Protocol of the Session on April 9, 2014

Wir können ja darüber diskutieren. – Es gibt, glaube ich, sehr unterschiedliche Wahrnehmungen darüber, inwieweit – da mögen einzelne Bürgermeister eine Ausnahme sein – Bürgermeister bereit sind, mit Initiativen aus der Dorfgemeinschaft in der Frage der Verteilung der Gelder zusammenzuarbeiten. Ich höre Unterschiedliches. Das wird man doch einmal sagen dürfen, ohne gleich Empörung auszulösen!

Die Frage, welche Substitution, welche Ersatzwirtschaft oder Ergänzungsbranchen wir machen – ich habe die Energie erwähnt –, ist auch die des Tourismus. Wie gesagt, bei der Energie haben wir den bundesweiten Anschluss einigermaßen verpasst.

Reden wir noch über andere Dinge: Kleinvieh macht auch Mist, heißt es immer so schön. Sie haben die Bienen erwähnt. Seit zwei, drei Jahren ist die Koalition bei dieser Frage auf den Trichter gekommen. Aber dort gibt es zum Beispiel auch sehr viele Hobbyimker. Die haben jetzt mit dem Ausschlusskriterium zu kämpfen, dass sie keine Förderung bekommen sollen, aber gerade im Hobbybereich der Imker entsteht im Moment durchaus eine ganze Reihe an Projekten an den Schulen, –

Bitte die Redezeit beachten.

–, die dann zum Beispiel die Bindungskraft erhöhen könnten. Das von der Förderung auszuschließen halten wir für sträflich.

Ein letztes Wort zu den Straßen, weil das eine Grüne immer sagen muss, wenn sie zu diesem Thema spricht:

Nicht jede Straße erhöht unbedingt die Regionalentwicklung in einer Region.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Gibt es noch Redebedarf bei der NPD-Fraktion? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, damit ist die zweite Runde der Aussprache beendet. Es gibt noch Wortmeldungen für eine dritte Runde. Zunächst frage ich DIE LINKE: Sollen die 40 Sekunden noch genutzt werden? – Das ist nicht der Fall. Frau Abg. Windisch für die CDUFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wohne gern im ländlichen Raum, und die überwiegende Mehrheit der Einwohner meines Wahlkreises sieht das ähnlich. Ich glaube, es ist hier insbesondere von der Opposition in dieses Plenum ein völlig verzerrtes Bild vom Leben im ländlichen Raum hineingetragen worden. Frau Kollegin Hermenau, ich muss Ihnen sagen: Sie sind der gefühlten oder veröffentlichten Wahrnehmung aufgesessen, was das Leben im ländlichen Raum betrifft. 39 % des Bruttoinlandsprodukts werden im Verdichtungsraum erschaffen, dagegen 61 % im ländlichen Raum. Das heißt, die Wirtschaft im ländlichen Raum ist diversifiziert und nicht nur auf die Landwirtschaft beschränkt. Nur 38,4 % der Erwerbstätigen wohnen in den drei kreisfreien Städten; der übergroße Anteil, nämlich 61 %, wohnt im ländlichen Raum. Das möchte ich hier einmal festgestellt haben.

Eine Bemerkung noch zur Feststellung von Frau Kollegin Deicke: „Was ist der ländliche Raum dem Freistaat Sachsen wert?“ Es sind nicht nur die von Ihnen genannten 50 Millionen Euro Landesmittel, sondern dank unserer soliden Staatsfinanzen können wir alle Strukturprogramme der Europäischen Union abnehmen, vollständig kofinanzieren und für die Entwicklung des ländlichen Raums in Sachsen in Wert setzen, der eben nicht die Schlafstätte oder das Potemkinsche Dorf ist, sondern ein lebendiger Wirtschafts- und Lebensraum für die Menschen im Land.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Dörfer und Kleinstädte präsentieren sich nicht mehr in Grau-Grau und sind von morbidem Verfall gekennzeichnet, sondern sie zeigen sich in frischen Farben, mit gesunder Umwelt und intakter Natur und sind anziehend für alle Sachsen, die lieber auf dem Land leben. Und: Sie ziehen Jahr für Jahr mehr Touristen an, die Natur- und Aktivurlaub zur Entspannung vom Alltagsstress, zur Entschleunigung und einfach des Landerlebnisses wegen suchen.

