Protocol of the Session on May 9, 2012

Die Umsetzung des Partnerschaftsprinzips ist zu verbessern.

Meines Erachtens darf Kohäsionspolitik nicht zentralisiert werden. Dies wird auch in der Stellungnahme der Länder zu den Kommissionsentwürfen abgelehnt. Das bisherige System der operationellen Programme mit regionaler Fokussierung muss nicht nur beibehalten, sondern verbessert werden. Regionale Akteure müssen im Vorfeld der Programmerstellung aktiviert werden und nicht erst im Nachhinein. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Programme tatsächlich praktisch umsetzbar sind und den Anforderungen derjenigen, die mit der Umsetzung beauftragt werden, genügen.

Die Einbeziehung der Wirtschafts- und Sozialpartner und vieler anderer ist natürlich angesagt und dieses Partnerschaftsprinzip rechtsverbindlich festzuschreiben sicherlich auch. Es würde auch nichts dagegen sprechen, den Sächsischen Landtag in diese Ausgestaltung einzubeziehen. Der Verwaltungsaufwand ist zu senken, insbesondere durch den Einsatz von Globalzuschüssen und die Anerkennung von Pauschalfinanzierungen.

Zu den Punkten 1 und 2. Auch hier ist die Fokussierung auf die Europastrategie ziemlich kritisch. So ist durch eine Verengung der Fördertatbestände eine fehlende Verpflichtung auf die Beschaffenheit beispielweise der geförderten Beschäftigungsprogramme zu konstatieren. Es sollte eher allgemein gelten, dass keine Leiharbeit und

ausschließlich sozialversicherungspflichtige und mit

Mindestentgelten bezahlte Beschäftigung gefördert wird. Ebenso wichtig ist es für uns, dass zukünftig noch stärker als bisher Projekte der Chancengleichheit und NichtDiskriminierung von Menschen mit Behinderung im Fokus stehen. Das könnte man erreichen, wenn das Querschnittsziel in den auszugestaltenden Förderrichtlinien nicht nur als allgemeine Klausel, sondern möglicherweise in Form konkreter Aussagen zum Fördergegenstand und den Auswahlkriterien auf der Vorhabensebene verankert werden.

Zu drittens des Punktes 1 d). Trotz der immer stärker werdenden Bedeutung der Städte als Brennpunkte gesellschaftlicher Entwicklungen und Erfüller wichtiger Aufgaben in der Sicherstellung in der Daseinsvorsorge – ich kann das Problem Leipzig durchaus verstehen – darf der ländliche Raum nicht abgehängt werden. Stadt und Land sind nicht gegeneinander auszuspielen. Nur so kann Strukturdefiziten, Abwanderungstrends sowie Überalterung in vielen ländlichen Gegenden begegnet werden.

Eine möglichst enge Abstimmung zwischen den Europäischen Strukturfonds und dem ELER ist daher dringend notwendig. Problematisch ist zur Erreichung des Ziels der Entwicklung des ländlichen Raumes die aktuell in die ILE-Richtlinie implementierte Sanierung von Schulen und Turnhallen sowie der Straßenbau.

(Christian Piwarz, CDU: Mensch, es ist schon halb elf!)

Wir wissen natürlich, dass eine gute Infrastruktur maßgeblich für die Entwicklung einer Region und auch für die Entscheidung, im ländlichen Raum zu leben, ist, doch dürfen die Programme, die neben der Sanierung von Schulen noch für viele weitere Zwecke gedacht waren – zum Beispiel für die Entwicklung von Dorfkernen – nicht mehr zu reinen Investitionsprogrammen verkommen. Auch widerspricht die Ausgestaltung der ILE-Richtlinie den aktuellen Bevölkerungstrends im Freistaat Sachsen. Während vor allem die kleinen Kommunen den Eigenanteil aufgrund der hohen Anforderungen an die energetische Sanierung nicht mehr stemmen können, bräuchte beispielsweise Dresden eher diese Gelder, was natürlich nach den ILE-Richtlinien nicht geht.

