Protocol of the Session on September 18, 2013

Jeder von Ihnen weiß, dass es in jeder Zeitepoche Spionage gegeben hat. Die Möglichkeit, dass man in einem konzentrierten System Daten abgreifen kann, ist natürlich viel interessanter, als wenn man irgendwo Papiere stehlen muss. Das ist die größte Herausforderung, vor der die Staaten stehen, die die Verantwortung für die Menschen, die Unternehmen und die von ihnen zu betreuenden Datenstellen in ihren Ländern haben. Ich glaube, dies betrifft die Rechte sächsischer Bürger, dies betrifft den Freistaat Sachsen und auch die sächsischen Kommunen, den Schutz von Betrieben vor Wirtschaftsspionage und nicht zuletzt den Schutz unserer kritischen Dateninfrastruktur.

Es liegt im nationalen Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass geeignete Maßnahmen getroffen werden, um Möglichkeiten des Datenabgreifens, zum Beispiel der Wirtschaftsspionage oder Angriffe auf kritische Infrastrukturen und die Bürger in Deutschland, zu verhindern. Für mich ist auch selbstverständlich, dass wir Verstöße gegen deutsche Gesetze durch Operationen ausländischer Geheimdienste nicht hinnehmen können,

(Beifall der Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE, und Johannes Lichdi, GRÜNE – Antje Hermenau, GRÜNE: Ja!)

sondern mit allen gebotenen Mitteln dagegen vorgehen müssen. Schließlich geht es hier auch um die nationale Souveränität der Bundesrepublik und die Souveränität der deutschen Länder. Somit sind auch die Interessen des Landes Sachsen und seiner Bürger, seiner Unternehmen und Forschungsbereiche deutlich betroffen.

Ich möchte mich heute nicht mit der Arbeitsweise ausländischer Aufklärung bzw. Geheimdienste inhaltlich auseinandersetzen. Ich denke, es wäre auch nicht leistbar, die Arbeit ausländischer Geheimdienste, zu denen ich am wenigsten Zutritt habe, zu bewerten. Diese Arbeit läuft seit geraumer Zeit auf der Bundesebene und ist Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Bundesregierung und den dafür zuständigen Stellen.

Unsere Themen sind zwei Anträge aus den Reihen der Opposition, die eine ähnliche Zielstellung haben. Die GRÜNEN fordern die Staatsregierung auf, zu klären, inwieweit ausländische Geheimdienste öffentliche oder nicht öffentliche Stellen bzw. Bürger durch Programme im Internet ausspähen. DIE LINKE fordert, dass die Staatsregierung wirksame und durchgreifende Vorkehrungen trifft, damit eine sichere Kommunikation und Datenverarbeitung von Bürgern, Behörden und Unternehmen ausnahmslos gewährleistet ist, und beruft sich hierbei auf die Forderung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten

vom 01.07.2013. Ich möchte feststellen, dass es eine Selbstverständlichkeit sein muss, dass jede Staatsregierung und jede Regierung natürlich die Souveränität ihres Landes entsprechend zu beachten und zu verteidigen hat. Das ist der Amtseid, den wir als Abgeordnete geleistet haben, aber den auch jedes Mitglied einer Verwaltung zu leisten hat.

Die Anträge haben dennoch eines gemeinsam: Durch sie wird der Eindruck erweckt, dass im Freistaat Sachsen jeder und alles durch ausländische Geheimdienste – über chinesische Geheimdienste ist hier noch gar nichts gesagt worden, die sind sicherlich auch nicht nur im Fahrstuhl unterwegs –

(Andrea Roth, DIE LINKE: Auf dem Fahrrad!)

überwacht und abgehört wird und die sächsischen Behörden dies zumindest tolerieren und die Staatsregierung nicht handelt. Das ist der Vorwurf. Die Staatsregierung hat in mehreren Kleinen Anfragen, die auch zitiert worden sind, aus ihrer Sicht zu einem Großteil der hier dargelegten Forderungen bereits ausführlich Stellung genommen. Sie wollen mit Ihren Anträgen den Eindruck erwecken, dass im Freistaat Sachsen die Datensicherheit nicht mehr gewährleistet ist und die sächsischen Behörden bei rechtswidrigen Handlungen mitwirken. Dies muss aber dennoch belegt werden.

