Im Juli 2011 wurde das Förderprogramm „Intelligente Städte und Gemeinschaften“ veröffentlicht. Danach werden Maßnahmen gefördert, die hohen Energieverbrauch und CO2-Emissionen entgegenwirken, zum Beispiel bei der Erbringung von Nahverkehrsdienstleistungen. Ist das Programm nicht von grundsätzlicher Bedeutung, also irrelevant für Sachsen? Hoffentlich gibt es dazu wenigstens Anträge aus Sachsen.
In Ermangelung strategischer Gedanken beginnt der Bericht mit den Schlüsseltechnologien. Hier erhofft sich Sachsen überproportional zu profitieren – aber wie genau, das bleibt nebulös. Welche Empfehlungen die hochrangige Sachverständigengruppe erarbeitet, erfahren wir nicht. Es folgen die transeuropäischen Netze. Hier verspricht sich der Freistaat unter anderem Mittel für den Ausbau von Flug- und Binnenhäfen. Das hätte ich dann schon ganz gern einmal politisch diskutiert.
Weiter geht es mit „Horizon 2020“ und der neuen Periode der Kohäsionsfonds. Hier wird gern mit dem Zugang zu weiteren Fördermitteln argumentiert – nichts dagegen. Aber ist das die einzige Perspektive, die die Staatsregierung auf dieses wichtige Thema hat? Andere werden jedenfalls nicht deutlich, und das ist für meinen Geschmack zu dünn.
Inhaltlich und grundsätzlich relevant war in der Tat die Richtlinie zur Energieeffizienz – korrekt im Bericht platziert. Ein hochbrisantes Thema, denn der Richtlinienvorschlag verlangt von den Mitgliedsstaaten eine Sanierungsrate für öffentliche Gebäude von jährlich 3 % des nationalen Gebäudebestandes. Unter dem Aspekt Auswirkungen auf den Freistaat lesen wir: Die Umsetzung kann zu erheblichen Mehrkosten und praktischen Schwierigkeiten aufgrund der erheblichen denkmalgeschützten Bausubstanz in Sachsen führen.
Sehr geehrter Herr Minister, hier sehen Sie zu schwarz. Die Baudenkmale dienen immer dann gern als Vorwand, wenn man einen solchen gegen die energetische Gebäudesanierung braucht. Selbst konservative Europapolitiker bewerten das Verhandlungsergebnis optimistischer. Sie erwarten einen kräftigen Anschub für Wachstum und Beschäftigung. Es werden zwei Millionen zusätzliche Arbeitsplätze im Bausektor erwartet. Energieeffizienz ist zudem die beste und kostengünstigste Form des Klimaschutzes – was sich langsam herumspricht, auch in Sachsen.
Sachsen spekuliert auf die Anrechnung von bereits erbrachten Sanierungen. Damit wäre die Richtlinie verbessert worden. Ich frage: Wem nützt eine CO2-Reduktion, die nur rein rechnerisch existiert? Doch nur demjenigen, der am liebsten Schönwetterreden hält. Das haben wir gestern hinlänglich erlebt.
Die Staatsregierung zeigt sich andererseits gern als Vorreiter der energetischen Gebäudesanierung. Wie bescheiden sich allerdings die tatsächliche Sanierungsrate von 0,6 % im öffentlichen Gebäudebestand angesichts der geforderten 3 % ausmacht – ich denke, da müssen wir noch zulegen. Sachsen müsste die Anstrengungen verfünffachen, wenn es in die Kreisklasse der Sanierer aufrücken möchte.
Die Unausgewogenheit des Berichtes sei auch mit Blick auf die anstehende Buchmesse in Leipzig kritisch gewürdigt. Es reicht leider noch nicht ganz für die Aufnahme in die Jahresanthologie der Tippgemeinschaft. Es ist kein Werk aus einem Guss und damit wenig preisverdächtig.
Die einzelnen Textbausteine des Berichts stammen offenkundig von verschiedenen Autoren. Das fällt spätestens bei Punkt 7 – EU-Bildungsprogramm 2014 bis 2020
auf. Während die Autoren aus dem Wirtschaftsressort mit jedem Buchstaben geizen und mit wenigen Stichpunkten auskommen, geht es bei der Bildung ins Detail, bis hin zum Honorar für die zwei polnischen Sprachassistenten, die in sächsischen Kitas mitarbeiten.
Nun noch ein Wort zum Berichtszeitraum; dieses Thema möchte ich ansprechen, auch wenn es heute Abend schon mehrfach genannt worden ist. Seit dem 31. Oktober sind vier Monate vergangen. Damit ist jede Einflussnahme des Parlaments per se ausgeschlossen. Das sollten wir zukünftig nicht mehr akzeptieren.
Ein Blick nach vorn ist das sichere Instrument, um Einfluss nehmen zu können auf die Schwerpunkte und die Positionierung des Freistaates über den Bundesrat. Noch laufen wir den Dingen viel zu sehr hinterher, als dass wir sie gestalten.
