Protocol of the Session on July 9, 2014

Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Jawohl. Frau Staatsministerin Kurth, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In Sachsen haben die Horte eine lange Tradition. Es existiert ein dichtes Netz an verlässlichen Angeboten für unsere Schulkinder in den Klassenstufen 1 bis 4. Etwa 130 000 Schülerinnen und Schüler besuchten im Jahr 2013 einen Hort in Sachsen.

(Anhaltende Unruhe – Annekatrin Klepsch, DIE LINKE: Jawohl!)

Es wurde bereits erwähnt, dass der Hort seit dem Jahr 1993 im Freistaat Sachsen als eigenständiges Angebot der Kinder- und Jugendhilfe ausgestaltet ist. Die Betreuungsquote im Bereich der Sechs- bis Elfjährigen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Lag sie im Jahr 2006 noch bei zwei Dritteln der Kinder in dieser Altersgruppe, so nahmen im Jahr 2013 bereits vier von fünf Kindern eine Hortbetreuung in Anspruch. Das zeigt mir, dass das Angebot des Horts angenommen wird, auch wenn die Ganztagsangebote möglicherweise von einigen als Konkurrenz betrachtet werden.

Meine Damen und Herren! Die Rahmenbedingungen und die Qualitätsanforderungen für die Arbeit im Hort sind im Sächsischen Gesetz zur Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen festgehalten. Die Ziele und Methoden der pädagogischen Arbeit sind im Sächsischen Bildungsplan beschrieben, der für die Arbeit in der Krippe, im Kindergarten und im Hort gleichermaßen eine Grundlage ist.

Für den Hort gilt ebenso wie für die Krippe und für den Kindergarten die Sächsische Qualifikationsverordnung,

also ein sozialpädagogisch geprägtes Fachkräfteangebot, das seinesgleichen in den anderen Bundesländern sucht.

Unsere Horte kooperieren eng mit den Grundschulen. Jede Grundschule, die Ganztagsangebote anbietet,

schließt mit dem jeweiligen Hort einen Kooperationsvertrag ab, der das Zusammenspiel zwischen den Ganztagsangeboten und dem Hort regelt. Das sollte, auch der Situation vor Ort geschuldet, individuell geregelt und nicht bis in die letzte statistische Ecke erhoben werden. Dafür gibt es je nach der konkreten Situation vor Ort individuelle Möglichkeiten.

In den meisten Fällen befindet sich der Hort an oder in unmittelbarer Nähe der Grundschule. Etwas weniger als die Hälfte der Horte sind einer Kindertageseinrichtung angegliedert.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die vorliegende Große Anfrage – mit übrigens 110 Einzelfragen – liefert eine umfangreiche Datensammlung zu verschiedenen Aspekten der Arbeit im Hort. Mein Haus hat diese auf mehr als 80 Seiten zusammengetragen. Eine Frage, die darin immer wieder gestellt wird, ist die nach zentralen und verbindlichen Regelungen für die Hortarbeit. Meine Damen und Herren, diese Regelungen gibt es. Die Grundlagen dafür habe ich eben genannt.

Wenn nun dennoch weitere Regulierungen, wie wir eben hörten, vor allem für die Zusammenarbeit zwischen Grundschule und Hort gefordert werden, dann muss ich Ihnen sagen, für uns ist die Situation vor Ort entscheidend.

Ich möchte im Zusammenspiel von Grundschule und Hort keine weitere Einengung der Akteure, keine weiteren Regelungen. Wir haben bewusst Spielräume gelassen, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass der Hort nach wie vor in kommunaler Verantwortung liegt und sich dieses Modell der kommunalen Verantwortung bewährt hat. Daran werde ich, werden wir nicht rütteln: an der kommunalen Verantwortung. Wir werden das Zusammenspiel zwischen Grundschule und Hort weiter pflegen und ausbauen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Als Drucksache 5/13728 liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE vor, über den wir jetzt noch zu beraten und abzustimmen haben. Frau Abg. Klepsch, Sie haben jetzt Gelegenheit, den Antrag einzubringen. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich erlaube mir vor die Einbringung voranzustellen, dass ich mir heute doch etwas konkretere Aussagen seitens des Kultusministeriums gewünscht hätte und nicht nur Allgemeinplätze zur Zustandsbeschreibung. Umso besser ist es, dass wir einen Entschließungsantrag haben, mit dem wir ein paar Vorschläge machen, wie und

in welche Richtung es weitergehen soll und kann. Wie gesagt, wir sehen die Große Anfrage als Anregung, als Impuls für noch zu führende Fachdebatten auf Landesebene. Ich sage auch, dass man die Kommunen nicht immer alleinlassen und alles auf die kommunale Selbstverwaltung schieben kann.

