Wir Nationaldemokraten lassen Ihnen diese Showveranstaltung allerdings nicht durchgehen. Mittlerweile – denke ich – wissen die Menschen im Lande, dass Sie und Ihresgleichen im Bundestag, von wenigen löblichen Ausnahmen wie Peter Gauweiler, Frank Schäffler oder Klaus-Peter Willsch einmal abgesehen, nichts anderes
Ihnen, meine Damen und Herren, mangelt es schlichtweg an nationalem Rückgrat, vielleicht, weil Sie glauben, der Lauf der Dinge aus Brüssel wäre unumkehrbar. Die Europäische Union nebst ihren Beihilferegimen und ihren Fördermechanismen bedarf nicht nur einer Reform, sie muss in ihrer jetzigen Form grundlegend überdacht werden.
Wir als NPD-Fraktion fordern deshalb ganz klar – um es einmal so zu sagen – nicht nur ein Update der heutigen EU, sondern wir fordern einen kompletten Neustart des Systems.
Meine Damen und Herren! Aber haben Sie sich einmal die Frage gestellt, warum der Freistaat Sachsen dem heutigen Problem des sogenannten statistischen Effekts gegenübersteht. Das liegt nicht zuletzt an der ebenfalls von uns Nationaldemokraten ständig kritisierten Expansionswut der EU. Spätestens im Zuge der Währungskrise dürfte doch der Letzte erkannt haben, wie problematisch es war, die EU und mit ihr die Eurozone beständig auszuweiten, solange die wirtschaftliche Konvergenz nicht einmal annähernd erreicht war.
Heute fällt uns im Zuge dieses Erweiterungsexzesses um sprichwörtlich jeden Preis genau diese Praxis im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Förderpolitik noch einmal auf die Füße, indem Regionen aus den Fördertöpfen fallen, deren Transferbedürftigkeit noch längst nicht abgestellt wurde. Das ist umso trauriger, als davon Regionen des Hauptnettozahlers und europäischen Chefretters Nummer eins, also Deutschland, betroffen sind. Es ist also wie immer in den letzten Jahrzehnten: Die Deutschen dürfen für alle bezahlen und schauen dann selbst in die Röhre.
Abschließend lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen. Würde die Region Leipzig eine ähnlich kreative Statistikarbeit gegenüber der EU-Kommission leisten, wie es Griechenland mithilfe von Goldman Sachs über Jahre hinweg getan hat, dann läge der statistische Effekt auf unserer Seite.
Wir Nationaldemokraten würden es uns im Sinne des kleineren Übels selbstverständlich wünschen, dass die im vorliegenden Koalitionsantrag genannten Punkte auf europäischer Ebene angesprochen würden, und zwar wirksam angesprochen würden. Allein dazu fehlt uns der Glaube.
Dennoch werden wir dem Antrag zustimmen, allein schon deshalb, um den Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen aufzuzeigen, dass in diesem Brüsseler Fremdbestimmungsregime eine deutliche Mehrheit des Sächsischen Landtages keinerlei Auswirkungen mehr hat.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde der Aussprache. – Mir liegen für eine zweite Runde keine Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Ich frage trotzdem, ob noch jemand sprechen möchte. – Das ist nicht der Fall. Die Staatsregierung? – Herr Staatsminister Dr. Martens, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Vorbemerkung, dass ich mich bei den Fraktionen dafür bedanke, dass sie sich im Einzelnen mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen und – wie ich gehört habe – auch der Antwort der Staatsregierung inhaltlich auseinandergesetzt haben. Es ist nicht das erste Mal, dass wir über den Themenkomplex der Förderung Sachsens durch Mittel der Europäischen Union sprechen.
Diesbezüglich wird es Sie nicht verwundern, wenn ich wiederholt zu Protokoll geben kann, dass sich die Sächsische Staatsregierung in der Umsetzung ihrer EUFörderstrategie auch weiterhin kontinuierlich für eine möglichst optimale EU-Förderung für Sachsen ab dem Jahr 2014 einsetzen wird. Ein wichtiger Schwerpunkt ist dabei die Ausrichtung der Kohäsionspolitik. Aber das ist nicht der einzige Schwerpunkt, wie Ihnen einige Kollegen, zum Beispiel Kollege Schiemann, hier aufgezeigt haben.
