Protocol of the Session on December 14, 2011

Wenn man berücksichtigt, dass der Investitionsstau von mehr als 1,5 Milliarden Euro vorwiegend außerhalb des ländlichen Raumes liegt, dann hat diese ILE-Förderung insgesamt nur einen winzig kleinen Effekt.

Sehr geehrter Herr Staatsminister, das war nur ein kleiner Einschub, der zur Klarstellung erlaubt sein darf.

Sprechen wir nun über die zukünftige Agrarpolitik ab 2014. Der Aspekt der Degression und Kappung der Direktzahlungen lag ja seit Beginn der Diskussion zur Neugestaltung der Agrarpolitik auf dem Tisch. Wir haben darüber auch schon mehrfach im Landtag debattiert. Wir müssen leider feststellen, dass der Legislativvorschlag der Kommission weiterhin an der degressiven Kappung festhält. Die Betriebsprämien sollen ab 150 000 Euro pro Jahr stufenweise gekürzt und auf 300 000 Euro pro Betrieb und Jahr begrenzt werden.

Es soll allerdings ein Beschäftigungsfaktor berücksichtigt werden. Für jeden Betrieb kann ein Freibetrag in der Höhe der Lohnkosten angerechnet werden. Hier hätte ich mir in der Regierungserklärung schon ein paar Angaben darüber gewünscht, wie viele Betriebe in Sachsen überhaupt noch betroffen sind.

(Staatsminister Frank Kupfer: Das ist doch vollkommen egal, es geht um den Systembruch!)

Aber unabhängig von dieser Frage lehnen wir weiterhin die Deckelung der Direktzahlungen ab, das ist schon richtig.

(Beifall bei der SPD – Staatsminister Frank Kupfer: Sehr gut!)

Für die Landwirtschaft im Osten Deutschlands ist das nicht hinzunehmen. Die Argumente haben Sie in Ihrer Rede selbst dargelegt, Herr Kupfer. Es ist nicht erkennbar, wie das Instrument der Kappung die Legitimation der Direktzahlungen verbessern soll. Stattdessen widerspricht die Deckelung einer fairen Agrarpolitik; denn selbst wenn die großen Betriebe weniger Geld bekommen, wird das Geld nicht an kleine Betriebe umverteilt. Vielmehr besteht die Gefahr, dass dieses Instrument, wenn es erst einmal im europäischen Recht verankert ist, bei weiteren Reformschritten verschärft wird. Dann wird die Kappung zu einer existenziellen Bedrohung der sächsischen Landwirte.

Aus diesen Gründen müssen wir in den nun laufenden weiteren Verhandlungen darauf drängen, dass das Instrument der Kappung vom Tisch kommt. Ich bin daher froh, dass die Agrarministerkonferenz bei ihrer Tagung am 28. Oktober in Suhl darauf eingegangen ist.

Ein weiterer wichtiger Punkt innerhalb der ersten Säule ist das sogenannte Greening der Direktzahlungen. Zukünftig sollen 30 % der Direktzahlungen daran gebunden sein, ob bestimmte Umweltauflagen erfüllt sind. Dabei nennt die Kommission drei bindende Voraussetzungen. Auf die Frage zur 7-%-Regelung, also das Vorhaben der ökologischen Ausgleichsflächen, sind Sie bereits eingegangen. Hier hat die Agrarministerkonferenz einen tragbaren Vorschlag gemacht. Prinzipiell sind stärkere Umweltleistungen zu befürworten. Ich denke, dass unsere sächsischen Landwirte keine Probleme damit haben werden.

Um das Ziel einer ökologischen Legitimation der Direktzahlung zu erreichen, müsste der räumlichen Verschiedenheit der EU jedoch mehr Rechnung getragen werden.

Meine Damen und Herren! Am Greening, also der Verbindung der Direktzahlungen mit den Umweltzielen, macht sich zudem ein Aspekt fest, der sich durch den gesamten Legislativvorschlag zieht. Der Bürokratieabbau ist nicht zufriedenstellend. Viele Landwirte beklagen zu Recht, dass sie mehr Zeit hinter dem Schreibtisch verbringen, als ihrer eigenen Aufgabe nachzukommen. Viele Reformschritte, wie die Kappung oder die Neuregelung des Begriffs „Aktiver Landwirt“, führen zu einem erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Das Ziel der Vereinfachung der gemeinsamen Agrarpolitik wird damit konterkariert. Ziel muss es sein, dass Bürokratieabbau bei allen Reformschritten ein Kriterium ist.

