Eine Untersuchungshaft ist der gravierendste Eingriff in die persönliche Freiheit, der einem Menschen passieren kann, wenn sich nachher herausstellt, dass er unschuldig gewesen ist. Zentraler Punkt eines Untersuchungshaftvollzugsgesetzes ist immer die Unschuldsvermutung. Meine Vorredner haben es ausgeführt. Wir haben sowohl im Ursprungsentwurf als auch in der weiteren Beratung die Unschuldsvermutung noch einmal deutlich hervorgehoben. Wir haben auch deutlich gemacht, dass der Anschein einer Vorverurteilung in der Untersuchungshaft nicht sein darf. Ich denke, das ist auch ein Maßstab für andere Untersuchungshaftvollzugsgesetze.
Wir haben aus der Anhörung heraus eine Formulierung mit übernommen, die vom Deutschen Anwaltsverein erarbeitet wurde, wo wir auch noch einmal besonders die Unschuldsvermutung entsprechend mit hervorgehoben haben.
Wir müssen uns vor Augen halten, die Untersuchungshaft ist keine vorgezogene Strafhaft. Sie ist etwas anderes. Die Untersuchungshaft hat eine andere Aufgabe. Sie hat die Aufgabe, das Strafverfahren zu sichern. Sie hat die Aufgabe, die Angeklagten dem Strafverfahren zuzuführen, und dient nicht der Sühne eines begangenen Verbrechens. Deshalb war es besonders wichtig, dass wir in diesem Entwurf die Stellung der Verteidiger gestärkt haben. Die Beschuldigten und späteren Angeklagten sehen sich in einem Strafverfahren einer personell und sachlich gut ausgestatteten Strafverfolgungsbehörde gegenüber. Um ein faires Verfahren, das auch den internationalen Standards entspricht, zu gewährleisten, ist es notwendig, eine starke Verteidigung zu haben. Wir haben deshalb an dem vom Justizministerium vorgelegten Entwurf noch deutliche Verbesserungen vorgenommen, indem wir beispielsweise Mitteilungspflichten der Justizvollzugsanstalt eingeführt haben, wenn Disziplinarmaßnahmen gegen Untersuchungshaftgefangene durchgeführt werden oder beispielsweise eine Verlegung droht, dass unmittelbar der Kontakt auch zum Strafverteidiger gegeben ist.
Eine weitere wichtige Neuerung, die dieses Gesetz bringt, ist die Gleichstellung von Strafverteidigern, Rechtsanwälten und Notaren. Auch in der Untersuchungshaft kann es notwendig sein, dass man sich mit einem Berufsgeheimnisträger über diese wichtigen Fragen unterhält; wichtige familiäre Dinge oder Dinge, die das eigene Unternehmen betreffen, können auch Untersuchungshäftlinge treffen. Deshalb muss es auch wichtig sein sicherzustellen, dass das gesprochene Wort vertraulich behandelt wird.
Meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen, dass das Taschengeld und die Angleichung der Arbeitsentgelte auch ein wichtiger Teil in der parlamentarischen Beratung gewesen sind. Ich denke, wir haben gut daran getan, die Angleichung vorzunehmen und einen eigenen Taschengeldanspruch mit vorzusehen. Dies unterstreicht noch einmal die Unschuldsvermutung und stellt somit die Untersuchungshaftgefangenen nicht schlechter als die Strafgefangenen.
Ich denke, wir haben einen modernen Entwurf hier in Sachsen, der Vorbild für andere Bundesländer sein kann. Ich bitte Sie, diesem Entwurf zuzustimmen.
Als nächste Rednerin Frau Herrmann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Herrmann, Sie haben das Wort.
