Protocol of the Session on May 8, 2013

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

2013 ist nicht 2008. Mein Respekt für diese Grenzüberschreitung und den Bruch gewohnter politischer Spielregeln gebührt natürlich zuallererst den beiden Koalitionsfraktionen. Für uns war es nicht so schwer, sich mit den anderen an den Tisch zu setzen. Für die CDU-Fraktion war es – zumindest wenn ich nach ganz links schaue – sicherlich schwieriger. Meinen Respekt dafür, dass es trotzdem passiert ist. Mein ganz großer Respekt gilt den Fachpolitikern der beiden Fraktionen, die die wesentliche Arbeit stemmen mussten. Bei uns waren das allen voran Dr. Andreas Schmalfuß und Carsten Biesok. Mein Dank geht auch an die parlamentarischen Fachberater auf beiden Seiten.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Ganz besonderen Respekt möchte ich vor allem dem Fraktionsvorsitzenden Steffen Flath zollen. Er war der Anstoßgeber, zu versuchen, diesen Punkt aus unserem Koalitionsvertrag umzusetzen. Er war der Moderator und Ruhepol in diesem Diskussionsprozess, der oft – all diejenigen, die dabei waren, wissen, was ich meine – sehr anstrengend gewesen ist.

Lieber Steffen Flath, wenn du nicht gewesen wärest, wäre der eine oder andere schon eher aufgestanden.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Ja – Sie!)

Damit spreche ich einigen aus dem Herzen, liebe Frau Jähnigen.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Aber Gott sei Dank haben wir Steffen Flath.

Mein Dankeschön geht natürlich auch an SPD, GRÜNE und LINKE für eine – und ich glaube, dass man das bei

allen Unterschieden sagen muss – niveauvolle und geistreiche Debatte, die wir zu diesem Thema hatten.

Martin Dulig hat es richtig gesagt: Es könnte auch ein Beispiel für weitere Debatten sein, die wir noch führen wollen.

Mit dem heute vorgelegten Gesetzentwurf erfüllen sich für die sächsische FDP natürlich ein Herzensanliegen und ein schon über viele Jahre verfolgtes Ziel. Wir legen die Politik mit all ihren Wünschen, Begehrlichkeiten und ihrer traditionellen Anfälligkeit für großzügige Versprechen ein Stück an die Kette, beschränken uns selbst, unterwerfen uns dem Regelwerk der Sächsischen Verfassung in einem sehr wichtigen Punkt und spannen so einen Schutzschirm über den Freistaat Sachsen; denn wir schützen mit der Verfassungsänderung die bisherigen finanz- und haushaltspolitischen Errungenschaften und Anstrengungen des Freistaates Sachsen unter verschiedenen politischen Konstellationen vor möglicherweise verantwortungslosen Zugriffen in der Zukunft. Wir schützen unsere Bürger und Steuerzahler vor ausufernden und nicht mehr unter Kontrolle zu haltenden Verpflichtungen und Verbindlichkeiten, und wir schützen unsere Jugend – die nächsten Generationen – vor wachsenden Schuldenbergen, Erblasten und dem Verlust von politischer Gestaltungskraft.

Ich weiß, dass der eine oder andere in diesem Haus ein Verschuldungsverbot für unnötig hält, und ja, wahrscheinlich wäre das – zumindest im Moment – in Sachsen auch so; denn seit 2006 machen wir keine neuen Schulden mehr. Im Gegenteil, wir tilgen im Freistaat Sachsen seitdem sogar unsere alten Schulden und haben es inzwischen geschafft, die Pro-Kopf-Verschuldung des Freistaates auf den niedrigsten Wert in ganz Deutschland herunterzuschrauben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Also könnte man der Auffassung sein, dass wir ein Neuverschuldungsverbot überhaupt nicht brauchen. Aber ich bin mir trotzdem nicht ganz sicher, ob der große politische und gesellschaftliche Konsens, den wir bei diesem Thema in diesem Moment haben, wirklich für alle Zeit trägt. Ich erinnere an die Zeit vor zweieinhalb Jahren, als uns die Ausläufer der Finanzkrise in Sachsen voll getroffen haben. Es war damals ein außerordentlicher Kraftakt von CDU und FDP, trotz dieser massiven Einnahmenausfälle einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Wir mussten ungefähr 1 Milliarde Euro einsparen. Das ist ein Konsolidierungsakt, ein Einsparvolumen, das in Deutschland noch nie eine Landesregierung geschafft hat. Diese Leistung wurde durch sehr viele äußerst unpopuläre und schmerzliche Entscheidungen erbracht, trotz der vielen Demonstrationen vor diesem Haus und der vielen Widerstände überall in der Gesellschaft. Ohne den Mut und die Entschlossenheit der Koalitionsfraktionen damals hätten wir den ausgeglichenen Haushalt nicht halten können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Und die Mehreinnahmen? Wo sind die Mehreinnahmen?)