Auch wenn Sachsen als Kulturreiseziel Nummer eins wahrgenommen wird, lautet mein zweiter Satz immer: 11 Millionen der 18 Millionen Übernachtungen in

Sachsen finden im ländlichen Raum statt, und die Urlauber würden nicht in Scharen kommen, wenn nicht die Sachsen selbst in ihren Dörfern gern wohnen und dieses Gefühl auch ihren Gästen vermitteln würden; denn die Sachsenurlauber im ländlichen Raum wohnen nicht in austauschbaren Ressorts, wie in vielen Tourismushochburgen, sondern haben Kontakt zu den dort lebenden Menschen, besuchen regionale und kulturelle Höhepunkte, suchen die Naturerlebnisse, beobachten die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte, kaufen in Hofläden, schauen den traditionellen Handwerkern, wie zum Beispiel den Musikinstrumentenbauern im Vogtland, über die Schulter, wandern durch die Weinberge im sächsischen Elbland, die Wälder und Berge von Erzgebirge und Lausitz, die Heidelandschaft, die Sächsische Schweiz und viele andere Regionen mehr. Dass dem so ist, ist der Initiative der Menschen überall im ländlichen Raum zu verdanken, die die Förderung durch den ELER vortrefflich in Wert gesetzt haben.

Um diese Aussagen noch ein klein wenig in Zahlen zu fassen: Der Rückblick auf die vergangene Förderperiode zeigt, dass von 2008 bis 2013 insgesamt 369 touristische Maßnahmen mit einem Fördermittelvolumen von über 21 Millionen Euro bewilligt worden sind. Davon entfielen auf 104 Maßnahmen zum Marketing landtouristischer Angebote über 8 Millionen Euro. Es sind unter anderem sehr große Projekte gefördert worden, zum Beispiel das von der TMGS vermarktete Projekt „Urlaub in Sachsens Dörfern“ – 21 Programmdörfer nehmen daran teil –, der Lutherweg Sachsen mit 27 beteiligten Gemeinden, der Kammweg ErzgebirgeVogtland; es ließe sich noch vieles mehr nennen.

Auch 200 Maßnahmen zur Schaffung öffentlich zugänglicher kleiner touristischer Infrastruktur sind mit 6 Millionen Euro Fördermitteln unterstützt worden. Daraus sind zum Beispiel 700 Kilometer Lehr- und Erlebnispfade angelegt worden, 1 400 Kilometer Wander- und Qualitätswanderwege und rund 100 Kilometer Reitwege ausgebaut und beschildert worden. Investitionen zur Erweiterung von Beherbergungskapazitäten auf mindestens 9 bis 30 Gästebetten – das ist auch eine Form von Diversifizierung, Frau Hermenau – sind in 71 Fällen mit rund 7 Millionen Euro gefördert worden.

Der Tourismus im ländlichen Raum profitiert natürlich auch stark von anderen Förderbereichen wie Dorfgemeinschaftshäusern, die auch die Touristen für Informationsveranstaltungen nutzen können, Begegnungszentren, Sport- und Freizeitanlagen, um nur einige wenige zu nennen, natürlich auch von schnelleren Verkehrswegen und Datenautobahnen. Wenn keine Straße mehr in das Dorf führt, kommt auch kein Tourist mehr hin.

(Beifall bei der FDP)

Was, meine Damen und Herren, sind die Herausforderungen der neuen Förderperiode? Fakt ist: Am alten Programm war die Lesbarkeit besser. Das neue hat uns

vor Herausforderungen gestellt, auch in der Vorbereitung auf diese Debatte. Die Inhalte des neuen sind den sich verändernden Bedingungen angepasst worden, also nicht weiter wie bisher, sondern neue Akzente setzen. Die Regionen werden in ihrer Entscheidungsfreiheit gestärkt. Sie können regionale Entwicklungsschwerpunkte, die durchaus unterschiedlich sein können, selbst setzen und auch die Förderhöhe selbst festlegen. Das heißt aber auch, dass die Regionen mehr Eigenverantwortung bekommen.