Danke, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An dieser Stelle wollte auch ich das Gesetzgebungsverfahren loben. Das hat Frau Friedel jetzt schon sehr ausführlich getan. Deshalb wird meine Rede etwas kürzer. Allerdings bin ich schon der Meinung, dass das Gesetzgebungsverfahren so eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Ich wünsche mir, dass auch andere Verfahren in dieser Art und Weise sachlich mit Unterstützung der entsprechenden Sachverständigen ablaufen sollten. Ich betrachte es aber als eine Selbstverständlichkeit. Wir sind hier, um Argumente auszutauschen und sachlich Gründe zu erwägen. Es ist wichtig, dass wir jetzt in Sachsen ein Gesetz für die Untersuchungshaft bekommen. Unser Sachverständiger in der Anhörung im Ausschuss hat den Umgang mit Untersuchungshaft als eine Nagelprobe des Rechtsstaates beschrieben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum Nagelprobe des Rechtsstaates? Vielleicht erst einmal: Was ist eine Nagelprobe? Das ist laut dem Grimm’schen Wörterbuch das Umstürzen eines ausgetrunkenen Glases auf den Nagel des linken Daumens zum Zeichen, dass nicht ein auf den Nagel fallender Tropfen zurückgeblieben ist. Sie können das heute Abend ja einmal ausprobieren. Das hat überhaupt nichts mit blaugeschlagenen Fingernägeln zu tun, weil Sie den Nagel nicht getroffen haben, den Sie in die Wand schlagen wollten. Ich denke, die Nagelprobe wird tatsächlich im Alltag in den JVA zeigen, ob unser Gesetz den Kriterien des Rechtsstaates entspricht.
Wir sind allerdings schon der Meinung, dass es recht gute Voraussetzungen dafür gibt, dass genau diese Nagelprobe bestanden wird, weil das Verfahren so sachlich abgelaufen ist. Das hat zum einen damit zu tun, dass das Gesetz auf einem Entwurf beruht, der von elf Bundesländern gemeinsam beschlossen wurde. Zum anderen hat es natürlich damit zu tun – das haben meine Vorredner an dieser Stelle auch schon gesagt –, dass der Gesetzentwurf nach der Anhörung in der Ausschussberatung zahlreiche Änderungen erfahren hat. Da kann man die Einführung des Taschengeldes und die Anhebung des Arbeitsentgeltes zum Beispiel hervorheben.
Natürlich kommt auch meine Rede nicht ohne Kritik aus. Die nun vorliegende Beschlussempfehlung zeichnet eine Verbesserung der Verteidigerrechte aus – das begrüßen wir als GRÜNEN-Fraktion natürlich ganz entschieden. Dafür steht auch Herr Martens, der aus diesem Metier kommt, mit seinem Namen.
Wir vermissen jedoch eine Änderung der zahlreichen Ermessensvorschriften, die der Gesetzentwurf leider immer noch bietet. Wenn also der Satz, der von Frau Dombois schon zitiert worden ist und der ins Gesetz eingefügt wurde – „Das Leben in der Untersuchungshaft darf sich von einem Leben in Freiheit nur insoweit unterscheiden, wie der Zweck der Untersuchungshaft und die Erfordernisse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt es unabdingbar erforderlich machen“ –, wirklich die Richtschnur ist, wäre an vielen Stellen mehr als Ermessen notwendig gewesen. Wir hätten also ganz klare Prämissen ins Gesetz schreiben sollen.
So geht das Gesetz leider immer noch davon aus, dass dem Untersuchungshäftling zum Beispiel Freizeit zu gewähren ist, statt ein Recht zu formulieren, wie viele Stunden ein Untersuchungshäftling in Gemeinschaft oder im Freien verbringen darf. An vielen Stellen – das ist der Kritikpunkt – sind Gründe für ein Nichtgewähren überhaupt nicht ersichtlich. Es hat also den Anschein, als hänge es vom guten Willen der Anstaltsleitung ab, ob etwas gewährt wird. Das ist eben nicht im besten Sinne liberal, Herr Staatsminister.
Wir wollen einen unserer Änderungsanträge im Plenum vorstellen. Wir haben bewusst diesen Änderungsantrag gewählt. Einer ganzen Reihe von Änderungsanträgen, die auch wir eingebracht haben, ist die Koalition mit eigenen Änderungsanträgen gefolgt. Wir haben diesen Änderungsantrag gewählt, um noch einmal die Rechte der Kinder besonders deutlich zu machen.
