Protocol of the Session on March 7, 2012

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das war der erste richtige Satz!)

Aber ein bisschen hat es dann – lieber Herr Hahn, vielleicht geben Sie mir auch darin recht – doch wieder mit dieser Regierung zu tun; denn ohne beschäftigungs-, wachstums- und fortschrittsfreundliche Rahmenbedingungen, wie wir sie nun einmal in Sachsen haben, würde diese gute Bilanz nicht möglich sein. Sachsen hat die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung Deutschlands. Mitten in der Krise, mitten in Zeiten zurückgehender Solidarpaktmittel haben wir einen Doppelhaushalt ohne neue Schulden geschafft, und wir haben noch dazu alte Schulden getilgt. Wir haben sogar Vorsorge für kommende Lasten – Stichwort Generationenfonds – geleistet.

Das ist nicht nur zukunftsgerecht, meine Damen und Herren, das ist nicht nur generationengerecht; das ist vielmehr die Grundlage dafür, dass wir auch in einigen Jahren noch die nötigen Gestaltungsspielräume dafür haben, dass wir in Bildung, in Hochschulen, in Forschung oder auch in unsere Infrastruktur weiter investieren können, und das wird ein Unterschied zu vielen Ländern in der alten Bundesrepublik sein. Dort sind die Gestaltungsspielräume längst weg; dort haben Landesregierungen eigentlich nur noch die Möglichkeit, ihr Landespersonal zu verwalten, aber kaum noch Mittel für Politikgestaltung zur Verfügung.

Genau deswegen werben wir als CDU und FDP natürlich auch bei Ihnen von der Opposition für die Verankerung eines Neuverschuldungsverbotes in der Verfassung. Ob das so richtig etwas wird, dessen bin ich mir nach Ihrer Rede, Kollege Hahn, nicht mehr ganz so sicher. Was haben Sie vorhin gesagt: „Unsere Schuldenbremse ist die Millionärssteuer“? Das ist sehr optimistisch. Wir haben in Sachsen gerade einmal 180 Einkommensmillionäre. Wie Sie das hinbekommen wollen, können Sie mir dann ja noch einmal erklären.

(Zurufe von den LINKEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir brauchen tragfähigere Konzepte. Wir sprechen hier über die Sächsische Verfassung. Wir wollen die Schuldenbremse hier in Sachsen verankern – das ist Ihnen schon bewusst?

(Enrico Stange, DIE LINKE: Steuerhoheit sollte man kennen!)

Es ist eine politische Entscheidung gewesen, die Investitionsquote in Sachsen auf deutschem Rekordniveau zu halten: 19 % wollen wir auch im nächsten Haushalt beibehalten. Wir tun das mit Bedacht, denn eine hohe Investitionsquote bedeutet eben nicht nur Aufträge für die heimische Wirtschaft, bedeutet nicht nur die Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen; sie bedeutet auch, dass unser Land attraktiver werden kann, dass wir den Abstand zum Westen weiter dadurch verringern, dass die Leistungskraft und die Wettbewerbsfähigkeit Sachsens nachhaltig verbessert wird.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir haben unter dem Titel Staatsmodernisierung die zurzeit größte Behördenstrukturreform in Deutschland auf

den Weg gebracht. Ja, es stimmt, diese Behördenstrukturreform kostet bis zum Jahr 2021 etwas mehr als 300 Millionen Euro. Aber im genau gleichen Zeitraum sparen wir etwas mehr als 1,15 Milliarden Euro. Nach ihrer endgültigen Umsetzung, also ab 2021, sparen wir jährlich 285 Millionen Euro. Das ist richtig viel Geld. Diesen Reformgeist brauchen wir. Genau das müssen wir machen, wenn wir weiter Gestaltungsspielräume haben wollen.

Von dieser Staatsmodernisierung geht jedoch nicht nur ein finanzpolitisches, sondern auch ein anderes Signal aus; denn mit der Verlegung des Rechnungshofes nach Döbeln zeigen wir ganz klar: Große Verwaltungseinrichtungen müssen nicht immer nur in den großen Städten unseres Landes angesiedelt sein. Nein, sie dürfen auch einmal im eher ländlich geprägten Raum zu finden sein. Ich finde die getroffene Entscheidung richtig und gut.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das sieht Herr Binus aber anders! Reden Sie doch einmal mit Herrn Binus!)

Die Staatsmodernisierung zeigt in die Zukunft. Sie zeigt auch, dass wir in der ersten Hälfte der Legislatur schon viel geschafft haben. Richtig ist natürlich – es ist erst die Hälfte vorbei –, dass noch große Aufgaben vor uns liegen. Das betrifft auch den Bereich der Staatsmodernisierung selbst, wenn ich etwa an den Bürokratieabbau denke oder an die Frage – Kollege Flath hat es schon erwähnt –, wie wir mit Ausbaustandards umgehen. Wir haben also zu klären, was wir in Zukunft noch brauchen und was wir uns noch leisten wollen und leisten können. Insofern müssen wir noch ein dickes Brett bohren.

