Protocol of the Session on January 31, 2013

Das war Frau Kollegin Lauterbach von den LINKEN. Als Nächste hat die SPD das Wort.

(Anhaltende Heiterkeit)

Bitte, Herr Kollege Mann. Sie können sich das Wort nicht selbst nehmen, ich kann es Ihnen nur erteilen.

Entschuldigung! Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank für die Worterteilung. – Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir wollen noch einmal die Gelegenheit nutzen zu reagieren, insbesondere auf die zweite Runde.

Es steht die Frage: Warum haben wir hier eine Aktuelle Debatte? Aktuell ist sie nicht, weil die Debatte über die Praxisgebühr bereits geführt wurde. Eine Debatte haben wir nicht, weil wir sie nicht über Konsequenzen aus dem Organtransplantationsskandal in Leipzig geführt haben.

(Christian Piwarz, CDU: Dann fangen Sie doch mal an!)

Zu beiden wurde hier in der Debatte wenig gesagt. Dennoch zum ersten Punkt, der der FDP ja wichtig ist, noch eine kurze Bemerkung. Ich glaube, es reicht nicht zu sagen: Wir sind die Helden, wir haben das abgeschafft. Im gleichen Zug hätten Sie sagen müssen, wie man die Einnahmenausfälle, die daraus entstehen, kompensiert. Es ist billig zu sagen, Rot-Grün hat das eingeführt und es sind Steuerungswirkungen entstanden, dann aber nicht vorzulegen, wie man damit umgeht, dass es diese Steuerungswirkung nicht mehr gibt und dass die Sozialkassen eben nicht mehr so gut gefüllt sind, um eine solche Maßnahme vornehmen zu können.

(Kristin Schütz, FDP: Mit Überschuss!)

Ja, natürlich, mit Überschuss. Aber Überschüsse werden wir in einer alternden Gesellschaft in Zukunft brauchen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist nun wirklich Gemeingut auch in diesem Haus.

(Anja Jonas, FDP: Neue Steuerungselemente!)

Zu einem anderen Thema, das Sie versucht haben aufzugreifen, aber in der Sache nicht angesprochen haben: Frau Giegengack hat ja gemeint, die Ministerin hat im Sozialausschuss ausführlich informiert. Das kann ich nicht

direkt nachvollziehen. Aber nach den Informationen meiner Kollegin Neukirch wurde dort vor allem darüber berichtet, was aus den Medien bekannt geworden ist.

Deshalb glaube ich, es ist an dieser Stelle nicht sachgerecht, dass wir hier eine ordentliche Debatte geführt haben. Ein paar Fragen wären zu stellen. Die Information hat die verantwortliche Wissenschaftsministerin geliefert. Wir hatten eigentlich gespannt auf die Pressekonferenz gewartet, die zur Sonderaufsichtsratssitzung am UKL am 24. angesetzt wurde. Sie hat es nicht gegeben. Offensichtlich gibt es auch hier noch Fragen zu klären.

Ich will noch ein paar Fragen stellen. Zum einen ist es eine Frage, die wir uns persönlich stellen müssen: Was können wir für noch mehr Organtransplantationsbereitschaft in der Bevölkerung tun? Das betrifft die persönliche Ebene. Inwieweit sind wir in diesem Haus hierfür schon Vorbild?

Das andere betrifft die politische Ebene. Das ist die Frage, ob wir selbst einen Anteil an den Vorfällen haben, die es dort gibt, weil wir die Leistungsanforderungen oder Zielvereinbarungen an den Kliniken entsprechend hochschrauben. Das sind die Fragen, die wir hier diskutieren werden, neben denen der Konsequenzen in der Organisation, beim Personal und sicher hinsichtlich rechtlicher Schritte.

