Protocol of the Session on March 14, 2013

Drucksache 5/11427, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Ich bitte Frau Abg. Junge um Einbringung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist eine von Gebietskörperschaften getragene, kraft öffentlichen Rechts gegründete, mit eigenem Personal und Sachmitteln versehene, nicht mitgliedschaftlich strukturierte Rechtsform, die der Erfüllung öffentlicher Zwecke dient.

Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird in Sachsen die Möglichkeit geschaffen, kommunale Unternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts zu führen. Derzeit gibt es diese gesetzliche Grundlage in allen Bundesländern, außer Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen. Im gesamten Bundesgebiet sind über 500 Anstalten mit verschiedensten Aufgaben betraut, davon 300 in kommunaler Trägerschaft.

Meine Fraktion DIE LINKE will den Kommunen in Sachsen ebenfalls diese Möglichkeit einräumen, Anstalten öffentlichen Rechts zu errichten, um die Instrumente wirtschaftlicher Betätigung sowie interkommunaler

Zusammenarbeit zu erweitern.

Neben den bisherigen Organisationsformen der rechtlich unselbstständigen Regie- und Eigenbetriebe und der verschiedenen privatrechtlichen Rechtsform rückt die kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts, wobei das neue Rechtsinstitut weniger zum Eigenbetrieb als vielmehr zur Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Konkurrenz steht.

Die unternehmerische Selbstständigkeit der neuen Rechtsform wird dadurch gewährleistet, dass die kommunale Anstalt als eigenständige juristische Person des öffentlichen Rechts Trägerin von Rechten und Pflichten ist, über eigenes Vermögen verfügt und auch Personalhoheit ausübt. Die Träger können den Anstalten kommunale Aufgaben übertragen.

Als eigenständige Rechtspersönlichkeit kann sich die kommunale Anstalt an anderen Unternehmen beteiligen und in unmittelbare Leistungsbeziehung zu einzelnen Bürgern eintreten. Die Organe – das sind der Vorstand und der Verwaltungsrat – handeln unabhängig von den kommunalen Gremien. Die kommunale Steuerung wird

dadurch gewährleistet, dass die Besetzung der Organe weitgehend kommunalpolitisch bestimmt ist.

Die Gemeinderäte können durch passgenaue Formulierung der Unternehmenssatzung die erforderlichen Einwirkungsmöglichkeiten sichern und für die Unternehmensorgane die notwendigen Freiheiten für die Erfüllung ihrer Aufgaben umsetzen. Die Unternehmenssatzung gibt den Handlungs- und Gestaltungsrahmen vor. Der Gemeinderat ist dafür zuständig und kann die Satzung den spezifischen Bedürfnissen der Kommune anpassen. Die kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts bietet im Vergleich zu Regie- und Eigenbetrieben eine viel größere Selbstständigkeit und stellt gegenüber den privatrechtlichen Formen, der GmbH und der AG, eine hohe Flexibilität dar, die letztendlich selbstverwalterisch viel stärker umgesetzt wird.

Die in diesem Gesetz gewährleistete Gewährträgerschaft ist für uns folgerichtig, da die kommunalen Anstalten Ausgliederungen aus der kommunalen Errichtungskörperschaft darstellen, welche wiederum als Trägerin der Anstalt für deren Funktionsfähigkeit verantwortlich zeichnen.

Da der kommunalen Anstalt zudem auch Pflichtaufgaben übertragen werden können, muss die Gemeinde neben der sachlichen auch eine finanzielle Verantwortung für die Aufgabe behalten. Gerade in Zeiten, in denen Städte, Gemeinden und Landkreise zunehmend unter Druck stehen, Kosten zu senken und gleichzeitig ihre Leistungen qualitativ und quantitativ möglichst zu erhalten oder gar zu steigern, stellt interkommunale Zusammenarbeit eine wichtige kommunale Handlungsoption dar.

Die Erfahrungen der Kommunen in der Praxis, die sich für eine Zusammenarbeit mithilfe gemeinsamer kommunaler Anstalten entschieden haben, zeigen, dass insbesondere durch die Zusammenlegung – beispielsweise des Beschaffungswesen, des Personalmanagements, des

Netzes, des Vertriebs und des Kundenservices – kurzfristig Einspar- und Synergieeffekte erzielt werden konnten.

Unser Gesetzentwurf sieht deshalb die Möglichkeit vor, auch gemeinsame kommunale Anstalten zu gründen. Zwei oder mehrere Gemeinden bzw. Landkreise können, ohne den aufwendigen Umweg über einen Zweckverband, unmittelbar eine Anstalt zur gemeinsamen Aufgabenerfül

lung gründen. Grundvoraussetzung ist die Vereinbarung von deckungsgleichen Satzungen durch die beteiligten kommunalen Hauptorgane.