In Brüssel hat jetzt – das ist bereits erwähnt worden – die zweite Runde der Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 und zu den Verordnungen über die Strukturfonds der Europäischen Union begonnen. Darin werden der finanzielle Rahmen und die Voraussetzungen auch für die Förderung Sachsens mit EU-Mitteln festgelegt. 4 Milliarden Euro hat Sachsen aus dem Strukturfonds der laufenden Förderperiode von 2007 bis 2013 erhalten. Das ist ein sehr beachtlicher Betrag. In welcher Höhe Sachsen in der kommenden Förderperiode von 2014 bis 2020 gefördert wird, ist gegenwärtig noch ungewiss.
Allerdings, Frau Kallenbach, lassen Sie mich insofern schon ein wenig Wasser in den Wein gießen: Die Fördermittel, die Sachsen von 2014 bis 2020 erhalten wird, werden – egal in welcher Höhe – bestimmt nicht ausreichen, die Polkappen zu retten.
Meine Damen und Herren! Im sogenannten Trilog, der jetzt im Europäischen Parlament, im Rat und in der Kommission beginnt, den Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen und die Strukturfondsverordnungen, wissen wir ebenfalls noch nicht, mit welchem Ergebnis sie enden werden. Wir hoffen, dass sie zumindest bis Ende des Jahres 2012 beendet sein werden. Entgegen früheren Annahmen scheint es durchaus möglich zu sein, dass es hierbei zu einer Einigung bis Ende des Jahres kommen wird.
Nach Abschluss der ersten Verhandlungsrunde sind die sächsischen Kernforderungen aus der gemeinsamen Förderstrategie allerdings noch nicht sicher erreicht. Das von der Kommission vorgeschlagene Sicherheitsnetz von zwei Dritteln der bisherigen Strukturfondszuweisungen aus dem Regional- und Sozialfonds, das Chemnitz und Dresden zugutekommen würde, ist im Rat weiterhin umstritten. Andere Mitgliedsstaaten fordern eine Reduzierung auf lediglich 55 % des bisherigen Mittelansatzes. Das Sicherheitsnetz wird auch nur von den Mitgliedsstaaten Spanien, Griechenland, Slowenien und Malta mitgetragen.
Die Einbeziehung Leipzigs in dieses Sicherheitsnetz wird sowohl von der Staatsregierung als auch von der Bundesregierung mit Nachdruck gefordert, aber auch diese Forderung ist bisher im Rat noch nicht endgültig zur Mehrheitsposition geworden.
Insofern ist es durchaus bemerkenswert und erfreulich, dass unser Anliegen eines Zwei-Drittel-Sicherheitsnetzes auch für die Region Leipzig nach Lobbyarbeit der sächsischen Vertreter und der Staatsregierung vom Regionalausschuss des Europäischen Parlaments unterstützt wird. Das ist wichtig, meine Damen und Herren.
Im Gespräch mit dem zyprischen Ratsvorsitz im August habe ich außerdem die Zusage erhalten, dass unser Anliegen vom Vorsitz des Rates mit Verständnis aufgenommen wird und er unsere Suche nach einer Lösung in dieser Frage weiterhin unterstützen wird.
In einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter bei der Europäischen Union, also dem offiziellen Vertreter der Bundesregierung in Brüssel, Herrn Dr. Peruzzo, habe ich vorletzte Woche dieses sächsische Kernanliegen noch einmal ausführlich besprochen und deutlich gemacht, dass es darauf ankommt, in den anstehenden Verhandlungen an der einmal eingenommenen Position – auch der Bundesregierung – festzuhalten. Ich habe bereits mehrmals mit dem vorgesehenen Verhandlungsführer der Bundesregierung, Herrn Staatsminister im Auswärtigen Amt Link, über diese Fragen gesprochen. Die Bundesregierung ist sich der Problematik bewusst. Wir können davon ausgehen, dass dieses Thema nicht unter den Tisch fallen wird.