Wir haben das sächsische Credo, keine neuen Schulden aufzunehmen, Altschulden zu tilgen und Vorsorge für kommende Lasten zu treffen, auch unter den denkbar schlechtesten Rahmenbedingungen verteidigt, aber ich bin mir – das sage ich mit allem Bedacht – nicht sicher, ob dies unter jeder anderen politischen Konstellation in diesem Hause so geschafft worden wäre. Ich glaube nicht. Deswegen ist es der beste Weg, dass wir das Neuverschuldungsverbot in der Verfassung verankern.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Sachsen wird heute einmal mehr seiner finanzpolitischen Vorbildrolle gerecht; denn anders als andere Bundesländer verzichten wir auf lange Übergangsphasen, sondern verpflichten uns, diese Verfassungsänderung bereits ab dem 1. Januar 2014 – und damit eher als alle anderen Bundesländer – wirken zu lassen. Anders als andere – diesen Punkt halte ich für einen ganz wesentlichen Erfolg – schützen wir mit der Absicherung des Generationenfonds in der Verfassung auch unsere bereits erbrachten Vorsorgeleistungen vor einem unangemessenen Zugriff in der Zukunft. Sie bleiben also auf Dauer unangetastet, und die Tatsache, dass wir bereits in den letzten Jahren Geld zurückgelegt und angespart haben, wird nicht umsonst gewesen sein.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD, schüttelt den Kopf.)

Frau Dr. Stange, Sie können gern mit dem Kopf schütteln. Gott sei Dank hat sich in Ihrer Partei in der Neuverschuldungsfrage ja ein anderer Flügel durchgesetzt.

Wir haben uns für ein sehr hartes Schuldenverbot entschieden, das nur sehr wenige Ausnahmen zulässt und trotzdem vor allem unseren Kommunen Sicherheit und Verlässlichkeit garantiert. Das ist die sächsische Antwort auf die europäische Staatsschuldenkrise.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Für die einbringende Fraktion GRÜNE spricht nun – nach Herrn Kollegen Zastrow für die FDP – Frau Kollegin Hermenau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ja, das ist heute ein guter Tag, und ich hoffe, der 10. Juli wird sogar noch besser. Die Bankenkrise hätte in den letzten Jahren nicht so schnell so dramatisch so viele Länder in eine Staatsschuldenkrise stürzen können, wenn diese nicht bereits seit Jahren und Jahrzehnten bis zur Halskrause in sehr hoher Staatsverschuldung gesteckt hätten. Dieses strukturelle Problem ist über Jahrzehnte aufgebaut worden, und für mich – das ist ein sehr persönliches Wort an Sie alle, an die Kolleginnen und Kollegen – war dies das bestimmen

de Thema der letzten 20 Jahre als Fachpolitikerin: wie die Handlungsfähigkeit des Staates wiederhergestellt werden kann.

Ich war einigermaßen erschrocken, als ich Mitte der Neunzigerjahre im Deutschen Bundestag so nach und nach verstand, wie tief eigentlich auch schon die Bundesrepublik Deutschland verschuldet ist. Dabei sollte man sich nicht in Opposition und Koalition aufteilen und behaupten: Hier sind die Guten und da sind die Schlechten; sondern es war eine Gemeinschaftsleistung – bis Mitte der Neunzigerjahre – von CDU und FDP,

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

die lange regiert haben, von SPD und FDP – die GRÜNEN am Ende auch noch, aber etwas später.

(Zuruf und Heiterkeit des Abg. Steffen Flath, CDU)

Sie sehen, dieses Problem musste angepackt werden, und für mich schließt sich heute in dieser 1. Lesung auch ein Kreis in meinem politischen Engagement, und ich hoffe sehr, dass die Qualität der politischen Auseinandersetzungen in den nächsten Jahren in Sachsen im Parlament steigen wird, wenn wir dieses Spielfeld, auf dem wir uns in der Sache streitend auseinandersetzen, gemeinsam im Hier und Heute begrenzen und nicht mehr alles wohlfeil auf morgen, in die nächsten Generationen verschieben, sondern heute und hier klären, was unsere politischen Prioritäten sind, dafür Mehrheiten suchen und dann auch so beschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und des Staatsministers Sven Morlok)

Diese Regelung wird das Parlament stärken. Sie wissen, dass es eine Leidenschaft von mir ist, das Parlament in Sachsen zu stärken, und wir haben uns in Sachsen – das sei auch gesagt – auf eine sehr strenge Schuldenbremse geeinigt, und, wie gesagt, es war nicht die Koalition und ein wenig Opposition, sondern es waren fünf demokratische Parteien, die ein Jahr lang verhandelt haben – um es einmal auf den Punkt zu bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Martin Dulig, SPD)

Es wird in Zukunft auch nicht mehr – im Guten wie im Schlechten – die Entscheidung einer oder zweier Parteien sein müssen, dies durchzutragen, sondern es wird gemeinsam und parteiübergreifend in der Verfassung festgeschrieben, und das ist für die sächsische Landespolitik ein historischer Meilenstein.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD und des Staatsministers Sven Morlok)