Die kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts beinhaltet viele Chancen für die Gemeinden und Landkreise. Die Handlungsmöglichkeiten bei wirtschaftlicher Betätigung werden verbessert, Kostensenkungspotenziale durch eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit können

erschlossen werden, und die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten durch die kommunalen Hauptorgane werden gestärkt. Ebenso können die bei GmbH-Gründung oft verloren gegangenen Steuerungsmöglichkeiten durch eine Rechtsformänderung zurückgewonnen werden.

Der eingebrachte Gesetzentwurf ist insgesamt ein Beitrag zur Erweiterung der Handlungsspielräume der Träger der kommunalen Selbstverwaltung in Sachsen.

Ich freue mich auf eine konstruktive Debatte in den Ausschüssen und bitte um Zustimmung zur Überweisung des Gesetzentwurfes an den Innenausschuss sowie an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den soeben eingebrachten Gesetzentwurf an den Innenausschuss zu überweisen. Deshalb würde ich zuerst darüber abstimmen lassen, anschließend über den zusätzlichen Antrag der Linksfraktion.

Wer mit der Überweisung an den Innenausschuss einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist einstimmig.

Ich lasse über die zusätzliche Überweisung an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss abstimmen. Wer gibt seine Zustimmung? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Auch hierbei kann ich Einstimmigkeit feststellen.

Damit ist den Überweisungen stattgegeben, und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 4

Persönliches Budget in der Eingliederungshilfe nach SGB XII

Drucksache 5/9674, Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE,

und die Antwort der Staatsregierung

Es beginnt in der Diskussion die Fraktion DIE LINKE. Danach folgen CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht.

Ich erteile nun Herrn Abg. Wehner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Befassung mit dem persönlichen Budget im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch ist ein aktuelles Thema, wenn es darum geht, konsequent das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung umzusetzen.

Zunächst einmal zu den budgetfähigen Leistungen im Bereich der Eingliederungshilfe. Das können jene sein im Rahmen der Eingliederungshilfe im häuslichen Bereich in Form der hauswirtschaftlichen Versorgung oder sozialpädagogischen Betreuung oder Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, Hilfen beim Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben, Leistungen zur Mobilität – in Form von Assistenz, Begleitung, Fahrtkosten, Mobilitätshilfen –, Hilfen zur Kommunikation und Information, Gebärdendolmetscher, Hilfen zur Verständigung mit der Umwelt, teilstationäre Eingliederungshilfen oder Hilfe bei Förder- und Betreuungsgruppen, Hilfe zum Besuch einer Hochschule, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder im Bereich der Frühförderung, Leis

tungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beim Besuch einer anerkannten Werkstatt für Menschen mit Behinderung oder beim Besuch einer Tagesförderungsstätte. Es können auch einmalige Geldpauschalen oder Leistungen zur Unterstützung von Familien sein. Das ist ein umfangreicher Leistungskatalog allein in diesem Bereich.

Nun könnte man möglicherweise fragen: Warum stellen wir bei der Feststellung der Umsetzung des persönlichen Budgets nur auf den Bereich des SGB XII ab? Wir waren der Meinung, wir machen das, weil hier am ehesten der Einfluss der Sächsischen Staatsregierung gegeben sein könnte, vor allem wenn es um die Leistungsträger im Bereich der örtlichen Sozialhilfe oder der überörtlichen Sozialhilfe geht. Bei allen anderen haben wir immer das Problem, dass hier auch Leistungsträger aus der Bundesversicherung infrage kommen, ob es nun die Unfallversicherung oder Rentenversicherung betrifft.

Der Anlass ist für uns auch der, dass wir uns bereits in der 4. Legislaturperiode hier in diesem Hause mit der Umsetzung des persönlichen Budgets befasst haben. Vor allem wollten wir damals wissen: Wie hat die Sächsische Staatsregierung sich darauf eingestellt, wenn das persönliche Budget per 01.01.2008 als Rechtsanspruch geltend gemacht wird? Wichtig dabei ist, darauf hinzuweisen, dass das persönliche Budget ausgereicht wird für alltägliche, regelmäßig wiederkehrende Bedarfe. Die Dinge sind

dann noch näher definiert. Ich denke, das muss ich hier nicht weiter ausführen, weil das den Rahmen möglicherweise sprengt.

Frau Orosz, die damalige Sozialministerin, hat in einem Bericht zur Umsetzung des damaligen Antrags zur Drucksache 4/9417 am 04.07.2007 dem Sächsischen Landtag mitgeteilt und darauf verwiesen, dass die praktische Umsetzung der verbindlichen Regelungen zum persönlichen Budget durch die jeweiligen Reha-Träger erfolge und das Sächsische Staatsministerium für Soziales die Rolle des aktiven Moderators ohne Eigenzuständigkeit einnehme. Wichtig ist mir die Rolle des aktiven Moderators, auch wenn man dabei nicht zuständig ist.