Was fordern wir nun? Zum einen gehen wir in Punkt 1 ganz klar neben dem Rechtsanspruch – das hatte ich schon erwähnt – auf die Frage Betreuungsschlüssel ein. Es geht uns nicht darum, dass ab 2015 alles sofort viel, viel besser wird, sondern wir wünschen uns einen Stufenplan. Wir glauben aber, dass man erst einmal den ersten Schritt tun muss, um auch im Hort die Erzieherinnen und Erzieher etwas zu entlasten.

Zweitens glauben wir – das ist ja bei allen Kollegen zum Ausdruck gekommen –, dass es einer besseren Datenlage bedarf, um zu wissen, an welchen Stellschrauben auch am Hort seitens des Landes etwas gedreht werden muss. Wir sehen eine Handlungsnotwendigkeit hinsichtlich der Harmonisierung der Raumfrage zwischen Horten und Grundschulen, wenn es denn verstärkt zu einer Doppelnutzung der Räumlichkeiten kommt.

Ganz wichtig ist das Thema Inklusion, dabei auch hier den Hort auf den Weg zu bringen, die Kommunen und die örtlichen Träger der Jugendhilfe dabei zu unterstützen, die UN-Behindertenrechtskonvention und die Betreuung von Integrationskindern auch im Hort zu verbessern.

Das sind einige Punkte, die wir vorschlagen. Es ist nicht allumfassend. Beispielsweise ist die Frage Personal im Landesjugendamt, das auch die Aufsicht über die Betriebserlaubnisse hat und aus meiner Sicht völlig überlastet ist, durch uns nicht thematisiert worden. Ich bin aber dankbar, dass es noch einmal von Annekathrin Giegen

gack angesprochen wurde. Darüber müssen wir in den Haushaltsdebatten reden. Mit dem Entschließungsantrag ging es uns heute vor allem um fachliche Fragen bezüglich des Hortes.

Ein letzter Punkt ist die Frage der Fortbildung. Wir glauben, es ist notwendig, dass sich nicht nur Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch Erzieherinnen im Hort kostenfrei fortbilden können, und zwar über Angebote des Landes. Hier sollen das Landesjugendamt und das Sächsische Bildungsinstitut gemeinsam entsprechende Angebote unterbreiten, um die Fachkräfte, die an einem Ort in Schule und Hort gemeinsam arbeiten, auch gemeinsam fortzubilden. Das wäre ein erster kleiner Schritt, um das Ganze zu harmonisieren und diese Arbeit zu unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Klepsch.

Meine Damen und Herren! Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Die kann ich nicht erkennen. Ich lasse abstimmen über die Drucksache 5/14811. Wer zustimmen möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke sehr. Gibt es Enthaltungen? – Vielen Dank. Bei wenigen Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat dieser Entschließungsantrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Meine Damen und Herren! Die Behandlung der Großen Anfrage ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 9

Landesinitiative Demenz

Drucksache 5/14539, Antrag der Fraktion der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der Aussprache. Die Reihenfolge: SPD, CDU, LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Für die SPD beginnt Frau Abg. Neukirch. Sie haben das Wort, Frau Neukirch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Hauptsache klar im Kopf“ – das ist wohl die häufigste Formulierung, wenn sich Menschen zum Thema Altwerden äußern. Wenn der Körper nachlässt, ist das nicht schön. Aber damit kann man sich abfinden. Aber die Abnahme der geistigen Fähigkeiten, der Gedächtnisverlust, ist für viele die zentrale Bedrohung im Alter.

In den Medien wird Demenz häufig so beschrieben: „Geißel unserer Tage“, „Pest des 21. Jahrhunderts“,

„Menschenunwürdiges Siechtum“, „Leben mit Demenz ist kein Leben mehr“.