Frau Dr. Pinka, in diesem Punkt muss ich Ihnen vehement widersprechen: Auch ein Landkreis ist nicht homogen. Die LEADER-Region entlang der A72 im Erzgebirgskreis hat ganz andere wirtschaftliche und sonstige Voraussetzungen als die Kammlage im Erzgebirge. Also nur in der differenzierten Betrachtung einer Region können die Entwicklungsschwerpunkte auch richtig gesetzt werden.

Eines haben Sie – entweder wissentlich oder unwissentlich – falsch wiedergegeben: Die LEADERRegionen, die sich jetzt von 35 auf 27 selbst zusammenfinden, machen das freiwillig und bekommen das nicht vom SMUL diktiert. Je nach Debattenlage drehen Sie die Argumente um. Wird in Dresden etwas entschieden, was in den Regionen wirkt, dann sagen Sie: zentralistisch, dirigistisch. Geben wir Verantwortung in die Regionen, dann sagen Sie wieder, das Land nimmt seine Verantwortung nicht wahr, oder es wird KleinKlein daraus gemacht. Sie müssen sich einmal entscheiden, für welches Argument Sie stehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, Fakt ist aber auch – das ist zwar bedauerlich, aber auf der anderen Seite auch die Folge einer positiven Entwicklung im Freistaat –: In der neuen Förderperiode stehen uns insgesamt 11 % weniger Fördermittel gegenüber der vorherigen zur Verfügung. Für ILE-Maßnahmen, also für den ländlichen Raum, beträgt die Differenz sogar 22,3 %. Das könnte man jetzt beklagen, wenn man nicht wüsste, dass das Ergebnis für Sachsen wesentlich schlechter wäre, wären die ursprünglichen Vorstellungen von Kommission und Ländern – ich sage das noch einmal, Frau Hermenau – mit grüner Regierungsbeteiligung tatsächlich Realität geworden, denn dann hätten uns über 100 Millionen Euro zusätzlich gefehlt; Staatsminister Kupfer hat die Zahlen vorhin genannt. Ich möchte ihm ausdrücklich für das harte Verhandeln im sächsischen Interesse nochmals von meiner Fraktion ganz herzlich danken.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Auch wollte die Kommission ursprünglich den Tourismus im ländlichen Raum, insbesondere das Marketing, von einer weiteren Förderung ausschließen. Auch das ist dank der Verhandlungen vom Tisch. Es bedarf auch weiterhin Investitionen zur qualitativen Verbesserung des Tourismus und für dessen landesweite Vermark

tung. Der Tourismus schafft im ländlichen Raum wohnortnahe und nicht exportierbare Arbeitsplätze. Er hat daher eine hohe Bedeutung für die Wertschöpfung.

Einen oft unterschätzten Anteil haben daran die Tagestouristen und die Naherholung. Diese Investitionen dienen der Verbesserung der Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung genauso wie der Erhöhung der touristischen Attraktivität einer Region.

Herr Staatsminister Kupfer erwähnte, dass 100 % LEADER der beste Weg für eine erfolgreiche ländliche Entwicklung sei. Die Vorteile der damit gestärkten Entscheidungsfreiheit der Regionen habe ich bereits genannt. Allerdings wird dieses Herunterbrechen der Förderung auf die Regionen am Ende gerade bei größeren Projekten einen großen Koordinierungsaufwand erzeugen. Ich gehe davon aus, dass die Regionen bei Projekten, die in ihrem Interesse sind, gut kooperieren und zusammenarbeiten. Nicht passieren darf natürlich, dass sich im Tourismus kleinere Projekte autark entwickeln. Dafür wurde eine Bremse eingebaut, indem die Destinationsmarketingorganisationen, also die Regionalverbände, jeweils ihr positives Votum zur Maßnahme geben müssen.

