Protocol of the Session on September 26, 2012

Herr Herbst, Sie können es mir wahrscheinlich auch nicht erklären.

Die Staatsregierung sieht es aber positiv. Weiter heißt es: „Derzeit ist allerdings nicht zu erkennen, dass entsprechende Investitionen nicht möglich wären.“ Es ist die hohe Kunst der Negation der Negation, meine sehr verehrten Damen und Herren. Herzlichen Glückwunsch an die, die es geschrieben haben!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Damit wir ganz optimistisch in die Zukunft blicken, schreibt die Staatsregierung weiter Folgendes: Die Staatsregierung wird in den weiteren Verhandlungen darauf achten, dass diesem Anliegen weiter Rechnung getragen wird. Herzlichen Glückwunsch! Das stimmt uns positiv.

Die Lage ist jedoch schwierig. In dem Verordnungsentwurf ist viel Technik vorhanden. Es ist schon wichtig, über die sogenannten Konditionalitäten – zu Deutsch Bedingungen – zu sprechen, nachdem die Fördergelder ausgereicht werden. Es macht für meine Begriffe durchaus Sinn, über Ex-ante-Konditionen zu sprechen. Wir haben bereits jetzt eine Ex-ante-Evaluierung. Man schaut dabei: Wie wird die Zielerreichung tatsächlich überprüft und möglicherweise konditioniert? Das ist aus meiner Sicht nicht verkehrt. Übrigens möchte das EU-Parlament das. Der Rat und die Kommission wollen es nicht.

Anders ist es, und da freue ich mich, Marko Schiemann, dass das auch die Position der CDU ist: Die makroökonomischen Konditionalitäten wollt ihr nicht. Diese Haltung kann ich nur befürworten, weil das im Umkehrschluss natürlich auch heißt, dass gerade die Regionen, die vielleicht unverschuldet wegen schlechter nationaler Politik in Schwierigkeiten gelangen, dann jene Wachstumsimpulse, die ja auch von Strukturfondsmitteln ausgehen sollen, nicht mehr bekommen. Das ist ja pervers, das passt ja überhaupt nicht. Insofern ist diese makroökonomische Konditionalität an dieser Stelle falsch gedacht.

Ein Letztes. Mir geht es darum, dass wir viel öfter noch einmal über die Strategie der Staatsregierung sprechen. Wir kennen jetzt in etwa das, was die Europäische Union will. Mir ist es wichtig, dass wir in der Frage der Umsetzung vorankommen. Wir wissen ja, dass wir es als Parlament sehr schwer haben, Informationen zu bekommen. Die WiSos, also die Wirtschafts- und Sozialpartner, stehen da wesentlich besser im Stoff. Das sei ihnen auch gegönnt. Wir bekommen natürlich von ihnen dann auch die Informationen.

Aber ich will nur deutlich sagen: Wenn wir eine Flexibilität der europäischen Mittel bei der Ausreichung von Brüssel nach Sachsen verlangen, dann erwarte ich auch, dass wir in Sachsen diese Flexibilität gewährleisten. Wenn wir am Montag von der AG Stadterneuerung der sächsischen Kommunen hören, dass man die Förderausreichung im Rahmen des Projektes „Integrierte territoriale Investitionen“ eher erschweren wird, dann muss ich sagen: Wir dürfen in Sachsen nicht zusätzliche Hürden auflegen. Wir können gerne kritisieren, was in Brüssel nicht gut läuft, aber wir sollten auch in Sachsen einen integrierten Ansatz verfolgen. Das heißt eben nicht, dass jedes Ministerium sein Töpfchen bekommt, dort Geld rausgibt, sondern gerade auch in der Städtebauförderung ist es wichtig, dass alle miteinander zusammenarbeiten.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Es gibt noch viel zu tun, und es wird sicherlich nicht die letzte Debatte sein. Ich hätte mir übrigens auch ge

wünscht, dass wir über diesen Antrag im Ausschuss diskutieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Frau Kallenbach für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN. Frau Kallenbach, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt nichts Schöneres, als darüber zu streiten, wer am besten die sächsischen Interessen vertritt.

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE: Ja!)

Die Antragsteller nehmen das für sich in Anspruch. Die Macht möge mit ihnen sein.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN – Heiterkeit bei den LINKEN und der SPD)

Herr Schiemann, Ihre einführenden Worte in allen Ehren, unser Beifall hat es Ihnen gezeigt. Nur diese wirklich europapolitische Botschaft vermisse ich in dem Antrag sehr.

(Marko Schiemann, CDU: Danke, Frau Lehrerin!)

Richtig ist, sich für eine adäquate Anschlussfinanzierung für die Phasing-out-Regionen einzusetzen.

(Marko Schiemann, CDU: Für Leipzig!)

Nicht nur für Leipzig, sondern für alle betroffenen Regionen.

(Torsten Herbst, FDP: In der Welt!)

Alles andere ist purer Lokalpatriotismus und nicht europafähig. Das sage ich Ihnen als Leipzigerin.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Zudem rächt sich, dass immer noch das BIP als einziges Kriterium herangezogen wird, um den Entwicklungsstand einer Region zu beschreiben, und das vor allem durch das Votum von Christdemokraten und Liberalen, sei es im Land, sei es im Bund oder auf europäischer Ebene. Gäbe es weitere belastbare Kriterien, dann hätten wir das Problem nicht.

(Marko Schiemann, CDU: Nein, nein!)

