Sie verstecken sich jetzt hinter der Ausrede mit der NPD – völlig klar. Okay. Aber: Was hat Sie in den Monaten zuvor gehindert? Was hat Sie in den Monaten zuvor gehindert, eben keinen Untersuchungsausschuss mit einzusetzen, dafür aber eine Untersuchungskommission, bzw. mit den anderen Gremien zusammenzuarbeiten oder wenigstens Aussagegenehmigungen zu erteilen?
Wir hatten einmal eine drollige Innenausschusssitzung, in der der Innenminister sagte: Es wird keinen schriftlichen Bericht geben, aber natürlich sitzen in unseren Behörden Personen daran, Fehler zu analysieren, und wir werden eine Liste selbstkritischer Fragen vorlegen.
Wir haben bis heute keine Liste selbstkritischer Fragen, geschweige denn Antworten auf solche selbstkritischen Fragen.
Was hindert Sie daran? Ich verstehe Ihre Motivlage nicht. Bitte erklären Sie uns in Ihrem Redebeitrag, was Ihr
Ich weiß, dass das Ergebnis verheerend ist. Das Ergebnis ist, dass Sachsen um vier Monate hinterherhinkt. Das Ergebnis ist, dass aus Sachsen überhaupt keine Aufklärung und Analyse kommen kann, was in Sachsen passiert ist, was Behörden in Sachsen getan haben, was gelungen ist, was misslungen ist. Aus Sachsen kommt hierzu kein Beitrag.
Das ist umso fataler, weil der Innenminister sich immer auf die Bund-Länder-Kommission beruft, die eingesetzt worden ist und die ganz klar gesagt hat: Grundlage unserer Arbeit werden die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses in Thüringen und die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses im Bund sein. Aus Sachsen gibt es gar nichts, was die Bund-Länder-Kommission bearbeiten kann.
Dass es aus Sachsen nichts gibt, das ist – denke ich – wirklich eine Schande gegenüber den Angehörigen der Opfer, eine Schande gegenüber all denen, die nach dem Bekanntwerden mit Angst in diesem Land leben. Es gibt viele Menschen, die mit Angst in diesem Land leben. Wir sorgen nicht dafür, dass sie Vertrauen haben können, weil sie nicht das Gefühl haben, hier versucht jemand, die Dinge besser zu machen als bisher. Es ist eine grobe Missachtung gegenüber all den Gremien, die Aufklärung betreiben, eine Missachtung gegenüber dem Thüringer Landtag, eine Missachtung – ich spreche nicht von der Missachtung gegenüber dem Sächsischen Landtag, das ist normales Regierungshandeln, das erleben wir hier immer – gegenüber den Thüringer Gremien, eine Missachtung gegenüber dem Bundestag, eine Missachtung gegenüber dem Bundesinnenminister und seiner Kommission.
Was hier vonseiten der Koalitionsfraktionen passiert, ist mir nicht erklärlich. Ich bitte Sie darum, Ihr Verhalten zu erklären. Ich bitte Sie darum, uns und der Öffentlichkeit deutlich zu machen, warum das Papier, auf dem der gemeinsame Entschließungsantrag steht, nichts wert ist, warum Ihre Worte nichts wert sind, warum Sie all dem, was Sie versprechen, keine Taten folgen lassen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von Sachsen wird heute wohl leider kein positives Signal der Geschlossenheit der Demokraten gegen Neonazis ausgehen.
52 Abgeordnete des Sächsischen Landtages der drei demokratischen Oppositionsfraktionen machen heute von ihrem Minderheitenrecht Gebrauch, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der sich vor dem Hintergrund der als Nationalsozialistischer Untergrund bezeichneten Terrorzelle mit neonazistischen Terrornetzwerken in Sachsen auseinandersetzen wird. Wir brauchen diesen Untersuchungsausschuss dringend.
Mehr als zehn Jahre lang hat der NSU Sachsen als Ruhe- und Rückzugsraum genutzt, von hier aus seine Morde und andere schwere Straftaten vorbereitet. Die Frage steht ganz einfach im Raum: Warum konnte der NSU von hier aus über eine so lange Zeit ungestört handeln? Welchen Anteil und welche Verantwortung haben daran sächsische Behörden? Diese Fragen müssen wir dringend klären. Das geht nur von Sachsen aus. Das sind wir den Opfern des NSU schuldig, und das sind wir den Angehörigen der Opfer schuldig.
