Wir brauchen deswegen aus der Sicht der Staatsregierung keine neue Stelle in Form einer weiteren unabhängigen Landesbehörde. Es scheint eines der Lieblingsprojekte der LINKEN in diesem Parlament zu sein, immer neue Beauftragte, Ausschüsse oder ähnliche Gremien zu installieren.
Wenn man sich anschaut, was die LINKEN in den letzten 24 Jahren dort alles auf den Weg bringen wollte, wird einem schwindlig. Aus dem Stand fallen mir dazu neben den bereits etablierten Beauftragten für Datenschutz, für Schwerbehinderte, für Umweltschutz und neben der Frauenbeauftragten weitere Beauftragte für Abwasser oder Beiräte für Kleingärten, die Sie auch in der Verfassung verankert wissen wollten, Ausländerbeiräte und auch Nahverkehrsbeiräte ein. Die Liste ließe sich wahrscheinlich so weit verlängern, dass wir sie heute gar nicht mehr abhandeln könnten.
Die LINKEN leben davon, dass sie immer nur Beauftragte schaffen wollen, anstatt das, was vorhanden ist, zur Kenntnis zu nehmen und zu nutzen.
Wir brauchen in Sachsen weder neue öffentliche Stellen noch förmliche Beanstandungsverfahren. Wir wollen den Weg fortsetzen, den wir in den letzten fünf Jahren gegangen sind: Wir wollen die Verwaltungsstruktur einfach und überschaubar gestalten und Überregulierungen abbauen.
In der Tat: Die Verwaltung muss ständig an ihrer Bürgerfreundlichkeit arbeiten, aber – das sage ich Ihnen für die Staatsregierung – das tut die Verwaltung in Sachsen. Ich habe es schon gesagt: Sie tut es vielleicht erfolgreicher als in manch anderem Bundesland.
Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt zunächst über den Änderungsantrag in der Drucksache 5/14800 zur Drucksache 5/13585 abstimmen. Es handelt sich um einen Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich um ein Handzei
chen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Stimmenthaltung und zahlreichen Stimmen dafür ist der Änderungsantrag nicht angenommen.
Wir kommen nun zur artikelweisen Abstimmung. Aufgerufen ist der Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung des Unabhängigen Landesbüros für Bürgeranliegen des Freistaates Sachsen. Wir stimmen über den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE ab.
Wer der Gesetzesüberschrift seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei vier Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür ist die Überschrift mehrheitlich nicht angenommen.
Wir stimmen über Artikel 1 ab – Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen. Wer Artikel 1 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Gleiches Stimmverhalten: Bei einigen Stimmenthaltungen und
Ich rufe Artikel 2 auf – Gesetz über den Sächsischen Bürgerbeauftragten. Wer Artikel 2 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür ist auch Artikel 2 mehrheitlich abgelehnt.
Ich rufe Artikel 3 auf – Inkrafttreten. Wer Artikel 3 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Stimmenthaltungen? – Gegenstimmen? – Das gleiche Stimmverhalten: Artikel 3 ist mehrheitlich abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Sämtliche Teile des Gesetzentwurfs haben keine Zustimmung gefunden. Somit findet gemäß § 46 Abs. 7 der Geschäftsordnung keine Schlussabstimmung statt. Damit ist die 2. Beratung abgeschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: GRÜNE, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, sofern gewünscht. Herr Dr. Gerstenberg, Sie haben das Wort für die einreichende Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: „Die Unterdrückung der politischen Rechte und Freiheitsrechte in der DDR erfolgte nicht nur durch das MfS. Das MfS war nur Teil eines größeren Repressionsapparates, zu dem SED, Blockparteien, Nationale Volksarmee, Volkspolizei,
Betriebskampfgruppen, die Innenverwaltungen und viele andere gehörten. Die augenblickliche Diskussion stellt eine Blickverengung auf das MfS dar, wobei die Hauptverantwortlichen in der SED unberücksichtigt bleiben.“
Nein, diese nach wie vor aktuellen Sätze sind nicht der vorliegenden Drucksache entnommen, sie entstammen aus der Begründung zum Gesetzentwurf Sächsisches Landesgesetz zur persönlichen politischen und historischen Aufarbeitung der Repressionen in der ehemaligen DDR, den unsere Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 25. Februar 1992 eingereicht hat. Er war unsere Alternative zum Regierungsentwurf eines Landesbeauf
Gewiss war es unmittelbar nach der friedlichen Revolution wichtig, die verdeckte Arbeit des Staatssicherheitsdienstes und dadurch auch den repressiven Kern der SEDDiktatur offenzulegen. Das Interesse daran war riesengroß. Auf der Grundlage des im Juni 1992 schließlich verabschiedeten Gesetzes über Aufgaben und Rechtsstellung des sächsischen Landesbeauftragten haben die Landesbeauftragten bis heute eine wichtige und wertvolle Arbeit geleistet, für die ich ihnen und ihrem sehr kleinen, aber leistungsstarken Team in der Behörde ausdrücklich danke.
