Protocol of the Session on May 15, 2013

Manchmal braucht es auch ein wenig Bewusstsein für die Natur, und dies ist bei wichtigen, jetzt im Gesetz formulierten Inhalten leider vonseiten der Koalitionsfraktionen nicht gegeben. Da werden Ausgleichsabgaben bei Eingriffen in den Naturhaushalt unter den Vorbehalt wirtschaftlicher Zumutbarkeit gestellt, obwohl gerade das dem Wesen der Eingriffskompensation zuwider läuft.

Biotopschutz muss nach dem Willen der Staatsregierung auf technischen Anlagen der öffentlichen Wasserwirtschaft, Energieleitungstrassen des Übertragungs- und Verteilungsnetzes, Deponien oder auch auf für den öffentlichen Verkehr zulässigerweise künftigen Anlagen nicht mehr stattfinden, obwohl doch gerade auf öffentlichen Flächen eine besondere Vorbildfunktion zu erfüllen ist.

Beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Schutzgebieten fällt man sogar hinter die aktuellen, selbst aufgestellten Abstandsregelungen zurück.

Die größten Kritiken unserer Fraktion am vorliegenden Gesetz betreffen aber insbesondere die Regelungen im kommunalen Baumschutz und in der Abschaffung des Vorkaufsrechtes. Da geben die Koalitionäre leider betonkopfartig keinen Millimeter nach. Beim kommunalen Baumschutz kann man das schon als Realitätsverleumdung bezeichnen, denn in der Welt da draußen zeigen sich jetzt schon fatale unmittelbare Auswirkungen durch die Gesetzesänderung von 2010. Da werden seit drei Jahren vermehrt Bäume auch außerhalb der gesetzlich festgelegten Schonzeit gefällt. Fragen Sie doch einmal die Bürgerinnen und Bürger, die im Mai, also mitten in der Brutzeit, einen Baum fällen, warum sie das tun! Zur Antwort werden Sie – wie ich, die dort nachgefragt hat – sicherlich bekommen, dass es doch keine Baumschutzsatzungen mehr gibt und alle Bäume gefällt werden können. Aus Unkenntnis, frage ich Sie? Nein, weil Sie von der CDU und der FDP aus einer gut funktionierenden Regelung und Rechtssicherheit für die Bürger durch ein eingespieltes Verfahren ein Chaos gemacht haben,

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

weil jeder irgendwie glaubt, doch recht zu haben und sich mit der Axt im Vorgarten frei bewegen zu können. Die Verweise auf das Artenschutzrecht und Naturschutzrecht sind ganz offensichtlich zu abstrakt und werden für einige zur Falle. Zudem hat das Umweltamt in Dresden zum Beispiel errechnet, dass die Zahl der Ausgleichspflanzungen für gefällte Bäume um 75 % abgenommen hat.

Frau Dr. Pinka, Sie gestatten eine zweite Zwischenfrage?

Ich möchte mit Herrn Hauschild nicht über die Baumschutzsatzung diskutieren.

Herr Hauschild, sie gestattet keine Zwischenfrage.

Das ist traurig, das haben wir schon getan. Warum soll der mündige Bürger auch nachpflanzen, wenn der Gesetzgeber ihn davon befreit? Vor dem Hintergrund der möglichen CO2-Bindung durch Bäume, der Staubbindung durch Laubbäume und der Verbesserung des Kleinklimas ist ein Baumbestandsrückgang aus meiner Sicht wohl kaum ein Beitrag zum Klimaschutz, zu dem sich unsere Staatsregierung bekannt hat. Wenn wir hier keinen Stopp einlegen, werden wir in naher Zukunft weitere Problemstädte mit zunehmender

Feinstaubbelastung oder fehlenden Grünflächenzügen haben.

Aber das interessiert Sie, sehr geehrte Koalition, offensichtlich nicht. Sie haben nach ganz viel freier Fahrt für freie Bürger und freier Säge für freie Bürger ganz einfach nicht zu Ende gedacht. Und das Problem haben jetzt nicht Sie, sondern die betroffenen Kommunen. Die Gemeinden haben jetzt die viel gepriesene Verwaltungsvereinfachung auszubaden. Die kommunalen Sachverständigen in der Anhörung des Gesetzes im Umweltausschuss haben uns doch deutlich gesagt, dass es eine erhebliche Rechtsunsicherheit gerade im Hinblick auf die arten- und biotopschutzrechtlichen Regelungen gibt. Ich sage hier nur Schwarzpappel und Baumweide.

Der Zweck des Gesetzes, also die Verwaltungsvereinfachung, wurde gnadenlos verfehlt. In den Kommunen ist ein erheblicher Mehraufwand entstanden, und die Anzahl der Ordnungswidrigkeitsverfahren hat deutlich zugenommen. Ich darf Ihnen daher einmal kurz aus dem Anhörungswortprotokoll des Sachverständigen Herrn Schröder, seines Zeichens Sachgebietsleiter der Stadt Freiberg, zitieren, der zutreffend zusammenfasst: „Vor der Novellierung gab es durchschnittlich 220 Fällanträge. Nach der Novellierung ist deren Zahl um ungefähr 100 zurückgegangen. Das steht auf dem Papier.