Ich bedaure es an dieser Stelle ausdrücklich, dass die 72 Namen der Abgeordneten der CDU und der FDP unter dem Einsetzungsantrag für diesen Untersuchungsausschuss fehlen. Mir stellt sich an der Stelle die Frage: Warum ist in Sachsen nicht möglich, was bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages und was bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses des Thüringer Landtages möglich war? Warum war kein gemeinsamer Untersuchungsausschuss aller fünf demokratischen Fraktionen in diesem Hohen Hause möglich?
Ich kann nur feststellen: An der Diskussionsbereitschaft von GRÜNEN, LINKEN und SPD ist das nicht gescheitert. Das ist bedauerlich; hatten Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, am 23. November 2011 einem gemeinsamen Entschließungsantrag doch zugestimmt – die Kollegin Friedel hat ihn gerade ausführlich zitiert –, in dem Sie sich noch dafür aussprachen, die Zusammenhänge der Morde des NSU und dessen rechtsextremistisches Umfeld umfassend zu ermitteln sowie die notwendigen Konsequenzen für die Arbeit der Sicherheitsbehörden zu ziehen.
In der Realität war davon an Ihrem wie auch an dem Verhalten der Staatsregierung leider gar nichts zu erkennen. Zunächst musste man den Eindruck haben, Sachsen wäre schlagartig geschrumpft und hätte sich in den Freistaat Sachsen und die autonome Republik Zwickau aufgeteilt.
Dieses Gefühl vermittelte jedenfalls die Staatsregierung. Sie war so sehr damit beschäftigt, so zu tun, als habe Zwickau und der Umstand, dass die Mörder des NSU über zehn Jahre dort untergetaucht waren, nichts mit Sachsen zu tun. Stattdessen haben sie lieber von einem Thüringer Trio oder einer Thüringer Terrorzelle gesprochen und damit schon rein sprachlich verdeutlicht, dass
Sie sich der spezifisch sächsischen Verantwortung und der Aufklärung der Taten des NSU nicht stellen wollen.
Aber auch alle Aufklärungsbemühungen, die unterhalb des scharfen Instrumentes eines Untersuchungsausschusses lagen, wurden von Ihnen in den letzten Monaten massiv behindert. Anfragen und Anträge wurden entweder gar nicht, ausweichend oder nur unvollständig beantwortet. Wir GRÜNE haben mit einem umfassenden Antrag im November eine Sondersitzung des Innenausschusses ins Leben gerufen. Bei den in Sachsen begangenen Banküberfällen, die dem NSU zugerechnet werden und originär von sächsischen Staatsanwälten zu ermitteln waren, haben Sie sich hinter dem Generalbundesanwalt versteckt und die Auskunft verweigert.
Die Staatsregierung wollte sich weder an einer gemeinsamen Untersuchungskommission mit Thüringen beteiligen noch eine eigene Kommission einsetzen. Der von uns bereits genannte detaillierte Antrag mit der Drucksache 5/7489, der Licht ins Dunkel der Taten des NSU bringen sollte, wurde im Rechtsausschuss wie auch im Innenausschuss mit den Stimmen des schwarz-gelben Blockes gegen den Willen meiner Fraktion weggestimmt
und das, obwohl die Stellungnahme der Staatsregierung ausdrücklich beinhaltete, dass viele Fragen des Antrages wegen der laufenden Ermittlungen nicht abschließend zu beantworten sind. Für die CDU und die FDP war das leider kein Grund, den Antrag weiter wirken zu lassen.
Heute muss ich leider feststellen: Auch wenn Sie sich mit Händen und Füßen gegen diesen Untersuchungsausschuss wehren, Sie haben ihn herbeigeführt, Sie haben ihn unausweichlich gemacht. Das ist Ihr Untersuchungsausschuss!
Ich erahne es schon, was Sie heute als vermeintliche Argumente gegen diesen Untersuchungsausschuss ins Feld führen werden: Sachsen habe sich immer für eine Expertenkommission auf Bundesebene ausgesprochen. Die Aufklärung der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages und des Thüringer Landtages seien ausreichend. Das Thema sei so groß, dass das Sachsen nicht allein klären könne.
