Eines ist klar: Angesichts der Bilder von Neiße, Spree, Würschnitz und Kirnitzsch müssen wir beim Hochwasserschutz noch mehr auf die Tube drücken. Das ist nur leider – der Ministerpräsident hat das sehr eindrücklich angesprochen –, auch wenn die Staatsregierung mehr Tempo machen möchte, nicht immer so leicht möglich. Denn oftmals ist es so, dass ein paar verbohrte Grundstücks
eigentümer oder – gar nicht so selten – grüne „Aktivisten“ wichtige Schutzmaßnahmen blockieren, meine Damen und Herren. Deswegen sei an Ihre Adresse, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, der Appell gerichtet: Holen Sie einfach Ihre Leute von den Bäumen! Dann wären wir im Hochwasserschutz schon wesentlich weiter.
Ich denke dabei zum Beispiel an den Widerstand vieler Öko-Fundis gegen das Fällen von Bäumen auf Deichen – das haben Sie heute wahrscheinlich gelesen –, was zur Folge hat, dass Deiche ihre Stabilität verlieren und am Ende umgefallene Stämme zu Barrieren im Wasser werden können. Hochwasserschutz geht alle an. Hochwasserschutz und damit der Schutz für Leben und Eigentum muss Vorrang vor grünem Heile-Welt-Beglückungsdogmatismus haben, meine Damen und Herren.
Das es solch einen großen Konsens bei Hochwasserschutzmaßnahmen, lieber Martin Dulig, eben nicht gibt, habe ich als Stadtrat in Dresden erst vor einiger Zeit erlebt. Einige werden es vielleicht noch wissen. Die SPD hatte nämlich im Jahr 2006 mit einem Antrag versucht, die wichtige Pieschener Flutschutzmauer, die dort errichtet werden sollte und inzwischen auch errichtet worden ist, niedriger bauen zu lassen. Damit will ich nur sagen, wie schwierig Hochwasserschutz ist. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, aber ich will ein paar Auszüge aus der Begründung von damals aus dem SPD-Antrag, der übrigens von der Linken-Fraktion unterstützt worden ist, bringen.
Darin steht, Zitat: „dass die Stadt und der Landschaftsraum in diesem Bereich zum Weltkulturerbe gehören und dass die Ansicht auf die Elbe, auf das gegenüberliegende Ufer sowie der reizvolle Ausblick auf das Stadtzentrum gestört werden könnten.“ Genau das sind die Einwände gegen sinnvollen Hochwasserschutz. Aus unserer Sicht muss Hochwasserschutz Vorrang haben, und das sollte Konsens in diesem Haus sein, meine Damen und Herren.
Sehr geehrte Frau Friedel, das ist sehr praktische Politik und das sind die Grenzen, an die die Staatsregierung mit ihren Maßnahmen stößt.
Lassen Sie mich noch einen anderen Gedanken formulieren, weil dieser noch nicht angesprochen wurde. Vielleicht sollten wir auch in unserer Forstwirtschaft manches auf den Prüfstand stellen. Denn anders als noch vor einigen Jahren ist es jetzt üblich, verrottetes Holz, sogenanntes Totholz, in den Wäldern liegen zu lassen, damit vor allem Insekten bessere Lebensbedingungen vorfinden. Das macht man übrigens nicht überall in Europa, aber bei uns hält man es seit einiger Zeit für eine gute Idee. Das freut unter anderem den Borkenkäfer, aber darauf will ich jetzt nicht näher eingehen. Fakt ist aber – das haben wir in den betroffenen Gebieten auch gesehen –, dass dieses Holz bei Hochwasser aus den Wäldern in entsprechenden Lagen herausgespült wird, gefährliches Treibgut bildet und sich so beispielsweise vor Engstellen wie Brückenbauwerken zu gefährlichen Barrieren aufbaut. Dieses Phänomen, meine Damen und Herren, sollte man sich auch in der sächsischen Forstwirtschaft einmal etwas genauer anschauen.