Alle gefundenen Regelungen zum Konjunkturmechanismus, zu den Ausnahmen des Neuverschuldungsverbots, zum fairen Umgang mit den Kommunen, die nun einmal finanzpolitisch am Ende der Nahrungskette sitzen und damit klarkommen müssen, zum Pensionsfonds, der in vorbildlicher Weise die verdeckte Verschuldung in Angriff

nimmt – das muss man ebenfalls würdigen –, sowie die bessere politische Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips bei der Haushaltsaufstellung finden bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausdrücklich die Zustimmung und sind jede für sich ein politischer Fortschritt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir erleben mit der über Jahre hinweg andauernden Einführung der Schuldenbremse in Deutschland – jetzt auch in der Sächsischen Verfassung sowie in anderen europäischen Ländern – eine Rückkehr der Seriosität in die Politik. Wenn wir das in den nächsten Monaten hoffentlich in der Sächsischen Verfassung endlich festschreiben, dann ist dies aus meiner Sicht auch ein Akt der weiteren Demokratisierung in unserem Bundesland. Mit dieser Verfassungsänderung, die das Parlament erkennbar politisch stärken wird, zieht, wie ich finde, auch endlich in Sachsen etwas mehr demokratische Normalität ein, wenn die aus der Pionierzeit stammende überzogene Stärke des Finanzministeriums auf ein demokratieverträgliches Normalmaß zurückgeführt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Sie nennen es Neuverschuldungsverbot, wir nennen es „Schuldenbremse“. Alle anderen, vor allem die Schweizer, nennen es ebenfalls „Schuldenbremse“. Wir müssen jetzt keine Textexegese machen. In der Sache ist es technisch ein strukturelles Neuverschuldungsverbot, die landläufige Bezeichnung ist „Schuldenbremse“, und sie steht – allen voran in der Schweiz – für ausgeglichene Staatshaushalte und eine konjunkturgerechte Finanzpolitik. Diese Regelgebundenheit der Finanzpolitik ist das Herzstück. Sie macht ihre Berechenbarkeit aus und damit eine wesentliche Qualität guter Staatsführung.

Herr Kollege Flath, wir haben lange diesen Disput gepflegt, ob es ein absolutes oder ein strukturelles Neuverschuldungsverbot sein soll. Das absolute Neuverschuldungsverbot schließt meiner Meinung nach die Spielräume für die aktuellen Generationen aus. Sie bezieht sich damit ausdrücklich nur auf zukünftige Generationen. Das ist menschlich, altruistisch, gut gedacht, führt aber dazu, dass man aus dem Blick verliert, wie es den Menschen geht, die jetzt hier leben.

Deshalb war das strukturelle Neuverschuldungsverbot, diese Schuldenbremse, politisch so vernünftig und gut und sollte nach unseren Wünschen auch das Ergebnis dieser Verhandlungen sein; denn die Schuldenbremse behält eben auch die aktuellen Bedürfnisse der Bevölkerung im Blick und versucht, bei solider Haushaltsführung trotzdem die Bevölkerung vor abrupten Berg- und Talfahrten bei den Staatsausgaben zu bewahren. Und das ist vernünftig und gut.

Genau das ist der Fortschritt gegenüber der sächsischen Finanzpolitik der letzten drei Jahre, die einer gefühlten sturen Austerität folgte und funktionierende Strukturen unwiederbringlich zerschlagen hat. Das hat uns massiv motiviert – das muss ich ganz offen sagen und das wissen Sie aus der Debatte.

DIE LINKE hat im Laufe der Zeit an den Verhandlungen stärker teilgenommen. Ich habe das immer ausdrücklich begrüßt. Ich werde auch in Ihrer Partei dafür werben, dass sich DIE LINKE in Sachsen stärker an dieser Abstimmung über die Schuldenbremse beteiligt. Ich komme auch Ende Mai zu einer Ihrer Regionalkonferenzen; ich habe die Einladung gern angenommen. Ich werbe in allen demokratischen Parteien dafür, dieser Schuldenbremse zuzustimmen.

Es ist vielleicht auch gerade für Sie eine interessante Fragestellung, zwischen dem Föderalismus und dem Zentralismus zu unterscheiden. Wenn man in einem Bundesland, in einem föderativen Staat regieren möchte, hat der Föderalismus eine gewisse Relevanz.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Kollege Zastrow, Sie haben im Januar 2012 im Rahmen der Aktuellen Debatte, als wir begonnen hatten zu diskutieren, gesagt, wir hätten die Möglichkeit, ein Bekenntnis abzugeben, ob wir für oder gegen Schulden sind. Nun ist dieser Holzschnitt ja nicht Debattengegenstand gewesen. Aber Sie haben heute die Möglichkeit und die Chance, ein Bekenntnis abzulegen zu einer nicht nur im äußeren Rahmen soliden Finanzpolitik, sondern auch zu einer besseren Staats- und Haushaltsführung, die von Augenmaß und Fairness im Umgang mit anderen Akteuren gekennzeichnet ist. Es geht heute darum, die haushaltspolitischen Vorkommnisse der letzten Jahre in die sächsischen Geschichtsbücher zu schicken.