Protocol of the Session on March 12, 2014

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Homann, ich darf Ihnen da ganz klar widersprechen. Die letzten vier Jahre sind in der Kinder- und Jugendarbeit nicht verlorene Jahre. Ich kann das aus persönlicher Einschätzung sagen. Mein Sohn ist im vergangenen Jahr in die Schule gekommen. Wir meistern gerade die Schuleingangsphase – und das mit viel Erfolg.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Wir reden im Bereich der Kinder und Jugendhilfe – da darf ich Sie, Herr Schreiber, korrigieren – insgesamt neben den Kita-Beträgen von Ausgaben von 450 Millionen Euro. Ich möchte nämlich mit meiner Rede auch zur Aufklärung an den verschiedensten Stellen beitragen.

Für die Jugendhilfe sachlich und örtlich zuständig sind die Landkreise und die kreisfreien Städte. Es ist richtig, dass zudem die Länder auf einen gleichmäßigen Ausbau von Einrichtungen und Angeboten hinzuwirken und die Jugendämter und Landesjugendämter bei der Wahrnehmung der Aufgaben, die das Sozialgesetzbuch VIII, also die Kinder- und Jugendhilfe, vorschreibt, zu unterstützen haben. Das tut der Freistaat, und das tut er sehr erfolgreich, wenn wir unsere Ausbildungssituation anschauen, wenn wir letztlich auch auf die verschiedenen Tests in der Schule – ich nenne da PISA und IGLU – schauen. Wir geben die Gelder dort sachgerecht aus.

Im Bereich der Jugendpauschale, der Weiterentwicklung der Jugendhilfe im überörtlichen Bereich und auch der Investitionen in Jugendhilfeeinrichtungen haben wir im vergangenen Jahr 28 Millionen Euro zur Verfügung

gestellt. Ja, wir haben die Jugendpauschale als solche eingefroren. Wir haben den Haushaltstitel trotz der sinkenden Anzahl von Kindern und Jugendlichen gesichert, und wir haben den Restbetrag genau in die Landkreise gegeben, die besonders von Abwanderung und geringen Geburtenzahlen betroffen sind. Das betrifft beispielsweise meinen Heimatkreis Görlitz, wo von den zusätzlichen über 400 000 Euro eine nicht unerhebliche Summe angekommen ist.

Wir befinden uns nach wie vor in einem gesellschaftlichen Wandel. Ich gebe dem Papier des Landkreistages natürlich auch dahin gehend recht, dass wir uns als Gesellschaft insgesamt diesen Aufgaben stellen müssen. Das tun wir sicherlich in wünschenswerter Weise an der einen oder anderen Stelle, gerade was die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe betrifft, noch nicht. Dort haben wir sicherlich noch größere Reserven, die wir vor Ort meistern können und müssen.

Wir müssen uns auch mit den steigenden Kosten, was die Hilfe zur Erziehung betrifft, auseinandersetzen. Wir sprechen immer mehr von nicht erziehungsfähigen Eltern. Also, wir sind in den Schulen schon in den frühen Jahren gefordert, auch Verantwortung in Familien insgesamt zu vermitteln, um dieser Problematik immer stärker entgegenzuwirken, denn trotz sinkender Kinderzahlen nehmen die Ausgaben an dieser Stelle zu. Das ist sicherlich nicht nur der Tatsache geschuldet, dass wir immer mehr erhöhte Qualitätsstandards einführen. Das geschieht sowohl beispielsweise durch das Landesjugendamt, das dazu nicht berechtigt ist, als auch von der Bundesebene her, wo, liebe Kollegin Klepsch, sicherlich dann auch die Kollegen Ihrer zukünftigen Koalition mit der SPD, diese auf Bundesebene entsprechend einwirken können, dass wir dies zukünftig nicht mehr in diesen Größenordnungen haben, um tatsächlich die Kosten vor Ort auch halten zu können.

Nichtsdestotrotz haben wir in den nächsten Jahren große Herausforderungen zu meistern. Ich ziehe nach wie vor den Hut vor den Entscheidungen, die wir vor vier Jahren getroffen haben, als wir Einschränkungen vorgenommen haben. Aber dank einer soliden Finanzpolitik und einer guten Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren hier im Freistaat Sachsen mit unserem liberalen Wirtschaftsminister Sven Morlok gilt es jetzt zu überlegen, inwieweit wir die Problematik der Jugendpauschale und letztlich auch der Kita-Pauschale angehen, um diese Problematiken vor Ort besser lösen zu können und auch der Verantwortung als Land dort zusätzlich mit gerecht zu werden. Dem wollen wir uns als FDP gar nicht verweigern und sind bereit, dort in die zukünftigen Gespräche und Überlegungen einzutreten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abg. Herrmann. Bitte sehr, Frau Herrmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Schreiber, das ist zwar 2010 gewesen, als Sie gemeinsam mit der Staatsregierung die Jugendpauschale gekürzt haben, aber das wirkt sich bis heute aus. Wir haben damals schon darauf hingewiesen, dass wir Strukturprobleme haben werden. Heute ist genau das eingetreten. Ja, Sie haben die Höhe der Pauschale eingefroren, aber die Strukturen sind an einer Stelle angekommen, dass sich der Landkreistag genötigt sah, Forderungen aufzumachen, die auch die Jugendpauschale betreffen.