Ich komme zum Schluss. Es ist begrüßenswert, dass das SMUL, nachdem erst Ende 2013 die einschlägige EU-Verordnung vorlag, das sächsische Programm nunmehr zügig erarbeitet hat und heute dem Landtag zur Kenntnis vorlegt. Der zuständige Landtagsausschuss für Umwelt und Landwirtschaft hat bereits am 28. März einstimmig die Kenntnisnahme beschlossen. Es wäre ein gutes Signal an die Kommission, das Programm mit einem ebenfalls einstimmigen Votum noch vor den anderen Bundesländern auf den Weg nach Brüssel zu schicken, damit wir möglichst zeitnah die Genehmigung erhalten und lückenlos und ohne zeitliche Verzögerung weiter unsere sächsische Heimat gestalten können. So sieht verlässliche Politik für Sachsen aus!

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! – Frau Dr. Pinka?

Ich würde gern eine Kurzintervention machen.

Dann bitte.

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Windisch, es ist nicht in meinem Sinne gewesen, hier darzustellen, dass Mitbestimmungsrechte nicht wichtig sind. Die sind mir sehr wichtig, auch vor Ort.

Ich wollte vielmehr darstellen, dass wir eine gewisse Periode vor uns haben. Wir werden am Ende dieses

Jahrzehnts weniger Bundesmittel haben. Wir werden am Ende der europäischen Strukturfondsförderperiode nicht mehr so üppige Fördermittel haben. Deshalb brauchen wir Strukturen, die effizient sind. Nun haben wir – das wollte ich damit sagen – zwei unterschiedliche Verwaltungsstrukturen, die wir aufbauen. Das eine sind die Landkreisstrukturen, die nach unserem Landesentwicklungsplan mit dem Zentrale-Orte-Konzept verbunden sind und damit die Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnehmen sollen. Jetzt werden wir mit dem EPLR 29 neue Regionen haben. Da gibt es Überschneidungen. Es bedarf deutlich mehr Absprachen. Es gibt nicht mehr nur eine einzige Governancestruktur. Es kann also sein, dass wir bestimmte Dinge, die wir bis 2020 erreichen wollen, durch diese Strukturen behindern.

Inwieweit wir trotzdem eine gewisse Freiwilligkeit zur Bildung dieser Strukturen auf Landkreisebene hätten erwirken können, weiß ich nicht. Ich war daran nicht beteiligt. Das ist sicherlich eine exekutive Aufgabe. Ich meine nur, dass wir vielleicht an mancher Stelle effizienter hätten vorgehen können, um dieses Ziel, eigenständiger und von den Finanzmitteln anderer Bundesländer und Europas unabhängiger zu werden, zu erreichen.

Nichts weiter wollte ich sagen. Ich glaube, das wird so nicht gelingen.

(Beifall bei den LINKEN)

Frau Windisch, möchten Sie erwidern?

Frau Dr. Pinka, Verwaltungs- oder Gebietsstrukturen haben nichts mit Effektivität zu tun. Effektivität macht sich immer an der Erfüllung der Aufgabe fest.

Ich nenne ein Beispiel. Der Tourismusverband Sächsisches Vogtland arbeitet mit der angrenzenden Thüringer Region zusammen, ohne dass es dazu eines Staatsvertrages bedurft hätte. Das Erfordernis war da. Das wird in den LEADER-Regionen das Gleiche sein.

Wir haben keine neuen LEADER-Strukturen. Es sind im Wesentlichen die alten geblieben. Es haben sich nur einige wenige zusammengeschlossen.

Meine Damen und Herren! Wir kommen wieder zur Aussprache zurück. Die SPD-Fraktion hat noch Redezeit. Wird sie in Anspruch genommen? – Das ist nicht der Fall. FDPFraktion? – Auch nicht. Die anderen brauche ich nicht mehr zu fragen.

Meine Damen und Herren! Damit ist die Aussprache zur Fachregierungserklärung beendet, aber noch nicht der Tagesordnungspunkt.

Es liegt ein Entschließungsantrag zur Regierungserklärung von den Koalitionsfraktionen vor, Drucksa