Bereits damals, umso mehr aber jetzt, fast ein Vierteljahrhundert nach der friedlichen Revolution, durfte und darf der gesetzliche Auftrag des Landesbeauftragten nicht auf die Staatssicherheit begrenzt bleiben. Diese Reduzierung trug von Anfang an die Gefahr an sich, dass die Auftraggeber für das „Schild und Schwert der Partei“, die Funktionäre der SED, aus dem Blickfeld gerieten. Die Konzentration auf Täter und Opfer führte zudem zur Ausblendung der Alltagserfahrung und der Lebenswirklichkeiten einer übergroßen Mehrheit der Bevölkerung.
Gerade im Interesse einer wirksamen Bildungsarbeit für die junge Generation, die die DDR nicht erlebt hat, ist es wichtig, die Aufarbeitung auf die Wirkungsweisen diktatorischer Herrschaftsformen insgesamt zu erweitern. Michael Beleites, langjähriger Landesbeauftragter für die Stasiunterlagen, formulierte das in seinem Rundbrief im Dezember 2010 so: „Doch heute, wo die Zielgruppe der politischen Bildung überwiegend aus jungen Menschen besteht, die an die DDR keine eigene Erinnerung haben, hat dieses Bildungskonzept fatale Nebenwirkungen. Wenn man nämlich nur über Täter und Opfer spricht, behandelt man die Lebenswirklichkeit von weniger als 2 % der damaligen Bevölkerung.“
Das Machtsystem in der DDR stützte sich außer auf Angst und Androhung von Repressionen, Ausgrenzung und staatlicher Gewalt auch auf die Vergabe von Privilegien, auf das Suggerieren von Chancengleichheit, auf das Ausnutzen von Idealen. Die Staatssicherheit funktionierte nur, wie es Prof. Jarausch in der Anhörung ausdrückte, weil es eine quasi normale Normalität der Bürger außerhalb gegeben hat.
Der Arbeitsbereich des Landesbeauftragten wird deshalb im vorliegenden Gesetzentwurf über den Staatssicherheitsdienst hinaus auf das Gesamtsystem der Diktatur in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR ausgeweitet, also auch auf die Alltagsgeschichte und die sozialen Prozesse unter Bedingungen ausgeklügelter Repressionsandrohungen.
In Anknüpfung an die bisherige Arbeit der Landesbeauftragten wird zudem im Gesetzentwurf ein ausdrücklicher Bildungsauftrag zu allen Wirkungsmechanismen der SED-Diktatur formuliert und die Dokumentationsarbeit in den Aufgabenkatalog aufgenommen. Dadurch soll er die Dokumentations-, Bildungs- und Forschungstätigkeit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, der Landeszentrale für politische Bildung sowie von weiteren Forschungseinrichtungen unterstützen und ergänzen. Ebenso wird die Zusammenarbeit mit den in Sachsen tätigen Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen als Verpflichtung in das Gesetz aufgenommen.
Um die Unabhängigkeit des Landesbeauftragten zu stärken und ihm eine möglichst breite politische Basis unter den demokratischen Fraktionen zu sichern, sollen die Landtagsfraktionen das Vorschlagsrecht für die Wahl erhalten und der Landesbeauftragte beim Sächsischen Landtag angesiedelt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Solche Änderungen hat der frühere Landesbeauftragte, Michael Beleites, über viele Jahre hinweg angemahnt. Die sächsischen Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen haben sich in ihrer Erklärung vom März 2011 dafür eingesetzt, und jüngst hat der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, Roland Jahn, bei einer Veranstaltung in der Dresdner Stasigedenkstätte Bautzener Straße die beschriebene Erweiterung des Aufgabenbereiches ein weiteres Mal gefordert. Nach Brandenburg 2009 hat im vergangenen Jahr auch der Thüringer Landtag sein Landesbeauftragtengesetz in diese
Richtung novelliert. Auch der sächsische Landesbeauftragte, Lutz Rathenow, hat 2011 eine Neufassung erarbeitet, die unserem Gesetzentwurf sehr ähnlich ist.