Deshalb kann ich auch nicht verstehen, dass Sie, Frau Sozialministerin, in einer Anfang Februar veröffentlichten Pressemitteilung gesagt haben, dass die eingefrorene Jugendpauschale eine Erfolgsmeldung sei. Das, was im Papier des Landkreistages bzw. der Landräte steht, spricht eine andere Sprache. Es ist doch klar, dass die Landkreise die Kofinanzierung stemmen müssen und dass einige Landkreise vor allen Dingen aufgrund der gestiegenen Kosten der Hilfen zur Erziehung tatsächlich an ihre Grenzen kommen.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

In dem Papier des Landkreistages steht unter anderem: „Die Kostenbeteiligung des Landes über die Förderrichtlinien ist nicht ausreichend und zielführend.“ Ich kann Ihnen das gern am Beispiel des Landkreises, aus dem ich komme, deutlich machen. Im Februar 2010, als die Jugendpauschale gesenkt wurde, brach die Förderung im Landkreis um 50 % ein. In diesem Jahr hat der Landkreis den Fehlbetrag noch finanziert. Im Jahr 2011 gab es 30 % Kürzungen im Bereich der Prävention. In Vollzeitäquivalentstellen bedeutet dies einen Rückgang von etwas über 93 auf ungefähr 66. Im Juni 2011 wurde in diesem Landkreis der Jugendhilfeplan verabschiedet. Dieser Jugendhilfeplan sieht rund 92 Vollzeitäquivalentstellen vor. Im Jahr 2012 gab es aber nur 61 Stellen. Also, die Landkreise sind überhaupt nicht in der Lage, ihre eigenen Jugendhilfepläne auch nur annähernd umzusetzen, weil sie einfach nicht genügend Personal bezahlen können.

Dafür gibt es Vorschläge in dem Papier, über das wir uns heute hier unterhalten. Weil nach dem Einbruch bestimmter Angebote jetzt natürlich nicht mehr ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen, gibt es unter anderem den Vorschlag, die Sachkostenförderung für die Angebote zu erhöhen, die nicht mehr von einem professionellen Sozialpädagogen geführt werden, sondern bei denen wir nur noch ehrenamtliche Mitarbeiter haben.

Es ist auch nicht so, dass wir, was die Hilfen zur Erziehung angeht, nur auf die Bundesebene schauen müssen, sondern die Situation, die zu steigenden Hilfen zur Erziehung geführt hat, liegt unter anderem daran – und auch das ist in dem Papier deutlich beschrieben –, dass die Landkreise Ausfallbürgen für andere Dinge sind. Wenn wir also zum Beispiel die Suchtberatung nicht ausreichend finanzieren, wenn wir die Schuldnerberatung nicht ausreichend finanzieren und wenn wir – das Thema werden wir heute noch in einem anderen Tagesordnungs

punkt behandeln – im Frauen- und Kinderschutz überhaupt keine Angebote für traumatisierte Kinder aus Gewaltsituationen haben, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass das in der Zukunft Folgen hat, die unter anderem dazu führen, dass die Hilfen zur Erziehung steigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das scheint Sie nicht besonders zu interessieren. Ich habe eine Anfrage zur Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen bei drogenabhängigen Eltern gestellt. Die Staatsregierung hat mir geantwortet, dass sie dazu keine Auskunft geben kann. Ich vermute einmal, der drastische Anstieg der Inobhutnahme in allen Landkreisen hat sie veranlasst, dort gar keine Zahlen vorzulegen, weil das ein Zeichen dafür wäre, dass dort irgendetwas gewaltig schiefläuft.

Also müssen wir sagen, die Vorschläge des Landkreistages sind genauestens abzuwägen. Einige davon sind hier im Hohen Haus von verschiedenen Oppositionsfraktionen schon vorgetragen worden, zum Beispiel in Haushaltsverhandlungen, was die Jugendgerichtshilfe angeht. Das können Sie jetzt in dem Papier nachlesen. Das haben wir in der letzten Haushaltsverhandlung eingebracht.

Bitte zum Schluss kommen.

Die Forderung, eine Grundfinanzierung für die Landkreise einzuführen, ist auch eine Forderung der GRÜNEN. Ich denke, es ist endlich an der Zeit, dass das passiert, um in Zukunft nicht weiter steigende Hilfen zur Erziehung zu haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Herrmann. – Nun die NPD-Fraktion, Herr Abg. Dr. Müller. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Ja, um die Jugendhilfe in Sachsen ist es nicht gut bestellt. Insoweit stimmen NPDFraktion und LINKE in der Analyse überein. Dennoch denken wir als NPD-Fraktion, dass seitens der Antragstellerin viele falsche Schlussfolgerungen dem Ganzen folgen.

