Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich Ihnen mitteilen, dass sich mittlerweile weitere Änderungen zur Tagesordnung ergeben haben. Die parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf verständigt, dass auch die Anträge der Fraktion DIE LINKE zum Tagesordnungspunkt 5 und der Fraktion der SPD zum Tagesordnungspunkt 6 heute nicht beraten werden sollen und abgesetzt sind.
Gleiches gilt für den Tagesordnungspunkt 10, Kleine Anfragen. Die Probleme haben sich geklärt, und dieser Tagesordnungspunkt ist auch von der Tagesordnung gestrichen.
1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes des kommunalen Baumbestandes durch die sächsischen Gemeinden – Sächsisches Baumschutzgesetz (SächsBaumSchG)
Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die einreichende Fraktion DIE LINKE. An die acht Minuten möchte ich erinnern. Frau Dr. Pinka, Sie haben das Wort und können den Gesetzentwurf einbringen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den vorliegenden Gesetzentwurf gern mit einem Zitat des Naturwissenschaftlers und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker einleiten: „Politik ist der stets neu zu schaffende Kompromiss von Macht und Vernunft.“
Das „Baum-ab-Gesetz“ ist ein typisches Beispiel dafür, dass genau diese Vernunft in der derzeitigen sächsischen CDU- und FDP-Koalition fehlt. Erst im September dieses Jahres wurde durch sie die Vereinfachung des Landesumweltrechts, das vom Volksmund „Baum-ab-Gesetz“ genannt wird, verabschiedet. Was wir bis dahin erlebt haben, ist eine nicht zu überbietende Ignoranz im Umweltausschuss einschließlich juristischer Geheimgutachten von Ministerien. Das gipfelte an diesem Tag in maßlosen und falschen Darstellungen von Tatsachen durch den Abg. Herrn Biesok. Ich zitiere aus dem Protokoll: „Hier wird so getan, als ob wir jetzt elementare Verfassungsrechte brechen.“
Nun gab es zwei Fraktionen in diesem Hohen Hause, denen ich ausdrücklich dafür danken möchte, dass sie den Juristischen Dienst der Landtagsverwaltung mit der Prüfung dieses Gesetzes hinsichtlich des Verstoßes gegen Artikel 87 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen beauftragt haben. Im Besonderen geht es um die Rechtmäßigkeit der Kostenfreiheit des Genehmigungsverfahrens zur Fällung eines Baumes.
Fazit der Gutachten: „Die Neuregelung des § 22 Abs. 3a Satz 3 Sächsisches Naturschutzgesetz begegnet im Hinblick auf den kommunalen Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung nach Artikel 87 Abs. 1 Sächsischer Verfassung erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.“
Jetzt komme ich noch einmal zu Herrn Biesok. Damals wie jetzt wird nicht nur so getan, als ob Verfassungsrechte gebrochen werden, sondern der Umstand ist mittlerweile durch diese zwei Gutachten bestätigt. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.
Wie sich die Mitglieder des Umweltausschusses hoffentlich erinnern werden, haben uns die geladenen Experten bereits im März auf diesen Umstand in der Anhörung hingewiesen.
Als Opposition ist es unsere Aufgabe, bei derartigen Fehlentwicklungen zurückzusteuern. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, es ist auch Ihre Aufgabe, offensichtlich verfassungswidrige Zustände im Freistaat Sachsen nicht zuzulassen. Damit könnten, in welcher Konstellation auch immer, angekündigte und sicher zu erwartende langwierige und dazu höchstwahrscheinlich erfolgreiche Normenkontrollklagen aus dem Landtag und Verfassungsbeschwerden von Gemeinden unnötig werden. In Vorbereitung befindet sich ja bereits eine Klage der Stadt Leipzig gegen die jetzige Fassung des Naturschutzgesetzes.
Daher unser Appell an Sie: Setzen Sie mit uns den Zustand des Sächsischen Naturschutzgesetzes zu den geschützten Landschaftsbestandteilen, also den Artikel 22, vor der Verabschiedung des unleidlichen LandesUmweltschutzrechtsvereinfachungsgesetzes wieder in Kraft, um Schaden vom Freistaat Sachsen abzuwenden.
Nichts anderes enthält unser Gesetz zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes des kommunalen Baumbestandes durch die sächsischen Gemeinden, das Sächsische Baumschutzgesetz.
Da ich heute meinen Beitrag mit einem Zitat des Philosophen Carl-Friedrich von Weizsäcker begonnen habe, möchte ich auch eines ans Ende meiner knappen Rede stellen: „Verstand dient der Wahrnehmung der eigenen Interessen. Vernunft ist Wahrnehmung des Gesamtinteresses.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ich bitte um Zustimmung zur Überweisung an den Umweltausschuss – federführend. Das begründet sich mit der Verfassung des in Rede stehenden Gesetzes in diesem Ausschuss. Zum anderen bitte ich Sie, Herr Präsident, auch um Überweisung zur Mitberatung an den Innenausschuss. Das stand heute nicht auf der Tagesordnung, ist aber begründet mit der besonderen Betroffenheit der Kommunen; denn hier geht es, wie in den Gutachten dargestellt, um originäre kommunale Interessen.
Vielen Dank, Frau Dr. Pinka, für die Einbringung des Gesetzentwurfs. – Meine Damen und Herren! Sie haben den Wunsch der einbringenden Fraktion gehört. Ich schlage Ihnen daher vor, den Entwurf Gesetz zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes des kommunalen Baumbestandes durch die sächsischen Gemeinden, Sächsisches Baumschutzgesetz, federführend an den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft und mitberatend an den Innenausschuss zu überweisen.
Wer diesem Vorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit verfahren wir so, wie beantragt. Der Entwurf wird federführend an den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft und mitberatend an den Innenausschuss überwiesen.
