Protocol of the Session on October 16, 2013

40-zu-60-%-Regelung dazu beiträgt, solche Unterschied zu machen und dass sie auch weniger gut verständlich für die Bevölkerung ist. Am Ende müssen auch die Wähler das Wahlrecht gut verstehen können.

Dass wir Tendenzen haben, eine solche Ungleichbehandlung zwischen den Abgeordneten zu haben, hat uns der Beitrag von Herrn Modschiedler erst wieder vor Augen geführt. Zwar hat er am Ende seines Redebeitrages gesagt, alle Abgeordneten sind gleich viel wert – ich möchte es gar nicht in Abrede stellen –, aber ich habe einmal mitgeschrieben, was Sie vorgetragen haben. Sie haben gesagt: Direktmandate haben einen besonderen Stellenwert im Vergleich zu Listenmandaten. Sie haben gesagt, Direktmandate haben eine größere Akzeptanz der Bevölkerung. Herr Kollege Modschiedler, es tut mir leid, aber man muss sich auch mit der Realität auseinandersetzen: Sie sind von 35 % der Menschen in Ihrem Wahlkreis gewählt worden, von 65 % nicht. Ich kann die größere Akzeptanz der Bevölkerung nicht erkennen. Ich sehe, dass Sie auf einem anderen Weg als ich in diesen Landtag gekommen sind. Ich glaube, wir machen beide gleich gute Arbeit und strengen uns beide genauso viel an.

Aber direkt gewählte Abgeordnete werden anders behandelt, und das ist Realität. Wenn Fördermittelbescheide übergeben werden, wenn Kindertagesstätten eröffnet werden, wenn neue Straßenbauabschnitte eingeweiht

werden – diese Antworten auf Anfragen haben wir schriftlich, Herr Kollege Schiemann –, werden immer die direkt gewählten Abgeordneten eingeladen, und nur die. Dann ist es natürlich kein Wunder, wenn sie überall auftauchen und die anderen nicht, dass dann direkt gewählte Abgeordnete anders behandelt werden und dass sie auch andere Möglichkeiten und Chancen haben, präsent zu sein. Das ist eben so. Wir müssen das hinnehmen, wir müssen uns anstrengen, auch das eine oder andere Direktmandat zu gewinnen.

(Christian Piwarz, CDU: Ja, genau! Strengen Sie sich doch mal an, dass Sie es auch mal schaffen!)

Den Kollegen von den LINKEN ist es immer wieder einmal geglückt. Ich denke, wir als SPD und GRÜNE werden einmal nachziehen, das ist nicht die Frage. Aber stellen Sie sich nicht hier hin und sagen Sie nicht so scheinheilig, es gibt keine Unterschiede, wo Sie doch selbst die allergrößten Unterschiede machen. Das ist nicht redlich, das wissen Sie auch. Deswegen haben Sie vorhin auch etwas schmunzeln müssen, als Sie Ihre Rede gehalten haben.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Den ersten Punkt lehnen wir ab, den anderen beiden Punkten stimmen wir gern zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und des Abg. Miro Jennerjahn, GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Friedel. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abg. Biesok. Bitte, Herr Biesok.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns hier im Hohen Hause sehr intensiv mit dem Wahlrecht und der Einteilung der Wahlkreise befasst. Das Wahlrecht muss immer demokratischen Grundsätzen entsprechen, und ich denke, unser derzeitiges System entspricht diesen Grundsätzen.

Wir haben uns bei den Diskussionen auch über die Aufteilung zwischen in Wahlkreisen gewählten Abgeordneten und Abgeordneten, die über Landeslisten gewählt werden, unterhalten. Um es vorwegzunehmen: Ich halte es für richtig, dass das Parlament zu der einen Hälfte aus Abgeordneten besteht, die in Wahlkreisen gewählt werden, und zu der anderen Hälfte aus Abgeordneten, die über die Landesliste gewählt werden.

Die Tatsache, dass die CDU in den letzten Jahren mehr Wahlkreise gewonnen hat, als ihr Sitze nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen, sollte uns nicht dazu verleiten, das Wahlrecht zu ändern. Wir sind hier nicht bei der Formel 1, wo immer dann die Regeln geändert werden, wenn ein Team zu dominant wird, um die Spannung zu erhöhen. Es ist ein politischer Erfolg der CDU, diese Wahlkreise zu erreichen, und wir müssen politisch daran arbeiten, wenn wir etwas anderes wollen, nämlich mehr Direktmandate von anderen Fraktionen. Die Regeln

