Ja, die Sitzungsleitung ist aber mir übertragen worden. Sie können ruhig fortfahren. Der Geräuschpegel ist nicht so hoch, dass Sie Ihre Rede nicht fortführen könnten.
Danke schön. – Wir können ja mal zu Dresden kommen. Da kommt der Herr Kollege Piwarz ja auch her. Die Wahlkreiskommission hat vorgeschlagen, einen Wahlkreis aus den Ortsamtsbereichen Pieschen und Neustadt zu bilden. Diese sind relativ homogen strukturiert, infrastrukturell miteinander verbunden und die Bevölkerung entwickelt sich ungefähr ähnlich. Das sind wichtige Kriterien, die auch vom SMI für die Wahlkreisziehung angeführt wurden.
Für die CDU ist das aber in der Tat kein schöner Wahlkreis. Deshalb hat man dort einige Veränderungen vorgenommen. Man hat die beiden Ortsamtsbereiche vier verschiedenen Wahlkreisen zugeschlagen. Dadurch ergibt sich jetzt zum Beispiel im neuen Wahlkreis Dresden I, dass die pulsierende Äußere Neustadt mit dem ländlichlandwirtschaftlich geprägten Schönfelder Hochland
verbunden wird. Dass dazwischen noch mehrere Kilometer Wald in der Dresdner Heide liegen: Geschenkt, das ist doch total egal.
Oder der neue Wahlkreis Dresden II. Dort werden die Plattenbauten in Prohlis – südlich der Elbe gelegen – mit den Villengebieten am Weißen Hirsch verheiratet – nördlich der Elbe gelegen. Alles wunderbar!
Das macht es doch nicht besser, Herr Piwarz. Dass sie nicht zusammengehören, das ist doch eindeutig.
Wie aus einem sachgerechten Vorschlag einer Wahlkreiskommission ein Bündel von Bananenwahlkreisen gemacht wird, kann man an diesem Vorschlag ganz klar erkennen. Ich denke, nicht nur ich bekomme dabei Assoziationen mit einer Bananenrepublik.
Jetzt komme ich zur Kreisfreien Stadt Leipzig. Dort wohne ich selbst. In Leipzig gab es erst einen Vorschlag, dass man das homogene Plattenbauviertel Grünau in der Mitte „durchschneidet“. Das ist lachhaft. Aber die Absur
dität dieses Vorschlages hat selbst die Koalition erkannt. In einem seltenen Anflug von Einsicht haben Sie das zurückgenommen. Es kam Ihnen dabei entgegen, dass die Bevölkerungsentwicklung in Grünau leider rückläufig ist, also musste man andere Gebiete zuschlagen.
Was hat man dann gemacht? Es würde vielleicht passen, direkt angrenzend Plagwitz bzw. Schleußig in Leipzig zu nehmen. Aber nein, die sind ein wenig zu städtisch strukturiert. Dann nehmen wir doch lieber mal Burghausen-Rückmarsdorf, das ist schön ländlich strukturiert, dann können wir das noch ein bisschen sicherer für die CDU machen – herzlichen Dank.
Kollege Hartmann, Sie haben doch gesagt, dass es auch CDU-Kollegen gibt, die mit den gezogenen Wahlkreisen nicht zufrieden sind. Mich würde sehr interessieren, welcher Kollege in den kreisfreien Städten nicht damit zufrieden ist. Ist vielleicht Kollege Schreiber nicht damit zufrieden, weil er gern in Pieschen-Neustadt angetreten wäre. Das würde ich gern beantwortet wissen.
Vielen Dank. – Herr Kollege Panter, können Sie mir erklären, warum Wahlkreise nach Plattenbauten und Villenvierteln getrennt werden sollten? Ich habe in meinem ländlich geprägten Wahlkreis beides. Mich wundert es, dass Sie dahin gehend differenzieren.
Das ist ganz einfach zu beantworten: Es gibt bestimmte Kriterien, die man zur Hand nehmen sollte; gerade in den städtischen Bereichen. Da geht es um die infrastrukturelle Anbindung in einem Wahlkreis, da geht es um die homogene Struktur in einem Wahlkreis, und da geht es um die Bevölkerungsentwicklung. Deshalb sollten sie so zusammengefasst werden. Dass es sich in ländlichen Bereichen anders ist als in kreisfreien Städten verhält, ist klar. Dass man aber deshalb so unterschiedliche Gebiete wie zum Beispiel die Äußere Neustadt und das Schönfelder Hochland zusammenpackt und dazwischen 10 Kilometer Wald setzt, dass sollte man dann auch erklären; das können wir dann gern noch besprechen.
Ich möchte jetzt von meiner wertvollen Redezeit nicht so wahnsinnig viel dafür verwenden, sondern möchte weg von den Einzelbeispielen hin zum Allgemeinen kommen.