(Unruhe im Saal)

Viertens. Auch DIE LINKE unterstützt die Stärkung der grenzübergreifenden transnationalen und internationalen Zusammenarbeit, vor allem entlang der ehemaligen EUAußengrenze, für diese transnationale Kooperation zum Zusammenwachsen. Das stärkt den Regionengedanken. Auch hierfür gibt es in Sachsen bereits gute Beispiele. Ein Anfang ist also gemacht, doch darf man sich auf den Lorbeeren nicht ausruhen. Gerade der Gedanke der Zweisprachigkeit in den Regionen, der insbesondere in Sachsen durch die Sorben große Bedeutung hat, muss noch weiter gestärkt werden.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen aus den Fraktionen vor. Wünscht dennoch jemand von den Fraktionen, die noch Redezeit übrig haben, das Wort?

(Stefan Brangs, SPD: Wir wollen noch einen Kollegen aus der CDU hören! – Christian Piwarz, CDU: Wie viel Redezeit haben wir noch?)

Sie haben noch gut Zeit.

(Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie können noch eine Dreiviertelstunde reden.

(Allgemeine Heiterkeit)

Meine Damen und Herren! Ich frage die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Herr Staatsminister Dr. Martens, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn es einen reizt, zu so später Stunde die Rede zu Protokoll zu geben, verzichte ich darauf.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Heute ist der 9. Mai und – das ist gesagt worden – es ist Europatag.

(Zurufe von der NPD)

Von der rechten Seite wird schon wieder geheult. Den Europatag können Sie nicht ertragen, nicht wahr?

(Jürgen Gansel, NPD: Wo sind die Fanfarenklänge?)

Der Gedanke von Jean Monnet und Robert Schumann, Europa strukturell nicht angriffsfähig zu machen und in einem geeinten, friedlichen Europa zu leben, ist Ihren geistigen Vätern und, wie man hört, auch Ihnen zutiefst zuwider.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Arne Schimmer, NPD)

Dementsprechend wird dann auch die europäische Einigung von Ihnen hier wörtlich als EU-Fremdbestimmungskonstrukt bis heute diffamiert.

(Jürgen Gansel, NPD: Ist es ja auch!)

Ich stelle fest, dass Sie geistig noch nicht einmal am 9. Mai 1950 angekommen sind. Sie laborieren allenfalls immer noch daran herum, ob es den 8. Mai 1945 überhaupt gegeben hat.

(Heiterkeit bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Für eine vernünftige Auseinandersetzung mit europäischen Themen fehlt Ihnen nach wie vor jegliche Voraussetzung.

Meine Damen und Herren! Zum vorliegenden Antrag. Dieser Antrag befasst sich mit der Vorbereitung der neuen

Förderperiode und gibt in erster Linie Vorschläge aus den Verordnungsentwürfen wieder, wie sie durch die Staatsregierung im Zuge der Erstellung der Programme für die Jahre 2014 bis 2020 ohnehin einzuhalten sind. Das ist nichts Neues. Aber kommen wir einmal zu den einzelnen Punkten des Antrages, zur Beteiligung des Landtages.

Diese Staatsregierung wird den Landtag frühzeitig und umfassend über die Erarbeitung der operationellen Programme informieren. Aber wie der Kollege Jurk zu Recht festgestellt hat, werden diese Programme von der Staatsregierung programmiert und nicht vom Landtag. Der Landtag wird unterrichtet, aber Voraussetzung ist natürlich, dass das Meinungsbild in der Staatsregierung hierzu abgeschlossen ist und einen gesicherten Stand aufweist. Zu solchen Selbstverständlichkeiten bedarf es auch keiner gesonderten Aufforderung durch diesen Antrag. Die Staatsregierung plant darüber hinaus auch Informationsveranstaltungen für die Mitglieder des Landtages. Wir werden die Positionen und Anregungen der Wirtschafts- und Sozialpartner in die Programmerstellung einfließen lassen und transparent machen.