Sie wird als bösartige Krankheit klassifiziert. Diese Beschreibungen bewirken in allererster Linie eines: Sie machen Angst.

Fest steht aber auch: In unserer Gesellschaft werden immer mehr Menschen mit Demenz leben. Immer mehr Menschen werden mit dem Thema Demenz in Berührung kommen, sei es als Angehöriger, als beruflicher Helfer oder als Arbeitskollege, als Nachbar oder als Polizist, der gerufen wird, wenn eine scheinbar hilflose Person nachts verwirrt angetroffen wird.

Was wir brauchen, ist eine andere Anerkennung der Demenz als Teil des Lebens. Wir müssen die Demenz als

eine andere Möglichkeit, das Alter zu erleben, anerkennen.

Menschen mit Demenz sind ebenso ganzheitlich zu betrachten wie alle anderen und eben nicht nur auf den Status des Kranken zu reduzieren.

(Beifall des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE)

Demenz ist damit nicht nur eine Angelegenheit der Gesundheits- und pflegerischen Versorgung. Demenz entwickelt sich vor unseren Augen zu einer bedeutenden sozialen, politischen, ökonomischen und humanitären Herausforderung. Wir müssen ein neues soziales Zuhause bauen. Das ist die Lehre aus den vergangenen Jahren, wenn wir uns die Lage von Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen, aber auch zunehmend der professionell Pflegenden und der medizinisch Betreuenden anschauen.

Beispielsweise leben in einer Stadt in der Größenordnung wie Leipzig circa 10 000 Menschen mit Demenz. Werden diese in der Öffentlichkeit wahrgenommen? Die Antwort vieler Angehöriger und Betroffener lautet: Nein. Sie leben zu 30 % in Pflegeeinrichtungen und zu 70 % in der Abgeschlossenheit von privaten Wohnungen und privaten Pflegebeziehungen.

Es kann nicht genügen, ein paar lose Maßnahmen zu ergreifen. Nein, wir brauchen dafür eine neue soziale Versorgungsdimension. Die Demenz verwandelt die Stärken unserer modernen Gesellschaft in ihr Gegenteil. Aus den Möglichkeiten von Milliarden Speicherbits wird Gedächtnisschwäche und aus Individualisierung wird Persönlichkeitsverlust. Die Selbstverwirklichungs- und Eigenverantwortungsdiskurse haben hier ihre ganz klare Begrenzung. Wir müssen uns der Frage stellen: Was ist mit den Menschen, die das für sich nicht mehr können?

Wir müssen uns der zivilgesellschaftlichen Herausforderung stellen und eine Kultur des Helfens entwickeln und befördern. Die Inklusionsidee hilft auch hier weiter. Jeder Mensch ist als wichtiges Mitglied der Gesellschaft wertzuschätzen, unabhängig von seinen individuellen Möglichkeiten und Einschränkungen. Das muss der Ansatz sein. Nicht die Nützlichkeit oder Eigenverantwortung steht im Zentrum, sondern der Mensch mit seinen noch vorhandenen Fähigkeiten und seinen sozialen Beziehungen.

Ich sage: Mit Demenz leben zu lernen ist möglich. Jeder von uns muss sich in Beziehung zu dem setzen, was Demenz bedeutet. Das ist keine medizinische und pflegerische Herausforderung, das ist eine kulturelle Herausforderung.

Es gibt viele Ansätze, Demenz anders zu deuten und anders zu gestalten. Beispielsweise öffnet die Betrachtung von Demenz als Transformation von kognitiven, rationalen Fähigkeiten zu sinnlichen Erfahrungen, wie man es häufig in Berichten von Angehörigen, beispielsweise im Buch von Arno Geiger über seinen Vater, findet, eine neue Herangehensweise und Handlungsspielräume. Neben den Funktionseinschränkungen des Gehirns gibt es die sinnli

che und künstlerische Möglichkeit, sich mit solchen Menschen zu beschäftigen. Aber dazu brauchen wir andere Unterstützungsstrukturen als bisher. Wir brauchen vor allen Dingen die Wissenden und Erfahrenen in dem Bereich, die ihre Erkenntnisse weitergeben können, und zwar in einem neuen Rahmen.