Dass in Berlin durch die Bundesregierung Maßnahmen eingeleitet wurden, um Aufklärung über die durch die Papiere von Edward Snowden veröffentlichten Hinweise auf die Arbeitsweise der ausländischen Dienste zu erhalten, unterschlagen Sie. Sie unterschlagen auch, dass der Freistaat Sachsen keine landespolitische Zuständigkeit für die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten besitzt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Ich gestatte keine.

Dies liegt in der Zuständigkeit des Bundes. Ich möchte hier auch dem erweckten Eindruck entgegentreten, dass ein quasi rechtloser Raum bei der Kommunikationsüberwachung oder der Übermittlung personenbezogener Daten im Freistaat Sachsen besteht. Sollte er bestehen, dann muss dieser rechtlose Raum natürlich geschlossen werden. Bisher kann ich ihn nicht erkennen.

Dass die sächsischen Sicherheitsbehörden – sei es die sächsische Polizei oder das Landesamt für Verfassungsschutz – strikten rechtlichen Regelungen bei der Wahrnehmung ihrer Tätigkeit unterliegen und diese ständig kontrolliert werden müssen – sei es durch die PKK oder die sächsische Justiz –, wird von Ihnen unterschlagen. So ist beispielsweise die Überwachung der Telekommunikation durch das G-10-Gesetz geregelt. Auch ansonsten bestehen für die Übermittlung personenbezogener Daten

sowohl im Verfassungsschutz- als auch im G-10-Gesetz entsprechende Vorschriften.

Weiter erwecken Sie den Eindruck, dass die Staatsregierung Datenschutz und Informationssicherheit nicht ernst nimmt. So läuft die Kommunikation der sächsischen Behörden über das sächsische Verwaltungsnetz. Dieses stellt eine exklusive Infrastruktur dar, die nicht in öffentliche Netze integriert ist. Der gesamte Datenverkehr unterliegt also deutscher Gesetzgebung. Auch befinden sich die Server mit den sächsischen Daten nahezu ausnahmslos auf deutschem Boden.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Aha!)

Einschränkung: Dort, wo das nicht der Fall ist, sollte die Staatsregierung auch neu nachdenken. Ich stimme in diesem Zusammenhang auch mit öffentlichen Aussagen des Sächsischen Staatsministers der Justiz und für Europa überein, der zu Recht erklärt hat, dass es im Interesse des Freistaates Sachsen liege, wenn die Daten im Freistaat Sachsen, zumindest in der Bundesrepublik Deutschland gespeichert sind. Damit unterliegen sie deutschen Gesetzen; und sollten es ausländische Unternehmen sein, die diese Daten speichern, dann unterliegen diese auch deutschen Gesetzen, nicht wie zum Beispiel bei einer großen Kommunikationsfirma, die von einer großen europäischen Insel kommt. Sie unterliegt den deutschen Gesetzen und muss bei Verstößen entsprechend so behandelt werden.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Meinen Sie jetzt England, oder was?)

Dann wissen wir, wer Zugriff auf diese Daten hat. Zugriffe oder Zugriffsversuche von ausländischen Diensten können so vermieden werden. Die Staatsregierung hat auch bereits vor Bekanntwerden der Snowden-Papiere Datenschutz- und Informationssicherheit als zwei der wichtigsten Projekte identifiziert und entsprechende Maßnahmen getroffen. So wurden bereits 2011 die Organisation und das Vorgehen im Bereich der Informationssicherheit festgelegt. Neben der Etablierung der Beauftragten für Informationssicherheit wurde die besondere Kommission CERT als schnelle Eingreiftruppe bei sicherheitsrelevanten Vorfällen eingerichtet. Es wurde auch ein eigenes IT-Sicherheitsreferat im Staatsministerium der Justiz und für Europa gebildet, um eine entsprechende Koordinierung zu erreichen.

Ich denke, dies zeigt deutlich, dass man nicht erst die heutigen Anträge benötigt, um in diesem Bereich tätig zu werden. Bürger und Wirtschaft sind hingegen frei bei der Wahl ihrer Kommunikationswege und Speichermedien. Es ist letztlich die Entscheidung jedes Einzelnen, wo er seine Daten speichert. Vielleicht sind die neuen Erkenntnisse ein neuer Ansporn, sich nicht mehr zu sehr auf ausländische Daten oder Medien zu verlassen. Hier kann seitens der Staatsregierung bzw. des BSI nur beraten werden. Dies geschieht auf den unterschiedlichsten Wegen. Eine umfassende Sicherheit kann und wird es aber auch zukünftig nicht geben.