Zum Thema der Partnerschaftsvereinbarung. Die Aussagen zum integrierten Ansatz der territorialen Entwicklung sieht der Kommissionsvorschlag bereits als einen Mindestinhalt der Partnerschaftsvereinbarung vor. Sachsen wird sich diese Option natürlich offenhalten. Die Staatsregierung setzt sich dafür ein, dass im Rahmen der Festlegung in der Partnerschaftsvereinbarung ein möglichst weiter Spielraum für die Gestaltung der Programme bleibt. Wir wollen diese Mittel nach besten Möglichkeiten im Interesse des Freistaates Sachsen flexibel einsetzen, meine Damen und Herren. Erste Gespräche mit dem Bund haben hierzu bereits stattgefunden.

Zum Partnerschaftsprinzip. Dieses Prinzip wird allein schon dadurch umgesetzt, dass die sächsischen Verwaltungsbehörden die Wirtschafts- und Sozialpartner frühzeitig bei der Erstellung der Partnerschaftsvereinbarung und dann der operationellen Programme beteiligen. So fand schon im Sommer 2011 eine Auftaktveranstaltung von EFRE und ESF statt, und seit Ende letzten Jahres finden Gespräche und Workshops mit den Sozial- und Wirtschaftspartnern zu den Entwicklungen und Vorgaben der Kommission und zur Programmierung der operationellen Programme statt.

Meine Damen und Herren! Die Resonanz auf diese Beteiligung ist positiv. Im ELER wurde mit den Wirtschats- und Sozialpartnern auch ein Modus für die Veröffentlichung ihrer Position vereinbart.

So viel zu den operationellen Programmen. Sofern sich der Antrag auf die Ausrichtung der OPs im Zeitraum bis 2020 bezieht, wiederholt er im Wesentlichen die Voraussetzungen der Kommission in der vorgeschlagenen Verordnung, wenn es etwa darum geht, die Fonds und die operationellen Programme an den Zielen der Strategie Europa 2020 auszurichten. Einer Aufforderung an die Staatsregierung, sich dabei an geltendes europäisches

Recht zu halten, bedarf es nun wirklich nicht, Frau Kallenbach.

Allerdings wird es entgegen der Annahme der Kommission – das räumen wir ein, und hier sind wir am Arbeiten – zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand bei der Programmierung und Umsetzung der Programme kommen, etwa durch die zu erfüllenden Konditionalitäten oder durch die Anwendung eines jährlichen Rechnungsabschlussverfahrens. Sachsen wird mit seinen Möglichkeiten dazu beitragen, dass es hier zu einer Reduzierung des Verwaltungsaufwandes kommt, etwa durch Festbetragsfinanzierung im Rahmen des Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum oder für geeignete Möglichkeiten zur Pauschalerstattung von Verwaltungs- und Projektkosten.

Meine Damen und Herren! Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie von den Antragstellern in einigen Punkten über den Verordnungsvorschlag weit hinausgehen wollen, indem Sie für den Klima- und Umweltschutz 20 % der Mittel oder nicht nur 5 %, sondern mindestens 10 % der Mittel für die integrierte Stadtentwicklung ausgeben wollen. Liebe Frau Kallenbach, haben Sie sich überhaupt einmal ausgerechnet, wie viel Fördermittel angesichts der weiteren starren Quoten im Verhältnis EFRE und ESF im Verordnungsvorschlag dann überhaupt noch für irgendwelche anderen Förderziele verfügbar sind? So gut wie nichts mehr. Aber darauf legen Sie es ja an. Sie möchten das gesamte EU-Fördermittelgeld offensichtlich für den Klimaschutz verwenden. Frau Kallenbach, ich sage Ihnen für diese Staatsregierung, dass dies nicht so sein wird. Es gibt genügend andere und durchaus lohnende Ziele, die wir mit Mitteln der Europäischen Union verfolgen sollen und die auch die Staatsregierung mit diesen Mitteln verfolgen wird. Wir werden ein ausgewogenes Gesamtkonzept der Förderung einsetzen und nicht einfach irgendwelche Hobbys oder Lieblingsspielwiesen damit bedienen, meine Damen und Herren.

