Durchschnitt da und deswegen lassen wir die Klasse, wo sie ist, nämlich in der Grundschule vor Ort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf hat nicht nur das Thema Schulen im ländlichen Raum zum Inhalt, denn das ist ja nur ein Teil der Wahrheit. Man kann sich nun darüber, ob zehn oder 15 Schüler, trefflich streiten. Weiterer Inhalt ist die Senkung des Klassenteilers auf 20 in Grundschulen und auf 25 in weiterführenden Schulen.

Ich habe es einmal ganz grob überschlagen. Sie schreiben in Ihrem Gesetzentwurf, es gebe keine Mehrkosten und eventuell entstehende Mehrkosten, die sie jetzt nicht beziffern können, müssten später eingestellt werden. Ich denke, mit mindestens 3 000 Lehrerstellen müssen wir schon rechnen. 3 000 Lehrerstellen sind einfach

200 Millionen Euro mehr pro Jahr. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, ob wir die Lehrer derzeit überhaupt haben – die Diskussion werden wir heute Abend führen – und ob wir damit überhaupt den Unterrichtsausfall senken können, sondern damit wird einfach nur diese politische Zielvorgabe erfüllt. Man kann diese Zielvorgabe haben, aber wir wissen auch, dass die neuesten Studien besagen, dass die Senkung des Klassenteilers in einem gewissen Rahmen kaum Auswirkungen auf die Schulqualität hat. Angesichts dessen steht das, was Sie hier vorschlagen, in keinem Verhältnis zur Wirkung.

Neben diesen 200 Millionen Euro, die wir einfach ab 01.08. dieses Jahres aufbringen müssten, müssten wir in fast jeder Stadt die Schulen erweitern; denn statt 28 oder 26 Schüler dürfen nur noch 25 oder 20 Schüler hinein. Das heißt, jede Schule ist gezwungen, neue Räume zu bauen. Ich kenne keine Schule, die ersatzweise fünf oder sechs Räume leerstehen hat. So etwas gibt es kaum in Sachsen. Wir müssten in den großen Städten wie Dresden,

Leipzig, Chemnitz, wahrscheinlich auch in Plauen und Zwickau usw. neue Schulen bauen. Zu den neuen, die wir sowieso bauen müssen, kämen diese hinzu. Ich denke, mit einem mindestens dreistelligen Millionenbetrag sind wir ganz gut dabei.

Bei aller Liebe, was Sie hier vorlegen – und das Gesetz gilt ab 01.08. dieses Jahres – ist einer Oppositionspartei unwürdig. Ich hätte das eher von einer Randgruppe, wie der MLPD, erwartet, aber nicht von einer Oppositionspartei hier im Sächsischen Landtag. Wir können über alles diskutieren, aber nicht darüber, dass dieser Gesetzentwurf bedeutet, dass ab 01.08. Schüler keinen Klassenraum haben; denn das würde es konkret bedeuten.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns deswegen nicht über ein völlig stümperhaft zusammengeschustertes Gesetz entscheiden, was einen – sehr wichtigen – Einzelpunkt herausgreift, sondern darüber, wie wir das neue Schulgesetz so gestalten, dass es eben für Schulen im ländlichen Raum eine Sicherheit bietet. Dafür gibt es Vorschläge, die ich Ihnen jetzt unterbreitet habe. Es gibt sicherlich noch weiteren Diskussionsbedarf in diesem Bereich. Lassen Sie uns die Diskussion führen, wenn es notwendig ist, aber nicht anhand eines solch unausgegorenen Gesetzes.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsministerin Brunhild Kurth)

Das war Herr Bläsner für die FDP-Fraktion. Am Mikrofon 1 gibt es eine Wortmeldung; Frau Falken, bitte sehr.

Ja, ich möchte gern eine Kurzintervention vorbringen.

Herr Bläsner, auf die Aussagen, die Sie gerade getroffen haben, muss und will ich unbedingt noch einmal reagieren. Ich glaube, das können Sie auch gar nicht anders von mir erwarten.