Festzustellen ist, dass nach dem Vorschlag der Koalition alle Wahlkreise in den kreisfreien Städten auch zukünftig oberhalb des Durchschnitts der Bevölkerung in den Wahlkreisen liegen werden. Das ist besonders in Chemnitz ganz eklatant, weil man sich dort in allen drei Wahlkreisen jetzt schon wieder durch die Neuziehung den
15 % angenähert hat. Ab 15 % sollen Wahlkreise wieder verändert werden – das wurde vorhin von Kollegen Hartmann auch kurz so eingeführt –, ab 25 % müssen sie verändert werden. Warum die Koalition das jetzt so macht – auch das ist sicher eine Erklärung wert.
Mit den Vorgaben für Wahlkreiszuschnitte hat es aus meiner Sicht auf jeden Fall nichts zu tun. Wenn man vielmehr in das Schreiben hineinschaut, das wir letztes Jahr als Parteien in dem Fall vom SMI bekommen haben, dann wird auch klar, worum es geht. Denn dort wird nach ganz wortreichen Ausführungen zu den Kriterien am Ende ganz plump angemerkt – ich zitiere –: „Der Gesetzentwurf nutzt den Beurteilungsspielraum, der dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zusteht.“ Vielen Dank, auf Wiedersehen!
Damit ist eindeutig klar, worum es geht: Sie versuchen sicherzustellen, dass möglichst wenige großstädtische Wahlkreise homogen strukturiert werden. Als Opposition könnten wir ja dankbar sein, dass wir dazulernen dürfen,
wie das in den Städten so ist, wenn städtisch strukturierte Gebiete mit ländlichen Gebieten kombiniert werden. Aber, ganz ehrlich, das Vorgehen der Koalition ist so durchsichtig – entschuldigen Sie bitte, wenn ich diese Worte wähle –, das ödet mich an.
(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN – Christian Piwarz, CDU: Setzen Sie sich doch wieder hin!)
Aber, jetzt kommen wir auf des Pudels Kern, den ich nicht vergessen möchte, denn was steckt eigentlich dahinter? Dahinter steckt doch nur die Angst der CDU in den großen Städten.
Ja, es ist die pure Angst, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU. Sie haben das Gefühl für Land und Leute verloren und fürchten um Ihre Machtbasis. Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, dass nur in drei der 20 größten Städte in Deutschland noch die CDU regiert. In Sachsen ist es nur eine der vier größten Städte.
Ihre Angst treibt Sie zu ganz unmöglichen Verrenkungen und Erklärungen, nur um Ihre Mandate zu sichern. Dass wir das ablehnen, ist vollkommen klar.
Ich möchte aber auch sagen, was mich an der ganzen Geschichte mit Ihrer Angst traurig macht: dass es auf ein anderes Thema Auswirkungen hat, und zwar auf den Wahltermin für die kommende Landtagswahl. Es macht mich deshalb traurig, weil wir darüber diskutieren müssen, warum ein Wahltermin in den Sommerferien schlecht
für die Demokratie ist. Da gibt es ganz vielfältige Argumente, die wir heute nicht austauschen wollen. Nur eines, was mir ganz wichtig ist: das Thema Wahlbeteiligung.
Erinnern wir uns einmal kurz zurück ans Jahr 2009. Die NPD hat damals eine ziemliche Wahlniederlage erlitten; sie ist zurückgefallen auf leider Gottes immer noch 100 000 Stimmen in Sachsen. Wenn wir die Wahlbeteiligung von 2004, die damals bei 60 % lag, 2009 hätten halten können, dann wäre die NPD aus dem Landtag hinausgeflogen,
Wie Sie aber mit einem Wahltermin in den Sommerferien die Wahlbeteiligung erhöhen wollen – auch das hätte ich gern irgendwann einmal erklärt. Ich denke, wir haben alle als Demokratinnen und Demokraten eine gemeinsame Verantwortung, und ich hoffe, dass wir auch gemeinsam zu der Einsicht kommen, dass ein Termin vor den Sommerferien die richtige Wahl ist.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Panter, ich möchte Ihnen ganz herzlich danken für diese nette Anekdote zu Beginn Ihrer Rede – nur frage ich mich, ob sie uns hier in der Sache weiterbringt; ich glaube nicht.
Herr Panter, Ihre Aufregung kommt doch nur daher, weil Sie nie eine Chance haben, hier in Sachsen einen Wahlkreis direkt zu gewinnen.
(Beifall bei der FDP und der CDU – Starke Unruhe – Zurufe – Heiterkeit – Stefan Brangs, SPD: Ihr schafft die 4 % noch! 4 % gönne ich euch! Am liebsten 4,9 – ganz knapp! – Weitere Zurufe)
So, jetzt haben wir die Argumente ausgetauscht. Ich bitte, mit Ihrer Rede fortzufahren; wir haben auch die Zeit angehalten. Jetzt geht es weiter; bitte.