Zu all dem hat es heute nichts gegeben, und das ist auch nicht sonderlich verwunderlich. Deshalb müssen wir sagen: Die Debatte war zum großen Teil überflüssig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Das war Herr Mann für die SPD-Fraktion. Jetzt ergreift Frau Kollegin Herrmann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich entschlossen, noch einmal das Wort in dieser Debatte zu ergreifen. Es ist ja gesagt worden: Unter Rot-Grün ist die Praxisgebühr eingeführt worden. Die Diskussion und die Argumentation waren damals: Man wollte angesichts der Inanspruchnahme der Leistungen eine Steuerungswirkung erreichen und hatte sich erhofft, dass die Praxisgebühr genau diese Steuerungswirkung bringt.

Es hat sich herausgestellt, dass dem nicht so ist. Dass jetzt die Abschaffung gekommen ist, ist vor dem Hintergrund dieser damaligen Argumentation nur folgerichtig. Gleichzeitig ist das, was die Kolleginnen und Kollegen hier gesagt haben, selbstverständlich wichtig. Wir müssen dafür sorgen, dass die Finanzierung des Gesundheitssystems dauerhaft stabil ist. Wir können nicht davon ausgehen, dass die heute gut gefüllten Kassen dies in alle Ewigkeit sein werden.

Die Bürgerversicherung ist eine Option, die die GRÜNEN schon immer an dieser Stelle genannt haben. Das will ich noch einmal betonen. Die Fraktionen DIE LINKE und SPD sind bereits darauf eingegangen. Es führt auf Dauer

kein Weg daran vorbei, dass wir uns über Finanzierungsgrundlagen Gedanken machen müssen.

Wir müssen uns auch darüber Gedanken machen, wie die Steuerungswirkung sonst erreicht werden kann und wie die Rückinformation der Fachärzte an den Hausarzt läuft. Unbenommen ist, dass wir ihn als Lotsen im System schätzen. Das war auch ein Grund für die Einführung der Praxisgebühr.

Ich möchte noch kurz etwas zum Vertrauen in das Gesundheitswesen sagen. Der Einbruch der Spendenbereitschaft durch die bekannt gewordenen Skandale kam in einer Situation, in der die Spendenbereitschaft in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern schon vorher niedrig war. Das war ein Grund, an dem Transplantationsgesetz etwas zu ändern, um die Spendenbereitschaft zu erhöhen. Durch diese Verunsicherung durch den Skandal kam es also zu einer Situation, in der die Menschen sowieso mit sich gerungen haben, wie sie sich entscheiden, bzw. viele Menschen sicher gesagt haben, sie trauen sich diese Entscheidung nicht zu. Man muss die Menschen beauftragen, sich über diese Situation Gedanken zu machen. Das können wir ihnen nicht abnehmen.

Natürlich spielt das Vertrauen in das Gesundheitswesen eine Rolle. Trotzdem hat jeder Einzelne die Aufgabe, sich mit der Endlichkeit seines Lebens auseinanderzusetzen. Deshalb finde ich es gut, dass die Krankenkassen zukünftig diese Abfrage machen werden – sie haben es ja bisher nicht in Angriff genommen –, um Menschen zu ermutigen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.

Wenn die Menschen das nicht machen und dann ein Unfall passiert oder andere gesundheitliche Beeinträchtigungen auftreten und daraufhin Verwandte oder Freunde in die Lage kommen, dies für mich zu übernehmen, schiebe ich das an Menschen ab, die noch viel weniger als ich selbst in der Lage sind, eine Entscheidung zu treffen, und für die das ungeheuer schwer ist. Schon deshalb sollte jeder für sich damit ins Reine kommen, wie er sich in Bezug auf Organspende positioniert.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unsere Kollegin Herrmann hat noch einmal für die Fraktion GRÜNE in die Debatte eingegriffen. Am Mikrofon wird um eine Kurzintervention gebeten. Bitte, Frau Kollegin Schütz.

Sehr geehrter Herr Präsident, herzlichen Dank dafür. Ich habe mich noch einmal gezwungen, ans Mikrofon zu treten, weil immer von den gefüllten Kassen gesprochen wird. Die gefüllten Krankenkassen sind das Ergebnis der Wirtschaftslage und der Einzahlungen der Arbeitnehmer. Das ist nicht zu verkennen. Die Kassen werden nicht von irgendjemandem gefüllt, sondern sie werden von den Einzahlern, von den Arbeitnehmern gefüllt. Das ist ganz wichtig. Deshalb war die Thematik der Rücknahme der Praxisgebühr auch ein Zeichen an diejenigen, die einzahlen, die diesen Über

schuss in der Kasse tatsächlich erst schaffen, etwas zurückzugeben, denn alle anderen Möglichkeiten der Rückzahlung von Kassenbeiträgen waren ja nicht gegeben.