Vielen Dank, Frau Herrmann. – Frau Herrmann beschließt die erste Runde der allgemeinen Aussprache. Die NPDFraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Ich frage die Staatsregierung: Möchte die Staatsregierung das Wort ergreifen? – Herr Staatsminister Dr. Martens, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 1. September 2006 traten die gesetzlichen Bestimmungen zur Neuordnung der bundesstaatlichen Ordnung – allgemein als Föderalismusreform I bezeichnet – in Kraft. Dabei fiel den Ländern unter anderem auch die Gesetzgebungskompetenz für den Vollzug der Untersuchungshaft zu. Von dieser Gesetzgebungskompetenz machen wir nunmehr Gebrauch. Lassen Sie mich daher auf den Inhalt und vorab auch auf das Verfahren zum Entstehen dieses Gesetzes eingehen.
In der Tat hat der Rechtsstaat in Bezug auf die Untersuchungshaft einige besondere Verpflichtungen. Er ist der Unschuldsvermutung verpflichtet, er ist dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet und er muss sowohl nach Grundgesetz wie auch nach der Sächsischen Verfassung und nach internationalen Normen Verteidigerrechte achten. Dies haben wir in diesem Gesetzentwurf getan, und ich denke, dieser Gesetzentwurf zeichnet sich auch dadurch aus, dass er in besonderer Weise und stärker als die Gesetze anderer Bundesländer diese Verpflichtungen ernst nimmt und ihnen nachkommt.
Bisher wurden alle über die bloße Freiheitsentziehung hinausgehenden Beschränkungen, denen sich Untersuchungsgefangene unterwerfen müssen, auf die Generalklausel, den § 119 Abs. 3 der Strafprozessordnung in ihrer alten Fassung, gestützt. Für die Ausgestaltung der Haft gab es lediglich eine bundeseinheitlich erlassene Verwaltungsvorschrift, die Untersuchungshaftvollzugsordnung. Das wird sich jetzt ändern. Auch im Hinblick auf den verfassungsmäßigen Bestimmtheitsgrundsatz und den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes begrüße ich das. Unser Gesetz stellt den Untersuchungshaftvollzug auf eine umfassende gesetzliche Grundlage.
Wichtigste Neuerung ist die Neuverteilung der Zuständigkeiten zwischen Gericht und Anstalt. Wegen der größeren Sachnähe wird für die allein vollzuglichen Entscheidungen zukünftig ausschließlich die Anstalt zuständig sein. Das heißt, der Streit darüber, wer zuständig ist, das Gericht oder die Anstalt, wird entfallen.
Die Untersuchungsgefangenen werden nach wie vor nicht zur Arbeit verpflichtet sein. Ihnen soll jedoch vermehrt Arbeit oder eine Beschäftigung angeboten werden. Bei entsprechender Eignung sollen sie im Vollzug die Gelegenheit erhalten, ihre Kenntnisse schulischer oder beruflicher Art zu verbessern. Die Erfahrung hat gezeigt, meine Damen und Herren, dass sich eine hohe Beschäftigungsquote in den Anstalten nicht nur auf den Einzelnen, sondern auch auf das gesamte Anstaltsklima auswirkt.
Besonderen Wert legen wir bei den jungen Untersuchungsgefangenen auf einen zeitgemäßen, am Erziehungsgedanken ausgerichteten Vollzug der Untersuchungshaft. Mit einem eigenen Abschnitt im Gesetz tragen wir auch den Besonderheiten und den alterstypischen Erfordernissen und Bedürfnissen dieser jungen Untersuchungsgefangenen Rechnung.
Lassen Sie mich einige der Verbesserungen vorstellen, die wir auf der Grundlage der bereits geführten Diskussionen vor der erneuten Einbringung des Gesetzentwurfs hier vorgenommen haben.
