Protocol of the Session on September 1, 2010

Die Lohn- und Gehaltsentwicklung des öffentlichen Dienstes einschließlich der Beamten ist schneller vorangekommen als in der gewerblichen Wirtschaft oder im privaten Dienstleistungssektor, und das, obwohl die Steuerkraft Sachsens noch deutlich unter der dieser westdeutschen Länder liegt, im Moment bei circa 53 % Steuerdeckungsquote. Bei dieser Faktenlage, meine Damen und Herren, und das haben Sie durchaus angesprochen, muss es grundsätzlich möglich sein, darüber zu sprechen, ob die Lohn- und Gehaltsstruktur der öffentlich Bediensteten in Sachsen gerecht und gegenüber den anderen sächsischen Mitbewohnern fair ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Sie sprechen in Ihrem Antrag von gravierendem Einkommensgefälle. Mit Blick auf 1990, als das Einkommen dieser Schicht 45 % der Westgehälter betrug, ist das richtig. Ich denke, heute gibt es ein Einkommensgefälle – gravierend kann man es nicht nennen.

Im öffentlichen Dienst und bei den Beamten ist die Anpassung relativ rasant nach oben gegangen. Hier weiß ich, wovon ich spreche. Als Dienstherr von hundert Mitarbeitern einer öffentlichen Verwaltung kann ich Ihnen sagen, dass es ein schwieriger Kampf war und wir durchaus von allen nicht öffentlich Bediensteten sehr darum beneidet wurden.

Ich glaube nicht, dass wir uns im Widerspruch zur Verfassung befinden. Ich denke, es ist im Gegenteil sogar so, dass dem Alimentationsgrundsatz entgegen Ihrer Auffassung gerade entsprochen wird.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Hier hilft der Glaube nicht!)

Ich sage es aber deutlich: Ich will überhaupt nicht, dass wir diese Reduzierung vornehmen müssen. Sollte es bei den Haushaltsberatungen am Ende aber dazu kommen, ist das selbstverständlich für die Betroffenen ein schmerzlicher und unschöner Einschnitt. Mit diesen Einmalzahlungen werden auch einmalige Leistungen finanziert.

Wir wollen auch weiterhin von unseren Beamten den verantwortungsvollen Dienst, den sie bisher geleistet haben.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Aber für weniger Geld!)

Die Protestschreiben, von denen Sie sprachen, haben auch mich erreicht. Ich kann das durchaus verstehen. Aber wir müssen die Gesamtsituation, in der sich Sachsen befindet, berücksichtigen; wir alle: die Bediensteten des öffentlichen Sektors, die gesamte Bewohnerschaft dieses Landes. Aus diesem Grunde können wir Ihrem Antrag heute nicht

zustimmen, sondern warten die Haushaltsberatungen dazu ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Oliver Fritzsche, CDU: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren! Wir fahren in der allgemeinen Aussprache fort. Als nächster Redner kommt Herr Brangs für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es überrascht nicht, dass wir natürlich großes Verständnis für den Antrag der Linken haben und ihn unterstützen werden. Wir unterstützen diesen Antrag vor allem auch deshalb, weil ich glaube, dass der eine oder andere hier im Sächsischen Landtag sich vor Augen führen sollte, über welche Personengruppe wir da eigentlich reden und was wir von den Beamtinnen und Beamten in einem modernen Staat verlangen.

Es geht hier auch um die Frage, wie man sich einen Staat vorstellt, welches Staatsverständnis man hat. Es geht auch darum, dass man an dieser Stelle klar sagen muss, was Beamtinnen und Beamte in diesem Land leisten und was sie dafür als Besoldung bekommen. Wenn man sich ansieht, was für eine Besoldung zum Beispiel Polizisten oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Justizvollzugsbereich haben, dann muss man sagen, dass die hier angedachte Kürzung Familien und untere Besoldungsgruppen besonders treffen wird. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die jetzige Koalition beabsichtigt, das bisher kostenfreie letzte Kindergartenjahr auch kostenpflichtig zu machen, dann ist das natürlich eine ganz klare Ansage an junge Familien in diesem Land, und zwar eine Ansage, die nach unserer Auffassung ein vollkommen falsches Signal beinhaltet.