Wir mussten aber eine Verdreifachung der Anfragen registrieren. Das ist nicht nur mit zeitlichem Aufwand verbunden. Die Anfragen resultieren auch aus einer Verunsicherung, die mit dieser Artendifferenzierung

zusammenhängt. Es kommt zu Begutachtungen vor Ort. Wir werden trotzdem angerufen und gefragt, wir müssen trotzdem die Vor-Ort-Termine wahrnehmen. Eine andere Fragestellung, die häufig auftaucht, ist: Ist es ein bebautes Grundstück? Das ist klar, wenn ein Wohnhaus draufsteht. Was aber, wenn dort ein Hühnerstall, eine Scheune oder ein Carport steht? In die Beantwortung dieser Fragen sind wir eingebunden.“

So sieht bei Ihnen in der Realität Naturschutz und Verwaltungsvereinfachung aus. Das wollen wir als LINKEFraktion ausdrücklich nicht.

(Beifall bei den LINKEN)

Was uns als zweites Thema nach wie vor bewegt, ist die Abschaffung der Vorkaufsrechte im Naturschutz. Vorkaufsrechte sind in mehreren Gesetzen verankert. Teilweise sind die Regelungen identisch. Die Masse der Vorkaufsrechte in den Gemeinden wird derzeit zum Beispiel über das Sächsische Wassergesetz oder das Sächsische Waldgesetz vollzogen, da das Vorkaufsrecht nach dem Sächsischen Naturschutzgesetz bislang allein vom Freistaat Sachsen ausgeübt werden darf, wovon nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht wird.

Die Fraktion DIE LINKE will, dass auch den Gemeinden hier ein Vorkaufsrecht zusteht, CDU und FDP wollen dieses Vorkaufsrecht in Gänze abschaffen. Deshalb meine ich, auch wenn die gegenwärtige Staatsregierung keine Veranlassung sieht, Vorkaufsrechte für sich selbst zu beanspruchen, sollten diese aber den Gemeinden nicht ohne Not verweigert werden. Die zu erledigende Arbeit fällt in den Gemeinden ohnehin an, da nicht alle Vorkaufsrechte aufgehoben werden. Eine Verwaltungsvereinfachung wäre somit auch nicht gegeben.

Zudem ist die Wahrnehmung der Vorkaufsrechte, wenn sie offensiv angegangen wird und sofern Finanzmittel und Personal zur Verfügung stehen, gut handhabbar. Im Zusammenhang mit dem Eingriffsausgleich werden Gebäude, Abrisse und Entsiegelung finanziert und stellen für die Gemeinden ideale und sinnvolle Ausgleichsmaßnahmen dar. So kauften einzelne Gemeinden in der Vergangenheit größere Flächen. Das Vorkaufsrecht ist also bei richtiger Anwendung ein Instrument, durch das neue Baugebiete überhaupt erst entstehen können.

Nicht zuletzt kann das im Grundsatz 2.2.1 neu des geänderten Entwurfs des Landesentwicklungsplans, der ja morgen auf der Tagesordnung steht, auch auf Drängen der Fraktion DIE LINKE eingearbeitete Flächenversiegelungsminderungsziel durch das Vorkaufsrecht auf dem Weg von Entsiegelungen auf Vorkaufsrechtsflächen wirksam Unterstützung erfahren.

In dem Zusammenhang steht auch der erklärte Wille, die Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen Flächen für Maßnahmen der Eingriffskompensation zu vermindern. Insofern ist die Wahrnehmung der Vorkaufsrechte durch die Gemeinden das ideale Modell, um Kompensationsflächen oder Ökokontoflächen eingriffsnah und ausgleichs

weise vorzuhalten und die Flächen für Kompensationsmaßnahmen dauerhaft zu sichern.

Zusammenfassend kann ich feststellen: Es gibt im Gesetzentwurf weniger modernen Naturschutz auf der gesamten Fläche durch Biotope ohne Biotopverbund, eine nicht sachgerechte Einschränkung der Handlungsfreiheit der Gemeinden im Vorkaufsrecht und bei den Baumschutzsatzungen. Es gibt weniger bürgerfreundliche oder mitwirkungsfreundliche Regelungen, das Engagement von Umweltverbänden wird durch CDU und FDP auf die Schutzgebietsbetreuung und die Wiesenmahd reduziert. Einem solchen Gesetz kann und will DIE LINKE nicht zustimmen.

(Beifall bei den LINKEN)

Nun für die SPDFraktion Frau Abg. Dr. Deicke. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heute zu beschließende Novelle des Sächsischen Naturschutzgesetzes bietet keinen Grund, sich dessen zu rühmen. Es werden nicht nur Fehler der Vergangenheit fortgeschrieben, sondern die Novelle bleibt auch zum Beispiel bei den Vorkaufsrechten weit hinter dem Bundesnaturschutzgesetz zurück.

