Protocol of the Session on June 19, 2013

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Die übergroße Zahl der alten Flussauen in Sachsen ist inzwischen bebaut und beackert; das wissen Sie besser als ich.

Tschechien hat sich als guter Oberlieger erwiesen. Tschechien gebührt unser Dank. Herr Ministerpräsident, Sie haben dabei persönlich eine große Rolle gespielt, was auch an Ihren Sprachkenntnissen gelegen hat. Klar ist: Das Krisenmanagement hat dort gut geklappt, und wir

können als Unterlieger dankbar sein, dass die Tschechen für uns das Wasser zurückgehalten haben.

Jetzt stellt sich die Frage: Sind wir gute Oberlieger? Was das angeht, darf man nicht nur die Sächsische Schweiz und Dresden in den Blick nehmen; Sachsen ist etwas größer und die Flussläufe sind länger. Sind wir also gute Oberlieger?

Die Menschen in Sachsen-Anhalt haben mein volles Mitgefühl. Auch alle, die hier in Sachsen überschwemmt worden sind, wissen: Flüsse kennen keine Landesgrenzen.

Herr Tillich, Sie haben schon 2002 – als Chef der Staatskanzlei – Krisenmanagement betrieben. Das ist mir erinnerlich. Damals war Jürgen Trittin Bundesumweltminister. Heute sind Sie Regierungschef. Aber sind Sie auch der strategische Planer, der Regierer, der jetzt nötig ist, um über Parteigrenzen hinweg und über Legislaturperioden hinaus einen Hochwasserschutz für Sachsen aufzubauen, der uns vor einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten wenn schon nicht final bewahrt, so doch diese mildert?

(Andreas Heinz, CDU: Ja!)

Ich habe mich sehr gefreut, dass Sie meinen Vorschlag in den Briefings mit Herrn Staatsminister Beermann von der Staatskanzlei, Gelder aus der Imagekampagne dafür zu verwenden, Werbung für Urlaub in Sachsen zu machen, aufgegriffen haben. Ich danke Ihnen. Das ist das, was ich mir eigentlich vorstelle, wenn ich davon rede, dass wir Meinungen und Beobachtungen austauschen und gemeinsam Vorschläge erarbeiten sollten.

(Torsten Herbst, FDP: Das war nicht Ihre Idee, das können Sie glauben!)

Trotzdem bleibt es bei der Frage: Hat man vielleicht in der Zeit seit 2002 den strategischen Hochwasserschutz aus den Augen verloren, weil viele andere Fragen „aufgeploppt“ sind? Diese Frage ist erlaubt.

Nun zu der Theorie von der Notwendigkeit eines „Beschleunigungsgesetzes“: Unserer Auffassung nach ist das unnötig. Sie haben zwei Möglichkeiten, damit besser umzugehen als in der Vergangenheit. Die eine ist eine bessere Bürgerbeteiligung im Vorfeld. Das finde auch ich richtig, das müssen wir machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Monika Runge, DIE LINKE)

Die Bürger vor Ort haben private Interessen; das ist klar. Aber sie haben auch lokale Expertise und wissen, welchen Weg das Wasser in ihrer Stadt oder an ihrem Berghang nimmt; sie kennen das. Deswegen kann man sie nicht ausblenden.

Zum anderen haben Sie für alles, wirklich für alles, was planfestgestellt ist, natürlich die Möglichkeit, zum Schutz wichtiger Güter Sofortvollzug anzuordnen; das wären ja wohl Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Klagen haben dann keine aufschiebende Wirkung. Es gibt überhaupt keinen Grund, Bürger zu beschimpfen, die angeblich

irgendetwas verhindert haben. Alles, was planfestgestellt ist, kann sofort vollzogen werden. Das ist eine Verwaltungsentscheidung. Die Landestalsperrenverwaltung hat das offenbar nicht getan.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Dass Einzwängen nicht überall etwas bringt, dafür ist Roßwein vielleicht ein Beispiel. Selbst in der geplanten Höhe hätte die mannshohe Flutmauer die Überflutung nicht aufgehalten, sagte der Bürgermeister. Die Mauer wäre schlicht zu niedrig gewesen. Aber die Bürger haben auch eigene Vorschläge eingebracht.