Ein weiteres wichtiges Anliegen der Staatsregierung ist es, Übergangsregelungen wie in der Kohäsionspolitik auch für die Förderung im Bereich des ländlichen Raums durchzusetzen. Auf sächsische Initiative hin wurden im Parlament Änderungsvorschläge eingebracht, die Übergangsregionen in Analogie zur Kohäsionspolitik zu fördern. Ziel der Staatsregierung bleibt es, Verschlechterungen in der Förderung im Agrarbereich zu vermeiden.
Sie können sicher sein, dass meine Kollegen und ich weiterhin die Gespräche mit der Bundesregierung und den entscheidenden Akteuren in Brüssel mit dem Ziel führen werden, eine angemessene Übergangsförderung für alle sächsischen Regionen in der Kohäsionspolitik, aber auch im Bereich der ländlichen Entwicklung sicherzustellen.
Die Sächsische Staatsregierung setzt sich zudem dafür ein, dass neben einem angemessenen Förderniveau die erforderlichen Fördervoraussetzungen gegeben sind,
damit die EU-Mittel in Sachsen sachgerecht verwendet werden können. Eines der zentralen Ziele dabei ist es, den regionalen Handlungsspielraum zu erhalten. Insbesondere wollen wir die von der Kommission vorgesehenen starren Mindestquoten bei der Verwendung der Mittel lockern. In welchem Umfang die vorhandenen Mittel aus dem Anwendungsbereich des Sozialfonds verwendet werden, muss nach regionalen Gegebenheiten vor Ort entschieden werden. In Brüssel einheitlich festgelegte starre Quoten der Mittelverwendung, egal ob anwendbar in Südspanien oder in Sachsen, werden den regionalen Problemlagen und Anliegen nach flexibler Mittelverwaltung nicht gerecht.
Meine Damen und Herren! Auch wenn in Sachsen beim Aufbau der Infrastruktur bereits viel erreicht wurde, gibt es in einzelnen Bereichen noch strukturelle Schwächen auszugleichen, wie beim Aufbau nachhaltiger Forschungs- und Entwicklungskapazitäten oder bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, die weiterhin einer gezielten Förderung bedürfen.
Dabei befinden wir uns in Übereinstimmung mit fast allen Rednern im Plenum. Die Staatsregierung wendet sich gegen das von der Kommission vorgeschlagene weitreichende Konditionalitätenkonzept insbesondere im Bereich der makroökonomischen Konditionalitäten. Konditionalitäten sind wichtig, um die Leistungsfähigkeit und Effizienz des Fördermitteleinsatzes sicherzustellen. Sie dürfen aber nicht mit sachfremden Gesichtspunkten verbunden werden oder zu Fehlanreizen führen. Derjenige, der die Förderung erhält, muss überhaupt in der Lage sein, diese Konditionalitäten in irgendeiner Weise zu beeinflussen; denn ansonsten würde man Fehlanreize setzen bzw. falsche Verknüpfungen herstellen.
Diese Konditionalitäten dürfen nicht zu einem erhöhten Verwaltungs- und Prüfaufwand führen, da der Aufwand für die Förderverwaltung jetzt schon in einigen Bereichen nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis zur Höhe der Förderung steht. Die Staatsregierung lehnt insbesondere die vorgeschlagene Leistungsreserve und die Sanktionierungen in Form von Mittelkürzungen ab, da diese die langfristige Planungssicherheit bei den Empfängern gefährden.
