Protocol of the Session on November 23, 2011

Auch das sächsische Kultusministerium ist der Auffassung, dass die Erhebung von Kopiergeld für Materialien, die im Unterricht eingesetzt werden, unzulässig ist. Die Regionalstellen der Sächsischen Bildungsagentur wurden gebeten, die Schulen entsprechend zu informieren. Leider reicht die Durchsetzungskraft des Staatsministers für Kultus nicht aus, um dies auch wirklich an den Schulen umzusetzen; denn es wird nicht umgesetzt.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Was?)

Unser Gesetzentwurf sieht eine Neufassung des § 38 vor. Zu unentgeltlichen Lernmitteln gehören laut unserem Gesetzentwurf: Schulbücher und Druckerzeugnisse, wie Tafelwerk und Atlas, gedruckte Unterrichtsmaterialien, wie zum Beispiel Arbeitshefte, Lektüren- und Quellentexte, Kopien, Gegenstände, Geräte, Instrumente und Sachmaterialien sowie Materialien für den Fachunterricht. Da gibt es zurzeit kuriose Situationen an den Schulen. In unserem Gesetzentwurf wird auch geregelt, dass verbindliche Schulveranstaltungen, wie zum Beispiel Theater,

Konzerte, Vorträge oder auch Exkursionen, den Schülern kostenlos zur Verfügung gestellt werden müssen.

Leider steht vom sächsischen Kultusministerium keine Kostenermittlung zur Verfügung. Die Kosten sind von Schuljahr zu Schuljahr unterschiedlich. Nach Aussage der Eltern und des DGB liegen die Durchschnittswerte für Materialien, die von den Eltern zu bezahlen sind, bei durchschnittlich 150 Euro. Schon in den Debatten zu den letzten Haushalten hat die Fraktion DIE LINKE Anträge und Änderungsanträge zum Haushalt zur Untersetzung von Lernmittelfreiheit gestellt. Zum aktuellen Haushalt hatten wir einen Änderungsantrag von 21 552 000 Euro gestellt.

Schließlich gehört zur Verfassungsvorgabe des unentgeltlichen Unterrichts auch die unentgeltliche Beförderung von Schülerinnen und Schülern zum Unterricht und wieder nach Hause. Hierbei muss natürlich auch berücksichtigt werden, dass die Ganztagsangebote an den sächsischen Schulen existieren und demzufolge die Schülerbeförderung auch so umgesetzt werden muss. Der Rechtsanspruch der Schüler auf unentgeltliche Bereitstellung des Unterrichts bedeutet, dass jedem Schüler an öffentlichen Schulen die Teilnahme am Unterricht kostenfrei ermöglicht werden muss.

Die Unfähigkeit der Staatsregierung sollte nicht dazu führen, dass diese Regelungen vor Gericht entschieden werden müssen, sondern ich denke, dass die Entscheidung zur Lernmittelfreiheit in dieses Hohe Haus gehört und wir als Abgeordnete darüber entscheiden sollten.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf an den Ausschuss für Schule und Sport – federführend – sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist die Überweisung beschlossen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 6

1. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen

in Sachsen sowie zur Sicherung der Inklusion

(Sächsisches Kita-Weiterentwicklungsgesetz)

Drucksache 5/7281, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Auch hierzu spricht nur die einreichende Fraktion. Frau Abg. Klepsch, bitte. Annekatrin Klepsch, DIE LINKE: Vielen Dank, Frau Präsidentin. Es ist schon spät. – Sehr geehrte Frau Präsi

dentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Bildung prägt derzeit die landespolitische Debatte. Es werden Erfolgsmeldungen im Deutschen Lernatlas und in der PISA-Studie verkündet, und der Lehrermangel, der Unterrichtsausfall sowie die Ausgestaltung der Inklusion werden diskutiert. Bildung ist eine Dauerbaustelle.

Doch egal, auf welcher politischen Seite man steht: Fast allen an der Debatte Beteiligten – mit Ausnahme des Finanzministers und des Ministerpräsidenten – ist klar: Engagiertes und motiviertes Fachpersonal in ausreichendem Umfang ist die Voraussetzung für erfolgreiche formale Bildungsprozesse. Die Bildungsdebatte in Sachsen richtete ihren Blick in den letzten Wochen auf die Schule, doch es ist längst eine allgemein anerkannte Erkenntnis, wie wichtig gelingende Bildungsprozesse im vorschulischen Bereich, also in der Kindertagesstätte, für erfolgreiches schulisches Lernen sind.

