Ein zweiter Punkt, der gerade nur negativ anklang, ist die Frage der Willkommenskultur in Sachsen. Der Bericht sagt sehr deutlich, dass wir die Zuwanderung von Fachkräften brauchen werden. Aber auch hier müssen wir anmerken: Zuwanderung wird es nur geben, wenn die Arbeits- und Lebensbedingungen in Sachsen attraktiv sind. Das verbindet sich aus Sicht der SPD-Fraktion maßgeblich mit der Frage des Lohnniveaus. Deswegen werben wir für einen gesetzlichen Mindestlohn. Deswegen sagen wir: Gute Arbeit muss gut entlohnt werden.
Wenn wir hier nicht von der Niedriglohnstrategie wegkommen, wird sich das auch bei der Anwerbung von Fachkräften rächen.
Ein weiterer Bereich, der uns bei der Frage von Fachkräften wichtig erscheint, ist der Bildungs- und Hochschulbereich. Hier will ich etwas früher ansetzen, als wir in der Enquete-Kommission mit den Experten angesetzt haben; denn die entscheidende Weichenstellung für eine gute Ausbildung und damit Berufschancen wird schon in der Kita und spätestens in der Schule gelegt. Wir in Sachsen leisten uns aber immer noch, dass viel zu viele Schulabgänger ohne einen qualifizierten Abschluss aus der Schule gehen, also ohne eine Chance, eine Berufsausbildung mit Perspektive zu absolvieren. Über 9 % in Sachsen erreichen keinen Schulabschluss und über 6 % der sächsischen Schüler in den Förderschulen bekommen dazu nicht einmal die Chance. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Das dürfen wir so für die Zukunft nicht akzeptieren. Hier müssen wir ran. Wir brauchen ein längeres gemeinsames Lernen.
Vor allem unsere Hochschulen sind das Pfund, mit dem wir dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel erfolgreich begegnen können. Wir dürfen sie deshalb nicht weiter kaputtsparen, vor allen Dingen müssen wir sie klug nutzen: zum einen mit einer Haltestrategie für die Absolventen in Sachsen, zum anderen mit einer stärkeren Kooperation, insbesondere in der Abschlussphase, zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.
Wir im Parlament sind in der Verantwortung für den Fachkräftebedarf Sachsens im Bereich der Daseinsvorsorge. Bis heute aber gibt es keine qualifizierte Fachkräftestudie in Sachsen wie zum Beispiel in Thüringen. Das ist eine absolute Leerstelle und hat sich in diesen Jahren
Ich möchte noch etwas zur EU-Förderung sagen. Es wird weniger Geld im EFRE-Bereich geben, aber es gibt mindestens so viel Geld wie bisher für ESF und damit für Innovation im Bereich Arbeitsorganisation und Technologietransfer, sei es beim Technologieassistenten oder hoffentlich bald auch beim Technologiescout. Vor allem gibt es aber Chancen auf mehr EU-Gelder aus dem Programm „Horizon 2000“. Das wurde schon gesagt. Das Budget wird sich auf fast 87 Milliarden Euro verdoppeln. Hier muss sich Sachsen nicht nur in Brüssel besser aufstellen, sondern wir müssen auch darüber reden, wie nah an der Wissenschaft Akquise-Einrichtungen wie das European Project Center der TU Dresden an mindestens allen vier sächsischen Universitäten entstehen. Hier gibt es die Möglichkeit, 200 Millionen Euro mehr einzuwerben als in den letzten sieben Jahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchen 23 Jahre nach der Wiedervereinigung in der Wirtschafts- und Technologiepolitik eben nicht nur einen kleinen Tapetenwechsel, sondern eine Komplettrenovierung, sonst werden wir nicht zu den alten Bundesländern aufschließen können.
Das war Kollege Mann für die SPD-Fraktion. – Nur die CDU-Fraktion hätte noch Redezeit. – Es gibt keinen Redebedarf. Damit erteile ich der Staatsregierung das Wort. Bitte, Frau Staatsministerin von Schorlemer.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sie haben am 29. Dezember 2010 auf Antrag der Fraktionen von CDU und FDP die Einsetzung der Enquete-Kommission „Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und Innovationspolitik im Freistaat Sachsen“ beschlossen
Als Technologieministerin dieses Landes hatte ich diesen Antrag seinerzeit sehr begrüßt. Heute darf ich Ihnen, meine Damen und Herren, die Sie als Mitglieder der Enquete diese Strategien in gut zweijähriger Arbeit entwickelt und in Form eines fast 300-seitigen Abschluss
Sie haben viele gute Antworten auf die Frage gefunden: Wie können wir langfristig im Freistaat Wertschöpfung und Wohlstand sichern? – Dafür möchte ich Ihnen allen – vor allem den Obleuten der Fraktionen sowie Ihnen in herausgehobener Weise, Herr Abg. Schmidt als Vorsitzender der Enquete-Kommission – herzlich danken.