Meine Damen und Herren! Angesichts der demografischen Herausforderungen, vor denen Sachsen steht, setzt sich die Staatsregierung außerdem dafür ein, dass die Fördervoraussetzungen genügend Handlungsspielräume lassen, um auch solchen lokal und regional besonderen Herausforderungen in angemessener Weise begegnen zu können. Ferner fordert die Staatsregierung die Möglichkeiten zur Anpassung der Kofinanzierungssätze nicht nur für unbesiedelte Regionen und Bergregionen, sondern
Noch ist in Brüssel nichts entschieden, meine Damen und Herren, und es wird nicht leicht sein, die sächsischen Interessen in allen Punkten durchzusetzen. Das wissen wir. Sachsen ist nur eine von circa 270 Regionen innerhalb der Europäischen Union. Sie sehen, dass sich die Staatsregierung der Bedeutung der jetzt eingeleiteten Verhandlungsrunde und der Modalitäten bewusst ist und dass wir uns im Rahmen der Möglichkeiten für eine Förderung ab 2014 auf angemessenem Niveau einsetzen.
Wir werden dabei unterstützt, wir sind dabei nicht allein. Die Bundesregierung hat dieses Thema ebenfalls aufgegriffen, und wir sind zuversichtlich, dass wir hierbei etwas erreichen können. Aber die Unterstützung des Parlamentes ist dabei ein wichtiger Punkt, den wir in Brüssel vorweisen können. Aus diesem Grund würde sich die Staatsregierung erfreut zeigen, wenn dieser Antrag eine möglichst breite Mehrheit im Haus finden würde.
Meine Damen und Herren, wir kommen zum Schlusswort. Für die einreichenden Fraktionen von CDU und FDP spricht Herr Schiemann; bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben diesen Antrag bewusst in die Diskussion des Hohen Hauses gebracht. Ich gehe davon aus, dass die Diskussion gezeigt hat, dass man darüber selbstverständlich aus unterschiedlichen Positionen, das eine oder andere abgewogen, anders sehen kann. Ich denke, die Diskussion hat auch gezeigt, dass es viele Mitglieder des Hohen Hauses gibt, die sich für dieses Thema und für die Frage der Zukunftssicherung in der nächsten Förderperiode sehr stark einsetzen. Es ist wichtig, dass das Hohe Haus dieses Signal der Staatsregierung in ihren weiteren Bemühungen in Brüssel und in Berlin mitgibt, damit der Sächsische Landtag klar macht: Wir brauchen auch in Zukunft die Unterstützung der Europäischen Union und können das mit einer breiten Mehrheit erreichen.
Sächsische Interessen wahren, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedeutet Zukunftschancen für den Freistaat Sachsen in Europa zu verbessern. Wir brauchen Planungssicherheit, damit wir den 1990 begonnenen Aufholprozess weiter gestalten können. Jetzt haben wir 60 % des Weges hinter uns. Die Herausforderungen der noch vor uns liegenden 40 % werden wir nur mit der Solidarität des Bundes und eben Europas schaffen. Deshalb werden wir für diesen Weg sicher noch mehr als 15 Jahre brauchen, um den Aufbau des Freistaates abzuschließen.
Kurt Biedenkopf als erster Ministerpräsident hat es einmal zusammengefasst: Es ist eine Generationenaufgabe. Wer in Generationenjahren rechnet, weiß, wie lange die Erfüllung diese Aufgabe dauern wird.
Wir stellen uns dieser Aufgabe. Wir wollen mit der Unterstützung der EU weiterhin für zukunftsfähige Arbeitsplätze, für wettbewerbsfähige Unternehmen
stehen. Wir wollen die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Selbstständigen, aber auch die Industriekerne im Freistaat Sachsen weiter stärken. Sachsen soll in der Mitte Europas mit der Tschechischen Republik und der Republik Polen zu einer Zukunftsregion zusammenwachsen. Wir müssen diese Chance noch viel mehr nutzen, ausbauen und selbst in die Hand nehmen. Wir wollen, dass die Bürger des Freistaates Sachsen die Chancen Europas nutzen.
Dafür lohnt es sich, für sächsische Interessen in Europa einzutreten. Ich bitte Sie ganz herzlich: Stimmen Sie dem Antrag der Koalitionsfraktionen zu.