Wir hatten im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss die Information erhalten, dass die Datensicherheit der Zukunft eine ganz andere finanzielle Dimension einnehmen wird. Wir haben etwa damit zu rechnen, dass 100 % Investitionskosten 300 % Kosten für die Sicherheit des Datentransfers gegenüberstehen. Das heißt, die Datensicherheit der Zukunft wird eine ganz andere Dimension annehmen, als sich das viele, die heute von IT-Dienstleistung sprechen, für die Zukunft überhaupt erträumen.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei Straftaten die Hände in den Schoß zu legen sind. Wenn Anhaltspunkte auf rechtswidrige Zugriffe ausländischer Dienste bestehen, wird in jedem Einzelfall dem Verdacht des Begehens von Straftaten nachgegangen. Dies betrifft aber auch die alltägliche Kriminalität im Netz, seien es Betrügereien oder Erpressung. Diese Deliktfelder dürfen wir beim Nachdenken über die Arbeitsweise ausländischer Nachrichtendienste in Deutschland nicht vernachlässigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es lohnt sich, alles dafür zu tun, dass ein wichtiger Grundsatz der Sicherheitspolitik weiter Leitbild der Politik bleibt: der Schutz Deutschlands und seiner Staatsbürger vor äußerer Gefahr und politischer Erpressung.

Dies deckt sich auch mit den Interessen des Freistaats Sachsen. Dazu müssen wir uns auch mit der Stellungnahme unseres Datenschutzbeauftragten deutlich auseinandersetzen. Ich ermutige die Staatsregierung, alles Notwendige zur Sicherstellung der IT-Sicherheit und der Spionageabwehr zu tun. Schließlich geht es auch um den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Sachsen und um die Bürger, die hier zu Hause sind. IT-Sicherheit, Datenschutz und Datensicherheit bleiben für die CDU-Fraktion zentrale Anliegen. Sie sind eine Grundlage des Rechtsstaats. Eine Abweichung ist nicht verhandelbar.

Wir unterstützen die Staatsregierung bei ihren Bemühungen und Maßnahmen, die Datensicherheit im Freistaat Sachsen zu gewährleisten. Wir appellieren auch an die Bürger, Unternehmen und Forschungsbereiche, eigenverantwortlich zur Datensicherung beizutragen. Wir haben Vertrauen in die Arbeit der Staatsregierung und hoffen, dass es uns gelingt, mit diesen neuen Herausforderungen entsprechend umzugehen. Ihre Anträge benötigen wir dafür nicht.

Ich danke Ihnen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das war Herr Kollege Schiemann für die CDU-Fraktion. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Friedel.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass Sie, Herr Schiemann, nicht sofort mit einer Abwehrhaltung reagiert haben, sondern tatsächlich darauf eingegangen sind, dass wir wirklich ein Problem haben, und zwar alle miteinander.

Mein Gefühl ist, dass sich nach dem Auffliegen der NSAAffäre die eine Hälfte der Leute dachte, Mensch, das hätte

ich nie für möglich gehalten, dass es so etwas wirklich gibt, und die andere Hälfte, ich wusste es schon immer und jetzt ist es herausgekommen. Ich kann gar nicht einordnen, was ich gedacht habe. Irgendwie hatte ich beide Gedanken gleichzeitig.

Die Anträge erweckten den Eindruck, dass alles und jeder in Sachsen abgehört werde, hat Herr Schiemann gesagt, und das stimmt. Es ist wahrscheinlich so. Das ist der Eindruck, den wir aus den bisher vorliegenden Fakten gewinnen müssen. Das ist ein beklemmender Eindruck.