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben zwar mit Ihrem Änderungsantrag verhindert, dass die naturschutzfachliche Einvernehmensregelung abgeschafft wird. Das ist erst einmal zu begrüßen, aber loben kann ich Sie deswegen leider nicht.

(Zuruf von der CDU: Das ist aber schade!)

Diese Einvernehmensregelung gab es ja in der bisherigen Gesetzesfassung schon. Sie hat sich auch in den vergangenen Jahren bewährt. Insofern bedeutet Ihr Änderungsantrag keine Verbesserung des Naturschutzes an dieser Stelle, sondern einfach nur das Beibehalten des Status quo.

Wir als SPD-Fraktion haben zahlreiche Vorschläge gemacht, wie das Gesetz in wesentlichen Punkten verbessert werden kann. Das betrifft beispielsweise die Eingriffs- und Ausgleichsmaßnahmen. Nach unserer Auffassung sollten Ausgleichsmaßnahmen möglichst in räumlicher Nähe zum Eingriff erfolgen. Der verpflichtende Vorrang der Nutzung von Flächen in Ökokonten kann unter Umständen diese Zielstellung aber konterkarieren. Ökokontomaßnahmen werden oft weit entfernt vom Vorhaben angeboten. Insbesondere im kommunalen Bereich ist damit die räumliche Nähe nicht mehr gegeben. Hinzu kommt ein hoher Verwaltungsaufwand, der damit verbunden wäre.

Wir sind ebenfalls dafür, dass bei der Bemessung der Ersatzzahlungen das Kriterium der wirtschaftlichen Zumutbarkeit keine Rolle spielt. Ein Eingriff in die Natur ist und bleibt ein Eingriff.

Kommen wir zum ehrenamtlichen Naturschutz. Der aufmerksame Beobachter kann in Sachsen zwei Dinge feststellen:

Erstens: Staatsminister Kupfer wird nicht müde, den ehrenamtlichen Naturschutz bei allen Gelegenheiten als unverzichtbar für die Funktionsfähigkeit des staatlichen Naturschutzes in Sachsen zu loben und zu preisen.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens: Staatsminister Kupfer lässt keine Gelegenheit verstreichen, den Einfluss des ehrenamtlichen Naturschutzes auf ein Minimum zu beschränken und die Wahrnehmung der Rechte zu erschweren. Die Gesetzesnovelle hätte die Gelegenheit gegeben, den ehrenamtlichen Naturschutz zu stärken und den holden Worten auch einmal Taten folgen zu lassen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wo sind denn die praktikablen Lösungen in der Verfahrensbeteiligung? Wo sind denn die Naturschutzbeiräte auf kommunaler Ebene und wo ist eine gerechte Politik der Finanzierung des ehrenamtlichen Naturschutzes? Es ist sehr schön, dass die Landschaftspflegeverbände eine institutionelle Förderung erhalten sollen. Das haben Sie irgendwie in den falschen Hals bekommen, Herr Dr. Meyer. Denn wir begrüßen durchaus, dass diese Regelung so erfolgt.

(Beifall bei der SPD)

Aber es sind nicht die einzigen Verbände, die gute und unverzichtbare ehrenamtliche Naturschutzarbeit leisten.

Meine Damen und Herren! Die Novelle des Naturschutzgesetzes atmet weiterhin einen naturschutzfeindlichen neoliberalen Geist.

Frau Dr. Deicke, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Ja, natürlich.

Herr Dr. Meyer, bitte.

Frau Dr. Deicke, vielen Dank. Sie haben wahrscheinlich auch diese seltsame rote Mütze vom NABU bekommen. Geben Sie mir recht, dass die Versendung von solchen Utensilien doch den Eindruck erweckt, dass die ehrenamtlichen Naturschutzverbände scheinbar finanziell ganz gut ausgestattet sind?

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß nicht, was das jetzt mit der Novelle des Naturschutzgesetzes zu tun haben sollte.

Ich wiederhole den Satz, den ich gerade ausgesprochen habe, um dann im Text fortzufahren: Meine Damen und Herren! Die Novelle des Naturschutzgesetzes atmet weiterhin einen naturschutzfeindlichen neoliberalen Geist.

(Uta Windisch, CDU: Also, das stimmt überhaupt nicht! – Christian Piwarz, CDU: Beweise haben Sie wieder einmal nicht!)

Das kann ich belegen. Ich gebe Ihnen einige Beispiele; diese betreffen insbesondere die kommunalen Baumschutzsatzungen und die Vorkaufsrechte.

Sie haben es in der Anhörung deutlich gehört: Die Erfahrungen der Kommunen seit 2010 zeigen, dass die faktische Abschaffung der kommunalen Baumschutzsatzungen nicht zu einer Entbürokratisierung führte. Im Gegenteil, der geänderte – alte – § 22 führte zu mehr und teilweise auch zu rechtswidrigen Baumfällungen. Frau Dr. Pinka hat das schon ausführlich dargestellt und auch zitiert, was von den Sachverständigen dazu ausgeführt worden ist.