Ich bin der Meinung: Wenn Ihr Gesetzentwurf Gesetzeskraft hätte, dann würden wir genau diese Auswirkungen haben, und deswegen wollen wir weder die Unternehmen noch die kommunalen Gebietskörperschaften, die Städte und Gemeinden mit zusätzlichen Kosten belasten; das wollen wir nicht. Wir setzen auf die Freiheit der Möglichkeiten, und die Unternehmen haben sehr viele Möglichkeiten, das auch zu tun, und sie werden auch in Anspruch genommen. Der Arbeitnehmer wird die Bildung bekommen und in Anspruch nehmen, die er für seine berufliche Karriere braucht.
Genau, auf den Redebeitrag, den Herr Heidan gehalten hat, möchte ich gern eine Korrektur vornehmen, weil es offenbar nicht klar ist.
Im § 10 unseres Gesetzentwurfes ist eindeutig geregelt: „Die Bildungsfreistellung nach diesem Gesetz kann nur für anerkannte Veranstaltungen der Weiterbildung erfolgen. Bei der Anerkennung von Weiterbildungsveranstaltungen wird das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit als die zuständige Behörde vom Landesbeirat für Erwachsenenbildung beraten.“ Das dürften genügend Möglichkeiten sein, um auszuschließen, dass ein Missbrauch bei diesem Anerkennungsverfahren stattfindet.
Ich bitte das zur Kenntnis zu nehmen, und vielleicht hilft das bei der Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.
Vielen Dank. – Herr Heidan, ich frage Sie: Möchten Sie darauf erwidern? – Und ich bedanke mich bei Herrn Kind für seine Geduld.
Es hat mich ja niemand gefragt, wem das hessische Sozialministerium vorsteht – es ist CDU-geführt. Genau in Hessen ist es schon jahrelange Praxis, dass solche Auswüchse passieren, dass sie solche Bildungsangebote haben,
weil es dann immer wieder konterkariert wird, und wir sagen, nicht der Minister oder vielleicht die Politik hat festzulegen, was in der Weiterbildung wichtig ist, sondern wir sagen: Die Unternehmen, die kommunalen Gebietskörperschaften, die Weiterbildung benötigen, werden es auch klar formulieren können und werden dementsprechende Bildungseinrichtungen dazu animieren, die Wei
terbildungsangebote hier zu generieren. Das ist für uns der bessere Weg und von daher lehnen wir das ab.
Jetzt kann es in der Aussprache weitergehen; Herr Kind, Sie haben das Wort für die Fraktion DIE LINKE.
Herr Präsident! Vielleicht sollten wir heute das Publikum entscheiden und abstimmen lassen; denn im Publikum sitzen mehr Personen als hier im Parlament. Das ist traurig. Wir sollten einmal über unsere Geschäftsordnung nachdenken, ob Gesetzeslesungen in 2. Lesung wirklich wichtig sind oder ob das nur eine Spaßveranstaltung ist, um sich gegenseitig ein paar nett aufgeschriebene Worte zu erzählen.
Weil Herr Heidan versucht hat, humoristisch zu enden, und diverse Weiterbildungsangebote aus Hessen zitiert hat, würde ich meinen Einstieg gern damit beginnen: Im vorigen Jahr hatte ich einen längeren Facebook- und Handykontakt mit einem Kraftfahrer, der in Sizilien unerwarteterweise als Trucker festsaß und nicht wusste, wie er wegkommt. An dieser Stelle hätte ihm sicherlich geholfen, wenn er nicht nur fachliche berufliche Weiterbildung wie ADR-Schein und andere Dinge, sondern die Möglichkeit gehabt hätte, über den Weg einer Bildungsfreistellung auch politische, demokratische Bildung erfahren zu können, wo er sich Angebote heraussuchen kann, um sich gezielt – seine Persönlichkeit und seinen beruflichen Werdegang miteinander verknüpft – weiterzubilden.
Ich kann ein anderes Beispiel nennen. Es gibt – das kennen Sie auch als Handwerker – Monteure, die tagein, tagaus, jahrein, jahraus durch Europa fahren. Sie haben Baustellen in Spanien, in Polen, in Dänemark, springend in Holland – da kommt es nicht nur auf berufliche Weiterbildung an, nein, auch dort ist politische Bildung, Demokratiebildung wichtig, und das ist nicht nur mit beruflicher Weiterbildung, bezahlt über den Arbeitgeber, zu realisieren. Dafür wollen wir unter anderem das Bildungsfreistellungsgesetz.