Der Zeitpunkt für die Einsetzung und auch die Arbeit der Enquete war aus mindestens zwei Gründen gut gewählt: Erstens darf man nach 20 Jahren erfolgreicher Entwicklung von Forschung, Technologie und Innovation im Freistaat Sachsen einmal innehalten und auch prüfen, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden, einem Weg, der uns auch in weiteren 20 Jahren erlaubt, auf eine dann 40jährige Erfolgsgeschichte zurückzublicken.
Zweitens: Wir befinden uns aktuell im letzten Jahr der siebenjährigen Strukturfondsperiode und des 7. Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union.
Neben der damit verbundenen Bilanz sächsischer Beteiligung an diesen Finanzierungsinstrumenten stehen zugleich auch die Programmierungen der ab 2014 beginnenden neuen Periode und auch die unmittelbare Vorbereitung auf das unter der Bezeichnung „Horizon 2020“ firmierende 8. Forschungsrahmenprogramm an. Beide Instrumente sind für den Freistaat Sachsen von größter Wichtigkeit.
Meine Damen und Herren, wir sind uns sicher weit über die Mitgliedschaft in der Enquete-Kommission hinaus über Folgendes einig: Die Wettbewerbsfähigkeit in Sachsen, in Deutschland, aber auch in Europa hängt entscheidend von unserer Innovationskraft ab. Das heißt, je wissensintensiver wir aufgestellt sind und je besser es uns gelingt, Wissen in neue Produkte, Verfahren und – ja, Herr Weichert – Dienstleistungen zu überführen, umso besser geht es uns allen. Deswegen war es auch nur konsequent, dass der Enquete-Bericht mit einer Bestandsaufnahme begonnen hat, die uns über das bislang Erreichte informiert.
Ich möchte nur einige Aussagen hervorheben. Forschungs- und wissensintensive Industriezweige erbringen mehr als die Hälfte – genau 55 % – des Industrieumsatzes in Sachsen. Der Freistaat Sachsen liegt hier nahe am westdeutschen Anteil von 56 %, aber doch schon neun Prozentpunkte über dem ostdeutschen Durchschnitt.
Doch nicht nur makroökonomisch, sondern auch mikroökonomisch – das heißt, für das einzelne Unternehmen – gilt der Zusammenhang zwischen Innovationsintensität und wirtschaftlichem Erfolg. Forschung und Entwicklung betreibende Unternehmen sind etwa doppelt so leistungsfähig wie Unternehmen, die das nicht tun. So beschäftigten sich zwar nur rund 12 % der Industrieunternehmen in
Forschungsstarke Unternehmen zahlen – im Vergleich zu forschungsschwachen Unternehmen – ihren Beschäftigten auch höhere Löhne und Gehälter. Das führt zu höheren Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen. Mit anderen Worten: Unsere Investitionen in Forschung und Entwicklung zahlen sich auch fiskalisch für unser Land aus. Wer sich über die Bestandsaufnahme der Enquete hinaus vertiefend mit der technologischen Leistungsfähigkeit Sachsens befassen möchte, dem möchte ich den bereits angesprochenen „Sächsischen Technologiebericht 2012“ empfehlen, den wir Anfang März vorgelegt haben.
Sehr geehrte Frau Pinka, man sollte vielleicht zwischen beiden Instrumenten differenzieren. Der „Technologiebericht 2012“ konterkariert in keiner Weise den Abschlussbericht der Enquete-Kommission. Sowohl von der Methodik als auch vom Aufbau her ist er völlig anders angelegt. Der Technologiebericht enthält zwar wie der andere Bericht eine Bestandsaufnahme, jedoch umfasst er ein Monitoring, ein Controlling letztlich für die Staatsregierung, und zwar im Rückblick. Insofern erlaubt auch das Benchmarking des Technologieberichts einen Vergleich des Freistaates Sachsen mit anderen Staaten und Ländern.
