Dies trifft natürlich auch den Aspekt der Quellenfreiheit des Materials. Es ist richtig, den Abgeordneten des Sächsischen Landtages liegen diese Unterlagen nicht vor. Wir müssen dennoch davon ausgehen, dass ein erneuter Verbotsantrag sorgfältig mit diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte abgewogen wurde und somit den geforderten Maßstäben entspricht.
Entsprechend gibt es deshalb aus Sicht der CDU-Fraktion auch keinen Grund, an der Einschätzung der Ministerpräsidentenkonferenz und der Innenministerkonferenz zu zweifeln, dass das vorliegende Material eine hinreichende Erfolgsaussicht für ein NPD-Verbot bietet. Daher können wir das offensichtlich vorhandene Misstrauen der Antragsteller in die Bewertung und Einschätzung des Materials durch die Ministerpräsidenten bzw. die Innenminister nicht teilen. Nur am Rande möchte ich darauf hinweisen, dass auch Ministerpräsident Kretschmann nach eigener Aussage zuversichtlich ist,
Auch Ihre Forderung nach umfassender Berichterstattung bzw. Vorlage des Materials ist vor dem Hintergrund, dass es sich hier um ein laufendes Verfahren handelt und natürlich auch noch Aktualisierungen erfolgen, nicht nachvollziehbar. Die politische Auseinandersetzung gilt es jedoch weiterzuführen.
Ich schließe mit einem Zitat von Charlotte Knobloch, der ehemaligen Präsidentin des Zentralrates der Juden: „Nur wer stolz ist auf unsere liberale Gesellschaft, nur wer sich leidenschaftlich zur freiheitlichen Demokratie bekennt, nur wer zum aufgeklärten Patriotismus steht, hat die Stärke und den Mut, den Verführungen antidemokratischer Kräfte zu widerstehen.“
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Die LINKE bietet seit einiger Zeit einen „Dialog für Sachsen“ im Internet an, und die Frage zum NPD-Verbot steht auch dort zur Diskussion. Das Thema kann nicht mit Ja oder Nein beantwortet werden. Ich habe mich in meiner eigenen Zerrissenheit dort mit Pro und Kontra geäußert.
Natürlich gehört die NPD verboten. Wer so ungeniert gegen Minderheiten hetzt, wer das friedliche Zusammenleben der Staaten durch Gebietsforderungen stört, der zeigt überdeutlich, dass er ein Gegner von Freiheit und Demokratie ist.
Militante Neonazis bedrohen und verletzen nahezu tagtäglich alternative Jugendliche und Menschen ohne deutschen Pass. Und die NPD arbeitet mit diesen Gewalttätern auch noch eng zusammen.
Wer in seinen Reihen viele Funktionäre hat, die aus verbotenen Organisationen kommen, kann nicht glaubhaft beteuern, dass er auf dem Boden der freiheitlichdemokratischen Grundordnung steht.
Es ist unerträglich, dass die Hetze der NPD gegen Freiheit, Demokratie und Menschenrechte auch noch durch den Staat finanziert wird.
Natürlich gilt das Gleichbehandlungsgebot für alle legalen Parteien – also kommt auch die NPD in den Genuss der Parteienfinanzierung.
Sie erhält daneben auch noch Geld für die Arbeit ihrer Landtagsfraktion. Knapp 1,5 Millionen Euro zahlt der Freistaat jährlich dafür.
Die Diäten für die Abgeordneten und die Gehälter für deren persönliche Mitarbeiter noch nicht eingerechnet.
Zusammen ist diese Summe nämlich deutlich mehr als jene Summe, die wir vorgestern im Programm „Weltoffenes Sachsen“ diskutiert hatten.
Auf der einen Seite die Nazis finanzieren und auf der anderen Seite Geld dafür ausgeben, dass die Folgen ihres Handelns beseitigt werden – wie passt das eigentlich zusammen?
Die NPD ist zurzeit noch die wichtigste Organisation der Neonazis in der Bundesrepublik, insbesondere im Bereich der parlamentsorientierten extremen Rechten. Wird sie verboten, wird zugleich deutlich unterstrichen, dass für ihr menschenverachtendes Gedankengut kein Platz in diesem Staat ist.
Auch wenn es Ersatzorganisationen geben sollte, werden doch der Zusammenhalt und das offene Agieren für längere Zeit empfindlich gestört. Außerdem kann und sollte die Bildung solcher Gruppen dann auch strafrechtlich verfolgt werden.
Die Probleme mit dem gegen die Menschen- und Grundrechte gerichteten Gedankengut sind damit natürlich noch nicht gelöst.