Genauso wissen wir, dass wir die Qualität unseres hervorragenden sächsischen Bildungssystems verteidigen

müssen. In diesem Zusammenhang brauchen wir Lösungen, um den anstehenden Lehrerbedarf zu decken. Wir befinden uns mitten in der Diskussion. Das Bildungspaket ist vorgelegt worden. Aber ich weiß auch, dass die Diskussion darüber weitergehen wird und weitergehen muss.

Wir müssen in nächster Zeit auch darüber entscheiden, ob wir in Sachsen tatsächlich immer mehr Studenten aufnehmen und – letztlich auf Kosten des Freistaates – ausbilden können oder ob wir bei aller Freude über die wachsenden Studentenzahlen bereit sein müssen, auch hier Prioritäten zu setzen.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: So viel Liberalität war selten!)

Die Herausforderungen, die auch in diesem Bereich auf den Freistaat Sachsen zukommen, sind sehr groß. Wir dürfen nicht vergessen: Wir haben uns als Koalition dazu bekannt, keine Studiengebühren zu nehmen. Die Voraussetzungen für den Zugang an unsere Universitäten sind gering. Damit müssen wir umgehen. Diese Diskussion wird doch wohl erlaubt sein, oder?

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Wollen Sie die Grenzen zumachen, oder was?)

Die Einführung der sächsischen Oberschule als Weiterentwicklung der Mittelschule steht bevor. Durch das Schulschließungsmoratorium – zu dem Sie uns beglückwünscht haben, wenn ich mich recht erinnere – haben FDP und CDU dafür gesorgt, dass der Bestand an Mittelschulen im ländlichen Raum bis zum Jahr 2015 weitgehend gesichert ist. Aber wir müssen jetzt mit der Diskussion darüber beginnen, wie unsere Schulstrukturen in Gesamtsachsen danach aussehen sollen. Auch dieser Aufgabe werden wir uns stellen.

Ich komme zu einem wichtigen Thema – Steffen Flath hat es schon angesprochen –, zu dem es durchaus unterschiedliche Sichtweisen gibt. Ich will hier betonen: Wir müssen schauen, wie wir unsere Landesentwicklung den Folgen des demografischen Wandels anpassen. Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass sich manches, was vor zehn oder 15 Jahren prognostiziert wurde, in der heutigen Praxis, im Hier und Jetzt ganz anders darstellt. Deswegen glaube ich, dass wir insoweit zu neuen Analysen kommen müssen.

Ja, der Freistaat schrumpft – leider! – in vielen Regionen nach wie vor. Aber der Freistaat wächst auch in einigen Regionen – übrigens nicht nur in Dresden, Leipzig und demnächst in Chemnitz, sondern auch schon in Freiberg, Bautzen und vielen anderen mittelgroßen Städten –, und das weit mehr, als wir jemals gedacht haben. Die Entwicklung in unserem Freistaat in den nächsten Jahren wird sich noch viel differenzierter gestalten, als wir das in den vergangenen 20 Jahren erlebt haben.

Eines geht auch an uns nicht vorbei: die stetige Urbanisierung, die wir überall in Europa verzeichnen, egal, in welches Land wir schauen. Die Entwicklung der Großstädte belegt diese Tendenz. Das erfordert von uns, in der Landesentwicklung maßgeschneiderte Konzepte zu

entwickeln, Konzepte übrigens, die keine Region – weder schrumpfende noch wachsende Regionen – im Stich lassen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Ich weiß, dass unser großes Ziel für manchen in der Opposition ein bisschen eigenartig klingt und vielleicht auch Teufelszeug ist. Aber es bleibt dabei: Wir als Sachsen wollen in absehbarer Zeit zu den Besten in Deutschland gehören. Das haben wir uns vorgenommen. Wir haben uns entschieden, nicht auf Dauer am Tropf des Westens hängen zu wollen. Wir werden auch nicht den Weg gehen, den das Saarland, Bremen oder andere Länder im Westen gegangen sind, die über Generationen hinweg bei den großen, starken Ländern anklopfen und um Hilfe betteln. Das kann nicht unser Weg sein. Wir wollen selbst zu den Starken gehören. Wir wollen in Zukunft etwas von der Solidarität, die wir in den vergangenen 22 Jahren bekommen haben und die wir ein kleines