Die Flut zeigt, dass es einen hundertprozentigen Schutz nicht gibt, egal, welche Maßnahmen wir ergreifen. Jeder, der an einem Wasserlauf lebt, muss wissen, dass die Natur im Zweifelsfall stärker ist, und er muss sich darauf einstellen. Denn man kann in Sachsen nun einmal nicht in der Nähe eines Wassers ohne Gefahr leben, man muss mit der Gefahr leben. Die Konsequenz daraus heißt: Vorsorge betreiben. Vorsorge im Kleinen heißt beispielsweise, dass man nur das in den Keller räumt, was im Zweifelsfall entbehrlich ist. Vorsorge im Großen heißt, dass man bereit ist, eine entsprechende Versicherung gegen mögliche Schäden abzuschließen und dafür den einen oder anderen Euro einzusetzen. Dabei kann man unsere Bürger nicht einfach aus der Verantwortung entlassen, meine Damen und Herren.
Es gibt leider nicht wenige, die zwar ein hübsches, attraktives Haus am Fluss ihr Eigen nennen, denen aber der Versicherungsbeitrag doch ein bisschen zu hoch gewesen ist. Genau darin besteht das Dilemma; denn die gesamten Oppositionsfraktionen überbieten sich im Moment gegenseitig mit der Forderung nach Barem, mit der Forderung nach möglichst direkter Fluthilfe, pauschal und ohne jegliche Differenzierung. Ich frage Sie: Soll der Staat tatsächlichen denjenigen, der sich verantwortungsbewusst auf eigene Kosten versichert hat, mit demjenigen gleichstellen, der grob fahrlässig, vielleicht auch vorsätzlich, ganz bewusst auf diesen Versicherungsschutz verzichtet hat?
Für dieses Verhalten soll die Gemeinschaft haften? – Das kann nicht gerecht sein, meine Damen und Herren. Das können wir nicht machen.
Es gibt Fälle – Herr Hahn, da haben Sie recht –, dass jemand keine Versicherung bekommen hat. Ich finde den
Gedanken, den Sie geäußert haben, man müsse mit der Versicherungswirtschaft reden, sehr interessant und sehr wichtig. Ob es eine Pflichtversicherung geben soll, weiß ich nicht. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, es ähnlich zu machen wie bei den Krankenkassen. Diese haben die Pflicht, jeden anzunehmen; sie können jemanden nicht ohne Weiteres ablehnen. Ich bin der Meinung, dass die Versicherungsgesellschaften dazu verpflichtet sein sollten, auch in Risikogebieten entsprechende Versicherungen anzubieten. Darüber muss man sprechen, das ist ein richtiger Gedanke.
Ich möchte aber noch etwas fragen, weil wir vorhin bei der Gerechtigkeit waren: Was machen wir eigentlich mit all denen, die tagtäglich ebenfalls von besonderen Naturereignissen betroffen sind? Sie werden es vielleicht nicht wissen, aber Sie können es ahnen: Jeden Tag gibt es irgendwo in Sachsen Leid durch Naturereignisse. Was glauben Sie eigentlich, wie viele Blitze beispielsweise in Sachsen in Gebäude einschlagen, wobei dann ein einzelnes Haus abbrennt? Was glauben Sie, wie oft einzelne Grundstückseigentümer von einem Erdrutsch, von einem lokalen Hochwasserereignis oder auch von einem Hagelsturm betroffen sind?
Bei diesen Schäden schaut die Öffentlichkeit nämlich nur sehr selten hin. In der Regel ist der Eigentümer dann auf sich selbst gestellt.
Das ist eigentlich auch kein Problem, weil jeder Hauseigentümer, jeder Grundstücksbesitzer selbstverständlich weiß, dass er sein Eigentum versichern muss. Das gehört zu den Pflichten, die ich nun einmal als Eigentümer habe, und dieser Pflicht muss ich auch nachkommen, meine Damen und Herren.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auf das Prinzip Eigenverantwortung setzen müssen und unsere Bürgerinnen und Bürger besser darüber aufklären müssen, dass der Staat eben nicht immer mit dem geöffneten Portemonnaie zur Seite steht. Das ist bereits im Jahr 2002 gesagt worden, ich habe das vernommen. Offensichtlich hat sich nicht jeder daran gehalten.