Herr Staatsminister Dr. Martens hat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dapd noch einmal versucht, an dieser Legende zu arbeiten. Was Sie bei alledem verschweigen, ist Folgendes: Die spezifische Rolle der sächsischen Behörden, das heißt, an welchen Stellen der sächsische Verfassungsschutz, die sächsische Polizei und andere Behörden möglicherweise versagt haben, darf durch diese Gremien gar nicht geklärt werden. Diese Fehleranalyse kann nur von Sachsen aus geleistet werden. Es ist die ureigenste Aufgabe des Sächsischen Landtages, genau das zu tun.
Ich bin dem Herrn Staatsminister des Innern, Markus Ulbig, sehr dankbar, dass er das auf meine Mündliche Anfrage in der 49. Sitzung des Sächsischen Landtages am 26. Januar 2012 ausdrücklich bestätigt hat.
Eine zweite Argumentationslinie führen Sie seit circa zwei Wochen ins Feld: Plötzlich kommt der Staatsregierung, der CDU und der FDP die NPD sehr gelegen, um einen Untersuchungsausschuss zu delegitimieren, noch bevor er begonnen hat zu arbeiten. Ich gebe zu, die Begleitmusik für dieses vermeintliche Argument haben Sie ganz gut instrumentiert: Auf einmal melden sich irgendwelche Bundestagsabgeordneten zu Wort, die bislang nicht durch übermäßige Kompetenz im Umgang mit der NPD aufgefallen wären. Hartfrid Wolff von der FDP ist zum Beispiel ein solcher. Was meint dieser Herr? Man dürfe in Sachsen keinen Untersuchungsausschuss einrichten, weil dann auch die NPD im Ausschuss vertreten wäre und möglicherweise Zugang zu geheimen Informationen bekommen könnte.
Mir ist es an dieser Stelle noch einmal wichtig, darauf einzugehen, weil diese platte Argumentation bei uninformierten Zuhörern möglicherweise verfangen könnte. Zunächst einmal: Wir fragen im Untersuchungsauftrag nicht nach Quellen, die bestimmte Beobachtungen gemacht haben, sondern wir fragen nach Kenntnissen des Verfassungsschutzes, des Landeskriminalamtes, des
Staatsschutzes und anderer sächsischer Behörden, und wir fragen, wie diese Erkenntnisse bewertet wurden. Der Quellenschutz ist also ausdrücklich gewährleistet.
Zweitens. Die NPD hat lediglich einen Sitz in diesem Untersuchungsausschuss und damit keine Möglichkeit, eigene Beweisanträge im Ausschuss durchzubringen. Ich kann nicht erkennen, dass eine der fünf demokratischen Fraktionen auch nur im Ansatz bereit sein könnte, einem Antrag der rechtsextremen NPD zuzustimmen.
Drittens. Wir haben als demokratische Fraktionen die Möglichkeit, unsere Beweisanträge inhaltlich zu steuern. Diesbezüglich garantiere ich Ihnen, dass GRÜNE, LINKE und SPD sehr genau darauf achten werden, wie diese Beweisanträge formuliert und wir uns diesem Thema mit größter Sensibilität nähern werden.
Viertens. Wenn Ihnen so viel daran gelegen hätte, die NPD außen vor zu lassen, dann hätten Sie eines der niedrigschwelligeren Aufklärungsinstrumente nutzen
müssen, zum Beispiel die Einrichtung einer eigenen Kommission mit Ermittlungskompetenzen inklusive der möglichen Schaffung der dafür nötigen gesetzlichen Grundlagen. Das haben Sie und die Staatsregierung abgelehnt. Anders ausgedrückt: Sie haben offenkundig kein Interesse an einer Aufklärung und jetzt verstecken
Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Wir lassen uns ein wichtiges und an dieser Stelle ausdrücklich notwendiges parlamentarisches Kontrollinstrument mit solchen Scheinargumenten von Ihnen nicht aus der Hand nehmen.
Mir stellt sich eher die Frage: Was haben Sie eigentlich zu verbergen, dass Sie jetzt mit solchen unlauteren Argumenten kommen?
Ich vermute ganz einfach, dass Sie unheimliche Angst haben, dass nun für jedermann offensichtlich wird,