Wenn hier mit Überschüssen agiert wird, als wenn sie für immer zu halten seien, so sind auch die Krankenkassen darauf angelegt, so viel einzuzahlen, wie notwendig ist und je nachdem, was für eine Ausgabensituation besteht. Die Krankenkassen sind nicht darauf ausgelegt, einen Überschuss für die nächsten zehn bis 20 Jahre zu erwirtschaften, wie hier dargestellt wird. Dass wir ein Problem der Sozialsysteme bekommen, ist unbenommen, das wissen wir doch alle hier in diesem Saal. Wir müssen auf aktuelle Situationen insgesamt reagieren, und deshalb war mir dies wichtig.

Auch was Frau Herrmann zum Schluss gesagt hat, dass wir das Thema Organspende und Organspendenbereitschaft ernst nehmen müssen, war mir sehr wichtig. 12 000 Betroffene warten jährlich. Das ist die Zahl, die heute genannt wurde. Wie viele sind überhaupt bereit, sich dieses Themas anzunehmen, von Mensch zu Mensch zu denken und sich zu entscheiden? Deshalb empfand ich auch vorhin das von Herrn Mann Gesagte, diese Debatte sei überflüssig, als vollkommen falsch.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Frau Herrmann, möchten Sie auf diese Kurzintervention reagieren?

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich habe ja gerade darauf hingewiesen, dass die derzeit gefüllten Kassen nicht ewig gefüllt sein werden. Natürlich sind sie aufgrund der Arbeitsmarktlage und der Einzahlungen gefüllt, und trotzdem wird das in Zukunft nicht so bleiben. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir vorsorgen und eine stabile Grundlage für eine Finanzierung in Zukunft schaffen können.

Es ist ja so, dass vor allem gut verdienende Menschen, die sich privat versichern, genau nicht in diese Kassen einzahlen,

(Kristin Schütz, FDP: 10 %!)

ja, genau diese 10 %, die in der Lage wären, auch dauerhaft einzuzahlen. Diese sind in den privaten Kassen und entziehen sich dadurch der Solidarität des Systems. Das wollen wir zukünftig nicht beibehalten und können das auch nicht, weil es sonst auf Dauer zwei verschiedene Krankensysteme geben wird: nämlich das der Besserverdienenden, die alle Leistungen bekommen, und das für die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen,

deren Leistungen in Zukunft rationiert werden müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war die Reaktion von Frau Herrmann auf die Kurzintervention von Frau

Kollegin Schütz. Herr Kollege Mann, Sie möchten auch eine Kurzintervention vortragen?

Da ich persönlich angesprochen wurde, möchte ich gern auf die Kurzintervention antworten.

Das können Sie laut Geschäftsordnung nicht. Sie haben noch eine Kurzintervention als Fraktion offen. Sie können selbst eine starten, aber sie muss sich auf den vorherigen Redebeitrag beziehen.

Das verstehe ich. Ich wäre dankbar gewesen, wenn sich Frau Schütz auch darauf bezogen hätte.

Ich möchte Folgendes kurz klarstellen. Ich glaube, dass es gerade bei der Sozial- und Krankenversicherung – Versicherung, wohlgemerkt – schon richtig ist, nicht nur bis zum Jahresende oder auch nur in Zwei- oder Dreijahresschritten zu denken, sondern länger, weil das System auch über den Tag hinaus finanzierbar sein muss, insbesondere dann, wenn Arbeitnehmer nicht mehr einzahlen können und im hohen Alter in Rente sind.

Auf einen Aspekt, den die FDP gerne vergisst, möchte ich schon noch einmal hinweisen, auch wenn wir nicht mehr die absolute Parität beim Sozialversicherungssystem haben.