Es war deshalb zwar ungewöhnlich, aber für Eingeweihte wiederum keine Überraschung, dass die Sachverständigen in der Anhörung in einer seltenen Einhelligkeit die Inhalte der Neufassung des Stasi-Landesbeauftragtengesetzes unterstützt haben. Ilona Rau, ehemals Bürgerkomitee Dresden, begrüßte die gesamte Erweiterung des Aufgabenspektrums und bezeichnete die vorgesehene Anbindung des Landesbeauftragten an den Landtag als hervorragend. Prof. Konrad Jarausch, namhafter Zeithistoriker, betonte, dass richtigerweise wie bisher Repression und Opfergeschichte im Gesetz angelegt seien, aber die vorgesehene Öffnung sei notwendig, um den „Tunnelblick Staatssicherheit“ aufzugeben. Denn: „Die Stasi war Schutz und Schild der Partei. Aber die SED war das Entscheidende.“
Auch Michael Beleites befürwortete den Gesetzentwurf aus den genannten Gründen. Zusätzlich betonte er die Bedeutung der Dokumentation von Repressionserfahrungen von Betroffenen für die Bildungsarbeit. Die vorgesehene Zuordnung zum Landtag entspräche der ressort- und parteiübergreifenden Aufgabenstellung des Landesbeauftragten besser als die Zuordnung zu einem Ministerium.
Einziger Diskussionspunkt in der Anhörung war die vorgesehene Amtsbezeichnung „Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“. Wir haben uns in der erneuten Abwägung sehr bewusst nicht für den insbesondere von Michael Beleites vorgeschlagenen Begriff „kommunistische Diktatur“ entschieden. Mit der Bezeichnung „SED-Diktatur“ wird das Gesamtsystem in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR zutreffend beschrieben. Die Bezeichnung ist historisch und politisch eingeführt, wie nicht zuletzt die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur zeigt. Insbesondere aber benennt diese Bezeichnung unmissverständlich die Hauptverantwortlichen der Diktatur und knüpft direkt an die Lebenswirklichkeit der Menschen aus der ehemaligen DDR an.
Trotz dieser großen Zustimmung und Unterstützung ist heute die mehrheitliche Ablehnung des Gesetzentwurfes zu erwarten. Ich hatte bereits 2011 im Namen meiner Fraktion den demokratischen Fraktionen des Sächsischen Landtages einen Entwurf, der dem heutigen weitgehend entspricht, mit dem Ziel übersandt, daraus einen gemeinsamen interfraktionellen Gesetzentwurf zu entwickeln. Unsere Fraktion war gesprächsbereit, konsensorientiert und offen für Verständigung.
Ich danke allen, die dieses Gesprächsangebot konstruktiv aufgenommen und die deutlich gemacht haben, dass eine inhaltliche Einigung möglich ist. Das gilt insbesondere für den Arbeitskreis der CDU-Fraktion und Herrn Schiemann. Ich habe mich aber auch gefreut, dass die SPD und die Linksfraktion zum Gespräch bereit waren. Einer
konstruktiven Einigung hier im Sächsischen Landtag stand ein einziges Problem entgegen, und das hat drei Buchstaben: FDP. Es war die FDP, die 2011 und 2014 eine interfraktionelle Initiative gescheut hat wie der Teufel das Weihwasser. Inwiefern eine solche Haltung ihrer politischen Profilierung nützt, mag die FDP selbst einschätzen. Es schadet auf jeden Fall den Interessen der Menschen, die beim Landesbeauftragten Beratung und Hilfe suchen. Es schadet einer umfassenden Aufarbeitung der SED-Diktatur und der daran anknüpfenden Bildungs- und Dokumentationsarbeit.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich halte nichts von Symbolpolitik, aber sehr viel davon, aus gegebenem historischen Anlass politisch zu handeln. Der 25. Jahrestag der friedlichen Revolution wäre ein hervorragender Zeitpunkt gewesen, das Sächsische Landesbeauftragtengesetz weiterzuentwickeln. Diese Aufgabe wird nun vor den Abgeordneten der 6. Legislaturperiode stehen. Ich wünsche allen, die dabei mitwirken können und wollen, viel Erfolg.