Der Freistaat hat sich 2005 mit der Einführung des Sächsischen Bildungsplanes ein Curriculum zur Gestaltung frühkindlicher Bildung gegeben, das verpflichtend für alle Kindertageseinrichtungen – mit Ausnahme der heilpädagogischen Kitas – gilt. Daraus folgt, dass alle Kinder, die in Sachsen eine Kindertagesstätte besuchen – das sind im Vorschulalter um die 96 % –, die gleichen Chancen auf frühkindliche Bildung in der Gruppe haben müssen.

Doch trotz der hohen Inanspruchnahmequote der Kindertageseinrichtungen sind die Bildungschancen ungleich verteilt. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass alle Kinder vom formalen und informellen Lernen in der Gruppe profitieren; jedoch führt die klamme Haushaltslage der Kommunen vielerorts dazu, dass Zugangskriterien eingeführt und Kinder nicht berufstätiger Eltern an der Betreuung und Bildungsarbeit in den Kitas nur stundenweise teilhaben können. Der Bildungsplan ist in der Umsetzung jedoch eben nicht auf den Vormittag beschränkt. Darüber hinaus ist der Bildungsplan für heilpädagogische Kindertageseinrichtungen bisher nicht verpflichtend, jedoch haben infolge der UN-Konvention auch Kinder mit Beeinträchtigungen und Behinderungen einen Anspruch auf bestmögliche Bildung. Anstatt die bindende Anwendung des Bildungsplanes auch auf diese Einrichtungen auszudehnen – was aber aufgrund der Schnittstellenproblematik im Sozialgesetzbuch juristisch schwierig ist –, wäre es aus Sicht der LINKEN deshalb konsequent, das Thema Inklusion auch im vorschulischen Bereich ernsthaft umzusetzen. Wir hatten dazu im Ausschuss für Schule und Sport eine Anhörung, um grundsätzlich alle – jedoch mindestens die Mehrheit der Kitas – in die bauliche und personelle Situation zu versetzen, Kinder mit Behinderungen aufnehmen zu können. Bislang ist dies eine freiwillige Entscheidung des Trägers bzw. der Einrichtung.

Aus der Einführung des Bildungsplanes in den letzten sechs Jahren folgte zudem, dass an das Fachpersonal in der Fläche – wir sprechen hierbei von mehr als 23 000 Erzieherinnen und Erziehern sowie Sozialpädagogen – neue Anforderungen und Arbeitsbelastungen –

physisch wie psychisch – gestellt wurden, die in den letzten fünf Jahren mitnichten mit einer Verbesserung des Personalschlüssels beantwortet wurden.

Um es noch einmal zu veranschaulichen: Das Gesetz über Kindertageseinrichtungen geht in Sachsen im Altersbereich 3 bis 6 Jahre derzeit von einer Gruppenstärke von 13 Kindern auf eine Vollzeitstelle aus. In der Realität umfasst eine Gruppe aber 17 bis 19 Kinder. Mit dieser Gruppenstärke – das beklagen die Wohlfahrtsverbände und die Träger seit Jahren – lässt sich der Bildungsplan aber nur bedingt umsetzen, weil es schlichtweg an Zeit fehlt für die Vor- und Nachbereitung, an Zeit für Elterngespräche und an Zeit für Dokumentationen. Darauf wies zuletzt Frau Prof. Carle von der Universität Bremen im Frühjahr 2011 bei der Evaluation des Bildungsplanes hin.

Zwar wurden die Kindertageseinrichtungen mit der Verwaltungsreform 2008 formal dem Kultusressort und damit dem Bildungsminister zugeordnet, doch werden sie für mein Dafürhalten im Vergleich zur Schule eher stiefmütterlich behandelt. Sie dienen des Öfteren mehr als Modellprojekte und als Guckkasten für Fototermine mit dem Minister statt für eine zielgerichtete Qualitätsverbesserung in der Fläche.

Dass die Fraktion DIE LINKE das jahrelange Drängen der erziehungswissenschaftlichen Fachwelt und der Wohlfahrtsverbände nach einer Verbesserung des Betreuungsschlüssels und einer Verkleinerung der Gruppen ernst nimmt, ist bekannt. Da uns beim letzten Anlauf für eine Änderung dieses Betreuungsschlüssels im Rahmen der Haushaltsdebatte vor einem Jahr der Vorwurf gemacht wurde, dass man dies nicht einfach über den Haushalt regeln könne, bringen wir bereits heute den Gesetzentwurf ein, der ein erster Schritt in diese Richtung ist.