Es gibt Ausnahmen, gar keine Frage. Es gibt Ausnahmen, wenn jemand trotz aller Bemühungen nach mehrfachen Versuchen keinen Versicherungsschutz bekommen hat.
Und es gibt Ausnahmen in dem Fall, dass beispielsweise Unternehmen für ihre Betriebsmittel, ihre Maschinen oder ihre Warenbestände in bestimmten Lagen direkt am Fluss keine Versicherung bekommen haben.
Ich denke, dass der Freistaat Sachsen aber mit dem jetzt beschlossenen Hilfsprogramm, auch mit dem Kreditprogramm, ein ordentliches Instrument gefunden hat. Ich vertraue zudem auf die einzelfallbezogene Härtefallregelung, die jedem von besonders schweren Schicksalsschlägen Betroffenen offensteht. Uns ist bewusst, dass es bei
diesem Katastrophenereignis sicher sehr viele solche Härtefälle geben wird. Ich vertraue auf den Ministerpräsidenten, der gesagt hat, dass jedem geholfen wird. Bisher war das immer so, und das wird auch in Zukunft so sein. Ich vertraue der Staatsregierung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Als ich am Nachmittag des 7. August dieses Jahres in verschiedenen Regionen der Oberlausitz wahrnahm, dass örtlich wahre Sturzbäche niedergingen, stand ich selbst zwischen Kubschütz und Hochkirch hinter Bautzen und machte meine persönlichen Erfahrungen. Ich kann deshalb vieles nachvollziehen, was Bürger sagten. Keiner wusste genau Bescheid. Alles stand ratlos herum. Ein einsamer Streifenpolizist teilte erschöpft mit, dass die Ortsdurchfahrt Steindörfel gesperrt sei. Er war ganz offensichtlich der einzige Polizist in der Gegend. Wagemutige versuchten dann, über die Dörfer zu fahren. In Meschwitz war aber dann schnell Schluss, denn derselbe Bach, der Steindörfel überflutet hatte, hatte auch hier die Brücke überschwemmt. Inzwischen waren meine Großeltern in Sornßig fast abgesoffen. Mein kleiner Sohn saß neben mir in unserem kleinen Auto, alarmiert, aber schweigsam. Das, was dieser Dreieinhalbjährige instinktiv begriffen hat, Herr Flath und vielleicht auch Herr Zastrow, das werden wir noch lange mit Ihnen besprechen müssen, bis Sie es auch annehmen. Das habe ich heute gemerkt.
Ich bin von Natur aus kein ängstlicher Mensch. Aber viele Menschen – und das kann ich nachvollziehen – fühlten sich an diesem Tag allein gelassen. Sie klagten über fehlende Informationen. Sie hatten gemerkt, dass es lange Rettungswege gibt und es furchtbar lange dauert, bis Hilfe kommt. Die Hilfe kam oft spät und war unzureichend.
Ich empfinde tiefes Mitgefühl mit allen, die als Angehörige, die zurückgeblieben sind, Trauer bewältigen müssen und vielleicht auch Wut empfinden. Ich empfinde auch Mitgefühl mit denen, die materielle Verluste verwinden müssen, die so hart sind, dass sie ihre Existenz bedrohen. Ich kann mir das alles gut vorstellen.
Sie, Herr Ministerpräsident, haben heute ausschließlich über Anpassungen an den Klimawandel geredet. Sie nennen das sogar „eine sächsische Klimapolitik“. Ich halte das für eine unmögliche Überhöhung. Das sage ich ganz offen. Sie haben kein einziges Wort zu den Ursachen des Klimawandels verloren.
Sie haben eher ein wenig den Eindruck erweckt, es handele sich um Gottes Wille, sächsisches Schicksal oder
Der Klimawandel ist in seiner Heftigkeit von Menschen gemacht. Mit Gott hat das nichts zu tun, Herr Tillich.
Es hat zu tun mit Politikern, die sich nicht bemühen, an die Wurzel der Probleme heranzugehen, sondern darauf vertrauen, dass die angeheiratete Werbeagentur in dieser Traumehe schon gut genug von den wesentlichen Problemen ablenken wird.
Rom konnte sich mit Brot und Spielen noch eine Weile über Wasser halten. Aber Sie wissen, wie das historisch geendet hat.