Ich will Ihnen gern noch ein Beispiel geben: Die Landesregierung von NRW legt ihrem Landtag vor, welche europapolitischen Prioritäten sie auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der EU-Kommission für das kommende Jahr setzt. Dann werden diese diskutiert und beschlossen. Beispiele sind die soziale Dimension, die Entsenderichtlinie, das „Weißbuch Rente“, Maßnahmen zur Energiewende und das sogenannte Flughafenpaket. Eine solche Kooperation und eine gemeinsame Willensbildung anstelle rückblickender und zudem halbherziger, wenig tiefschürfender Informationen – das muss auch unser Ziel in Sachsen sein. Sonst bleibt unsere so hoch gelobte Subsidiaritätsvereinbarung nur Makulatur. Dem sollten wir etwas entgegenstellen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zwischen dem Landtag und der Staatsregierung im April 2011 geschlossene Subsidiaritätsvereinbarung hat nicht nur den Zweck, die Konsultation des Landtags im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnsystems zu regeln, sondern soll zugleich das Verfahren zur Unter
richtung und Unterstützung des gesamten Landtags in EU-Angelegenheiten festlegen. Dabei kommt dem vorgesehenen halbjährlichen Bericht besondere Bedeutung zu.
Heute diskutieren wir nun über den ersten Bericht. Ich will durchaus einräumen, dass ich hinsichtlich der Gliederung oder des Voranstellens strategischer Überlegungen durchaus noch Änderungsmöglichkeiten sehe. Wir haben der Übersichtlichkeit halber allerdings darauf verzichtet, sämtliche Unterlagen, die wir an anderer Stelle dem Ausschuss schon zur Verfügung gestellt hatten, noch einmal in den Bericht aufzunehmen.
Eine Anmerkung zum Zeitraum: Frau Kallenbach, der Bericht, über den wir heute, am 08.03.2012, diskutieren – Herr Jurk hat es schon angesprochen –, liegt nicht erst seit dem 07.03.2012 diesem Hause vor, sondern ist bereits am 17.01.2012 dem Landtag übermittelt worden. Für die Behandlungsdauer innerhalb des Landtages ist die Staatsregierung nicht verantwortlich.
Meine Damen und Herren! Der Bericht soll die Entwicklungen der Europapolitik darlegen, die – so heißt es in der Vereinbarung – „für den Freistaat Sachsen von grundsätzlicher Bedeutung sind oder Relevanz für die Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips haben bzw. gewinnen könnten“. Dabei sind, wie es heißt, „die möglichen Auswirkungen auf den Freistaat Sachsen und auf die Gesetzgebungszuständigkeit des Landtags“ darzustellen.
Wir haben im Rahmen dieses Systems nicht nur die im Bericht aufgeführten Dossiers oder Vorhaben dem Landtag übermittelt, sondern auf einem gesonderten Laufwerk, wie es vereinbart ist, sämtliche Dokumente eingestellt, die wir über den Bundesrat im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnsystems erhalten haben. Ich bitte um Nachsicht dafür, dass wir eine mit Gründen versehene Stellungnahme nur dann abgeben, wenn der Vorgang nach Einschätzung der Staatsregierung auch kriterienrelevant ist, das heißt, besondere Bedeutung für den Freistaat und seine Gesetzgebung hat.
Wir haben uns im Bericht auf die elf wichtigsten europapolitischen Entwicklungen konzentriert. Dazu gehören der Mehrjährige Finanzrahmen und die Ausgestaltung der EU-Kohäsionspolitik im Zeitraum von 2011 bis 2014, die Förderung der Schlüsseltechnologien im Freistaat Sachsen, die Umsetzung des Rahmenprogramms für Forschung, Entwicklung und Innovation „Horizon 2020“, die Leitlinien für das Transeuropäische Netz, die Reformvorschläge für die gemeinsame Agrarpolitik, die Änderungen im Grenzkodex bei vorläufiger Wiedereinführung von Grenzkontrollen, die Kommissionsvorschläge zum EUVertragsrecht, die Richtlinie zur Gebäudeeffizienz, das EU-Bildungsprogramm 2014 bis 2020, die Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männer 2011 bis 2015 und der Vorschlag für eine Verordnung zur Lebensmittelkennzeichnung.
Sie sehen daran, mit welcher Themenvielfalt wir uns beschäftigt haben. Die Dokumente reichen wir an den Landtag weiter.
Meine Damen und Herren! Der Bericht analysiert die möglichen Auswirkungen auf den Freistaat Sachsen und auf die Gesetzgebungszuständigkeit des Landtags. Ich bitte noch einmal um Verständnis dafür, dass wir nicht sämtliche Vorgänge, Vorhaben, Richtlinienplanungen oder sonstige Überlegungen der Kommission im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnsystems dem Landtag mitteilen oder dass wir diese mit Gründen versehen und dann noch einer Bewertung zuführen. Wir können das – auch aus personellen Gründen – nur dann machen, wenn sie Auswirkungen auf den Freistaat haben.