sollten wir dafür nicht verändern. Ich denke, es ist ein Unvermögen der GRÜNEN, hier zu sagen: Weil das so ist, weil wir die politische Realität anerkennen, ändern wir die Regeln, damit dies nicht mehr so ist. Das sollten wir nicht machen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Jähnigen, Ihr Gesetzentwurf weist auch handwerkliche Mängel auf. Sie haben versucht, diese handwerklichen Mängel durch einen Änderungsantrag zu beseitigen. Dies kann meines Erachtens aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie mit Ihrem Gesetzentwurf viel zu spät kommen. Sie versuchen jetzt noch einmal in der Öffentlichkeit, dieses Thema zu setzen, obwohl die Wirkungen im Wesentlichen zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt eintreten werden. Allein dieses Vorgehen ermöglicht es uns nicht, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Inhaltlich halte ich sehr viel davon – ich habe es kurz angesprochen –, das bisherige Verhältnis von Listenabgeordneten und direkt gewählten Abgeordneten zu belassen und es nicht in ein Verhältnis von 48 zu 72 zu verkehren. Wenn man das machen würde – das wurde bereits von anderen Rednern angesprochen –, würde das zu einer Vergrößerung der Wahlkreise führen und damit zu einer weniger großen Akzeptanz in der Bevölkerung.

Liebe Kollegen von den GRÜNEN, Sie tragen eine größere Bürgerbeteiligung, eine verstärkte Partizipation von Bürgern an politischen Entscheidungsprozessen immer wie eine Monstranz vor sich her. Wenn Sie das umsetzen, was Sie hier vorschlagen, machen Sie genau das Gegenteil: Sie rücken die Bevölkerung zu einem Teil von den gewählten Abgeordneten weg. Das werden wir nicht mittun.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich möchte noch einmal deutlich hervorheben: Das Parlament unterscheidet nicht zwischen Direktkandidaten, direkt gewählten Abgeordneten zu Listenabgeordneten. Die Abgeordneten sind gleich, egal, auf welchen von beiden Wegen sie gewählt wurden.

Das Selbstverständnis manches CDU-Abgeordneten ist ein anderes. Das spüren wir sehr häufig – Frau Friedel, da schließe ich mich Ihnen ausdrücklich an – und das kann ich nur bestätigen; das ist so. Trotzdem ist es für mich kein Grund, das Wahlrecht zu ändern und zu einer Verschiebung zu kommen. Wir müssen daran arbeiten, dass sich diese Symptome ändern, dass man auch in der öffentlichen Wahrnehmung einen Listenabgeordneten in dem Ort genauso behandelt wie den direkt gewählten Abgeordneten. Da schließe ich mich Ihnen vollständig an.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Ich möchte mich auch noch einmal für ein Listenwahlsystem aussprechen, weil es dieses Listenwahlsystem neben der regionalen Verantwortung über ein Mehrheitssystem einer Partei auch ermöglicht, eine Vorauswahl zu treffen,

welche Kandidaten sie für geeignet hält, die politische Repräsentanz im Parlament wahrzunehmen.

Nach dem Grundgesetz wirken die Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mit. Deshalb ist es auch eine wertvolle und wichtige Aufgabe zu fragen: Wie stelle ich eine Liste zusammen, welche fachlichen Qualifikationen benötige ich, und – bei kleineren Parteien – welche regionale Verteilung ist vorhanden? Das erreichen wir mit unserem Wahlsystem, aber ich würde es trotzdem nicht weiter verschieben zugunsten der Listenmandate.

Beide Wahlsysteme sind demokratisch gleich legitimiert und deshalb können wir auch hier keinen Änderungsbedarf erkennen.

Große Sympathien haben wir für eine Änderung des Auszählverfahrens. Das Sitzverteilungssystem nach

d‘Hondt ist meines Erachtens nicht das richtige. Es begünstigt große Fraktionen und große Parteien; wir merken das an vielen Stellen. Das Sainte-LaguëVerfahren oder Divisorverfahren mit Standardrundung ist hier ein besseres Verfahren.

(Miro Jennerjahn, GRÜNE: Na klar!)

Es führt meines Erachtens zu gerechteren Ergebnissen. Ich glaube, wir sollten diese Frage sehr intensiv und ergebnisoffen diskutieren. Das ist mir in diesem Verfahren zu kurz gekommen. Hier lag der Fokus auf der Verschiebung zwischen direkt gewählten Mandaten und Listenmandaten. Diesen Punkt sollten wir noch einmal eindringlich diskutieren und Sachverständige anhören.

(Zuruf der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich, weil ich einer kleineren Fraktion angehöre, das Wahlrecht hin zu einem anderen System verändern möchte, damit wir Vorteile davon haben. Ich möchte gern einmal aus objektiver Sicht erfahren, welche Argumente für d‘Hondt und welche für das andere Verfahren sprechen. Ich persönlich habe sehr viele Sympathien für das neue Verfahren, was hier von den GRÜNEN vorgeführt wurde, aber es ist mir zu schnell, das mal so nebenbei zu machen.

