Was erwarten Familien wirklich als Anerkennung für ihre Erziehungsleistungen? Da steht in jeder Umfrage an erster Stelle eine verlässliche Infrastruktur an guten und qualitativ hochwertigen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen. Das ist der Wunsch Nummer eins schon seit vielen Jahren. Da können Sie sich alle Umfragen ansehen. Die Betreuungsplätze sind nicht nur für Alleinerziehende und Familien mit niedrigem Einkommen die effektivste Armutsvorsorge, die Sie anbieten können. Die Zahlung von 150 Euro kann den Familien nicht die Notwendigkeit der Erwerbstätigkeit nehmen. Deshalb müssen die finanziellen Mittel, die jetzt für das Betreuungsgeld vorgesehen sind, für den Ausbau nicht nur der Anzahl der Plätze, sondern auch der Qualität der Angebote in den Kinderbetreuungseinrichtungen verwendet werden.
Zum Zweiten erwarten Familien Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, familienfreundlichere Arbeitszeiten, flexiblere Teilzeit und nicht zuletzt Perspektiven für die berufliche Weiterentwicklung trotz Familie. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Wichtig für die Anerkennung von Erziehungsleistungen ist auch die Verhinderung von Altersarmut, insbesondere durch die bessere Anerkennung von Erziehungsleistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Hier können Sie tatsächlich Anerkennung in finanzielle Leistungen ummünzen, die dann auch noch dazu beitragen, Altersarmut zu vermeiden. Diese Maßnahme jetzt an die Zustimmung zum Betreuungsgeld zu koppeln ist unredlich und stellt die Motivation für familienpolitische Maßnahmen insgesamt infrage.
Wir stimmen dem Antrag der LINKEN zu. Ich fordere Sie auf, dieses Vorhaben in Berlin zu stoppen und in den Ausbau und die Qualität der Kinderbetreuungsangebote zu investieren.
Frau Kollegin Neukirch sprach für die Fraktion der SPD. Als Nächstes spricht Frau Kollegin Schütz von der FDP.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie an den Antrag erinnern. Wir reden über ein Bundesbetreuungsgeld. Gegebenenfalls soll die Bundesregierung oder der Bundesrat aufgefordert werden, die Staatsregierung soll sich einsetzen für etwas, was wir noch gar nicht haben. Es ist sehr fraglich, wie wir hier in Sachsen vorauseilend entscheiden wollen.
Ich verrate Ihnen nichts Neues: Es handelt sich beim Betreuungsgeld um keine Herzensangelegenheit der FDP. Ich weiß im Augenblick gar nicht so richtig, worüber wir aktuell diskutieren,
bis sich auf Bundesebene CDU und CSU, Frau Merkel mit Frau von der Leyen, Herr Kauder mit Frau Schröder und Herr Seehofer und die „Junge Gruppe“ der CDU geeinigt haben.
Zumal wäre das Betreuungsgeld auch aus unserer Sicht ein falsches Signal, ein falsches Signal an die Mütter. Es hebelt nämlich deren Bemühungen aus, sich auch im Berufsleben geschätzt und wichtig zu fühlen und dorthin zügig zurückzukehren. Das ist auch ein wichtiger Anteil der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Ich darf Ihnen als Mutter auch sagen: Man freut sich dann wieder, sich mit Erwachsenen unterhalten zu können.
Weiter wäre das ein falsches Signal an die Unternehmen. Warum sollen Unternehmen Wiedereinstiegsprogramme auflegen und sich über flexible Arbeitszeitmodelle Gedanken machen, wenn Vater oder Mutter an die Elterngeldzeit zwei weitere Jahre anschließen, die sie nicht in den Beruf zurückkehren. Es ist nichts Fremdes und nichts Neues: Je länger eine Mutter vom Arbeitsplatz wegbleibt, umso unwahrscheinlicher wird es, dass sie zurückkehrt und die Möglichkeiten des Aufstiegs nutzen kann. Für Personalverantwortliche in Unternehmen ist die Planbarkeit damit natürlich eingeschränkt.
Drittens ist es auch ein falsches Signal für die Kinder. Es wurde schon häufig angesprochen, dass das Einrichten in Hartz-IV nicht fern ist, wie man es in vielen Gesprächen hört. Da wird dann jede Aufstockung gern genommen. Damit wird der positive Einfluss von Bildungseinrichtungen, zu denen auch unsere Krippen gehören, fast ad absurdum geführt. Hier sollte man deutlich machen, dass wir genau für diejenigen Betreuungsplätze schaffen wollen, die in unserer Gesellschaft Bildungschancen brauchen.
Die Große Koalition war es, die Ende 2008 im Kinderförderungsgesetz aufgenommen hat, mehr Betreuungsplätze
für unter Dreijährige zu schaffen und ab 2013 Eltern, die ihre Kinder nicht betreuen lassen, monatlich eine Zahlung zukommen zu lassen. Deshalb verstehe ich die Aufgeregtheit der SPD an der Stelle wenig, geht es doch um etwas, das sie selbst mit ins Gesetz geschrieben hat.
Die FDP wird sich auf Bundesebene an die Zusagen halten. Wir werden das Betreuungsgeld mittragen, denn natürlich sind wir vertragstreu. Aber das darf auch keine Einbahnstraße werden. Wir haben auch als Sachsen-FDP klargemacht, dass wir mit der Zustimmung zum Betreuungsgeld auch unsere Koalitionspartner auf Bundesebene an ihre Treue zum Koalitionsvertrag erinnern und dass auch bisher nicht Angepacktes angepackt werden muss.
Ich nenne nur die Entlastung der berufstätigen Mitte – Stichwort: „kalte Progression“ – und die Vereinfachung des Steuersystems.