Erfreulicherweise geht mit den Reformvorschlägen auch eine Aufwertung des ökologischen Landbaus in der Agrarpolitik einher. Sie drückt sich bereits darin aus, dass der ökologische Landbau in einem eigenen Artikel erwähnt wird. Besonders positiv hervorzuheben ist jedoch, dass es über den Ausgleich von Mindereinnahmen hinaus auch eine Anreizkomponente geben soll. Ebenso unterstützen wir an dieser Stelle die Freistellung vom Greening.

Außerdem will die Kommission die Gebietskulisse der benachteiligten Gebiete neu definieren, und zwar anhand von acht Boden- und Klimaindikatoren. Vor über einem

Jahr haben wir einen Berichtsantrag gestellt, um zu erfahren, welche Auswirkungen die Einführung neuer Indikatoren für die Gebietsabgrenzung benachteiligter Gebiete in Sachsen haben wird. Die Stellungnahme der Staatsregierung hat dazu nur eine allgemeine Aussage gemacht. Die Modellrechnungen dazu laufen seit 2009. Von Herrn Schmidt habe ich hier allerdings erfahren, dass große Teile des Vogtlandes betroffen sind. Ich wundere mich nur, warum wir zu unserem Antrag solche Informationen nicht bekommen haben.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Karl Nolle, SPD: Das ist typisch!)

Da die Kommission beabsichtigt, an dieser Neuaufteilung festzuhalten, stellt sich die Frage neu: Was würde das für Sachsen bedeuten? Herr Schmidt hat schon das Vogtland benannt, ich weiß aber nicht, ob es nicht noch weitere Auswirkungen gäbe.

Sehr geehrter Herr Minister, abschließend möchte ich noch einmal auf den ländlichen Raum zurückkommen. Sie haben in Ihrer Rede auf einen wichtigen Punkt verwiesen. Trotz des vorgesehenen gemeinsamen strategischen Rahmens und der Vernetzung aller Fonds steht die Förderarchitektur mit dem ELER nicht im Einklang. Das muss nachgebessert werden. Was Sie in Ihrer Erklärung in Bezug auf den ländlichen Raum aber aussparen, sind die konkreten konzeptionellen Vorstellungen. Sie nennen uns zwar drei Prioritäten, aber das sind nicht mehr als Allgemeinplätze. Ein Verweis darauf, dass in Brüssel noch nichts entschieden ist, zieht hier nicht als Ausrede für fehlende sächsische Konzeptionen, Visionen und Vorstellungen.

Es wird weniger Geld geben – das sagen Sie ja auch. Wie will man das einsetzen? Was sind die sächsischen Prioritäten? Was will man nicht mehr fördern? Ich bin auch etwas irritiert: Ich habe in dem Entschließungsantrag gelesen, dass die Junglandwirteförderung befürwortet wird. Diese haben wir in dieser Förderperiode gerade erst abgeschafft und ich hätte doch gern eine Begründung, weshalb man hier eine Umkehr machen will und das jetzt unterstützt.

(Staatsminister Frank Kupfer: Da wissen Sie mehr als die Staatsregierung! Meines Wissens ist das nicht abgeschafft!)

Das könnte man ja noch einmal prüfen.

(Staatsminister Frank Kupfer: Das können Sie gern tun – ich weiß es!)

Von Ihnen hören wir jedenfalls, dass es erste konzeptionelle Überlegungen gibt, und dann kommen Sie mit einer bahnbrechenden Erkenntnis, die da lautet: Wir werden nicht umhinkommen, uns mehr als bisher auf bestimmte Förderinhalte zu konzentrieren.

(Thomas Jurk, SPD: Hört, hört!)

Von einer Regierungserklärung hätte ich mir mehr Substanz erwartet.

(Beifall bei der SPD)

Ganz ausgespart haben Sie einen der wesentlichen Punkte überhaupt: das Geld.

Die Redezeit geht zu Ende.

Damit meine ich nicht, welche Zahlen im Legislativvorschlag genannt werden. Es fehlt ein klares finanzielles Bekenntnis. Klar ist, dass die EUFinanzierung zurückgehen wird. Wir finden dazu keine Aussage, wie Sie die Projekte mit Landesmitteln unterstützen wollen.