Der Gesetzentwurf trägt, wie gesagt, der hervorgehobenen Stellung der Rechtsanwälte und Notare als Organe der Rechtspflege stärker Rechnung als früher. Die Überwachung von Mandantengesprächen ist jetzt nicht nur bei Strafverteidigern verboten, sondern grundsätzlich bei Gesprächen mit Rechtsanwälten und Notaren, die den Untersuchungsgefangenen in einer Rechtssache betreuen. Auf diese Weise wird das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt bzw. Notar und seinem Mandanten nachhaltig gestärkt. Dieses Prinzip ist im Gesetzgebungsverfahren noch konsequenter auch auf andere Regelungen ausgeweitet worden. Das begrüße ich ausdrücklich.
Weiterhin ist die strikte Anwendung des Trennungsgrundsatzes von besonderer Bedeutung. Die alte Fassung ließ hier noch Ausnahmen zu. Zukünftig werden Untersuchungsgefangene nur noch mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung mit Gefangenen, die in anderen Haftarten einsitzen, insbesondere Strafgefangenen, gemeinsam untergebracht.
Ein weiterer Hinweis noch auf die Aktualität des Gesetzes: Der frühere Gesetzentwurf der letzten Staatsregierung ermächtigte den Anstaltsleiter noch, generell anzuordnen, dass Untersuchungsgefangene bei bestimmten Anlässen zu durchsuchen sind, und zwar entkleidet. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 4. Februar 2009 entschieden, dass eine solche generelle Anordnung verfassungsrechtlich unzulässig ist. Auch dem haben wir Rechnung getragen. Selbstverständlich ist eine solche Regelungsmöglichkeit im neuen Untersuchungshaftvollzugsgesetz entfallen.
Alle heute zur Abstimmung vorgesehenen Änderungsanträge haben sich an diesen Zielen orientiert. Ich bedanke mich auch noch einmal insgesamt beim Parlament für die sehr sachbezogene Diskussion im Ausschuss und in der Anhörung, die es möglich gemacht hat, den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf so zur Abstimmung zu bringen.
Meine Damen und Herren, das gilt auch für den Programmsatz, der zur Klarstellung eingefügt worden ist – er ist schon zitiert worden –: „Das Leben in der Untersuchungshaft darf sich von einem Leben in Freiheit nur so weit unterscheiden, wie der Zweck der Untersuchungshaft und die Erfordernisse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt dies unabdingbar erforderlich machen.“ Diese Klarstellung ist wichtig.
Wichtig sind auch die in den Beratungen vorgenommene Angleichung der Höhe des Arbeitsentgelts für arbeitende Untersuchungsgefangene und die Einführung eines Taschengeldanspruchs für bedürftige Untersuchungsgefangene. Den Zustand, dass Untersuchungsgefangene, nur weil sie nicht zur Arbeit verpflichtet sind, für dieselbe Arbeit ein geringeres Entgelt als Strafgefangene erhalten, kann man zu Recht als nicht zeitgemäß kritisieren.
Wie jeder weiß, benötigen auch die Untersuchungshäftlinge mehr als nur Kleidung, Nahrung und eine Unterkunft. Wir haben deshalb auch die Möglichkeit eingeräumt, mittellosen Untersuchungsgefangenen ein kleines Taschengeld – etwa 30 Euro im Monat – zur Verfügung zu stellen, damit sie eben nicht bereits zu Beginn der UHaft in finanzielle Abhängigkeiten geraten, was einer gewissen Subkulturbildung innerhalb der Haftanstalten entgegenwirkt.