Stück weit weiter erhalten werden, zurückgeben können. Das ist unsere Auffassung von Politik. Wann wir es genau geschafft haben werden, zu den Besten in Deutschland aufgeschlossen zu haben, kann niemand sagen. Wir als CDU/FDP-Landesregierung haben in der ersten Hälfte der Legislatur die Weichen dafür gestellt, dass wir es schaffen können. Ich prophezeie: Es wird uns viel eher gelingen, als die meisten in diesem Raum glauben.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Das war Herr Kollege Zastrow für die FDP-Fraktion. Als Nächstes spricht für die Fraktion der GRÜNEN Frau Kollegin Hermenau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie haben damit begonnen, dass Sachsen ein Zukunftsland sei. Dem pflichte ich ausdrücklich bei. Sachsen hat Zukunft – trotz dieser Regierung. Sachsen hat Zukunft, wenn diese peinliche Koalition vorbei ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sie haben doch 2009 so kühn mit der Behauptung angefangen, die Dresdner Koalition solle das große Beispiel für Berlin sein. Nun ist das Beispiel ein bisschen eher in die Brüche gegangen. Aber in Berlin sind auch die Probleme größer; da hat man hier gut Grinsen.

Wenn es einen Unterschied zwischen der Koalition in Berlin und der in Dresden gibt, dann ist es der, dass die Regierung in Berlin eine echte Chefin hat, der man die Ernsthaftigkeit nicht absprechen kann.

(Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Dass Sie die vergangenen zwei Jahre des Stillstands vergessen machen möchten, Herr Tillich, glaube ich gern. Das kann ich nachvollziehen. Aber in meinen Augen ergeben Sie sich der Illusion, es liege an Ihrer Kommunikation, dass Ihr bisschen Politik so wenig Anklang findet. Sie irren: Es ist Ihre schlechte Politik! Sie kommt bei den Menschen genauso an, wie sie ist. Sie haben kein Kommunikationsproblem. Sie haben ein Leistungsproblem – ganz eindeutig.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Nun haben Sie mit Ihrer Halbzeitbilanz in einem Multimediavortrag eine ganze Woche lang versucht, hier alles lahmzulegen, was am Nachdenken ist. Die politische Debatte war weniger lebendig als die zu einem Rechenschaftsbericht des ZK der SED, wenn ich mich richtig erinnere.

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Sie hüllen sich in eine verbale Realitätsverweigerung wie in einen Mantel und täuschen Dialog vor, wo bitteres geistiges Schweigen herrscht. Wir haben eine Woche lang politisches Geplapper in drei Oktaven erlebt, von schrill

bis guttural. Aber wie gesagt: Sachsen hat Zukunft. Das ist eine Frage der nötigen Ernsthaftigkeit.

Ich bin nicht wütend und nicht empört. Ich bin allerdings enttäuscht. Das, was Sie heute geboten haben, war eine ganz besonders perfide Form von Wählertäuschung; denn ich befürchte, sie beruht auf bedrohlicher Selbsttäuschung.

Gute Politik beginnt nun einmal mit der nüchternen Betrachtung der Wirklichkeit, auch der, die Sie in den letzten zwei Jahren geschaffen haben. Das überspringen Sie jedoch. Dass Sie aus der Gegenwart, die Sie selber zu verantworten haben, fliehen wollen, ist mir menschlich nicht fremd.

Aber was haben Sie nach der friedlichen Revolution nun wirklich anders gemacht als die anderen neuen Länder? Sie, Herr Tillich, und Sie, Herr Zastrow, erst einmal nichts; denn Sie waren damals nicht am Drücker. Sachsen wurde von Männern mit einem gewissen inhaltlichen Anspruch – den man in der Sache nicht immer teilen muss; um das abzuräumen –, von Männern, deren Aussagen inhaltlich immer Substanz hatten, regiert.

Sie, die politisch so viel schwächeren Nachfolger in schwarz-gelber Gefahrenwarnfarbe, leben von der Substanz, die ein Kurt Biedenkopf und ein Georg Milbradt aufgebaut haben. Sie tun das in meinen Augen sogar schamlos und ein bisschen krampfhaft.

Ihr strategisches Ziel sei es – erstens –, 2020 wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Dieses Ziel sollte man in der Tat in Sachsen haben, wenn man hier seriös Politik macht. Trotzdem werden wir auch 2020 weiter SonderbedarfsBundesergänzungszuweisungen aus Berlin in Anspruch nehmen müssen.

Sie sagen zweitens, man wolle zur Spitzengruppe der europäischen Regionen gehören. Da gehen die Pferde mit Ihnen durch! Die vier stärksten europäischen Regionen sind nach meinem Wissensstand Katalonien, die Lombardei, die Bourgogne und Baden-Württemberg. Von denen trennen uns Welten. Das darf man ehrlich sagen, das ist keine Schande. Inzwischen überholt uns aber hinsichtlich der ökonomischen Eckdaten bereits Thüringen. Sie beschwören etwas, was Ihnen Schritt für Schritt durch die Finger gleitet.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die Wirtschaft in diesem Land funktioniert trotz Ihres unfähigen Wirtschaftsministers, nicht wegen seiner Existenz. Das verdanken wir den Unternehmerinnen und Unternehmern.

(Beifall bei den GRÜNEN)