eigentlich schon vorliegen müssen. Nun sollen wir sie endlich erhalten, und wir dürfen gespannt sein.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, es gibt genügend Diskussionsstoff zum Thema Wald und Sachsenforst, aber die Antworten auf diese aufgeworfenen Probleme finden sich eben nicht im Waldzustandsbericht. Das ist auch nicht seine Aufgabe.
Diese Antworten erwarte ich zuerst von der Staatsregierung, die ein Konzept über ihre künftige Waldpolitik vorlegen muss. Frau Aigner ist auf Bundesebene gerade mit ihrer Waldstrategie gescheitert. Herr Kupfer, Sie haben nun die Chance, für Sachsen aus ihren Fehlern zu lernen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Zustand des sächsischen Waldes wird bereits seit Jahren durch eine jährliche Erhebung untersucht. Diese Erhebung gibt Auskunft über die Vitalität der Waldbäume unter sich ändernden Umweltbedingungen und über die Belastungsfaktoren für die Waldökosysteme.
Auf dieser Grundlage werden Maßnahmen ergriffen, um den Zustand zu verbessern sowie deren Auswirkungen zu dokumentieren. Da sich das Ökosystem Wald aber nur sehr langsam ändert, ist es erst durch eine langjährige Erfassung der Daten möglich, den Waldzustand objektiv zu beurteilen.
Fakt ist: Der sächsische Wald befindet sich im Dauerstress. Ständig muss er sich wandelnden Umwelteinflüssen anpassen. Auf den Wald wirkt ein Komplex aus Luftschadstoffen, natürlichen Stress- und ungünstigen Standortfaktoren ein. Gleichzeitig muss er seiner Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion gerecht werden.
Trotz dieser Probleme muss man anmerken: Der Zustand der Wälder in Sachsen ist relativ stabil. Das klingt erst einmal undramatisch. Wenn man einmal die Verteilung der Schadstoffklassen mit dem Jahr 2005 vergleicht, so erhält man folgendes Bild: Schadstufe 0 – das heißt ohne erkennbare Schäden – hatten wir 2005 36 % und aktuell 43 %, also eine Steigerung in dieser Klasse um 7 %.
Bei der Schadstufe 1 – das sind die schwach geschädigten Bäume – waren es 2005 49 % und aktuell 43 %. Hier ist also ein Minus von 6 % zu verzeichnen.
Bei der Schadstufe 2 – das sind die höchstgeschädigten Bäume – haben wir gerade 1 % Unterschied, von 15 zu 14 %.
Ja, dazu komme ich. – Das heißt, es gibt keine nennenswerte Veränderung in der höchsten Schadstoffklasse;
das heißt aber auch, dass nach wie vor nicht einmal die Hälfte des Waldes in die Schadstufe 0 eingestuft ist. Der längerfristige Trend ist bei den beiden unteren Schadstufen zwar leicht positiv, aber es gibt noch lange keinen Grund, sich zurückzulehnen. Wir müssen damit rechnen, dass die Risiko- und Stressfaktoren für Sachsens Wälder noch zunehmen. Extreme Wetterereignisse und Witterungsperioden werden aufgrund des Klimawandels zukünftig den Waldzustand noch stärker beeinflussen.
Bekanntlich gibt es auch kein Patentrezept, Stör- und Stressfaktoren für die Wälder auszuschalten. Trotz zahlreicher Maßnahmen zur Luftreinhaltung belasten Bodenversauerung und Eutrophierung noch immer unsere Wälder. Obwohl bei den Schadstoffeinträgen eine Positiventwicklung zu verzeichnen ist, ist die Belastung weiter vorhanden, denn der Wald hat ein Langzeitgedächtnis.
Zwar sind die aktuellen Säureeinträge bereits so gering, dass sie als unkritisch eingestuft werden können; aber die Einträge aus der Vergangenheit werden noch lange Zeit nachwirken.
Auch der Klimawandel mit damit einhergehenden extremen Wetterverhältnissen macht sich in unseren Wäldern zunehmend bemerkbar. Bereits im vergangenen Jahr lag der Anteil an sogenannten außerplanmäßigen Nutzungen, beispielsweise durch Sturm, Schneebruch oder auch Schadinsektenbefall, bei circa 30 %.
Positive Auswirkungen zeigt auch der in den letzten Jahren vorangetriebene ökologische Waldumbau. Allerdings verändern sich die Lebensräume im Wald nur sehr langsam.