Herr Kupfer, ich habe mich geärgert, als ich von Ihnen resigniert das Ergebnis hörte: Dort, wo Hochwasserschutz partout nicht gewollt ist, wird er eben nicht gemacht. – Das klingt wie: „Macht doch euren Dreck alleene!“ Das hatten wir schon einmal. Was ist denn das für ein Demokratieverständnis, dann, wenn es schwierig wird, der Haltung Vorschub zu leisten, der Staat sei zuständig, weshalb er bestimmen dürfe, was zu tun ist, und wenn die Bürger das nicht wollen, sollen sie sehen, wo sie bleiben. Wo sind wir denn?!

Ihr thüringischer Kollege Reinholz – auch CDU – sagte: „Es kann nicht nur darum gehen, Deiche und Dämme zu bauen. Wir haben gesehen, dass das allein nicht funktioniert. Es muss auch mal eine landwirtschaftliche Fläche geflutet werden. Das ist preiswerter, als wenn die Innenstadt überschwemmt wird.“ – Herr Kupfer, so einen Satz hätte ich mir von Ihnen als Umweltminister gewünscht.

Man kann das Hochwasser auch selbst auftürmen, wenn man es nicht großflächig versickern lässt. Dafür braucht man viel Boden, und dieser muss auch aufnahmefähig sein. Das ist völlig richtig, Herr Flath. Wenn der Boden keine Aufnahmefähigkeit mehr hat, geht das Wasser – genauso wie alles andere Wasser – in die Bäche und Flüsse.

Die große Novelle des Wassergesetzes durch die Staatsregierung ist durch diese Realitäten zum Flop geworden. Laut dem aktuellen Entwurf des neuen Sächsischen Wassergesetzes wollen Sie den Kommunen, die mobile Flutschutzelemente statt permanenter Mauern an Gewässern I. Ordnung haben wollen, kein Geld für den Unterhalt dieser Elemente geben.

Wir schlagen Ihnen vor, dass Sachsen den Kommunen maximal die Zusatzkosten in Rechnung stellt, die über dem Unterhalt einer permanenten Mauer liegen. Deren Erhalt bezahlt der Freistaat nämlich. Wenn die lieber eine mobile Flutschutzmauer haben wollen, dann lassen Sie sie doch. Wo ist denn das Problem?

Noch einmal zur Frage der Aufnahmefähigkeit der Böden. Das hat mit dem Wetter zu tun, ob es vorher nass war oder nicht. Aber versiegelt ist versiegelt. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, ob vorher die Sonne schien oder Regen runterkam.

(Widerspruch des Abg. Torsten Herbst, FDP)

In Ihrer Rede waren viele Gesprächsangebote, aber es gab auch einen etwas launigen Unterton. Das irritiert mich. Nicht alles ist gottgegeben. Und Gott hat sich vielleicht nicht bei jedem was gedacht. Vieles ist menschengemacht oder eben von den Menschen noch nicht erledigt. Das sind solche Punkte, über die wir hier sprechen. Das sind die Sachen, die wir machen müssen. Machen Sie bei der Planfeststellung lieber Sofortvollzug als dass Sie versuchen, bei der Bundesebene gesetzlich etwas zu zementieren, was Sie wahrscheinlich nicht durchbekommen. Das ist ein Dummverkaufen der Leute. Lassen Sie davon lieber ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Solche Hochwasserschutzbauwerke sind für Generationen gedacht. Da muss die jahrzehntealte lokale Kompetenz einfließen. Da muss eine richtige Kompetenz aus technischen und raumordnerischen Verwaltungsexperten dabei sein. Vielleicht war es ein Fehler, dies alles der Landestalsperrenverwaltung aufzubürden. Vielleicht war das zu viel für sie. Die konnten das nicht schaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich glaube, dass der bessere Hochwasserschutz nicht an einzelnen Bürgerinnen und Bürgern gescheitert ist, sondern daran, dass die Politik nicht die richtigen Prioritäten gesetzt hat und die Verwaltung diese Fragen noch nicht im Griff hat. Das ist meine Auffassung.