Herr Kind, erklären Sie mir bzw. dem anwesenden Auditorium bitte, was dem spanischen Trucker, der aus Deutschland stammt, – –
Der Trucker war also in Europa unterwegs. Erklären Sie mir bitte, welches Weiterbildungsangebot denn dem Trucker geholfen hätte. Ich könnte mir vorstellen, das wäre ein Fremdsprachenangebot gewesen oder vielleicht ein Angebot, wie man einen Motor oder einen Reifen wechselt; aber das sind doch Dinge, die der Unternehmer, also der Arbeitgeber, dem Trucker zur Verfügung stellen muss. Erklären Sie uns das bitte.
Wir können das gern vertiefen; das hätten wir auch gern im Ausschuss machen können – da bügeln Sie ja so etwas ab bzw. schweigen es eine Minute still und sagen, ausführlich darüber gesprochen zu haben – wie Kollege Mackenroth in der letzten Diskussion.
Aber gehen wir in der Sache tiefer. Ich meine, an der Stelle hätte er wissen müssen, wie zum Beispiel politische Strukturen in Europa funktionieren. Wie sind politische Systeme in anderen Ländern organisiert? Warum gibt es Massenstreiks in Italien, die anders aussehen als in Deutschland, wo diszipliniert gestreikt wird, wo es keine Massenstreiks in der Form gibt, Generalstreiks wie in Frankreich oder in Italien? Das kannte er nicht, er war unvorbereitet und war in dieser Situation maßlos überfordert.
Nach der ersten Woche waren übrigens die Supermärkte leer, es gab nichts mehr zu essen, es gab Unruhen unter den Fahrern, es waren über 20 Nationen, die auf Sizilien festsaßen, und auch Ihnen würde es in der Weiterbildung guttun; denn Sizilien liegt nach wie vor in Italien.
Aber beginnen wir mit dem, was ich eigentlich ausführen wollte: Ich wollte meine Rede eigentlich damit beginnen, Ihnen eine Frage zu stellen, und zwar, was unser größter Schatz in Sachsen ist, der unser gesellschaftliches, wirtschaftliches Weiterkommen ermöglicht. Es liegt – Sie sind vorhin selbst darauf eingegangen – auf Drängen unserer Fraktion eine Rohstoffstrategie in Sachsen vor. Aus der geht hervor, dass wir gewiss in Sachsen manch strategischen Rohstoff in verschiedener Mengenausprägung haben – Kohle ist noch etwas mehr da als seltene Erden; Kohle sollte man vielleicht nicht weiter verfeuern, da gibt es verschiedene politische Ansätze. Eines ist bezüglich dieser Strategie unbestritten, bis hin zur Koalition: Sachsen wird kein Rohstoffriese mehr werden. Also: Wir haben nur einen wichtigen Schatz – auch das wir in Sonntagsreden, in Tagungen, in Grußworten, bei Verbänden gern wieder angemahnt –, und das sind unsere Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Wissen und ihrem Können.
Und es wird andauernd von Fachkräftemangel geredet, also sollten wir doch in dieser Richtung etwas tun, endlich Taten folgen lassen und den demografischen Wandel nicht nur bei Sonntagsreden beschwören, um dann im Nichts zu verharren.
Mit den vorliegenden Gesetzentwürfen könnte der Freistaat einen Mosaikstein für die positive Beantwortung – nicht als Generallösung, jedoch als Gesetze – liefern, zumal an anderer Stelle gern von einer Vorreiterrolle Sachsens die Rede ist. Leider ist das bei diesem Thema mitnichten der Fall, weil: In Sachsen begleiten wir die Debatte wenigstens seit 1992, seit der Verfassungsdiskussion.
Auch auf anderer Ebene, auf der Bundesebene ist das Thema seit 1976 unaufgearbeitet, weil mit der Ratifizierung des vorhin schon angesprochenen Übereinkommens Nr. 140 der IAO sich Deutschland verpflichtet hat, die Weiterbildung zu fördern und zu stimulieren, gerade in den Bereichen, in denen die Weiterbildungswilligkeit durch äußere Zwänge, durch abhängige Beschäftigung nicht von sich aus gegeben ist. Das ist bis heute nicht umgesetzt, auch wenn Vertreter in der Anhörung versuchten, etwas anderes glaubhaft zu machen.
Bildungsfreistellungsgesetze gibt es mittlerweile in zwölf Bundesländern; nach meinem Kenntnisstand ist Thüringen in der Endabstimmung, Frau Kollegin. Wenn Sie mehr wissen, zum Beispiel, dass sie schon entschieden haben, dann ist mir das entgangen. Mein Kenntnisstand war, dass sie in der Koalition eine Entscheidung getroffen haben, es aber noch keinen Gesetzesrang erlangt hat. Also in zwölf Bundesländern gibt es Bildungsfreistellungsgesetze. Die Ausnahme bilden nur noch Baden
Württemberg, Bayern, Thüringen und – als krönender Abschluss, wo man darüber auch nicht diskutieren möchte – Sachsen.