Wesentlich wichtiger als das liebe Geld sind aber die Inhalte. Da haben Sie eine lange Liste vorgelegt, wo Sie meinen, Einfluss nehmen zu wollen. Ich finde es dagegen gut und richtig, dass die Kommission Bedingungen für den Mitteleinsatz definiert, gerade weil es in Europa sowohl im Klimaschutz, in der Forschung, beim Ressourcenverbrauch als auch in der Bildung erhebliche Handlungsbedarfe gibt, um nur einige der Prioritäten zu nennen.

Das Ziel, bis zum Jahr 2020 20 % weniger CO2 im Vergleich zum Jahr 1990 zu emittieren, wurde von allen Mitgliedsstaaten beschlossen. Sie aber wehren sich gegen die Quote für den Klimaschutz. Glauben Sie denn, die Emissionen sinken von allein? 2011 war das Jahr des höchsten Ressourcenverbrauchs und der höchsten Emissionen. Das Eis an den Polkappen schmilzt schneller als befürchtet. Die klimabedingten Wetterextreme nehmen zu. Ohne ein entschiedenes Umsteuern werden die Probleme lediglich vertagt oder verschlimmert.

(Marko Schiemann, CDU: Ich habe das nicht bestritten!)

Ich bin mir sicher, eines Tages fragen uns unsere Enkel, warum wir mit den Millionen aus den Strukturfonds immer wieder neue Straßen gebaut haben, anstatt dem Klimawandel zu begegnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Sie plädieren für mehr Gestaltungsspielraum. Für mich heißt das im Klartext, Sie sind für eine unkonditionierte Aufstockung des Landeshaushaltes. Ich hoffe, dass die EU-Institutionen dieses Spiel nicht mitmachen.

Unsicher bin ich, wie die Antragsteller die Rolle der Wirtschaftslobbyisten ausfüllen. Sie befürchten, dass zu viel Geld im ESF verplempert wird. In Bildung zu investieren, ist jedoch Investition in die Zukunft, in die Zukunft von Menschen und von Unternehmen. Beiden gereicht es zum Vorteil, nicht mit Bildungslücken, sondern leistungsfähig eine Lehre aufzunehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Ihr Traum ist, Brüssel möge dem Freistaat einen bedingungslosen Scheck überreichen. Ausgerechnet jene Parteien, die sich als Sachverwalter der Leistungsgesellschaft verstehen, haben für Leistungskriterien nichts übrig.

(Zuruf von der CDU: Doch!)

Zielvorgaben sind des Teufels, Konditionen übel, Sanktionen inakzeptabel, Leistungsreserven – nein, danke. Die Einhaltung von Konditionen kann man von den Griechen erwarten, aber doch nicht von den stolzen, selbstbestimmten Sachsen.

Ihr Antrag ist nicht nur im Politikstil von gestern, er hat sich auch historisch überholt. Das hat Herr Jurk schon sehr detailliert ausgeführt. Die Phase der heißen Einflussnahme auf die Verordnungsentwürfe von der Länderebene über den Bundesrat ist vorbei. Daher vergebe ich das Prädikat „formal zu spät und zudem weder europa- noch enkeltauglich“. Daher müssen wir leider den Antrag ablehnen.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Ich möchte noch ein letztes Wort zu dem immer wieder bemühten notwendigen und richtigen Bürokratieabbau verlieren. Dazu habe ich eine klare Botschaft: Fassen Sie sich an die eigene Nase, beginnen Sie im eigenen Haus!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir beschließen die erste Runde der allgemeinen Aussprache mit der NPD-Fraktion. Herr Delle, Sie haben das Wort.

Danke. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute scheinen wir einen politisch denkwürdigen Tag zu erleben. Seit Jahren kritisiert die NPD-Fraktion hier im Hause die Europäische Union als einen Umfinanzierungs- und Fremdbestimmungsmechanismus zulasten deutscher und natürlich auch sächsischer Interessen. Genauso lange wird dies von allen anderen Fraktionen bestritten. Heute jedoch dürfen wir erleben, dass ausgerechnet die Koalitionsfraktionen höchstselbst einen Antrag einbringen, der seitenweise konkrete Beispiele anführt, die unsere Kritik untermauern. Dieser Antrag wird heute sogar zur Diskussion gestellt, obwohl die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme überdeutlich bemüht ist, den weitestgehenden Konsens mit den Antragstellern sowie ihr in diesem Sinne Tätigwerden darzustellen. Das soll nicht weiter wundern, weiß doch mittlerweile jeder, der seine Sinne beisammen hat, dass jenseits jeglicher Gewaltenteilungslogik die Anträge der Koalitionsfraktionen in den Ministerien zumindest vorformuliert werden, um es einmal vorsichtig auszudrücken.

Weshalb aber dieses politische Schaulaufen, meine Damen und Herren von CDU und FDP? Hätte man sich diese Debatte nicht ersparen können? Ihr Vorgehen lässt ganz klar vermuten, dass Sie mit den schmerzhaften Entscheidungen aus Brüssel bereits fest rechnen, aber zumindest nach außen hin Ihre Hände in Unschuld waschen möchten.

Vielleicht erläutert die Staatsregierung heute, welche Aussichten sie ihrer Ankündigungsrhetorik beimisst oder welche ihrer früheren Interventionen auf europäischer Ebene sich überhaupt einmal durchsetzen konnten.

Wem, meine Damen und Herren, wollen Sie im Lande ernsthaft weismachen, dass der Freistaat in Sachen Fördergeld angesichts der zunehmenden Euro- und Finanzkrise als – ganz salopp gesagt – ein Sechzehntel eines Siebenundzwanzigstels überhaupt entsprechendes Gewicht besäße? Mit „Wasch mir den Pelz, aber mach‘ mich dabei nicht nass“ ist, denke ich, die Stellung der Staatsregierung ganz gut umschrieben.