Sie hatten die Möglichkeit, schon im Herbst einen neuen Schulgesetzentwurf zu diesem Thema aufzulegen. Das haben Sie nicht gemacht, aber das hätten Sie tun können. Wir haben ihnen hier und heute ein Angebot gemacht, um mehrere Facetten bezüglich der Klassengrößen und der Schulen zu benennen. Das ist ein Angebot, über das man natürlich diskutieren kann. Aber zu dem, was Sie hier angedeutet haben, sage ich noch einmal ganz klar: Es kann nicht sein, das die Schulen im ländlichen Raum erhalten bleiben auf Kosten von großen Klassen in den Städten. Das geht nach unserer Auffassung nicht.

(Beifall bei den LINKEN)

Sie wissen – und daher haben wir den Gesetzentwurf auch vorgelegt –, dass wir die Schulen im ländlichen Raum erhalten wollen. Mit dem jahrgangsübergreifenden Unterricht gehen Sie übrigens noch weit unter die Schülerzahl,

die wir in unserem Schulgesetz im Moment drinhaben. Sie haben bisher keinerlei Mittel benannt – Frau Stange hat es gesagt –, die Sie für die Schulen im ländlichen Raum benötigen. Die stehen überhaupt nicht zur Verfügung, nicht mal die Lehrer stehen zur Verfügung. Sie verdichten die Klassen in den großen Städten und knallen immer noch mehr drauf. Das wird so nicht funktionieren.

Wir wollen ein klares Signal setzen, dass die Schulen im ländlichen Raum nicht auf Kosten der großen Städte zu realisieren sind. Die Stadt Leipzig hat in allen Negativpunkten im Schulbereich die schlimmsten Zahlen, und ich will die jetzt gar nicht alle wiederholen, da ich nicht genügend Zeit dafür habe. Das ist nach unserer Auffassung überhaupt nicht machbar. Also muss es selbstverständlich – darüber sind wir uns auch klar –

Bitte zum Schluss kommen.

– in diesem Gesetzentwurf für die großen Städte auch Übergangsvarianten geben. Das ist gar keine Frage.

Frau Falken, Sie sind über der Zeit.

Ja, so weit meine Ausführungen.

(Beifall bei den LINKEN – Norbert Bläsner, FDP, steht am Mikrofon.)

Herr Bläsner, Sie möchten erwidern; bitte.

Dass wir uns um die großen Städte kümmern müssen, steht völlig außer Frage. Wir haben auch beim Thema Schulhausbau für diese Städte besondere Mittel vorgesehen, um gute Lernbedingungen zu schaffen. Es gibt eben einen Widerspruch, den wir auch nicht auflösen können: Die Wege im ländlichen Raum sind weiter. Es gibt eine Entfernung, zu der ich sage, bis dahin und nicht weiter, und diese haben wir erreicht. Wenn ich die Schule dann dort halten will, muss ich eben andere Schülerzahlen ansetzen als in der Stadt. So ehrlich muss man sein.

Dass wir in der Großstadt ganz andere Probleme von der Sozialstruktur her haben, beispielsweise mit dem Thema Schulsozialarbeit, steht völlig außer Frage. Aber bei der Diskussion um die Erhaltung der Schulen im ländlichen Raum müssen wir und werden wir diesen Unterschied machen. Es steht auch jetzt schon im Gesetz drin: Aufgrund der landesplanerischen Besonderheiten sind Schulen im ländlichen Raum auch dann zu halten, wenn die Mindestschülerzahl schon jetzt nicht erreicht wird. Den Unterschied gibt es jetzt schon. Deswegen werden wir diesen Unterschied machen, und dazu stehe ich auch, weil uns der ländliche Raum viel wert ist.

Vielen Dank.

Meine Damen und Herren! In der Aussprache geht es weiter mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Frau Abg. Giegengack, bitte sehr.

Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bläsner, eine Sache muss man aber den LINKEN zugutehalten: DIE LINKE hat einen Vorschlag gemacht, hat etwas auf den Tisch gelegt – bei aller Kritik, die auch wir daran haben. Sie haben etwas auf den Tisch gelegt. Die Koalition hat bisher eigentlich nur Moratorien erlassen.

Trotzdem haben auch wir mit dem Gesetzentwurf der LINKEN einige Probleme. Wir haben im Ausschuss schon darüber diskutiert. Sie haben Zielsetzungen, die wir durchaus unterstützen: Chancengleicher Zugang zur Bildung soll gewährleistet sein, allen Heranwachsenden sollen gleich gute Bildungschancen geboten werden. Sie wollen sozialräumliche Ungleichheiten im Bildungserwerb ausschließen. Das ist alles richtig und wichtig.

