Protocol of the Session on March 7, 2012

Oder Herr Wöller. Herr Wöller ist im Umgang mit dem Sparfetischismus dieser Regierung einen anderen Weg gegangen. In einem Akt kreativer Buchführung hat er 320 Lehrerinnen und Lehrer ohne Deckung an Parlament und Kabinett vorbei eingestellt. Selbst seine Parteifreunde bemerkten dazu, er habe sich damit zwischen alle Stühle gesetzt.

Interessant ist auch die Amtsführung unseres Innenministers, der nicht nur meint, sich großartig an der Aufklärung der Mordserie der rechtsterroristischen Zelle NSU beteiligen zu müssen, sondern auch genau weiß, dass mit Antifaschismus der Faschismus nicht zu bekämpfen sei. Logisch, genauso logisch wie, dass es ja nachts schließlich auch kälter sei als draußen.

Eine derartige Logik ist dieser Staatsregierung in vielen Bereichen eine moderne Heimat. So beim Bildungspaket. Hier soll mehr Schülerinnen und Schülern mehr Unterricht mit weniger Lehrerinnen und Lehrern gegeben werden. Das fand ich ja noch interessant. In der Rede von Herrn Ministerpräsidenten hat ja das Wort Exportschlager eine ganz neue Bedeutung bekommen. Diese Art von Bildungspolitik treibt die Leute aus Sachsen, denn die Lehrerinnen und Lehrer haben ja die Antwort auf ihren Exportschlager schon gegeben.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Bei der inneren Sicherheit soll mit weniger Polizistinnen und Polizisten und weniger Dienststellen in einem gleichgroß bleibenden Land steigende Kriminalität bekämpft werden. Ihre Logik! Schließlich soll die Verwaltung effizienter und billiger werden, indem 300 Millionen Euro ausgegeben werden, um Umzüge zu bezahlen, die Chaos und monatelange Arbeitseinschränkung produzieren. Das

alles funktioniert nicht, das kann nicht funktionieren, das ist reinste Voodoo-Politik.

Wenn Sachsen den Menschen eine moderne Heimat sein soll und wenn Sachsen Zukunft haben soll, dann sind motivierte Polizistinnen und Polizisten, Lehrerinnen und Lehrer, Richterinnen und Richter, Ministerialbeamtinnen und Ministerialbeamte und alle anderen Landesbediensteten unverzichtbar. Wenn eine Regierung klug ist, nutzt sie den Sachverstand der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bezieht sie in die Gestaltung des Landes ein, arbeitet mit den Personalvertretungen und den Gewerkschaften zusammen. Tatsächlich passiert genau das Gegenteil, denn den Landesbediensteten wird Tag für Tag mitgeteilt, dass Tausende Stellen abgebaut werden müssen, weil das angeblich zur Staatsmodernisierung gehört. Das Weihnachtsgeld wird gestrichen, und das richtige Parteibuch ersetzt Eignung und Qualifikation.

(Beifall bei der SPD)

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in erster Linie als Erfüllungsgehilfen von CDU- und FDP-Interessen angesehen. Bester Beleg ist das Schreiben, in dem sich Herr Tillich nach seiner Wahl bei den Bediensteten für ihre tätige Mithilfe bedankt.

Ein Highlight war für mich der Umgang mit dem Gerücht, Herr Zastrow und Herr Flath hätten dem Kabinett vorgeschlagen, den sächsischen Beamtinnen und Beamten den Urlaub zu kürzen und die Wochenarbeitszeit zu verlängern. Ich habe den beiden diese Schweinerei sofort zugetraut und viele andere auch. Aber das Gerücht war wohl doch nicht wahr, wie es heißt. Interessant ist aber, wie die beiden mit dem Gerücht umgegangen sind. Sie haben sich nicht einfach geärgert und es dementiert, sondern die Staatsregierung wütend aufgefordert, gegen den Urheber des Gerüchtes sofort hart dienstrechtlich vorzugehen.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Zitat: „In der freien Wirtschaft wird einem solchen Mitarbeiter fristlos gekündigt.“