Aber das behauptet ja auch niemand, denn das ist und bleibt eine dauerhafte Aufgabe des Staates und aller in ihm lebenden Menschen.
Aber warum soll man etwas verbieten, was sich ohnehin im Zerfall befindet? Der NPD-Vorsitzende Holger Apfel führt seine Partei so sicher in Zerstrittenheit und Bedeutungslosigkeit, dass sich ein staatliches Eingreifen eigentlich erübrigt.
(Beifall bei den Linken, der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf von der NPD: Das ist reines Wunschdenken! Da werden Sie sich eines Besseren belehren lassen müssen!)
Um die Demokratie müsste es schon äußerst schlecht bestellt sein, wenn für sie eine ernsthafte Gefahr durch eine Partei bestünde, die im größten Bundesland – Nordrhein-Westfalen mit fast 18 Millionen Einwohnern – gerade einmal 500 Mitglieder hat.
Ja, die NPD ist durch und durch ekelhaft. Sie ist antisemitisch, rassistisch, nationalistisch, revanchistisch, viele ihrer Mitglieder leugnen historische Tatsachen. Ja, immer wieder begehen Mitglieder der NPD Straftaten oder sind in sie verwickelt. Sie ist verfassungsfeindlich. Aber reicht das wirklich aus, damit eine Partei verboten werden kann?
Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass eine zu verbietende Partei aggressiv-kämpferisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgeht. Hierfür einen sauberen Nachweis zu führen dürfte schwer werden. Nur gnadenlose Optimisten glauben, dass wirklich keine Aussagen von staatlich bezahlten Spitzeln mehr im jetzt vorliegenden Material für das Verbot zu finden sind.
Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht dieser Ansicht sein sollte und tatsächlich ein Verbot ausspricht, bleibt immer noch die Hürde des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Dieser fordert, dass eine zu verbietende Partei eine objektive Gefahr für die Verfassung darstellt. Zu gut Deutsch: Sie muss nicht nur wollen, sondern auch können. Und die NPD kann offenkundig nicht. Ein gescheitertes Verfahren wäre ein Sieg für sie, der sie nicht unerheblich stärken würde.
Was wäre aber, wenn ich Unrecht behielte und ein Verbot rechtswirksam würde? Neue Parteien, wie „Die Rechte“ von Christian Worch, erhielten Zulauf; andere Neonazis würden zurück zu den Freien Kräften gehen und sich wieder anderen Strömungen wie den neuen „Identitären“ anschließen. Die „Identitären“ sieht man ja hier in Sachsen durch die Behörden überhaupt nicht.
Was wäre also wirklich gewonnen? Verbote von oppositionellen Parteien und demokratische Verfasstheit eines Landes sind nämlich ein Widerspruch. Das probate Mittel zur Zurückdrängung von Einstellungen der extremen Rechten ist für mich die Stärkung der Demokratie auf allen Ebenen und überall. Mitsprache und Mitwirkung, die Demokratie in den Alltag tragen, in die Schule, in die Betriebe – Maßnahmen dazu sind wirkungsvoller als jedes Verbot.
Meine Damen und Herren, der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert im Teil I als Berichtsantrag die Offenlegung der Überlegungen, der Argumente seitens der Staatsregierung für deren Entscheidungsfindung, und das ist völlig legitim. Nicht nur das: Es ist überaus nötig und von den möglichen Folgen her auch dringend geboten. Zu den Risiken und Nebenwirkungen möchte ich in diesem Fall nicht meine Ärztin oder meine Apothekerin fragen. Nein, in dieser Angelegenheit müssen wir die Staatsregierung verpflichten zu antworten. Blindes Vertrauen ist an dieser Stelle nicht angebracht.
Ob die Zustimmung im Bundesrat überhaupt noch von den Erfolgsaussichten abhängig gemacht werden kann, wie im Teil II gefordert, bezweifle ich sehr. Aus purem Aktionismus begann man vor einem Jahr, die Lippen zu
spitzen, und jetzt wird man wohl auch pfeifen müssen. Seit einem Jahr wird wegen der entsetzlichen Verbrechen des NSU durch die verantwortlichen Politiker einschließlich des sächsischen Ministerpräsidenten ein NPDVerbotsverfahren gefordert. Ein Rückzug jetzt wäre leider auch ein Erfolg für die NPD.
Ich möchte ganz einfach daran erinnern: Alle Bemühungen und Initiativen in den Jahren seit 2003 wurden belächelt und abgewiesen. Es gab hier im Sächsischen Landtag Anträge, es gab bundesweit Unterschriftensammlungen und Petitionen. Alles hatte keinen Sinn. Aber nun müssen die verantwortlichen Politiker ihr Gesicht wahren. So wird leider hier Demokratie praktiziert.