Wir glauben aber, dass das mit den Mitteln, die Sie dazu vorschlagen, unter Umständen nicht erreicht werden kann: wenn Grundschulen mit einer Klassengröße von zehn, Mittelschulen und Gymnasien Klassen mit

15 Schülern fahren dürfen, Mittelschulen einzügig, Gymnasien zweizügig und auch uneingeschränkt klassenstufen- und jahrgangsübergreifender Unterricht in der Oberstufe zugelassen wird. Wir befürchten, dass mit diesen Regelungen unter Umständen die Ziele, die Sie erreichen wollen, gerade dadurch konterkariert werden.

Ein Beispiel: Eine einzügige Mittelschule mit einem jahrgangsübergreifenden Unterricht und einer Klasse mit 15 Schülern kann den Neigungen und Profilwünschen von Schülern nicht mehr adäquat gerecht werden. Ich denke, dass der Fachunterricht in den oberen Klassen mit Experimenten usw. nicht adäquat durchgeführt werden kann, abgesehen davon, dass es sehr große Unterschiede in der sozialen, emotionalen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zwischen 13 und 15 Jahren gibt. Wenn wir in diese Richtung gehen, denke ich, dass in diesen Schulen unter Umständen sozialräumliche Ungleichheiten im Bildungserwerb erst erzeugt werden.

Ich glaube nicht, dass die Reaktion auf die Schulschließungspolitik sein kann, Schulstandorte um jeden Preis zu erhalten. Es wurde erwähnt, dass der Vorschlag der LINKEN enorme Konsequenzen für den Schulhausbau und den Lehrerbedarf hätte. Wir hätten uns schon gewünscht, dass der Gesetzentwurf auch darüber Auskunft gibt, welche Kosten in diesen Bereichen zu erwarten sind.

Wir sind der Auffassung: Wenn man so weitreichende Änderungen vorschlägt, mit einem Schulgesetz – so wünschenswert es ist, eine gesetzliche Regelung zu haben, um endlich von diesen Moratorien herunterzukommen –, dann müssen die Folgen der Entscheidungen absehbar sein. Vor diesem Hintergrund haben wir uns entschlossen, einen eigenen Antrag hierzu einzureichen, der bereits im Geschäftsgang ist. Wir fordern darin die

Staatsregierung auf, im Vorfeld der Novellierung des Schulgesetzes insbesondere für die §§ 4 a und 23 a Schulnetzplanung und Klassenbildung eine Variantenprüfung durchzuführen.

Wir möchten, dass die Varianten zu den Grundsätzen und Richtwerten der Klassenbildung und Schulnetzplanung geprüft werden. Als Beispiel: Was hat es für Konsequenzen, wenn wir das gegenwärtige Schulnetz in dieser Form erhalten? Welche Konsequenzen sind zu erwarten bei einem Erhalt einer Mindestzahl selbstständiger Schulen pro Schulart in jeder Kommune bzw. in jedem Landkreis? Welche Konsequenzen bringen die Umwandlungen kleiner Schulen in Außenstellen oder Filialen mit Anbindung an große Schulstandorte mit sich? Wir wollen wissen, was es für Konsequenzen gibt, wenn wir Schulverbünde gründen, und welche Konsequenzen es hätte, Differenzierungen zwischen dem ländlichen Raum und den Ballungszentren vorzunehmen. Es wurde hier schon angesprochen, dass wir auf keinen Fall alles über einen Kamm scheren können.

Wir möchten, dass man im Rahmen einer Untersuchung verschiedene Variablen prüft, wie sich die Mindestschülerzahlen, Zügigkeit, Klassenobergrenzen und Klassenteiler verändern, welcher Personalbedarf sich ergibt. Das ist eine ganz wichtige Größe, die größte Unbekannte. Inwiefern würde die Einführung neuer pädagogischer Konzepte notwendig werden, um bestimmte Dinge überhaupt umsetzen zu können? In welchem Umfang ist Inklusion in solchen Schulverbünden oder in dem jetzigen Schulnetzsystem noch möglich? Welche Anpassungen der Schulgebäude brauchen wir, wie verändern sich die Schulwege usw.?