Was ist in Zukunft zu tun? Erstens, die Schadstoffe müssen weiter verringert werden. Ein besonderer Fokus muss dabei auf den Bereichen Verkehr und Landwirtschaft liegen. Zweitens, der Waldumbau muss in Richtung eines naturnahen Waldes beschleunigt werden. Drittens, die Waldbodenkalkung muss fortgeführt werden, um die Nährstoffaufnahme der Bäume zu verbessern. Und natürlich muss, viertens, in nationaler Abstimmung gehandelt werden – womit wir beim Thema Waldstrategie wären.
Auf Bundesebene wird bereits seit drei Jahren intensiv um eine Strategie für den deutschen Wald diskutiert. Hier stehen wir zukünftig vor gewaltigen Herausforderungen. Einerseits sind die Ansprüche der Gesellschaft so vielfältig wie noch nie; andererseits klaffen die Interessen verschiedener Gruppen teilweise weit auseinander.
Der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Forstleute schätzt ein, dass eine ausgleichende und zukunftsweisende Regierungsstrategie für den Wald noch nie so notwendig war wie heute. Der Klimawandel, die Holzknappheit und der zunehmende Verlust der Biodiversität sind nur
einige der Konfliktpunkte in der Diskussion um die Anforderungen an den Wald und seine Bewirtschaftung.
Die Bundesregierung hat es jedoch bis heute nicht geschafft, sich innerhalb der Ressorts auf eine gemeinsame Position zur Waldstrategie zu verständigen, und stand am Montag beim offiziellen Auftakt zum „Internationalen Jahr des Waldes“ mit leeren Händen da. Wie blamabel!
Meine Damen und Herren, ich denke, die heutige Debatte hat die Bedeutung einer zukunftsweisenden Waldpolitik noch einmal unterstrichen. Sie hat aber auch klargemacht: Dem sächsischen Wald geht es nicht besonders gut. Aber es gibt Handlungsmöglichkeiten, dem entgegenzuwirken. Es ist eigentlich nur die Frage, wie ambitioniert wir dies tun.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Forstminister Frank Kupfer! Wer den Waldbericht gelesen hat kann feststellen: Unserem sächsischen Wald geht es gut. Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben, und gebe den Rest meiner Rede zu Protokoll.
Danke. – Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Tornado zu Pfingsten 2010 sowie die Hochwasserereignisse vom August und September 2010 haben Sachsen geschädigt und es in das Vorwort des Waldzustandberichtes von Umweltminister Frank Kupfer geschafft. Das heißt, der Klimawandel ist nicht nur in Sachsen Realität, sondern auch im Bewusstsein der Sächsischen Staatsregierung.
Dies vorausgesetzt, kann das Leitmotiv der heutigen Diskussion nur heißen: Ist der sächsische Wald in seiner aktuellen Struktur auf die Anforderungen des Klimawandels ausreichend vorbereitet? Nach sorgfältiger Lektüre des Berichtes kann ich als Antwort nur ein klares Nein geben. Trotz aller Anstrengungen der Forstleute,
es gibt keinen Grund zur Entwarnung. Deutlich mehr als die Hälfte aller Waldbäume in Sachsen sind geschädigt. Besonders schlecht geht es dabei weiterhin der Eiche. Nur noch 10 % der sächsischen Eichen und 25 % der Buchen sind gesund. Der sächsische Wald ist im Dauerstress. Sein
Gesundheitszustand hat sich seit Jahren auf einem niedrigen Niveau eingependelt. Das ist nun wirklich keine Erfolgsmeldung. Regional verschlechtert hat sich der Waldzustand vor allem im Elbsandsteingebirge, in der Oberlausitz und im Zittauer Gebirge. Altlasten, aber auch Neubelastungen durch Säure- und Stickstoffemissionen aus Industrie und Verkehr machen den sächsischen Wäldern und besonders deren Böden weiterhin schwer zu schaffen.
Nun kann man für das Erbe niemanden mehr verantwortlich machen; aber dass heute nicht strikter gehandelt wird, ist sehr bedauerlich. Emissionsmindernde Maßnahmen wären angezeigt, doch die sind leider nicht zu erwarten, wie die aktuellen Kürzungen beim ÖPNV gezeigt haben. Ursprünglich war unser Land von Laub- und Mischwäldern bedeckt. Nach überzogenen Rodungsmaßnahmen unserer Vorfahren erfolgten massenhafte Aufforstungen mit anspruchslosen, schnellwüchsigen Nadelbäumen, zudem oft in standortfremden Gebieten. Im Ergebnis dominieren immer noch meist gleichaltrige, verhältnismäßig artenarme Monokulturen: die Fichte mit 35 % und die Kiefer mit 31 %. Diese jedoch sind anfälliger für Trockenheit, Stürme und Schadinsektenbefall. Ihre Klimaschutzbilanz fällt darüber hinaus im Vergleich zu Laub- und Mischwäldern sehr viel schlechter aus. Im Unterschied zu Nadelwäldern wird im Laubwald der Kohlenstoff stärker in den unteren Bodenschichten gespeichert. Der Umbau von Kiefernwäldern zu Laubwäldern kann deshalb die Speicherkapazität der Böden für Kohlenstoff verdoppeln.
Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Der sächsische Wald der Zukunft muss der naturnahe, standortgerechte Laub- und Mischwald sein, in dem einheimische Arten wachsen. Stabilität durch Vielfalt! Wir brauchen Wälder, die den Ausfall vieler Individuen oder ganzer Arten möglichst gut verkraften und ausgleichen können und die biologische Vielfalt sichern.
Ein Wort zur Waldfläche in Sachsen. Im Landesentwicklungsplan aus dem Jahr 2003 wurde festgelegt, den Anteil des Waldes in Sachsen auf 30 % anzuheben, weil Sachsen leider zu den waldarmen Bundesländern gehört. Nach acht Jahren sind wir bei immerhin 28,2 % angekommen. Dabei gibt es genügend geeignete, landwirtschaftlich wenig ertragreiche Flächen, die auch keine Naturschutzrelevanz haben. Ich denke, hier wird die Auseinandersetzung mit Interessenkonflikten gescheut. Dennoch haben wir hier ein Potenzial für aktiven Klimaschutz. Durch Waldumbau und Neubewaldung lässt sich viel CO2 binden. Bei einer nachhaltigen Bewirtschaftung liefern uns solche neuen Wälder gleich noch CO2-neutral erzeugtes Bauholz dazu.
Wir haben etwa 200 000 Hektar Staatswald. Die Waldumbaufläche liegt aktuell zwischen 1 300 und 1 500 Hektar pro Jahr. Das ist einfach zu wenig. Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, brauchen wir mehr als hundert Jahre, um den sächsischen Wald für den Klimawandel fit zu machen. Ich weiß, das kostet Geld, wahrscheinlich
sehr viel Geld. Allerdings habe ich diesbezügliche Vorschläge bei den Haushaltsberatungen schmerzlich vermisst, Herr Kupfer. Sie müssen das Tempo deutlich erhöhen, wenn Sie überhaupt noch einen Staatswald erhalten wollen.
Auch hier lohnt sich der Blick aufs Detail. Die Verjüngung der Wälder mithilfe großflächigen Kahlschlags ist ebenso wie die Holzernte mittels Kahlschlag kontraproduktiv.
In vielen Fällen doch. Diese Femelschläge beobachte ich auch in Leipzig. Ich lasse mich gern vom Gegenteil überzeugen.
Nicht nur die Naturschutzbilanz, sondern auch die Treibhausgasbilanz ist im Vergleich zur natürlichen Verjüngung katastrophal. Die Forschungsergebnisse sind eindeutig. Nach einem Kahlschlag nimmt der Ausstoß des klimaschädigenden Lachgases dramatisch zu. Dabei verringert sich die Fähigkeit des Bodens, das Treibhausgas Methan aufzunehmen. Hier sind Verjüngungsmethoden, bei denen der Altbaumbestand nur teilweise entfernt wird, deutlich umweltverträglicher. Naturnaher Waldumbau heißt letztlich auch Trinkwasser- und Hochwasserschutz, beides nicht zu unterschätzende Themen. Waldumbau kann aber nur ein Schritt sein, um den Wald für den Klimawandel fit zu machen.
Die neu entstehenden Belastungen durch extreme Wetterereignisse erfordern auch mehr Reaktions- und Anpassungsfähigkeit der Natur. Die erreichen wir durch möglichst ungestörte Ökosysteme und natürliche Prozesse. Wildnis wagen ist hier das richtige Stichwort. Das bedeutet konkret: Naturschutz und Erhalt der Biodiversität müssen eine viel größere Rolle als bisher spielen. Die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt hat das Ziel, 5 % der Wälder aus Naturschutzgründen aus der Bewirtschaftung herauszunehmen. Von so einem ersten Schritt sind wir noch weit entfernt. Wenn wir wirklich das Ökosystem Wald in Zeiten des Klimawandels erhalten wollen – und das wird schwer genug –, dann müssen wir der Regenerationsfähigkeit und Stabilität des Waldes wesentlich mehr Bedeutung beimessen. Das wird durch Prozesse wie Naturverjüngung, Altern und Absterben von Bäumen erreicht.