Protocol of the Session on March 23, 2011

Aufgrund des genannten Zeitplanes kommt unser Antrag genau zum richtigen Zeitpunkt und basiert – im Gegensatz zum Antrag der Linksfraktion – auf der Grundlage, dass unserer Landwirte in Sachsen auch heute schon nachhaltig und umweltgerecht wirtschaften und völlig unabhängig von ihrer Betriebsform qualitativ hochwertige Lebensmittel erzeugen. Es geht uns darum, die Wettbewerbsfähigkeit unter den von der Kommission richtigerweise formulierten neuen Herausforderungen dauerhaft zu erhalten und damit die durch Cioloş an erster Stelle formulierte Sicherung der Ernährung in Europa und der Welt mit zu gewährleisten.

Dass dies im Antrag der LINKEN keine Rolle spielt, ist nicht nachvollziehbar, und schon deshalb ist dieser nicht zustimmungsfähig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Schmidt. – Für die Fraktion der FDP Herr Abg. Günther. Herr Günther, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Gemeinsame Agrarpolitik und deren Strategie ab 2014 – ein Zitter- und Dauerthema im Bereich der Landwirtschaft 2011, und das nicht zu Unrecht. Alle Bundesländer sind in der Endphase der Verhandlungen in Brüssel in der Pflicht, die Interessen ihrer Landwirte zu vertreten.

Wir als Abgeordnete setzen dabei auf unser politisches Vertrauen und in Sie, Herr Staatsminister Kupfer. Hier kommt noch eine Menge Arbeit auf Sie zu. Wir wissen das und möchten mit diesem Antrag auch Ihren Rücken stärken, um die Verhandlungen in Brüssel zu führen.

Der Freistaat Sachsen verfügt über eine leistungsstarke und innovative Land- und Forstwirtschaft. International haben wir uns einen Spitzenplatz erkämpft. Darum muss unser Ziel sein, diesen Spitzenplatz auch in Zukunft zu verteidigen. Für diese Aufgabe benötigen die sächsischen Landwirte unsere volle politische Unterstützung.

Als Abgeordnete des Sächsischen Landtages haben wir in allererster Linie die Interessen unserer sächsischen Landwirte zu vertreten. Circa 42 000 Erwerbstätige sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Allein diese Zahl sollte Motivation genug sein, deren Interessen noch stärker wahrzunehmen und zu vertreten.

(Beifall bei der FDP)

Was erwarten wir nun von Brüssel, meine Damen und Herren? Um es auf den Punkt zu bringen: etwas wirt

schaftlich Vernünftiges, eine Aussage, zu der sich lang und breit diskutieren lässt. Ich erlaube mir, nur ein paar Schwerpunkte zu benennen.

Alle Maßnahmen im Zuge der Neuorientierung der GAP müssen ein Ziel verfolgen, nämlich die Förderung einer marktorientierten und nachhaltigen Landwirtschaft. Das ist die Grundlage einer zukunftsorientierten und wettbewerbsfähigen Landwirtschaft. Tendenzen aus Brüssel, eine EU-weit einheitliche Flächenprämie einzuführen, müssen mit aller Kraft verhindert werden. Eine solche Gleichmacherei missachtet in höchster Weise die extremen, noch bestehenden regionalen Unterschiede in der EU.

Herr Staatsminister, die Fortsetzung der ersten Säule mit einer entkoppelten Flächenprämie sehen auch unsere Landwirte als ein wichtiges Ziel der Verhandlungen an. Umweltschutz – diese Zielstellung muss stärker im Rahmen des GAP Berücksichtigung finden. Hier bedarf es Maßnahmen, die tatsächlich in effizienter Weise zu einem höheren Umweltbeitrag der GAP führen. Im Ergebnis ist eine klare Abgrenzung zwischen Maßnahmen der ersten und zweiten Säule anzustreben.

Eine ganz entscheidende Forderung ist die zukünftige verwaltungstechnische Ausgestaltung. Auch hier muss Ziel eine durchgreifende Vereinfachung und Verringerung des bürokratischen Aufwandes für Landwirte und Verwaltung sein. Das wäre schon eine erhebliche Erleichterung sowohl für die Landwirte als auch für die öffentliche Verwaltung. Die Überlegungen der Kommission zur Ausweitung der Auflagenbindung der Direktzahlungen stehen dabei absolut nicht im Einklang mit dieser Zielsetzung. Ich sprach hier mit meiner Fraktion, dass ich hier nicht mehr darauf eingehe. Ich denke, Herr Minister, dass Sie dies auch noch thematisch mit ausführen.