Die Redezeit ist zu Ende.

Alles in allem kann man die Regierungserklärung zusammenfassen: Gut, dass wir einmal darüber gesprochen haben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Das war für die SPDFraktion Frau Kollegin Dr. Deicke. – Als Nächstes spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Günther.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Europäische Union mit ihren Kompetenzen und ihrer Einflussnahme ist bedeutsamer Teil unserer Gesellschaft und mit ihren Auswirkungen aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Am weitestgehenden sind die Auswirkungen in der Land- und Forstwirtschaft. Hier ist die Einflussnahme auf Entscheidungen einzelner Länder und in Deutschland der Bundesländer begrenzt.

Die Vielzahl der Mitgliedsstaaten und deren unterschiedliche Interessenlagen macht es dem größten Nettozahler der Europäischen Union, nämlich Deutschland, immer schwieriger, die nationalen Interessen der eigenen Wirtschaft zu wahren und durchzusetzen. Umso wichtiger ist es, dass wir als verantwortliche Politiker nichts unversucht lassen, Fehlentscheidungen und Fehlentwicklungen auf der Ebene der Europäischen Union energisch entgegenzutreten und offensiv die jeweiligen sächsischen Interessenvertretungen zu unterstützen.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Frank Kupfer)

Ganz klar, der Deutsche Bauernverband und insbesondere der Sächsische Landesbauernverband benötigen dringend unsere aktive Unterstützung. Von den umfangreichen Vorschlägen des EU-Kommissars zu Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik möchte ich mich auf nur wenige Ausführungen beschränken, doch zuvor Ihnen, Frau Kagelmann, energisch widersprechen. Straßenbau ist wichtig, auch für die Agrarstrukturen auf dem Land. Auf

den können wir auf keinen Fall verzichten. Das ist schon mal klar.

(Kathrin Kagelmann, DIE LINKE: Wir können, wir wollen nur nicht!)

Nein, nein!

Zum einen betrifft das die von der Kommission avisierte Flächenstilllegung von 7 % im Rahmen des Greenings – im Beamtendeutsch heißen diese ökologische Schwerpunktflächen – und zum anderen die extreme Zunahme des bürokratischen Aufwands sowie die Probleme der Degression und Kappung. Diese Vorschläge sind weder für den sächsischen noch den deutschen Bauern akzeptabel. Die Europäische Union trägt aufgrund ihres politischen und wirtschaftlichen Einflusses eine globale Verantwortung für die Produktion von Nahrungsmitteln. Eine Stilllegung von produktiver landwirtschaftlicher Nutzfläche in diesem geplanten Umfang ist gerade unter diesen Gesichtspunkten absolut verantwortungslos. Dieses

Greening widerspricht dem globalen Umfeld einer wachsenden Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermitteln bzw. nachwachsenden Rohstoffen und leugnet die Mitverantwortung der EU an einer ausreichenden Weltversorgung.

Für ein landwirtschaftliches Unternehmen aus Sachsen zum Beispiel, welches 2 500 Hektar Ackerland nördlich von Dresden bewirtschaftet, würde es bedeuten, 175 Hektar aus der Produktion zu nehmen, 17 500 Dezitonnen Getreide nicht zu produzieren, einen Mitarbeiter auf das Arbeitsamt zu schicken und für 875 Menschen Lebensmittel, woher auch immer, zu importieren. Das ist unakzeptabel. Die Flächenstilllegung von 7 % der Ackerflächen im Umweltinteresse würde allein in Deutschland zu einer erzwungenen Flächenstilllegung von geschätzt 500 000 bis 600 000 Hektar führen. Für die EU wird von einem Stilllegungseffekt von circa 5 Millionen Hektar ausgegangen, was circa 30 Millionen Tonnen Getreide bzw. der Versorgung von 5 Millionen Menschen entspricht. Diese Menge müsste logischerweise importiert werden, woher auch immer.