Die Fortführung kooperativer Ansätze in Form von LEADER oder die Förderangebote für den ökologischen Landbau sind vorhanden. Sie finden sich im Programm für die Entwicklung des ländlichen Raumes. Mit Blick auf die Förderung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit prüfen wir derzeit, welche Möglichkeiten zur Förderung von kleinen Projekten die Entwürfe der neuen Strukturfondsverordnung eröffnen. Sofern die Möglichkeit besteht und sich die Programmpartner auf eine Fortführung der Kleinprojektförderung verständigen, sollen diese Möglichkeiten zur weiteren Reduzierung des Aufwandes auch beim Projektträger genutzt werden.

Mit der Stimme Sachsens hat der Bundesrat die wichtige Rolle des ESF hervorgehoben, die diesem im Rahmen der europäischen Kohäsionspolitik und der Strategie 2020 zukommen soll. Die Förderung der sozialen Integration und Bekämpfung der Armut werden in der Förderperiode 2014 bis 2020 auch in Sachsen einen Schwerpunkt abgeben. Dabei geht es darum, Arbeitsfähigen die Eingliederung und in eine nachhaltige hochwertige Beschäf

tigung zu erleichtern, meine Damen und Herren. Dabei werden wir mit Blick auf die Herausforderung des demografischen Wandels auch bemüht sein, innovative Ansätze in die Programme hineinzubekommen.

Wenn Sie in Punkt 2 des Antrages beantragen, die Staatsregierung möge sich dafür einsetzen, dass Deutschland 1,11 % des Bruttonationalprodukts für den Mehrjahreshaushalt 2014 bis 2020 bereitstellt, dann möchte ich dem ausdrücklich widersprechen. Zunächst einmal gehe ich davon aus, dass Sie nicht das Bruttonationalprodukt meinen, wie im Antrag steht, sondern als Bemessungsgrundlage das Bruttonationaleinkommen heranziehen wollen. Die Staatsregierung hat den Vorschlag der Kommission zum mehrjährigen Finanzrahmen begrüßt, sofern sämtliche Ausgaben auch innerhalb dieses Rahmens befriedigt und gedeckt werden können, meine Damen und Herren. Aber eine 1,11-%-Festlegung werden wir nicht mittragen. Wir stehen zu den Verabredungen mit den anderen Bundesländern und der Bundesregierung, wonach die Bundesrepublik Deutschland eine Finanzierung in Höhe von 1 % des Bruttonationaleinkommens anstrebt.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Diese Förderung steht auch nicht im Widerspruch zu einer Förderung der Übergangsregion unter Einbeziehung in ein Sicherheitsnetz. Die Staatsregierung setzt sich dafür ein, dass auch die Region Leipzig in das Sicherheitsnetz von zwei Dritteln der bisherigen Mittelzuweisung einbezogen wird, was bisher bereits für die Regionen Chemnitz und Dresden gilt. Wir werden versuchen, dass auch dieses auf Leipzig Anwendung findet. Bei dieser Gelegenheit weiß ich auch, dass sich die Staatsregierung mit anderen Fraktionen, namentlich der SPD-Fraktion in diesem Haus, dabei im Ziel einig ist, dies zu erreichen. Eine Entscheidung, wie es letztlich mit den Förderungen weitergeht, wird voraussichtlich erst Ende des Jahres 2012 vorliegen. Erst dann können wir über die Förderung der Region Leipzig unter Berücksichtigung bestehender Landes- und Bundesprogramme und in Kenntnis der haushaltswirtschaftlichen Rahmenbedingungen befinden. Wir sollten deswegen auch den Versuch unterlassen, das Fell des Bären zu verteilen, bevor dieser erlegt ist.

Die Staatsregierung wird diesen Zielen folgen. Wir brauchen diese Aufforderung durch den Antrag nicht. Die übrigen Punkte sind zum Teil fehlformuliert, zum Teil wiederholen sie nur Selbstverständliches. Deswegen wird es Sie nicht enttäuschen, dass die Staatsregierung die Ablehnung dieses Antrages empfiehlt.

Vielen Dank.