Meine Damen und Herren, noch ein Wort zu den anderen Artikeln des sogenannten Mantelgesetzes. Mit Artikel 2, dem Justizvollzugssicherheitsgesetz, erhöhen wir die Sicherheitsstandards in den Anstalten. Wir führen insbesondere die Rechtsgrundlage ein, um in Zukunft den Einsatz sogenannter Mobilfunkblocker möglich zu machen. Diese befinden sich gegenwärtig in BadenWürttemberg, Berlin und Sachsen-Anhalt im Einsatz. Wir wollen hier abwarten, wie sich diese Einrichtungen bewähren, denn in der Tat stellt unkontrollierter Mobilfunkverkehr in den Anstalten ein ganz erhebliches Sicherheitsrisiko im Justizvollzug dar. Mit solchen Gesprächsmöglichkeiten mit Handys werden aus den Anstalten heraus Straftaten geplant oder es wird auf Zeugen eingewirkt und damit zum Beispiel auch der Verlauf von Strafverfahren beeinflusst. Mit unserem Gesetz schaffen wir die Möglichkeit, dies technisch zu unterbinden.
Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen will, ist das Verbot des Empfangs von Paketen mit Nahrungs- oder Genussmitteln oder Körperpflegemitteln. Solche Pakete haben sich leider in der Vergangenheit oft als Versteck für verbotene Gegenstände, für Handyteile, aber auch für Drogen oder Bargeld herausgestellt. Mit dem Einschmuggeln solcher Gegenstände – das ist zweifelsfrei – wird kriminelles Verhalten in den Anstalten begünstigt und das Entstehen einer Subkultur gefördert. Auch mit hohem personellem Aufwand war dieses Einfallstor nicht ausreichend zu verschließen. Gleichzeitig ist die Bedeutung solcher Pakete seit Erlass des Strafvollzuggesetzes insgesamt jedoch deutlich zurückgegangen. Gefangene können beim Anstaltskaufmann einkaufen oder mit Genehmigung der Anstalt Waren über Versandhandel beziehen.
Zum Schluss noch eine Anmerkung im Hinblick auf die Abschaffung von Schusswaffen. Das ist das erste Gesetz in diesem Mantelgesetz, mit dem im Strafvollzug in Deutschland Schusswaffen grundsätzlich abgeschafft werden. Zukünftig werden die Anstalten nur noch für Transportbedienstete selbst Schusswaffen vorhalten. Ansonsten wird die Sicherheit in den Anstalten ausschließlich durch präventive Maßnahmen geleistet. Sicherheitsbedenken haben wir dabei nicht.
Dies entspricht auch einer Forderung des Bundes der Strafvollzugbediensteten, denn Schusswaffengebrauch ist praktisch in den letzten 20 Jahren in Sachsen in den Justizvollzugsanstalten nicht vorgekommen. Wir werden durch diese Maßnahme also nicht nur die Kosten für das Vorhalten von Waffen, Munition und Schießtraining einsparen, sondern auch das Selbstverständnis der Voll
zugsbediensteten verändern – ein weiterer Schritt weg vom Sicherheitsbeamten, der Gefangene verwahrt, hin zum Mitglied eines Teams, das am Behandlungsvollzug arbeitet.
Meine Damen und Herren, mit dem Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft im Freistaat Sachsen und zur Änderung weiterer Gesetze schaffen wir jetzt eine gute und umfassende Grundlage für einen zeitgemäßen Untersuchungshaftvollzug. Ich bitte daher um möglichst breite Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf. Die im Parlament eingebrachten Änderungsanträge, die auch im Ausschuss übernommen worden sind, finden meine ausdrückliche Zustimmung. Ich denke, wir haben hier eine vernünftige Grundlage für ein sehr modernes Untersuchungshaftvollzugsgesetz geschaffen, das wir so, wie es vorliegt, verabschieden sollten. Die Änderungsanträge – lassen Sie mich das sagen – machen die Situation nicht besser. Sie führen – auch das wurde bereits in den Ausschussverhandlungen erläutert – im Großen und Ganzen zu wesentlich mehr Vollzugsaufwand, zu Formalismus, aber nicht zu mehr Sicherheit für die Untersuchungshäftlinge oder zu mehr Rechten. Deshalb bitte ich darum, diesen Gesetzentwurf unverändert zu verabschieden.