Sie verwies darauf, dass es selbstverständlich werden müsse, dass das verbindlich verankerte Wunsch- und Wahlrecht selbstverständlich verwirklicht werden müsse, dass Leistungen zur Teilhabe so zu erbringen seien, wie der Betroffene sie sich aussucht, entweder in Form der Sach- und Dienstleistung oder im Rahmen des persönlichen Budgets als Geldleistung – individuell und selbstbestimmend. Das ist also ganz im Sinne des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung, das ja nun seit März 2009 in Deutschland verbindlich ist. Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderung zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.

Für uns ist das ein Anlass, mit dieser Großen Anfrage näher nachzufragen. Frau Staatsministerin Clauß, zunächst einmal herzlichen Dank für die Beantwortung der Anfrage. Ich bin mir darüber im Klaren, dass das immer mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden und auch nicht einfach ist.

Allerdings enttäuscht mich hierbei, wie Sie sich heraushalten, wie sie eben nicht als aktiver Moderator wirken, sondern allein nur auf die Kompetenz des zuständigen Reha-Trägers, hier im Bereich der örtlichen Sozialhilfe, verweisen. Dann stellen Sie ab auf die Rechtsaufsicht, die Sie ausüben. In den Antworten lassen Sie gar nicht genau erkennen, was Sie tatsächlich wissen. Das halte ich für ein erhebliches Problem. Wie wollen Sie wirklich gut Rechtsaufsicht ausüben, wenn Sie sich nicht regelmäßig mit der Gestaltung der Vertragsverfahren, Bescheiderteilung, Rechtsbehelfsverfahren des persönlichen Budgets und der Bedarfe konkret befassen? In der Beantwortung der Großen Anfrage wird an verschiedenen Stellen deutlich, dass sehr vieles offen ist.

Mir geht es weniger um die erteilten Bescheide, die es gegeben hat. Man kann sehr wohl nachvollziehen: Von 2008 bis 2012 hatte es einen Zuwachs an Bescheiderteilungen gegeben. Ich komme dann noch einmal darauf zurück, ob das tatsächlich den Bedarfen entspricht, die uns bekannt sind aus meinem eigenen Verbandsleben, aber auch aus den Verbänden der freien Wohlfahrt. Dazu

gab es Verlautbarungen Ihnen gegenüber bzw. gegenüber dem Kommunalen Sozialverband.

Wir haben uns hier im Sächsischen Landtag befasst mit der Leistung der Gebärdensprache, also dem persönlichen Budget für hörbehinderte Menschen, wenn Sie Gebärdensprache beantragen wollen, und dabei angeregt, auch hier auf die Leistungsform des persönlichen Budgets abzuheben. Diese Frage können Sie überhaupt nicht sinngerecht beantworten. Sie haben die Anregung nicht aufgenommen.

Okay, ich gebe zu, das war ein Antrag aus den Reihen der Opposition, der hier nicht die erforderliche Mehrheit gefunden hatte. Ich bin trotzdem davon ausgegangen, dass Sie sich für dieses Thema öffnen und im staatlichen Handeln auch etwas auf den Weg bringen, damit in diesem Bereich etwas geleistet wird. Ich glaube, so kann man die Sicherung der Teilhabe und selbstbestimmten Lebensführung von Menschen mit Behinderung eben nicht unterstützen. Hier müssen Sie unbedingt nachbessern, wenn Sie glaubhaft bleiben wollen.

(Beifall bei den LINKEN sowie der Abg. Hanka Kliese, SPD, und Elke Herrmann, GRÜNE)

Auch was die Bearbeitung der Anträge und die Bearbeitungszeiten betrifft, handeln Sie überhaupt nicht gesetzeskonform. Die Bearbeitungszeit dauert drei bis acht Monate. Uns sind Fälle aus den Verbänden bekannt, bei denen eine Bescheiderteilung sogar zwei Jahre gedauert hat. Das führt nicht dazu, Menschen selbstbestimmt, aktiv zum Handeln zu bewegen und über ihre konkrete Lebenssituation entscheiden zu lassen. Ich denke, dahinter steckt wohl eher eine Verhinderungstaktik. Wir reden hier nur über die Bescheide, die erteilt wurden. Wir reden nicht über solche Dinge – wir können sie nicht belegen, aber wir wissen es aus den Verbänden –, dass manche Anfragen von Budgetsuchern und potenziellen Budgetbewerbern schon im Vorfeld abgewiegelt wurden, also gar nicht erst als Antrag aufgenommen wurden. Das halten wir für nicht hinnehmbar.

Die Bearbeitungszeiten, die sich nach dem SGB X und XII ergeben, sollte man in diesem Bereich wenigstens einhalten. Auf die Frage IV.1 – Welche Bilanz ist nach über fünf Jahren der Nutzung des persönlichen Budgets in Sachsen hinsichtlich des Erfolgs dieser Leistungsform zu ziehen? – teilen Sie einfach mit: „Von einer Einschätzung durch die Staatsregierung wird abgesehen. Die Frage ist auf eine Bewertung gerichtet. Zur Abgabe einer Bewertung ist die Staatsregierung nicht verpflichtet.“