Kommen wir zum Ausgangspunkt: Die Staatsregierung und die sie tragende Koalition haben wiederholt den Rotstift bei der Jugendhilfe angesetzt, um andere Haushaltslöcher zu stopfen, und das, obwohl die Kosten für die Jugendhilfe kommunal deutlich angestiegen sind. Die Folge ist, dass die Jugendhilfemittel, die auf Kreisebene zu verteilen sind, nicht einmal flächendeckend ausreichen. Aber andererseits werden immer wieder Projekte gefördert, die ideologisch geprägt sind. Da kommen wir zum Beispiel auch auf die Antwort zur Kleinen Anfrage – von den LINKEN gestellt – mit der Drucksachennummer 5/12585. Es fließt also immer weniger Geld für die

Jugendarbeit von Kitas bis zu Kinder- und Jugendhäusern an die Kommunen, aber immer mehr Geld für ideologisierte Programme.

Wir als NPD-Fraktion lehnen Jugendarbeit in dieser Form ab. Wir sind der Meinung, Jugendarbeit sollte wertevermittelnd sein, aber ideologiefrei.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Ausgerechnet ihr!)

Das ist unser Standpunkt, Herr Kollege Pellmann.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das Geld wird doch ausgegeben, weil ihr da seid!)

Ja, genau. Das ist unser Standpunkt, Kollege Pellmann. Genau das ist ja das bigotte Verhalten von Ihnen! Sie wollen das Geld ausgeben, weil wir da sind, weil Sie uns bekämpfen wollen!

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Natürlich!)

Aber Sie beklagen sich auf der anderen Seite, dass Geld fehlt! Das ist ein bisschen absurd!

(Beifall bei der NPD – Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Wenn ihr demnächst weg seid, können wir das Geld wieder anders verwenden!)

Kommen wir einmal zu einem speziellen Beispiel dieser Steuergeldverschwendung, nämlich zu dem Thema „Kulturbüro Sachsen“. Schon der Name ist an sich eine Irreführung für die Leute. Es hat mit Kultur nichts zu tun, was die Damen dort in ihrem Büro machen, sondern hat etwas mit Ideologiekampf zu tun. Aber schauen wir uns einmal die Haushaltsstellen an: Unter der Rubrik „Zuschüsse für Maßnahmen zur Stärkung von Demokratie und Vorbeugung antidemokratischen Handelns“ erhält das Kulturbüro für die Aktion „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ vom Sozialministerium jährlich 560 000 Euro. Aus dem Programm „Weltoffenes Sachsen“ fließen vom Innenministerium noch einmal 100 000 Euro. Aber gleichzeitig erhalten die netten Damen dort über die Rubrik „Zuschuss für freie Träger“ nochmals

28 500 Euro, wobei hier eine kleine Erhöhung geplant ist, nämlich auf 60 600 Euro.

Meine Damen und Herren, insbesondere von den linken Fraktionen! Falls also vor Ort mal wieder das Geld für den Erhalt eines Jugendhauses oder Ähnliches fehlt, hier steckt es! Hier kann man es holen – jederzeit!

(Beifall bei der NPD)

Aber auch sonst dient dieses Kapitel oft der Selbstbedienung des etablierten Parteienkartells. Ich sage nur: Ring politischer Jugend Sachsen e. V. Hier erfolgt die Verteilung von fast 100 000 Euro jährlich an die Jugendorganisationen von CDU, LINKEN, SPD, FDP und GRÜNEN. Die Zuwendung – wie alle hier wissen – erfolgt natürlich nur an Parteien, die im Landtag und Bundestag gleichzeitig sitzen bzw. – um die arme FDP oder die Jugendorganisation hier nicht ausbluten zu lassen –, natürlich mit einer

großzügigen Übergangsfrist auch an die, die aus dem Bundestag geflogen sind.

Tja, meine Damen und Herren, Sie werden mir das Sarkastische hier etwas verzeihen, aber die NPD kann Jugendarbeit auch ohne große finanzielle Ressourcen.

(Beifall bei der NPD)

Wir gleichen das durch Idealismus und Heimatliebe aus.

(Unruhe)

Jetzt kommen wir noch einmal zu einem Punkt, den Frau Schütz angesprochen hat. Sie sprachen diese Kostenexplosion an, die durch die fehlende Erziehungskompetenz der Eltern jetzt entstanden ist. Das ist aber doch das Ergebnis der durchorganisierten Fremdbetreuung, was hier fast alle von Anfang an verkörpern.

Wir wollen die Erziehungskompetenz der Eltern stärken. Dazu würde ein Erziehungsgehalt gehören, dass Eltern auch wirklich frei entscheiden können. Das haben wir Ihnen immer und immer wieder gesagt. Wir möchten eine stärkere Eigenverantwortung der Eltern wieder haben. Das, was die Eltern nie erlebt haben, werden sie ihren Kindern auch nicht beibringen können. Wenn die Eltern die Erziehungskompetenz ihrer Eltern schon nicht mehr erlebt haben, werden sie sie auch nicht haben, wenn sie ihre eigenen Kinder erziehen können. Das ist ein Teufelskreis, und da werden Sie nicht herauskommen, es sei denn, Sie werden Ihre Programme endlich einmal wieder verändern.

Vielen Dank.