Sehr geehrte Damen und Herren, machen wir eine virtuelle Rundreise durch Sachsen! Stellen wir uns Veränderungen vor, wenn es die Landwirtschaft so nicht mehr gäbe: keine Äcker mehr mit Feldfrüchten, keine Kühe, Pferde, Schafe auf der Weide, verwilderte Landschaften. Wollen wir solche Zustände? Und auch keine Höhne mehr! Nein, keiner der hier Anwesenden wird sich mit dieser Vorstellung anfreunden können.

Doch sind wir uns auch dessen bewusst, unter welchen Anstrengungen und Entbehrungen die Landwirte arbeiten? Tiere kennen keinen Urlaub oder ein Wochenende. Dem Getreide ist es wurst, ob gerade eine Erntemaschine ausgefallen ist oder nicht, es muss vom Acker. Ernteverluste bedeuten für die Landwirte Einnahmenverluste, denken wir dabei an das letzte Hochwasser und erinnern wir uns an die vielen Felder, die unter Wasser standen und so Ernten vernichtet haben. Deshalb verdienen die in der Land- und Forstwirtschaft tätigen Menschen unseren allerhöchsten Respekt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir als Verbraucher können diese Arbeit unterstützen. Auch wir als Abgeordnete sind dabei in der Pflicht, ob in

Schulen oder in Gesprächen mit unseren Mitbürgern. Werden wir nicht müde zu argumentieren, wie wichtig die Landwirtschaft ist!

Nicht zu vergessen: Landwirtschaft ist auch Landschaftspflege. Unsere Region in all ihren faszinierenden Facetten können wir nur durch eine intakte Landwirtschaft erhalten. Landwirtschaft ist untrennbar verbunden mit Naturschutz und Hochwasserschutz. Diese Grundsätze sind für alle Mitbürger von enormer Bedeutung. Was können wir unterstützend tun? Wie immer der Appell: Kaufen Sie die Lebensmittel bewusst ein, lassen wir uns nicht von den billigsten Angeboten leiten! In der Landwirtschaft ist Geiz eben nicht geil. Fragen wir gezielt nach sächsischen Produkten, denn diese stehen für hohe Qualität und Genuss! Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche. Nichts geht über eine sächsische Gans vom Bauernhof.

Fazit: Verlassen wir uns nicht auf die politischen Entscheidungen von Brüssel, unterstützen wir weiterhin das Leben und Arbeiten im ländlichen Raum, bleiben wir dran, unseren jungen Menschen die Attraktivität der grünen Berufe zu vermitteln – da gilt auch mein Dank dem Ministerium für die Kampagne –, und an der Entwicklung, den Problemen und den Erfolgen unserer sächsischen Landwirte. Nur so hat Landwirtschaft in Sachsen eine Chance, unser Leben attraktiv zu begleiten. Stimmen Sie unserem Antrag zu und lehnen Sie den Antrag der LINKEN ab!

In diesem Sinne vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das war Herr Günther für die Fraktion der FDP. – Jetzt spricht Frau Abg. Kagelmann, Fraktion LINKE.

Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir uns hier im Plenum mit der Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik beschäftigt hatten, jawohl, am 17. Dezember, nicht November, Herr Schmidt.

Sie werden sich erinnern. Damals erwartete Herr Heinz tolle Vorschläge von der Opposition, die dann relativ gelassen aufgenommen wurden, während der Blick in die Vergangenheit deutlich strittiger ausgetragen wurde, Stichwort: BVVG-Flächen. Dabei lagen unsere, also die LINKEN-Vorschläge zur GAP, bereits damals auf dem Tisch. Unser Antrag datiert vom 6. Dezember 2010. Heute nun werden die unterschiedlichen Sichtweisen auf unsere Landwirtschaft von morgen anhand zweier konträrer Anträge plastischer. Das hat natürlich auch seinen Reiz.