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Unabhängig davon, dass nach diesen Kriterien auch Kabinettsmitglieder wegen Arbeitsverweigerung, schlechter Leistung oder unternehmensschädigendem Verhalten in der freien Wirtschaft vor einer Kündigung standen, offenbaren Worte und Taten einiger Minister und der Vorsitzenden der Regierungsfraktion gegenüber den Landesbediensteten eine Personalpolitik wie bei Schlecker. Seit Kurzem wissen wir, wohin das führt: in die Insolvenz nämlich.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Es ist also auch kein Wunder, dass das Unvermögen der Sächsischen Staatsregierung mittlerweile an vielen Daten ablesbare, handfeste Auswirkungen für Sachsen hat. Tatsache ist, dass Sachsen im Bundesländervergleich in vielen Bereichen deutlich abgerutscht ist. Das betrifft das

Wirtschaftswachstum, den Beschäftigungszuwachs, aber auch verschiedene soziale und Bildungsindikatoren. Viele dieser Gefahren fallen kaum auf, weil sie durch die gute konjunkturelle und finanzielle Situation Deutschlands insgesamt überdeckt werden. Nur, wenn die Sächsische Staatsregierung nicht endlich aufwacht und entschlossen nach Lösungen sucht, wird unser Sachsen den Anschluss an die innovativsten Regionen national und international verlieren.

Eine Politik, die Herausforderungen annimmt und nach Lösungen sucht, muss mehr sein als eine sparsame Haushaltspolitik. Die Staatsregierung und die SPD sind zu Recht stolz darauf, dass Sachsen strukturell seit 2006 einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen kann. Das soll auch so bleiben. Allerdings darf es nicht so sein, dass in völliger Fehleinschätzung der Steuereinnahmen die soziale Infrastruktur durch übermäßige Kürzungen in ihrer Substanz gefährdet wird

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

und am Ende des Jahres 2 Milliarden Euro in Sparstrümpfen versteckt werden. Bei dieser Staatsregierung – und da widerspreche ich Ihnen, Herr Tillich – ist Sparen Selbstzweck und eben nicht das Instrument, um finanzielle Handlungsspielräume zu schaffen und für Zukunftsinvestitionen zu sorgen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Eine vernünftige und nachhaltige Politik hat beides im Sinn: einen strukturell dauerhaft ausgeglichenen Haushalt und die nötigen Zukunftsinvestitionen. Aber Letztere werden bei Ihnen vernachlässigt. Das zeigt sich in der Bildung, wo schon jetzt Hunderte von Lehrerinnen und Lehrern fehlen und unsere Hochschulen schon jetzt Forschung und Lehre nicht mehr ausreichend sicherstellen können.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Zum Schluss ist eines festzuhalten: Sachsen hat Zukunft – diese Staatsregierung aber nicht.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Für die SPD-Fraktion sprach Herr Kollege Dulig. Es spricht jetzt für die FDPFraktion Herr Kollege Zastrow.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Jetzt kommt der Werbemann!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Hahn, weil Sie vorhin so viel über Demokratie gesprochen haben: Haben Sie eigentlich den Brief Ihrer Bundesführung im letzten August zum 85. Geburtstag des kubanischen Diktators Fidel Castro mit unterschrieben?

(Lachen des Abg. Karl-Friedrich Zais, DIE LINKE)

Sprach der Ihnen aus dem Herzen? Ich habe bei Demokratie, wenn es von Ihrer Seite kommt, immer ein wenig Probleme. Das sei mir als kleine Vorbemerkung gestattet.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Dass die Koalition gut und vertrauensvoll zusammenarbeitet, brauche ich an dieser Stelle wahrscheinlich nicht noch einmal zu betonen; das konnte jeder in den vergangenen zweieinhalb Jahren sehen. Wir arbeiten so gut zusammen – das möchte ich Ihnen noch kurz erklären –, weil beide Partner einen ähnlichen Wertekompass haben und weil wir uns auch gegenseitig Erfolge gönnen. Diese Koalition passt zu Land und Leuten.

(Zurufe von und Lachen bei den LINKEN)

Ein Hinweis sei mir gestattet: Ich denke, vieles in Berlin würde besser funktionieren, wenn sich dort ab und zu einmal die schwarz-gelbe Koalition ein Vorbild an unserer Arbeit nehmen würde.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Genau deswegen, lieber Martin, bin ich Bundesvize.

(Zurufe von der SPD – Klaus Bartl, DIE LINKE: Das ist erklärungsbedürftig!)