Deshalb halten wir Ihren gesamten Gesetzentwurf für nicht zustimmungsfähig.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Abg. Müller für die NPD-Fraktion. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf greift teilweise Ideen auf, zum Beispiel das Divisorverfahren nach Sainte-Laguë, die die NPDFraktion schon seit Jahren vertritt. Auf den Punkt gebracht heißt das auch: Nicht so viele Landtagsmitglieder wie möglich, sondern so viele wie wirklich nötig.

Dies einmal ganz sachlich festzustellen und sich dabei über die bei den etablierten Parteien allzu oft vorherrschende Versorgungsmentalität hinwegzusetzen, das muss

der Ausgangspunkt aller Gedanken über die Größe des Sächsischen Landtages und der sächsischen Wahlkreise sein. Insofern sieht die NPD-Fraktion in der heutigen Initiative der GRÜNEN auch erst den Anfang eines Prozesses, keineswegs bereits das Ziel. Dies gilt erst recht, weil natürlich, wie im Parlamentarismus Ihrer Bauart üblich, der GRÜNE-Entwurf als Initiative einer Oppositionsfraktion sowieso abgelehnt werden wird.

Genau in diesem sich ewig wiederholenden Reflexverhalten des gegenwärtigen Parlamentarismus liegt ein weiterer Grund, den Sächsischen Landtag problemlos deutlich zu verkleinern. Denn völlig unabhängig von der Landtagsgröße werden nach Ihrem Verständnis des Politikbetriebes auch weiterhin alle Anträge und Initiativen der Opposition nicht nach Inhalt, sondern nach Absender und somit gleichsam nach Nase abgestimmt. Eine solche Dauerscheinheiligkeit können Sie auch in einem drastisch verkleinerten Landtag inszenieren. Dazu müssen Sie den sächsischen Steuerzahler nicht noch mit Abermillionen Diäten, vergleichbar mit dem pawlowschen Reflexprinzip abstimmender Abgeordneter, belasten.

Für die NPD-Fraktion geht der heutige Entwurf der GRÜNEN zwar in eine richtige Richtung, lässt es aber an der nötigen Konsequenz vermissen. Denn wir dürfen eben nicht bei der bloßen Reduzierung der Überhang- und Ausgleichsmandate stehen bleiben, sondern wir müssen eine nachhaltige und dauerhafte Verkleinerung des Parlaments anstreben, und dies unter anderem auch deshalb, um zum einen die Kosten für den sächsischen Steuerzahler im Rahmen der allgemeinen Haushaltskonsolidierung auch für den Landtag wirklich signifikant zu senken, zum anderen aber auch, um den Wählern glaubhaft zu vermitteln, dass es eben nicht nur darum geht, möglichst viele Ihrer Parteifreunde mit lukrativen Mandaten zu versorgen, sondern das Wohl des Freistaates und seiner Heimatbevölkerung in den Mittelpunkt zu stellen, wie es im Grundgesetz und in der Sächsischen Verfassung verlangt wird.

Eine wirklich ernstzunehmende Initiative zur Verkleinerung des Sächsischen Landtages müsste sich daher über die Beseitigung von Ausgleichs- und Überhangmandaten hinaus unter demografischen und strukturellen Gesichtspunkten mit dem Zuschnitt der Wahlkreise befassen und sich auch der Frage stellen, welches Vertrauensverhältnis und welche Bindung eigentlich zwischen den Wählern und ihren jeweiligen Wahlkreisabgeordneten wirklich bestehen. Je unverbindlicher und loser dieses Verhältnis ohnehin ist, desto weniger taugt das Argument, ein zu großer Wahlkreis könne die Nähe der Wähler zu ihrem Abgeordneten beeinträchtigen – ein Argument, das angesichts der konsequenten Volksferne der meisten Parlamentarier in diesem Haus ja ohnehin mehr als fragwürdig ist.

Da der Entwurf der GRÜNEN mit der Reduzierung der Überhang- und Ausgleichsmandate leider auf halber Strecke stehen geblieben ist und das eigentliche Grundproblem eines personellen Überparlamentarismus weder

sieht noch antastet, wird sich die NPD-Fraktion heute bei dem vorliegenden Gesetzentwurf der Stimme enthalten müssen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der Aussprache. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen? – Frau Abg. Friedel.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich hatte vorhin einen Punkt vergessen, den ich noch schnell aufklären möchte. Herr Modschiedler, Sie haben gesagt: Direktkandidaten sind auch deshalb etwas anderes als Listenkandidaten, weil bei den Direktkandidaten die Bevölkerung entscheidet, wer es wird, und bei den Listenkandidaten entscheidet die Partei. Das stimmt leider auch nicht.

(Zurufe der Abg. Sebastian Fischer, CDU, und Miro Jennerjahn, GRÜNE)

Denn es ist die Partei, die die – – Hören Sie doch erst mal zu, Herr Fischer. Vielleicht lernen Sie noch etwas. – Die Listen werden von den Parteien aufgestellt und die Bevölkerung kann dann entscheiden, ob sie die Liste der SPD, der CDU oder der GRÜNEN wählt.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)