Einigkeit herrschte bereits im Dezember-Plenum darüber, dass die Bedeutung der europäischen Agrarpolitik für die Entwicklung auch der sächsischen Landwirtschaft eine aktive Befassung im Landtag und darüber hinaus erfordert, um sächsische Interessen deutlich machen zu können. Einigkeit herrschte nach meiner Wahrnehmung auch darüber, dass es einer starken finanziellen Ausgestaltung

des europäischen Agrarbudgets bedarf, gerade um dem multifunktionalen Ansatz der Agrarwirtschaft, aber insbesondere auch den wachsenden Anforderungen an eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion sowie einem erweiterten Kreis von Mitgliedsstaaten gerecht werden zu können. Ich habe damals von keinem der Diskutanten gehört, dass das Zweisäulenmodell infrage gestellt werden soll oder eine EU-weit einheitliche Flächenprämie gefordert wird. Das ist vielleicht mehr, als manch einer angesichts hitziger Vorfeldscharmützel in der Öffentlichkeit erwartet hatte.

Kommen wir deshalb gleich zu den Dissenspunkten in den vorliegenden Anträgen. DIE LINKE will eine europäische Agrarpolitik, die ökologischer und sozialer ausgerichtet ist, die globale Zusammenhänge stärker berücksichtigt und benachteiligte Gebiete mehr als bisher fördert. Hier, sehr geehrte Damen und Herren, besteht der Hauptkonflikt zwischen den vorliegenden Modellen. Während die Koalition im Wesentlichen für ein „Weiter so!“ mit abgesenkten Umweltstandards plädiert – zumindest interpretiere ich unter anderem den Punkt 7 Ihres Antrages in diese Richtung –, versucht DIE LINKE, sich den Problemen zu stellen. Diese Probleme, die eine Neuausrichtung der GAP unumgänglich machen, ergeben sich insbesondere aus den neuen globalen Herausforderungen, nämlich Klimawandel und Verlust der Biodiversität, die auch und gerade in Sachsen spürbar sind.

Nach dem Modell der LINKEN sollen die Direktzahlungen der ersten Säule in eine gekoppelte Umwelt- und Arbeitsprämie im Verhältnis 80 : 20 % überführt werden.

Dabei müssen Betriebe, die Direktzahlungen beantragen, bestimmte Zugangsvoraussetzungen erfüllen. Sie müssen auf den Anbau von Gentech-Pflanzen und auf Grünlandumbruch verzichten und sollen nur maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche halten. Außerdem müssen sie einen bestimmten Anteil der Betriebsflächen als ökologische Vorrangflächen ausweisen.

Verfolgt man nun die öffentliche Diskussion, scheint ein solcher Vorschlag die giftige Kröte zu sein, die zu schlucken ein großer Teil des Berufsstandes nicht bereit ist.

Die bisher geltenden Cross-Compliance-Regelungen seien ökologisches wie bürokratisches Korsett genug, heißt es vielfach. Aber erstens zeigen der fortgesetzte Artenschwund und die Probleme im Bereich Erosion, dass die Cross-Compliance-Regelungen offensichtlich nicht wirkungsvoll genug sind, und zweitens sind die in unserem Antrag vorgeschlagenen Zugangsvoraussetzungen bei genauer Betrachtung gar nicht so haarsträubend, wie es sich zunächst auf dem Papier ausmacht.

Gehen wir einmal in die Tiefe. In Sachsen baut derzeit kein Landwirt gentechnisch veränderte Pflanzen an. Das liegt zwar eher am aktuell wirksamen Anbauverbot von Gentech-Mais, aber offensichtlich sind die Leistungen der sächsischen Landwirte auch ohne Gentechnik machbar.

Auch in der Viehwirtschaft haben wir noch günstigere Bedingungen als in den alten Bundesländern. Wir liegen im Sachsendurchschnitt bei ungefähr 0,5 bis 0,6 Großvieheinheiten je Hektar Landwirtschaftsfläche. Das kann im Einzelfall regional und auf eine Tierart bezogen schon deutlich anders aussehen. Das ist eben die Krux mit Durchschnitten – darüber haben wir an dieser Stelle auch schon debattiert –, aber der Vorschlag der LINKEN begrenzt die Viehhaltung auf moderate zwei GVE. Dafür sind wir im Übrigen bereits von anderer Stelle kritisiert worden.