Anders der Enquete-Bericht: Er entwickelt Strategien, und zwar auch über 2020 hinaus – daher auch die Handlungsempfehlungen an die Staatsregierung, Wirtschaft und Wissenschaft. Kurzum: Beide Instrumente treten nicht in Konkurrenz zueinander. Ich verspreche Ihnen bei der Lektüre des Technologieberichts etliche positive Überraschungen; auf eine werde ich am Schluss meiner Ausführungen zurückkommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Entwicklung Sachsens beeindruckt auch andere. Immer häufiger verweisen zum Beispiel auch Vertreter der Europäischen Kommission, die nach guten Beispielen innovationspolitischer Praxis suchen und diese Dritten zur Nachahmung empfehlen wollen, auf unseren Freistaat. Denn hier, in Sachsen, haben sich der Einsatz der erwähnten europäischen Mittel, aber vor allen Dingen auch das Miteinander von kreativen Forschern, mutigen Unternehmern, vorausschauenden Politikern und unbürokratisch agierenden Beamten – auch die gibt es bei uns – als erfolgreich erwiesen. Dieser Erfolg spricht sich herum. So konnten wir erstmals im Jahr 2012 einen deutlich positiven Wanderungssaldo verzeichnen.
Einen gewissen Anteil daran hat unsere erfolgreiche Hochschulwerbung, gerade auch für „mehr Studierende in den MINT-Fächern“, ganz im Sinne einer der wichtigen Empfehlungen der Enquete-Kommission. Während
unsere Hochschulen in Dresden und Leipzig immer besser ausgelastet sind, gibt es abseits der großen Städte – aber vor allen Dingen auch in den MINT-Studiengängen – noch freie Kapazitäten. Deswegen haben wir unsere Kampagne – www.pack-dein-studium.de – seit 2011
Keineswegs also, meine sehr geehrten Damen und Herren, tritt Sachsen auf der Stelle oder wie Sie, Herr Abg. Mann, es in Ihrer Pressemitteilung zum Technologiebericht formuliert haben – ich zitiere –: „Sachsen stagniert im Bereich Innovation und Technologie“. Dem ist nicht so.
Aber gerade bei den Themen Innovation und Technologie überrascht die Schwarzmalerei schon etwas, die sich auch, wie ich meine, durch die umfangreichen Minderheitenvoten der Enquete-Kommissions-Berichtsfassung
Lieber Herr Abg. Mann, wenn Sie wirklich recht hätten, dann würden Sie auch an zwei Ihrer Fraktionskollegen – Frau Dr. Stange als meiner Vorgängerin im Amt und Herrn Jurk, meinem Vorgänger im Bereich Technologiepolitik – zweifeln und ihnen ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Wir stellen aber fest: Selbst in der Zeit von 2005 bis 2009 hat sich der Freistaat wirtschaftlich und wissenschaftlich gut entwickelt. Daran haben auch die beiden ehemaligen Minister einen Anteil. Ich sage, sie waren mitverantwortlich – ich sage ganz bewusst „mitverantwortlich“, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil wir, Regierung und Parlament – das gilt letztlich für alle demokratischen Systeme –, immer nur die Rahmenbedingungen gestalten können. Die wahren Protagonisten unserer sächsischen Erfolgsgeschichte sind unsere Forscherinnen und Forscher, die Unternehmer und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Diese haben dafür gesorgt, dass die FuE-Aufwendungen im Freistaat Sachsen seit 1999 stärker als im Bundesdurchschnitt gestiegen sind. Im Jahr 2010 lag Sachsen mit einer FuE-Intensität von 2,88 % des BIP sogar über dem damaligen gesamtdeutschen Wert in Höhe von 2,80 %. Inzwischen – 2011 – ist der Bund genau bei den 2,88 % angekommen. Die Länderdaten liegen für 2011 zurzeit noch nicht vor. Aber mit etwas Augenzwinkern könnten wir fast sagen: Deutschland befindet sich auf sächsischem Vorjahresniveau.
Wir sind also jetzt nahe an der Erreichung des 3-%-Ziels, jedoch stellen wir fest: Je näher man der Spitzengruppe kommt, umso anstrengender wird es, hier noch weiter Fortschritte zu erzielen, noch weiter nach vorne zu kommen und mitzuhalten. Genau deshalb sind wir auch gut beraten, unsere Kräfte zu bündeln, um ab 2014 vor allem auch die erforderlichen Anstrengungen vorzunehmen. Wenn ich „gemeinsam“ sage, dann meine ich natürlich nicht nur die Akteure in Sachsen, sondern auch unsere
Die wichtige Empfehlung der Enquete-Kommission: Wir mögen uns um weitere Finanzierungsmittel bei BMBFFördermaßnahmen, zum Beispiel beim „Wettbewerb 2020“, bewerben. Diese Empfehlung kann die Staatsregierung zwar nicht unmittelbar umsetzen, sie kann sich nicht bewerben. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie können sicher sein, dass mein Haus erhebliche Anstrengungen unternommen hat, um möglichst viele Erfolg versprechende Antragstellerkonsortien unter