In der Anhörung war auch von der Vertreterin aus Rheinland-Pfalz zu erfahren, dass von einem Missbrauch mitnichten zu reden ist, weil an dieser Stelle – da kann die Koalition ruhig einmal dem mündigen Bürger vertrauen – auf das in der Wirtschaftswissenschaft gern zitierte Prinzip des Homo oeconomicus Bezug genommen werden kann, wonach die Nutzer des Bildungsfreistellungsgesetzes schon Maßnahmen und Bildungsangebote für sich suchen, die ihnen in ihrer Persönlichkeit, im beruflichen Leben, aber auch in ihrer Entwicklung nützen und damit uns allen nützen werden.
Und in Zahlen; denn die Gesetzentwürfe schlagen das unter anderem vor, und in den Ländern, in denen das Gesetz Realität ist, wird es auch gelebt, es gibt eine regelmäßige Berichterstattung: Rheinland-Pfalz konnte darüber berichten, dass zu über 80 % – genau 83 % – für das letzte Berichtsjahr für berufliche Weiterbildung im beruflichen Kontext angebotene Weiterbildung genutzt wird. Das ist doch ein klares Zeichen dafür, dass von Missbrauch an dieser Stelle überhaupt nicht zu reden ist.
Auch das Argument – das kam in der Rede schon –, dass nur 1 bis 2 % erreicht werden, ist doch kein Totschlagar
gument, ist doch kein Argument, es nicht durchzuführen, weil: Man bietet ein Recht und keine Pflicht an, es zu nutzen. Was hindert uns, dieses Recht in Sachsen anzubieten, das im Rahmen der bundesdeutschen Entwicklung auf den Weg gebracht ist, uns da anzuschließen und an der Stelle Harmonisierung herzustellen?
Es könnte der Einwand kommen – aber intensiv wollen Sie sich damit gar nicht auseinandersetzen, sondern nur Klamauk machen, wie Herr Heidan hier vorgeführt hat –, dass kleine Betriebe das nicht realisieren können, dass bei knappen Stellen Personalengpässe entstehen, wo vielleicht nur ein Fachmann vorhanden ist. Aber genau das wird versucht, in den Gesetzen zu regeln: indem auf Abstimmung, auf Vorankündigung und auch auf Versagensgründe in einem Jahr abgestellt wird, wenn die betrieblichen Rahmenbedingungen es nicht zulassen. Auch soziale Standards sollen geregelt werden. Sind Familienurlaube geplant, sind andere soziale Fälle da. Dann ist Bildungsurlaub nicht umzusetzen und muss entsprechend vertagt werden. Das sind alles Dinge, die geregelt werden sollen. Das findet auch unsere Unterstützung.
Es könnte abschließend – eigentlich als Rat an die Koalition – vielleicht ein kleines Fünkchen Standortvorteil sein, wenn es wirklich einmal um Fachkräftemangel geht, der bis jetzt nur als Szenario an die Wand geschrieben ist, aber real noch nicht eingetreten ist. Es gibt in einigen Sparten erste Engpässe, aber keinen generellen flächendeckenden Fachkräftemangel. Davon kann noch lange nicht gesprochen werden. Vielleicht kann es in nächster Zukunft auch ein Standortvorteil sein, wenn interessierte Bürgerinnen und Bürger sagen: Kann ich denn in Sachsen genauso Bildungsfreistellung in Anspruch nehmen, wie ich das vorher in Hamburg, in Mecklenburg-Vorpommern oder in Nordrhein-Westfalen konnte? – Wir unterstützen die beiden Gesetzesinitiativen und werden unsere Zustimmung geben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kind, ich habe Ihr schräges Beispiel der gestrandeten Lkw-Fahrer auch nicht richtig verstanden. Was hilft es denn dem Lkw-Fahrer auf Sizilien, wenn er weiß, wie der italienische Staatspräsident gewählt wird oder wie das Gesetzgebungsverfahren im italienischen Parlament ist, wenn er im Supermarkt keine Lebensmittel vorfindet? Ich glaube, dass ihm diese Weiterbildung auch nicht geholfen hätte. Im Übrigen: Da wir heute alle Mobiltelefone haben, kann man das bei Wikipedia alles ganz schnell nachlesen.
Um es auf den Punkt zu bringen: Wir als FDP-Fraktion sind für Weiterbildung, aber wir sind gegen gesetzlichen Zwang.