Noch einmal zu den LINKEN und zur SPD – auch von Frau Neukirch habe ich gerade eine entsprechende Bemerkung gehört –: Der Rechtsanspruch steht außer Frage.
Ihre Forderung, das Geld des Bundeshaushalts, das gegebenenfalls nicht für das Betreuungsgeld ausgegeben wird, sofort mit vollen Händen in andere Töpfe zu schmeißen, ist typisch für Sie von links. Anstatt zu schauen, wie wir Gelder tatsächlich einsparen können, wird schon wieder ein neues Verteilungsprogramm aufgelegt. Die für eine familienpolitische Leistung, die eventuell kommen soll, vorgesehenen Mittel wollen Sie gleich auf andere Töpfe verteilen. Das wird nicht der Weg der FDP sein.
Die positive Entwicklung der Betreuungsquote bei den unter Dreijährigen in Sachsen wird auch daran deutlich, dass sie seit 2006 um ein Drittel auf fast 45 % angestiegen ist. Es ist richtig, dass wir hier in Dresden den Rechtsanspruch auf Krippenplätze heute noch nicht sichern können. Ich kann Ihnen aber sagen, dass das in vielen anderen Regionen Sachsens sehr wohl möglich ist. Die Gemeinden und die Landkreise haben insoweit ihre Hausaufgaben gemacht, wenn auch mit Unterstützung der Staatsregierung, das heißt mit Landesförderung. Wir liegen hinsichtlich der Betreuung der unter Dreijährigen um rund 25 % höher als der Durchschnitt. Ich denke, das ist sehr lobenswert.
Die frühkindliche Bildung hat bei uns bereits heute Priorität. Im aktuellen Doppelhaushalt stehen wir trotz der insgesamt großen Einsparnotwendigkeiten zur Landespauschale im Bereich der Kitabetreuung. Wir freuen uns über jedes einzelne Kind in Sachsen. Mit der entsprechenden Förderung – Landespauschale für Kindertageseinrichtungen – unterstützen wir die Gemeinden und letzten Endes auch die Eltern. Dafür haben wir immerhin rund 50 Millionen Euro mehr aufgewandt als noch im Jahr 2009.
Ich komme auf die landespolitischen Aspekte zurück. Die Weichen für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Sachsen sind gestellt. Bereits heute sind fast 70 % der Frauen erwerbstätig. Damit ist Sachsen unter den drei führenden Bundesländern. Darauf können und wollen wir uns nicht ausruhen; das weiß ich von vielen Frauen, die ihre Chance im Beruf haben wollen. Aber bei allen Bemühungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist Augenmaß angezeigt. Wir werden jedenfalls alle Unterstützungsmöglichkeiten für die Sicherstellung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz nutzen.
Dem Antrag der LINKEN im Sächsischen Landtag werden wir, wie ich eingangs schon dargelegt habe, nicht zustimmen. Er hat weder eine Grundlage auf Bundesebene, noch erfüllt er die eigentlichen Intentionen. Im Bereich frühkindlicher Bildung ist Sachsen bereits spitze. Und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf stehen wir.
Frau Kollegin Schütz war das für die Fraktion der FDP. Jetzt spricht für die Fraktion GRÜNE Frau Kollegin Giegengack.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Krauß, Sie haben den Eindruck erwecken wollen, die CDU stehe für ein Sowohl-als-auch. Ich kann das nicht erkennen. Mit großer Aufmerksamkeit habe ich das Interview von Herrn Flath in der „Freien Presse“ vom 4. Mai gelesen.
Es wurden Fragen zum Betreuungsgeld gestellt. Neben vielen weiteren Ausführungen hat Herr Flath wörtlich gesagt: „Dass Unternehmen qualifizierte Frauen schnell in das Berufsleben zurückholen wollen, liegt nahe. Ich kann auch das Interesse der Frauen an einer nicht allzu langen Unterbrechung des Arbeitslebens verstehen.“ Jetzt kommt es: „Aber gibt es nicht auch noch ein Interesse des Kindes?“
Nun, von den Kindern unter drei Jahren in Sachsen besuchen fast 38 % eine Kita, mehr als 5 % eine Kindertagespflege. Von den Zweijährigen sind bereits mehr als 75 % in einer Kindertagesbetreuung – erheblich mehr als im Bundesdurchschnitt!
Auch wenn Herr Flath so etwas sagt, kann ich mir nicht vorstellen, dass er allen Ernstes der Meinung ist, dass drei Viertel aller Väter und Mütter von Kleinkindern in unserem Land die Interessen ihrer Kinder missachten und ihnen Geborgenheit und Zuwendung vorenthalten.
(Alexander Krauß, CDU: Das hat er auch nicht gesagt! Er hat gesagt, dass es Wahlfreiheit geben muss!)
(Alexander Krauß, CDU: Die Frage wird man ja wohl noch stellen dürfen! – Dr. Johannes Müller, NPD: Weil es hierbei keine Wahlfreiheit gibt!)
Ich finde, das ist ein ziemlich harter Vorwurf heutzutage, den ich auch ganz persönlich zurückweisen möchte. Ich lasse mir auch vom Fraktionsvorsitzenden der CDU nicht unterstellen, dass ich die Interessen meines Kindes missachtet habe, weil ich mein Kind mit einem Jahr –
Frau Kollegin, das müssen Sie mir überlassen. Wenn Sie mich noch mal so ansprechen, erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.
Wir würden jetzt gern weitermachen. Aber die Aufmerksamkeit in diesem Hohen Haus lässt wirklich mit vorgerückter Stunde nach.
Wir sollten unseren Rednern Gelegenheit geben, mit ihren Argumenten von hier vorn vernünftig durchzudringen.