Am 15. September 2011 haben wir im Hohen Haus zum Problem des anhaltenden Verbrauchs von landwirtschaftlichen Flächen debattiert. Diese für die sächsischen Landwirte in aller Regel negativen Auswirkungen auf unsere gesellschaftliche Entwicklung ist bis auf Weiteres nicht endgültig aufzuhalten, aber hoffentlich zu verlangsamen. Es ist deshalb auch weiterhin davon auszugehen, dass landwirtschaftliche Flächen durch bauliche Maßnahmen verlorengehen. Nun droht zusätzlich noch eine administrativ verordnete Stilllegung von wertvoller landwirtschaftlicher Nutzfläche. Für die Bewältigung der globalen Aufgaben, die weltweite Ernährungssicherheit und die Bereitstellung nachwachsender Rohstoffe für die industrielle und energetische Nutzung ist es notwendig, jeden unnötigen Rückgang der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche zu verhindern.

Die EU sollte deshalb auf dem Weltmarkt nicht als Preistreiber für Nahrungsmittel auftreten. Welch einen unge

heuerlichen Eingriff stellen diese Maßnahmen in die Eigentumsrechte bzw. in die wirtschaftliche Entscheidung unserer sächsischen Unternehmen dar! Man stelle sich einmal vor, die EU würde BMW eine siebenprozentige Quote zur Reduzierung ihrer Pkw-Produktion vorschreiben, und zwar bis zum Jahr 2020.

(Beifall bei der FDP)

Welch einen Aufschrei würde es seitens der Unternehmerverbände und der Gewerkschaften geben! Aber genau diesen Eingriff in die unternehmerische Freiheit müssten landwirtschaftliche Betriebe durch die vorliegenden Vorschläge hinnehmen. Alle sächsischen Landwirte würden beim Pflanzenanbau diesen Eingriff schmerzhaft zu spüren bekommen. Sachsen verfügt über circa 720 000 Hektar Ackerland. Circa 50 400 Hektar wären bei der Umsetzung der Stilllegung betroffen. Bei einer durchschnittlichen Ernte von 76 Dezitonnen Weizen pro Hektar steht ein Erlösausfall von 170 Euro pro Hektar zu Buche.

Führen wir uns immer wieder Folgendes vor Augen: Erstens. Die Landwirtschaft stellt in Sachsen ein wichtiges wirtschaftliches Rückgrat für den Erhalt und für die Stärkung des ländlichen Raumes dar. Unternehmerische Entscheidungen der sächsischen Betriebe dürfen nicht administrativ und kollektiv bestraft werden. Dieser Eingriff in landwirtschaftliche Unternehmen geht einfach zu weit und ist durch nichts zu rechtfertigen, auch nicht durch scheinbare Naturschutzmaßnahmen. Der zur Verfügung stehende Boden ist für die Landwirtschaft das wichtigste Produktionsmittel. Ein Eingriff in dieses Mittel führt zwangsläufig zu nicht erheblichen Einnahmenverlusten.

Zweitens. Auch die unvermeidliche Bürokratie kann zu empfindlichen finanziellen Einschnitten führen, und zwar immer dann, wenn eine exorbitante Erweiterung dieses Aufwands zu verzeichnen ist. Seit Jahren wird insbesondere durch die Bundesrepublik Deutschland auf einen Missstand übermäßiger Bürokratie für die Landwirte hingewiesen, aber es wurde leider nichts zum Positiven verändert. Nach eigenen Einschätzungen der Kommission führt die Umsetzung der Vorschläge zu einem 18-prozentigen Verwaltungsmehraufwand, und das vor dem Hintergrund unserer derzeitigen Verwaltungsreform. Wir wissen die negativen Folgen von 18-prozentigen Vorschlägen sowieso zu deuten. Aber auch unsere Landwirte müssten auch noch mehr unproduktive Zeit am Schreibtisch verbringen. Der Schreibtisch ist nicht der Arbeitsplatz unserer Landwirte. Die Forderung bestand in einem Bürokratieabbau, das Ergebnis der Vorschläge ist ein Bürokratieaufbau. Diese Entwicklung der EU ist weder zeitgemäß noch orientiert sie sich an den globalen wirtschaftlichen Erfordernissen, künftig 10 Milliarden Menschen zu ernähren.

Schlussendlich ist festzustellen, dass die Regelungen für Degression und Kappung für die Betriebe in den neuen Bundesländern, die es am meisten betrifft und die aufgrund der Flächenausstattung mehr als 150 000 Euro Direktzahlungen erhalten, eine totale Wettbewerbsverzer