Die Argumente, die wir hier von der Koalition hören, muss man genau hinterfragen, ob sie stimmig sind. Ein Argument ist, dass die Sonderzahlung bereits in allen anderen Bundesländern entfallen sei. Diese Aussage ist falsch. Mein Kollege Bartl hat dazu schon etwas gesagt. Ich will es wiederholen: Richtig ist, dass viele dieser Bundesländer die Sonderzahlung bereits in das Grundgehalt integriert haben. Richtig ist, dass ausschließlich Brandenburg eine Regelung hat, die nicht diese Integration zur Folge hatte. Aber in Brandenburg ist man mittlerweile so weit, dass man eingesehen hat, dass diese Regelung gerade die unteren Besoldungsgruppen trifft. Deshalb wird das überarbeitet, und es gibt erste Ankündigungen der Brandenburger Regierung, dass man eine Regelung schaffen will, bei der die unteren Besoldungsgruppen und die Beamten, die Kinder haben, mit einer Sonderleistung bedacht werden.

(Beifall des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Um es noch einmal klar zu sagen: In Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein gibt es nach wie vor diese Sonderzahlung. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Thüringen ist sie Bestandteil der Grundbesoldung, in die sie eingerechnet wurde. Wenn wir das in Sachsen tatsächlich umsetzen wollten – ich gehe davon aus, dass Sie die Stimmen der demokratischen Opposition dafür nicht bekommen –, bedeutet der Wegfall der Sonderzahlung in Sachsen vor allem, dass wir, was das Gehalts- bzw. Besoldungsgefüge betrifft, hinter die alten und neuen Bundesländer zurückfallen. Das wirkt sich auch auf die Förderung von jungen qualifizierten Beamtinnen und Beamten aus. Viele junge Beamtinnen und Beamte werden natürlich in die Länder gehen, in denen es eine bessere Besoldung gibt. Wer den Zusammenhang zwischen der Abwanderung von qualifizierten Beamtinnen und Beamten und der Kahlschlagpolitik, die Sie jetzt betreiben, nicht sieht, der hat es wirklich nicht verstanden.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Wenn man auf der einen Seite davon spricht, dass man einen modernen Staat haben will, von E-Government und einem digitalen Kabinett spricht und was ich sonst noch in den letzten Wochen gelesen habe, dann muss man natürlich auch sagen, was man für ein Staatsverständnis hat und welche Leistungen in staatlicher Hand man durch wen erfüllen lassen will. Dann wird es schnell dazu kommen, dass man über Nachwuchsförderung sprechen muss.

Ein Beamter, der in der Eingangsgruppe A9 mit 21 Jahren beginnt, erhält nach drei Jahren, wenn er das 25. Lebensjahr und die Stufe 2 erreicht hat, ein Nettojahresgehalt – nun passen Sie einmal auf, das macht auch als Abgeordneter Sinn, um die Bodenhaftung nicht zu verlieren – von 19 700 Euro. Die Kürzung durch diese Sonderzahlung beträgt fast 2 000 Euro. Da wollen Sie mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass das keine Auswirkungen auf die Pläne der jungen Menschen in diesem Land hätte.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Cornelia Falken, Linksfraktion: Genau!)

Zum Schluss nur noch ein Punkt, denn ich weiß, dass ich bei vielen Eulen nach Athen trage, während ich andere nie erreichen werde. Das Bundesverwaltungsgericht hat 2002 entschieden, dass für die Konsolidierung von Haushalten Beamte nicht herhalten dürfen. Das besondere Treueverhältnis von Beamtinnen und Beamten darf kein Anlass dafür sein, dass sie dann diejenigen sind, die am Ende die Suppe auslöffeln sollen. Was Sie hier mit der beabsichtigten Kürzung der Sonderzahlung erreichen, ist ein fatales Signal.