Die Vorhaben, die uns hier vorgetragen werden, haben regelmäßig keine bzw. keine unmittelbare Auswirkung auf die Gesetzgebungszuständigkeit des Landtags. Insofern ist der Bericht – Herr Kosel hat es angesprochen – tatsächlich thematisch eng gefasst; denn es geht hier um die Zuständigkeit des Landtages als Gesetzgeber. Entwicklungen anderer Art hatten durchaus Relevanz hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips; aber dann handelte es sich um Kompetenzen des Bundesgesetzgebers, die möglicherweise berührt waren. Hier gilt es also genau zu differenzieren.
Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung hat zur Verordnung zur Änderung des Grenzkodexes zusammen mit Bayern im Bundesrat eine Subsidiaritätsrüge zur Abstimmung gestellt, obwohl das nur eine Bundesangelegenheit ist. Die Verordnung sieht die Verlagerung der Zuständigkeit über die Einführung von Grenzkontrollen von den Mitgliedsstaaten auf die Kommission vor. Aus sächsischer Sicht ist die Entscheidung auf EU-Ebene nicht besser angesiedelt als auf der Ebene der Mitgliedsstaaten. Im Gegenteil, nur die Mitgliedsstaaten haben die fachliche Kompetenz, über die Wiedereinführung temporärer Grenzkontrollen zu entscheiden. Das haben wir im Bundesrat geltend gemacht. Allerdings hat der entsprechende Antrag Sachsens und Bayerns nicht die notwendige Mehrheit erhalten.
Ich kann hier nicht auf alle Einzelheiten des Berichts eingehen. Es ist schon angesprochen worden, welche strategischen Grundlinien die Staatsregierung verfolgt. Auch hier verweise ich auf das, was wir bereits mehrfach dargestellt haben, etwa in der Antwort auf die Große Anfrage der GRÜNEN zu den strategischen Leitlinien. Neben der Kohäsionspolitik und den Voraussetzungen der Fördermittelvergabe sind dies die Schlüsseltechnologien, die Verkehrsachsen und die Gemeinsame Agrarpolitik. Diese Strukturprinzipien ändern sich nicht alle sechs Wochen oder alle sechs Monate. Das sind die wesentlichen Grundlinien, die die Staatsregierung im Hinblick auf die Europapolitik von Sachsen aus sieht und verfolgt.
Wir haben sie dargestellt und ich halte es für vertretbar, wenn wir sie einmal darstellen und nicht alle sechs Monate wiederholen, meine Damen und Herren. Wir werden den Bericht für den Zeitraum von Oktober 2011 bis April 2012 in nächster Zeit vorbereiten und sicherlich noch an der einen oder anderen Stelle inhaltlich ergänzen.
An dieser Stelle möchte ich mich bei den Mitgliedern des Landtages bedanken, die sich an den Diskussionen im Ausschuss und auch sonst zu Fragen der Europäischen Union beteiligt haben, und freue mich insofern auch auf eine weitere, möglichst bessere und engere Zusammenarbeit.
Für die Staatsregierung sprach Herr Staatsminister Martens. Wünscht die Berichterstatterin des Ausschusses noch einmal das Wort? – Nein. – Meine Damen und Herren! Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Drucksache 5/8377 ab. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses in der von mir angesprochenen Drucksache zugestimmt.
Meine Damen und Herren! Zu Drucksache 5/7986 liegt uns ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/8550 vor. Das war die Unterrichtung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa. Wollen Sie dazu nochmals das Wort ergreifen, Frau Kollegin Kallenbach? – Ja.
Danke, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie jetzt zu dieser späten Stunde nicht noch lange aufhalten.
Daher wird die Einbringung sehr kurz sein. Ich bedanke mich für Ihren Beifall und Ihre Zustimmung. Wenn Sie dem Antrag dann auch noch zustimmen, bin ich ganz zufrieden. Also: Dieser vorliegende Entschließungsantrag ist die logische Schlussfolgerung aus unserer Bewertung des vorliegenden Berichtes. Er soll der inhaltlichen Qualifizierung dienen, wobei – ich möchte es noch einmal betonen – ich durchaus anerkenne, dass wir Neuland betreten haben; aber im Innovationsland Sachsen sollte fortschrittliche, aktive und inhaltsreiche Europapolitik selbstverständlich dazugehören.
Da auch die Koalition und selbst der Minister durchaus Verbesserungsbedarf erkannt haben, bitte ich Sie sehr herzlich, diesem Antrag zuzustimmen und in der Folge einen weiteren Schritt zu einer verbesserten und innovativen Europapolitik in diesem Hause zu gehen.