In Anbetracht des Ringens um die Haushaltsmittel, die wir für die Deckung des zukünftigen Lehrerbedarfs benötigen – auch das ist uns durchaus präsent –, hat sich die Fraktion DIE LINKE im vorliegenden Gesetzentwurf zunächst für eine – ich sage bewusst – bescheidene Verbesserung im Kita-Bereich entschieden, der auch die auf das eiserne Sparen fixierte Koalition zustimmen kann. Schließlich hat selbst der Kultusminister zwischenzeitlich erkannt, dass es bezüglich des Betreuungsschlüssels Verbesserungsbedarf gibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen den Betreuungsschlüssel von 1 : 13 auf 1 : 12 für die Drei- bis Sechsjährigen verbessern. Jedoch sieht die Fraktion DIE LINKE als langfristiges Ziel eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels im Kita-Bereich auf mindestens 1 : 10. Damit verbunden ist eine Erhöhung der KitaLandespauschale an die Kommunen von derzeit

1 875 Euro auf 2 025 Euro pro Jahr.

Ein Novum ist unser Vorschlag, für Kinder, bei denen nachweislich sozial bedingte Entwicklungsrückstände bestehen, zusätzlich eine Pauschale von 900 Euro einzuführen. Dies ermöglicht eine gezielte Förderung dieser Kinder in der Kita, unter anderem durch mehr Personal.

Damit kann man auch der Stigmatisierung von Einrichtungen in den sogenannten sozialen Brennpunkten entgegenwirken, denn diese gibt es leider.

Für den Hort- und den Krippenbereich – das ist uns auch bewusst – ist langfristig ebenfalls eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels vorzusehen. Auch hier hat Sachsen die rote Laterne in der Bundesrepublik.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme zum Schluss. Die Fraktion DIE LINKE verfolgt mit diesem Gesetzentwurf drei Punkte: erstens die Umsetzung der Inklusion im Vorschulbereich, zweitens die Untersetzung des Rechtsanspruchs auf Kindertagesbetreuung durch eine rechtlich verankerte ganztägige Betreuung von mindestens neun Stunden und drittens eine erste Verbesserung des Betreuungsschlüssels in dem Bereich, der den dringendsten Bedarf hat.

Lassen Sie uns diesen Gesetzentwurf in den nächsten Wochen diskutieren und in die Aufstellung des Doppelhaushalts einbeziehen – im Interesse der Kinder, im Interesse der Erzieherinnen und Erzieher und im Interesse der Zukunft des Freistaates Sachsen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Schule und Sport zu überweisen. Wer gibt die Zustimmung? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit, damit ist die Überweisung beschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 7

Mehr Chancen durch praxisnahe und durchlässige Aus- und Weiterbildung

Drucksache 5/7467, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die CDU, danach folgen FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile nun dem Redner der Koalitionsfraktionen als Einreichern das Wort. Herr Abg. Heidan, bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Mehr Chancen durch praxisnahe und durchlässige Aus- und Weiterbildung“, so lautet der Antrag der Koalitionsfraktionen CDU und FDP. Es ist bekannt: In Deutschland wird die berufliche Erstausbildung als duales Bildungssystem deshalb so eingeschätzt, weil die für den Beruf notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten an zwei verschiedenen Ausbildungs- bzw. Lernorten stattfinden. Erstens, die praktische Ausbildung erfolgt im Unternehmen, und zweitens, die theoretische Ausbildung wird in der Berufsschule vermittelt.

Deutschland – das darf man sagen – ist weltweit berühmt für sein Ausbildungssystem. Wir haben es mehrfach bestätigt bekommen, Sachsen ist an dieser Stelle führend.

Das duale Ausbildungssystem kennt man in Äthiopien, in China und in Indien. Besonders die Staaten im Nahen Osten sind an unserem Ausbildungssystem sehr interessiert. Ich darf daran erinnern, dass mit der Reise des Ministerpräsidenten vor fast genau einem Jahr nach Abu Dhabi und nach Katar ein Vertrag zur Ausbildung junger Menschen mit der Schule von Al Ain abgeschlossen werden konnte – ein Ort mitten in der Wüste, sozusagen der Außenposten Abu Dhabis direkt an der Grenze zum Oman. Dort wird das deutsche duale Ausbildungssystem made by Saxony kopiert und in der dortigen Wirtschaft

verwendet. Meine Damen und Herren, ich finde das einfach genial und bemerkenswert.

(Horst Wehner, DIE LINKE: Jetzt müssen Sie klatschen!)

Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf ihrer Reise nach Indien festgestellt, dass dort 200 Millionen junge Menschen bis zum Jahr 2022 eine Ausbildung erhalten werden. Indien hat gut 1,2 Milliarden Einwohner. Aber daran sehen Sie, was in anderen Ländern der Welt los ist. Die Aufgaben, die vor den aufsteigenden Weltwirtschaftsländern wie China und Indien stehen, sind gigantisch. Eine gute deutsche Ausbildung ist immer noch ein gutes Beispiel, dem man nacheifern möchte.