Nur kein Neid, Frau Friedel. – Dass uns dieses gute Miteinander den Ruf eingebracht hat, langweilig zu sein, kann ich nachvollziehen – zumindest, wenn ich an den einen oder anderen Berichterstatter und sein Schicksal denke. Es ist natürlich einfacher, über eine Koalition zu berichten, die sich permanent streitet, die nicht miteinander klarkommt. Daher kommt ja diese eigentümliche Sehnsucht nach Streit, wie ich gestern in dem einen oder anderen Zeitungskommentar lesen konnte. Natürlich ist das unterhaltsamer. Wobei, für das Thema Unterhaltung hast du, Martin, dich ja schon vor einiger Zeit hier qualifiziert; dafür bist du ja zuständig, das lassen wir auch bei dir, das passt auch besser zu dir – das passt überhaupt ganz gut zur SPD.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Könnte man mal das „Du“ hier verbieten?!)

Das passt auch zur Geschichte dieser Regierung, denn in der Tat muss man sagen: Im Vergleich zur Vorgängerregierung, wo die SPD ja mitregiert hat und wo es nicht sehr oft so sehr harmonisch zuging – in dem Vergleich sind wir tatsächlich langweilig, das stimmt, das ist so.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Zurufe von der SPD)

Das hat es mir damals übrigens als Opposition auch leichter gemacht, daran konnte man sich besser reiben. Das ist für euch jetzt schwieriger, deswegen vielleicht auch dein Auftritt gerade.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Ich weiß nur, meine Damen und Herren, dass sich aus Sicht der meisten Bürger der Vorwurf der Langeweile natürlich ganz anders darstellt; denn für die Bürger zählen Maßstäbe wie Verlässlichkeit, Berechenbarkeit, Stabilität mehr als die Frage, ob man sich in einer Regierung permanent gegenseitig in die Pfanne haut. Wenn es anders gewesen wäre, würdet ihr ja als SPD vielleicht noch in der Regierung sitzen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die Bürgerinnen und Bürger wollen nicht unterhalten werden, sondern sie wollen eine Regierung, die sich den Herausforderungen der Gegenwart genauso stellt wie den Herausforderungen der Zukunft, und genau darauf – das kann ich Ihnen auch für die zweite Hälfte der Legislatur versprechen – können sich die Sachsen bei dieser Regierung auch weiterhin verlassen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Sachsen steht gut da und Sachsen wird als selbstbewusstes Bundesland mit einer stabilen Regierung und eigenen Vorstellungen überall in Deutschland mit Respekt wahrgenommen. Nicht umsonst ist die sächsische Position oft auch eine eigene Position – und oft auch eine Position, die sich von der Position anderer Bundesländer oder sogar der jeweiligen Bundesparteien ein Stück weit unterscheidet. Ich finde das richtig. Ich finde es richtig, dass wir unseren eigenen Kopf in der Frage der Energiewende eingebracht haben, und ich finde es auch richtig, wenn wir als Sächsische Staatsregierung, als sächsische Koalition die Frage der Notwendigkeit der steuerlichen Entlastung der berufstätigen Mitte unserer Gesellschaft anders beantworten, als es viele andere Bundesländer tun, und wir bei uns eben auch für entsprechende Spielräume gesorgt haben. Das macht einen Unterschied aus, und diesen Unterschied nimmt man immer mehr wahr.

Sachsen ist besser als die meisten anderen Bundesländer durch die Finanzkrise gekommen und kommt auch aktuell durch die Staatsschuldenkrise besser als andere. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit den frühen Neunzigerjahren. Wir haben den größten Rückgang der Arbeitslosigkeit überhaupt aller Bundesländer deutschlandweit. Wir haben ein beispielhaftes Wirtschaftswachstum und inzwischen steigen die Löhne und Gehälter signifikant – Gott sei Dank nicht nur im öffentlichen Dienst, meine Damen und Herren.

Wir können uns – der Ministerpräsident hat es vorhin angesprochen – erstmals seit der Wende sogar über einen positiven Wanderungssaldo freuen. Nein, das hat nicht die Regierung gemacht, sondern dafür zuständig sind natürlich die vielen fleißigen berufstätigen Sachsen, die mit ihrer täglichen Arbeit und ihrem Unternehmergeist unseren Wohlstand und unsere Entwicklungsperspektiven erwirtschaften.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das war der erste richtige Satz!)