Die sinkende Spendenbereitschaft, über die sich hier und da schon einige beklagen, hat meiner Meinung nach etwas damit zu tun, dass wir Sachsen uns bundesweit dem Vorwurf aussetzen, wir hätten vielleicht zu wenig gemacht. Zumindest bei dem Thema der Flutungsflächen kommt diese Diskussion bundesweit auf.

Dann sagen Sie: Wer konnte denn ahnen, dass schon wieder ein Jahrhunderthochwasser kommt? Da sage ich Ihnen: Wir. Wir konnten das ahnen. Wir haben dauernd diskutiert mit Ihnen. Wir haben die Experten hier in Dresden sitzen. Dr. Bernhofer, Professor für Meteorologie in der TU Dresden, hat öfter davor gewarnt. Das sind die wichtigen Punkte, die man von ihm wissen muss: Sachsen ist öfter als alle anderen Bundesländer von extremen Hochwassern betroffen. Sachsen liegt sozusagen in einer Einflugschneise für 5-B-Wetterlagen. Die Anzahl der Trogwetterlagen hat sich in den letzten 20 Jahren verdreifacht. Das ist übrigens Empirie, keine Prognose. Das ist einfach nur Statistik. Wenn man das weiß, dann ist auch klar, dass die Zahl der Hochwässer tendenziell stark zunehmen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Monika Runge, DIE LINKE)

Charakteristisch ist inzwischen auch, dass diese Trogwetterlagen zunehmend sesshaft sind, das heißt sich festfressen, sich nicht mehr bewegen. Das hat damit zu tun, wie sich zum Beispiel Oberschichtluftströmungen durch die Abschmelzung von Polkappen und andere Dingen verschieben und dazu führen, dass das Wetter nicht mehr so

beweglich ist. Das kann man alles in Ruhe nachlesen und ausdiskutieren. Mir wäre nur daran gelegen, dass wir unsere Worte in Zukunft besser wägen. Wenn wir damals von einer Jahrhundertflut gesprochen haben, jetzt haben wir die nächste Jahrhundertflut und das geht aller zehn Jahre so weiter, dann leben wir ein ganzes Jahrtausend. Das kann es ja nicht sein.

Die Menschen können nicht aller zehn Jahre von vorn anfangen. Darauf liegt kein Segen. Unsere ökonomische Position als Freistaat ist zu schwach für derlei gravierende Wachstums- und Wohlstandsverluste. Hundertprozentigen Schutz gibt es nicht. Das haben wir immer schon gesagt. Wir sind genau dieser Auffassung. Aber es geht deutlich besser als bisher. Ich finde, wir müssen alle denkbaren und gesetzlich verträglichen Maßnahmen ergreifen, und nicht nur die ausgewählten Lieblingsmaßnahmen der einen oder anderen Partei. Das bedeutet auch, dass man nicht jedem nach dem Mund reden darf, sondern dass man wirklich regieren muss. Das wird zu lokal schwierigen Situationen führen, die wir meistern müssen. Das ist nicht leicht, aber der volkswirtschaftliche Gewinn bei einer Rückverlegung von Deichen beträgt circa das Dreifache der Kosten, sagen die Experten.

Wissen Sie, auch wenn es den einen oder anderen gibt, der dem Klimawandel nicht richtig über den Weg traut, ist es mir eigentlich wurscht, was der Einzelne als Begründung bemüht – ob er nun der Meinung ist, die alten Auen existieren nicht mehr oder es seien natürliche Klimaschwankungen oder es gibt strömungstechnisch einen beschleunigten Flussweg. Am Ende wird jeder von uns die Statistik bemühen müssen, die für alle gilt: Extreme Wetterereignisse haben sich in den letzten drei Jahren verdreifacht und diese Tendenz ist steigend. Ich denke, an einer Neuorientierung im natürlichen Hochwasserschutz kommt die Politik in Sachsen nicht vorbei. Sie haben bisher erst 1,5 % der Fläche von dem umgesetzt, was seit 2002 geplant war. Das ist in dieser Frage das konkrete Versagen der Staatsregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das war Frau Hermenau für die Fraktion GRÜNE. Für die NPD-Fraktion spricht jetzt Herr Apfel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten eingehe, möchte ich mich im Namen der NPD-Fraktion bei den tausenden Helfern bedanken, die freiwillig und selbstlos gegen die Flutkatastrophe in den letzten Wochen im Einsatz waren.