Ich möchte wirklich keinen der Damen und Herren der Koalition in einigen Jahren erleben, wenn wir hier Probleme mit der Nachwuchsförderung im Bereich der Polizei

oder bei anderen Beamten haben, die mir dann erzählen, dass das nichts mit der Höhe der Besoldung zu tun hätte.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Als Nächster folgt in der allgemeinen Aussprache Herr Zastrow für die FDP-Fraktion. Herr Zastrow, Sie haben das Wort.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Lichdi, ich teile Ihre Vorfreude, ich sehe mich auch sehr gern hier vorn.

Es macht mit Sicherheit, meine Damen und Herren, mehr Freude, sich wie Kollege Bartl hier als Weihnachtsmann aufzuspielen

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Der hat doch gar keine Mütze auf!)

und gönnerhaft Geschenke zu verteilen,

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Was heißt hier Geschenke?)

als den sächsischen Beamten mitteilen zu müssen, dass es in diesem Jahr zu Weihnachten eben mal keine Extrageschenke gibt.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Das ist zwar ehrlicher als das, was Sie machen, Kollege Bartl. Sie wedeln hier mit dem Jutesack, haben aber genauso wenig drin wie wir, denn ich bin mir ziemlich sicher: Wenn Sie Verantwortung für dieses Land tragen müssten, dann wüssten Sie angesichts der finanziellen Lage, in der sich Sachsen derzeit befindet, auch nicht, wie Sie diese Sonderzahlung finanzieren sollten.

Aber es ist ja so schön populistisch und man kann sich mit einem solchen Antrag – das haben Sie ja, wenn ich das richtig verstehe, heute auch mit Ihrer Abstimmung noch vor – schön viele Freunde machen. Es ist einfach, so etwas zu fordern, aber es passt natürlich zu Ihnen: Sie fordern einfach, aber bieten nie eine Lösung. Das sind wir von den Linken gewohnt, meine Damen und Herren.

(Andreas Storr, NPD: Wir von Ihnen aber auch, als Sie noch Opposition waren!)

23 Millionen Euro würde dem Freistaat Sachsen das Weihnachtsgeld kosten,

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

die wir angesichts dramatischer Einbrüche bei den Steuereinnahmen, angesichts rückläufiger Solidarpaktmittel und angesichts der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg nicht haben.

Man kann die Frage stellen, ob diese Kürzung fair ist. Man kann auch die Frage stellen – das ist zulässig –, ob es gerecht ist. Ich kann den Ärger unserer Beamtenschaft

auch sehr gut verstehen und nachvollziehen, denn unsere Beamten leisten an vielen Stellen im Freistaat Sachsen eine gute Arbeit, und sie haben einen bedeutenden Anteil daran, dass sich der Freistaat Sachsen in den vergangenen 20 Jahren so gut entwickelt hat.

Aber, meine Damen und Herren, mit dieser Leistung steht unsere Beamtenschaft nicht allein da, denn auch – das haben Sie, Herr Kollege Bartl, vorhin in Ihren Ausführungen vergessen – die vielen Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft haben einen sehr großen Anteil daran, dass sich Sachsen in den letzten Jahren so gut entwickelt hat.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Klaus Bartl, Linksfraktion: Wir sind für den Mindestlohn!)

Dass Sie die Unternehmer, die Selbstständigen, nicht erwähnen, wundert mich nicht, liebe Kollegen von der Linken. So ist es nun einmal. Der Unterschied ist, dass anders als Beamte und anders als der öffentliche Dienst die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft eine so geniale Erfindung wie ein 13. Gehalt, ein Urlaubsgeld oder ein Weihnachtsgeld überhaupt nicht kennen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe der Abg. Stefan Brangs, SPD, und Klaus Bartl, Linksfraktion)

Unsere in der Regel klein- und mittelständisch geprägte Wirtschaft – – Sie sollten das zur Kenntnis nehmen, auch wenn es schwerfällt, Herr Kollege Brangs.

(Stefan Brangs, SPD: Sie haben doch wirklich keine Ahnung, wo Sie leben! 19 700 Euro Jahresgehalt!)