Meine Damen und Herren! Ich frage, ob noch ein Abgeordneter in einer zweiten Runde das Wort wünscht. – Das kann ich nicht erkennen. Wir kommen damit zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft im Freistaat Sachsen sowie zur Änderung weiterer Gesetze, Drucksache 5/2590, Gesetzentwurf der Staatsregierung. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses, Drucksache 5/4216. Es liegen folgende Änderungsanträge vor, über die wir gemäß § 46 Abs. 4 der Geschäftsordnung in der Reihenfolge ihres Einganges abstimmen:
Erster Änderungsantrag, Drucksache 5/4385, Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Herrmann, ich habe vernommen, dass Sie den vorhin schon eingebracht haben. Sie können noch einmal sprechen, wenn Sie möchten. – Sie wollen von dem Recht Gebrauch machen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hatte den Antrag noch nicht eingebracht. Mit unserem Änderungsantrag wollen wir auf ein Problem hinweisen, das nicht nur in der Untersuchungshaft, sondern im gesamten Strafvollzug bisher nicht zufriedenstellend gelöst worden ist. Besuchsrechte von Gefangenen werden immer nur vom Standpunkt der Gefangenen aus gedacht. Wenn Gefangene Kinder haben, so sind jedoch – das ist unsere Auffassung – auch deren Rechte zu beachten, ihre Rechte, ihre Eltern – Vater und Mutter – zu sehen. Wir haben als entscheidendes Kriterium dafür das Kindeswohl eingeführt und plädieren
deshalb für eine Ausweitung der Besuchszeiten für Kinder von Angehörigen, sofern es dem Kindeswohl dient. Ich denke, im Untersuchungshaftgesetz mit einer solchen Änderung anzufangen ist ganz richtig, weil – wir haben es jetzt immer wieder gehört – bei Untersuchungsgefangenen die Unschuldsvermutung gilt.
Zudem schlägt unser Änderungsantrag vor, dass junge Untersuchungsgefangene mindestens vier Stunden Besuch empfangen dürfen. Ich glaube, dass das keine Regelungen sind, die zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen. Es ist auch immer abzuwägen, was daraus an Vorteilen für das gesunde Aufwachsen von Kindern entstehen kann, und bitte Sie deshalb um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.
Ich frage die Fraktionen: Möchte eine Fraktion noch zu dem Änderungsantrag Stellung nehmen? – Frau Dombois, bitte.
Frau Kollegin Herrmann, ich kann das Anliegen, das Sie ansprechen, gut nachvollziehen. Ich bin dennoch der Meinung, dass das im § 33 von Artikel 1 bis 3 so geregelt ist, dass der Anstaltsleiter jederzeit eine Genehmigung geben kann. Nach vielen Jahren als Beiratsmitglied kann ich bestätigen, dass dies gemacht wird. Wir sollten auch versuchen, das als Beiratsmitglieder über die Anstaltsbeiräte abzufragen, uns auch einmal vorlegen zu lassen und dafür zu werben, dass die Kinder ein vorrangiges Besuchsrecht bekommen.
Danke, Herr Präsident. – Der Antrag stimmt hier weitestgehend mit unserem Antrag zu Ziffer 10 § 33 überein. Wir sind auch der Auffassung – die Sachverständigen haben darauf aufmerksam gemacht –, dass hier die Begriffe „mindestens“ und „Mindestregelung“ auch aufgenommen werden sollen. Die Problematik ist die – die werden die Anstaltsräte auch nicht ändern –: Mit den vorgesehenen Personalreduzierungen und dem Nichtauffüllen von entsprechenden Weggängen wird die Frage der Verfügbarkeit von Vollzugspersonal eben für die Besuchsdurchführung immer enger werden. Den Weg, das auf Appellcharakter zu stellen und nicht klipp und klar im Gesetz zu sagen, mindestens so viel an Besuch muss möglich sein, halten wir schon für etwas fragwürdig. Wir sind der Auffassung, dass der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN völlig berechtigt ist, mit uns übereinstimmt und wir diesen deshalb unterstützen.
Ich frage die anderen Fraktionen, die sich noch nicht zu Wort gemeldet haben: Möchten Sie zu dem Änderungsantrag sprechen? – Das kann ich nicht erkennen.