Wir möchten, dass das dem Landtag nicht zur Entscheidung, sondern zur Kenntnis gegeben wird, weil ich glaube, dass nur so Landtagsabgeordnete ihrem Auftrag gerecht werden können, nämlich hier verantwortungsbewusst zu entscheiden. Es wird eine Gesetzesnovelle geben, die hier eingebracht wird und die wir bewerten müssen. Das können wir aber nur, wenn wir wissen, welche Konsequenzen es hat.

Das entscheidende Kriterium für die GRÜNEN zur Veränderung des Schulgesetzes, insbesondere der Regelungen zum Schulnetzplan, wird die Aufrechterhaltung der Schulqualität, der Unterrichtsqualität sein; denn wir glauben, dass Chancengerechtigkeit in der Bildung nur durch eine hohe Qualität des Unterrichts sichergestellt werden kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die NPD-Fraktion; Herr Abg. Dr. Müller, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Wenn Schulen geschlossen werden, fällt im Dorf das öffentliche Leben weg. Kinder, Kinderlachen und Kinderstimmen, die nicht

mehr zu hören sind, ist das Schlimmste, was einem Dorf passieren kann. Das kulturelle Leben in einem Dorf stirbt. Vereine, die in den Dörfern und Gemeinden ansässig sind, haben es schwer, Nachwuchs zu rekrutieren. Die Kinder sind gezwungen, ihren Hobbys in Städten nachzugehen. Das wiederum verursacht für unsere Kinder große Wegstrecken, einen langen Schultag und nicht zuletzt Kosten, die dadurch entstehen.“ Dies ist ein Zitat. Diese Worte wählte Martina Keller, Stadträtin in Grimma und Lehrerin an der Mittelschule in Böhlen, während ihres Vortrages anlässlich der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf.

So ergreifend Ihre Argumentation auch war, neu sind diese Gedanken nicht. In zahllosen Gemeinden wurden die Schulen als Folge der demografischen Katastrophe geschlossen. Für diese ist der Zug lange abgefahren, falls nicht über den Kunstgriff der Errichtung einer Schule in freier Trägerschaft eine Lösung des Problems gefunden wurde. Manchmal allerdings schafft diese Lösung auch neue Probleme.

Der Bürgermeister der Stadt Kitzscher bei Leipzig, Maik Schramm, konnte in der Anhörung jedenfalls ein Lied davon singen. Für die Einrichtung zweier Klassen in der Mittel- bzw. jetzt umbenannt Oberschule braucht er mindestens 40 Schüler. Dazu kommt es jedoch nicht, weil die private Schule im benachbarten Ort Borna, der acht Schüler je Jahrgang reichen, Schüler anlockt. Mitwirkungsentzüge sind als Folge des Moratoriums derzeit vom Tisch. Im Ergebnis kann jedoch nur eine Klasse, und zwar mit 28 Schülern, aufgemacht werden. Der Rest kann sich woanders umsehen.

An solchen Situationen muss sich dringend etwas ändern. Der Gesetzentwurf zur Sicherung wohnortnaher Schulstandorte und Bildung im ländlichen Raum geht dabei zumindest in die richtige Richtung. Deshalb wird ihn die NPD-Fraktion auch unterstützen. Aber es ist auch ein Fakt, dass er, falls er gegen alle Erfahrung heute beschlossen würde, viel früher hätte kommen müssen. Doch das ist nicht die Schuld der einbringenden Fraktion, sondern der dauerregierenden CDU.

Natürlich ist es jetzt schwer, angesichts der dramatischen Personalsituation grundlegende Veränderungen durchzusetzen. Wenn zum Beispiel aktuell allein 44 Direktorenstellen im Freistaat nur noch kommissarisch besetzt sind, woher sollen dann die Leiter für neue Schulen kommen? Der Generationenumbruch in der Lehrerschaft ist in vollem Gange. Es wird schwierig, die ausscheidenden Lehrer vollumfänglich zu ersetzen. Darüber sprechen wir aber später noch. Auch die Neu- und Wiedereröffnung geschlossener Schulen dürfte auf einige Schwierigkeiten stoßen, Stichwort: neue Nutzung, Bauvorschriften usw. Aber auch die Themen Integration und Inklusion sollten noch einmal gründlich überdacht und nicht als Selbstzweck angesehen werden.