Aber jetzt kommt es: die ökologischen Vorrangflächen. Ich verweise ausdrücklich darauf, dass es sich im Punkt 2b um alternative Varianten handelt – eine der drei Bedingungen reicht also aus. Wenn sich dann die ersten Gewitterwolken verzogen haben und man ganz in Ruhe nachhakt, bestätigen viele Landwirte im persönlichen Gespräch, dass sich in den meisten Betrieben eine Fläche findet, die aufgrund von Vernässung oder sonstigen Standortnachteilen nur schwer zu bewirtschaften ist und die deshalb in eine solche ökologische Vorrangfläche umgewidmet werden kann.

Oder nehmen Sie das Beispiel der Blühstreifen im sogenannten Vorgewende. Nach unseren Vorstellungen kann ein solcher Streifen also bares Geld wert sein; man muss ihn nur ausweisen wollen. Man leistet damit einen zusätzlichen Beitrag zum Umwelt- und Artenschutz, und darum geht es uns.

Kommen wir zur vorgeschlagenen Arbeitsprämie. DIE LINKE ist ganz klar für einen gesetzlichen Mindestlohn. Das gilt selbstverständlich auch für landwirtschaftliche Betriebe.

(Beifall bei den LINKEN)

Ja, DIE LINKE will Betriebe belohnen, die gute Arbeit und gerechte Einkommen in ländlichen Regionen sichern, und zwar sehr bewusst als Gegensatz zu kapital- oder inputorientierten Lösungen zur Produktionssteigerung. Arbeitsplätze in ländlichen Regionen sind Voraussetzung dafür, dass die immensen Mittel der zweiten Säule überhaupt nachhaltig wirken können.

Frau Kagelmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Vielen Dank. – Nur eine kurze Zwischenfrage: Wie wollen Sie diese Mindestlohnaspekte, die Sie angesprochen haben, im Familienbetrieb sichern?

Der Subsistenzbetrieb gehört nicht in diese Reihe; wir haben ihn ausdrücklich in unserem Konzept ausgenommen. Es geht um die Betriebe, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigte haben.

Ich sprach davon, dass eine Voraussetzung für die Belebung des ländlichen Raumes gerade Einkommen sind, von denen man leben kann, und moderne Dörfer, Kulturhäuser und Sportplätze machen nur Sinn, wenn vor allem junge Menschen wieder auf dem Land ihre Lebensperspektiven planen, und dazu brauchen sie eben Arbeit und sichere Einkommen.

Schließlich, meine Damen und Herren, wollen wir keine Exportsubventionen mehr, denn die GAP ist auch – Zitat – „zu einem Symbol für die Rücksichtslosigkeit der Industrieländer gegenüber den Interessen der Entwicklungsländer geworden“. Das sagt kein Geringerer als Dr. Michael Brüntrup vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik. Die deutsche Landwirtschaft muss stärker mit Klasse am heimischen oder europäischen Markt punkten, nicht mit Masse, die dann auch noch staatlich gestützt werden muss, um wegen des allgemeinen Überangebotes an Fleisch und Milch überhaupt handelbar zu sein.

Entwicklungspolitisch verheerend ist die Exportorientierung der EU auch deshalb, weil die damit untrennbar verbundene starke Abhängigkeit von billigen Futtermittelimporten im Ausland riesige Flächen bindet. Allein der Sojaanbau für die europäische Tierhaltung beansprucht 20 Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche im Ausland. Die EU-Importe von Soja, Hülsenfrüchten und Ölsaaten und neuerdings auch von Energiepflanzen zur Agrartreibstoffherstellung verdrängen dabei insbesondere kleinbäuerliche Nahrungsmittelproduzenten. Wir produzieren die Probleme in der EU also vielfach selbst, die wir dann vorgeben, in der ganzen Welt angestrengt lösen zu müssen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, die Welt hat sich verändert. Wir müssen entschiedener auf wachsende existenzielle Herausforderungen der Menschheit reagieren und gleichzeitig lebenswerte ländliche Räume vor Ort erhalten. Deshalb darf es ein „Weiter so!“ in der europäischen Landwirtschaftspolitik nicht geben, und deshalb braucht es etwas mehr Mut für Veränderungen. Das pure Abstellen auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, wie Sie es im Koalitionsantrag vorlegen, greift zu kurz und ist ethisch unverantwortbar.

Ich bitte Sie, dem Antrag der LINKEN zuzustimmen.