18. Tätigkeitsbericht 2009/2010 des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik – Berichtszeitraum: 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010 –
Drucksache 5/3439, Unterrichtung durch den Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
Meine Damen und Herren! Das Präsidium hat sich auf eine Redezeit von 10 Minuten je Fraktion verständigt. Wir können mit der Aussprache in der bewährten Reihenfolge beginnen: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in diesem Monat genau 21 Jahre her, dass der angestaute Volkszorn in den Bezirks- und Kreisstädten der untergegangenen DDR die Zentrale der Stasi stürmte und damit das offizielle Ende des verhassten Unterdrückungs- und Überwachungsapparates der Partei der Arbeiterklasse einleitete.
Allein zur geheimen Bespitzelung einer Bevölkerung von damals 16 Millionen beschäftigte die Stasi, das Schild und Schwert der Partei, ganze 189 000 Inoffizielle Mitarbeiter, genannt IM. Zum Vergleich: In unserem aufmüpfigen Nachbarland Polen waren es bei 40 Millionen Einwohnern nur 55 000 inoffizielle Denunzianten.
In ihrer Angst vor der eigenen Bevölkerung des Arbeiterund-Bauern-Staates hatte die SED durch die Stasi ein wirklich flächendeckendes Überwachungsnetz knüpfen lassen, unabhängig von einer vermeintlichen Bedrohungslage; denn laut empirischer Erhebung der BirthlerBehörde waren 90 % der Spitzel nicht auf sogenannte feindliche DDR-Bürger angesetzt, sondern auf Otto Normalverbraucher im real existierenden Sozialismus.
Wer wie ich einmal selbst in den Besitz einer Stasi-Akte gelangt ist, kann nur das kalte Grausen bekommen, wenn er lesen muss, was die angesetzten Spitzel alles erdichteten, um den vorgefassten Verdacht auf staatsfeindliche Hetze begründen zu helfen. In meinem Fall waren es immerhin neun Denunzianten, die mich zur Strecke bringen sollten.
Ich frage mich, meine Damen und Herren, ist es eine Verhöhnung unserer Demokratie und eine Provokation des Rechtsstaates, wenn sich heute Stasi-Generäle zu Kongressen versammeln und ungeniert ihre Memoiren veröffentlichen können,
um das angeblich friedenssichernde MfS verklären zu helfen? Tatsächlich sind nach der Wiedervereinigung im Ergebnis von etwa 100 000 Ermittlungsverfahren nur etwas mehr als 50 Personen wegen der Verbrechen an der innerdeutschen Grenze, Rechtsbeugung und MfS-Straftaten verurteilt worden. In dreiviertel der Fälle wurden lediglich Bewährungsstrafen verhängt und nur 46 Täter mussten eine Haftstrafe antreten.
Das wiedervereinigte Deutschland hat sich bei der Strafverfolgung von DDR-Unrecht konsequent an rechtsstaatliche Prinzipien gehalten. Wer hier von Siegerjustiz spricht, macht sich lächerlich.
Die längste Haftzeit, die ein Mitglied der abgewickelten DDR-Führung absitzen musste, waren die vier Jahre von Honeckers Nachfolger Egon Krenz, die er zumeist als Freigänger erduldete.
Bedauerlich ist, dass trotz des § 118 unserer Verfassung heute immer noch zwei überführte Stasi-Spitzel im Sächsischen Landtag sitzen. In Brandenburg sollen sogar sieben von 26 Abgeordneten der Linksfraktion für die Stasi gearbeitet haben. Aber das kann uns nicht trösten.
Wie dem auch sei, der Krake Stasi hat vor 21 Jahren sein Leben aushauchen müssen, aber seine Tentakeln reichen bis in die Gegenwart. Ich erinnere nur an den jüngst bekanntgewordenen Fall des Historikers Michael Richter, alias IM Thomas, Autor eines über 1 000-seitigen Standardwerkes über die friedliche Revolution in Sachsen und die Bildung des Freistaates. Bei so viel Gewissenlosigkeit verschlägt es einem die Sprache.
Der Sächsische Landtag hat im Juni 1992 gut daran getan, das Landesbeauftragtengesetz zu beschließen. Das war, wie die Geschichte gezeigt hat, eine wichtige und notwendige Entscheidung. In unserem Nachbarland Brandenburg, wo man die Auseinandersetzung mit der Stasi weniger ernst nahm oder besser 20 Jahre lang mit Absicht verdrängte, fliegen die Schatten der Vergangenheit jetzt dem Landtag wie Fetzen um die Ohren. Die neu ernannte Stasi-Beauftragte, die mutige Bürgerrechtlerin Ulrike
Die „Frankfurter Allgemeine“ widmete den Stasi-Verstrickungen in Brandenburg in dieser Woche sogar eine ganze Seite.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es dem Landesbeauftragten mit unserem Gesetz vor 18 Jahren zur Aufgabe gemacht, die Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes aufzuarbeiten durch Unterrichtung der Öffentlichkeit über Strukturen, Methoden und Wirkungsweise des Staatssicherheitsdienstes als eines Instrumentes der SED, desgleichen durch Unterstützung der Forschung und der politischen Arbeit bei der historischen Aufarbeitung des Staatssicherheitsdienstes.
Der Landesbeauftragte hat dem Landtag mindestens jährlich einen Tätigkeitsbericht zu erstatten. Dieser liegt seit dem 25. August dieses Jahres in seiner 18. Auflage vor und konnte von den Mitgliedern des Sächsischen Landtages studiert werden.
Herr Michael Beleites und seine nur drei Mitarbeiter als kleinste Behörde im Freistaat haben für ihre engagierte Tätigkeit Dank und Anerkennung dieses Hohen Hauses verdient.