Wirtschaftsspionage ist das eine, dass Leute bei Unternehmen schauen, wie die irgendetwas bauen oder welche Verträge sie abgeschlossen haben – okay, das gehört vielleicht dazu. Sie haben gesagt, dass es immer Spionage gegeben habe. Die Tatsache aber, dass jedes Telefonat, das ich führe, jede E-Mail, die ich schreibe, und jede Webseite, die ich besuche, systematisch ausgewertet werden, obwohl ich, glaube ich, keinen Anlass gebe, überwacht zu werden, diese anlasslose, millionenfache Grundrechtsverletzung hat eine Dimension, die uns miteinander vor große Herausforderungen stellt.

Es stimmt natürlich, wenn Sie sagen, die Bundesregierung sei zuständig und die Bundesebene müsse etwas tun. Allein, uns fehlen das Gefühl und der Glaube, dass das Thema auf der Bundesebene richtig aufgehoben ist.

Wir haben eine Bundeskanzlerin, die sagt, ihr sei versichert worden, auf deutschem Boden werde deutsches Recht eingehalten. Das ist ein bisschen witzlos, wenn man über das Internet redet;

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Neuland!)

es sei denn, man betrachtet es als Neuland.

Wir haben einen Innenminister, der fährt einmal nach Washington, darf dort mit mittleren Beamten aus der USRegierung reden und kommt dann wieder und sagt: Sie haben uns versichert, alles ist in Ordnung. Ein paar Tage später erklärt dann der Kanzleramtsminister, die Affäre sei beendet – ich glaube, schon seit August – und die Vorwürfe seien vom Tisch.

Anfang September hätten wir zum letzten Mal die Gelegenheit gehabt, darüber eine Debatte im Bundestag zu führen und zu hören, was die Regierung getan hat. Die Debatte fand aber nicht statt, weil Schwarz-Gelb es verhindert hat. Es sollte vor der Bundestagswahl nicht mehr Thema werden. All das sind Punkte, bei denen wir große Zweifel haben, ob es bei der Bundesregierung wirklich richtig aufgehoben ist. Wir sehen nicht, dass die Bundesregierung aktiv wird, die Grundrechte deutscher Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

Sie haben recht, es liegt im nationalen Interesse der Bundesrepublik – wenn man diesen Sprachgebrauch wählen will –, geeignete Maßnahmen zu treffen. Das können aber nicht nur Maßnahmen sein, die jeder Einzelne in Eigenverantwortung trifft. Wie soll ich mich als Privatperson vor einer NSA schützen können, die meine Daten absaugt? – Das ist mir schlicht unmöglich. Deswe

gen ist die Erwartung völlig berechtigt, die beide Fraktionen in ihren Anträgen formulieren, dass etwas passieren muss. Die konkreten Schritte sind seit Langem und öffentlich aufgezeigt. Das Einfachste ist es zunächst einmal, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA auszusetzen und zu sagen, solange das Thema nicht geklärt ist, müssen wir uns über nichts anderes mehr unterhalten.

Die Bundesregierung tut das nicht. Wir haben dafür kein Verständnis. Deswegen ist es vielleicht gar keine schlechte Idee, dass die Fraktionen der GRÜNEN und der LINKEN das Thema auch hier in den Sächsischen Landtag einbringen, weil die Bundesebene ja nicht nur aus denjenigen besteht, die in Berlin agieren, sondern auch aus denjenigen, die hier sitzen. Wir haben mit unserer Bundesebene gemeinsam an dem Thema gearbeitet. Ich bin sehr gespannt, ob der Innenminister, der Ministerpräsident – oder wer auch immer in dieser Staatsregierung für die Verteidigung von Grundrechten zuständig ist; vielleicht sogar Herr Dr. Martens –,

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Nein, der nicht!)

uns noch darlegen kann, was auf sächsischer Ebene getan wird, um die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen, wenn man auf Bundesebene untätig bleibt.

Wir stimmen beiden Anträgen zu und hoffen, dass die Staatsregierung eine vernünftige und aufklärende Stellungnahme abgibt.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Nach Frau Friedel, die für die SPD-Fraktion sprach, ergreift jetzt Herr Kollege Biesok für die FDP-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Mitte Mai und Juni aufgedeckte Überwachungsskandal hat uns in seinen Ausmaßen überrascht. Uns wurde drastisch vor Augen geführt, vor welchen Herausforderungen wir im digitalen Zeitalter, im Zeitalter der Kommunikation mit vielen verschiedenen Möglichkeiten und auf vielen verschiedenen Wegen, stehen.