(Beifall bei der NPD)

Was mich besonders gefreut hat, war die Tatsache, dass es vor allem junge Menschen waren, die beim Sandsackfüllen oder bei Aufräumarbeiten mit angepackt haben und sich nicht als Hochwassertouristen wie der Ministerpräsident oder die Bundeskanzlerin beteiligt haben. An Tagen wie diesen zeigt sich, dass unser Volk in der Not in der

Lage ist, wieder enger zusammenzurücken und an einem Strang zu ziehen, wenn man mal von einigen geisteskranken Linken absieht, die mit Anschlägen auf Deiche gedroht haben.

Frauen und Männer, sogar Greise und Behinderte kamen mit der Schaufel in der Hand, um Heimat, Boden und Besitz zu verteidigen. Auch wenn es viele noch nicht wahrhaben wollen: In Stunden wie diesen liegt die Keimzelle einer entstehenden Gemeinschaft, die man heute schon verloren glaubte. Im Juni 2013 hat sich wie schon 2002 und 2010 gezeigt, dass positive Eigenschaften in unserem Volk noch vorhanden sind und im Kampf gegen das Hochwasser die wahre Volksgemeinschaft praktiziert wurde. Herzlichen Dank an alle, die dabei gewesen sind.

(Beifall bei der NPD)

Was der Ministerpräsident heute vorgetragen hat, kann indes wohl kaum ein Opfer der Hochwasserkatastrophe überzeugen. Das fängt schon mit dem blumigen Titel der Regierungserklärung an. Man fragt sich, wen der Ministerpräsident mit diesen Gute-Laune-Parolen beeindrucken will. Den Betroffenen jedenfalls helfen solche PR-Gags nicht. Wie wir gehört haben, soll nun ein Hilfsfonds in Höhe von 8 Milliarden Euro aufgelegt werden, doch kaum angekündigt, feilschen Bund und Länder verbissen um die Finanzierung des Fonds. Wenn es um Banken oder Pleitestaaten geht, funktioniert die Einigung wegen Alternativlosigkeit im Handumdrehen, doch wenn nationale Solidarität gefragt ist, gibt es ein Gezerre wie auf dem orientalischen Jahrmarkt.

(Beifall bei der NPD)

Aber selbst wenn es bei den angekündigten 8 Milliarden Euro bleibt, muss man feststellen, dass das zunächst viel klingt, doch wenn sich das Ausmaß der Schäden einmal genauer angesehen wird, dann wird schnell klar, dass damit bei Weitem nicht alle Schäden ausgeglichen werden können. Das Ausmaß der Katastrophe von 2013 dürfte noch größer sein als bei der vermeintlichen Jahrhundertflut von 2002. In Sachsen waren die Schäden vielleicht unterm Strich etwas geringer, aber dafür hat es unsere Nachbarländer Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bayern umso stärker getroffen als damals. Insofern ist klar, dass nur ein Teil der im Raum stehenden 8 Milliarden Euro nach Sachsen fließen wird.

Unseres Erachtens ist es für eine genaue Abschätzung der Schäden ohnehin noch zu früh. Immer noch steht mancherorts das Wasser im Land. In Sachsen-Anhalt sind große Gebiete immer noch überflutet. Die Rückkehr des Alltags wird für viele Flutopfer noch sehr lange dauern. Umso wichtiger wäre es, wenn sie von der Politik wenigstens das Signal bekommen würden: Ihr seid nicht allein, die Gemeinschaft steht hinter Euch, die Flut war nicht der endgültige Untergang Eurer Existenz. Doch hier sind leider Zweifel angebracht.

Auch nach dem sogenannten Flutgipfel am 13. Juni bei der Bundeskanzlerin war es schwierig zu erfahren, was genau von den 8 Milliarden Euro bezahlt werden soll. Der

Bund kündigte an, auf Ausgleichszahlungen für ihm unterstehende Hilfskräfte, also vor allem Bundeswehr und THW, verzichten zu wollen. Wie großzügig, möchte man ironisch anmerken. Oder hatte in Berlin etwa jemand ernsthaft vor, nach dieser Katastrophe nach Sachsen oder die anderen betroffenen Länder auch noch Gebührenbescheide zu verschicken?