Protocol of the Session on July 9, 2014

Drittens. Bürgerbeauftragte sind Lotsen, Erklärer für Bürger und Mittler – was durch eine gute Vernetzung mit Landesregierung, Fachbehörden, Gerichten und Verwaltungen gelingt. Beide Seiten – Bürger und Verwaltung – haben einen Gewinn aus dem Verfahren beim Bürgerbeauftragten; so mehr Vertrauen, mehr Erkenntnis, was Menschen bewegt, wo Mangelhaftes oder auch Gutes noch besser werden kann.

Viertens. Der Bürgerbeauftragte arbeitet unabhängig – ist also nicht weisungsgebunden – und agiert parteiübergreifend, losgelöst von Legislaturperioden des Landtages und kann aktuell Themenschwerpunkte setzen und die Politik und Verwaltung zu besonderen Aktivitäten veranlassen, zum Beispiel auch zu Gesetzes- oder Verordnungsänderungen.

Fünftens. Sein Angebot ist niederschwellig und nicht allein auf die Schriftform angewiesen – was für Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund oder auch Analphabeten wichtig sein kann.

Sechstens. Sehr zeitnah kann er mit seinen umfangreichen Handlungsmöglichkeiten zu Selbstaufgriff, Zutritt und Akteneinsicht handeln, was in Krisensituationen wie drohender Obdachlosigkeit, Abschiebung, Gefährdung von Kindeswohl, gravierendem Missstand in Heimen oder im Strafvollzug, auch beim Sperren von Energielieferungen sehr wichtig sein kann.

Er führt weitere Punkte auf, ich will aber hier enden und nur hervorheben: Allein aus den Worten dieses Bürgerbeauftragten in Rheinland-Pfalz wird ein ganz klares Plädoyer für unseren Gesetzentwurf, für unseren Gesetzesansatz deutlich. Es schimmert auch durch, dass es zugleich eine soziale Instanz ist – neben dieser Bürgernähe –, und genau darauf richtet sich unser Gesetzentwurf.

Zum Dritten: Wir hatten im Speziellen bei der CDU auf mehr Resonanz für unseren Gesetzentwurf gehofft, weil unser Anliegen ein Modellprojekt aufgreift, das in ebendiesem Landtag in den Neunzigerjahren wiederholt hoch

gelobt und gegen alle Angriffe auch seitens Partei, Fraktion und Regierung der CDU in Schutz genommen wurde: das Büro Ingrid Biedenkopf. Natürlich war das eine softere Variante, eine mangels verfassungsrechtlicher, gesetzlicher oder sonstiger Regelungen auch immer umstrittene und in ihren Möglichkeiten sehr begrenzte und immer auch in Kollision mit dem Petitionsausschuss geratene Instanz.

(Christian Piwarz, CDU: Da müssen Sie doch selbst lachen, Herr Bartl!)

Deswegen wollten wir es jetzt eben anders anfassen.

(Christian Piwarz, CDU: Darüber waren Sie damals ganz anderer Meinung!)

Aber die Idee war ja nicht falsch, und die Idee kann man aufgreifen; wir sind ja lernfähig.

Viertens schließlich: Wir haben im Verfassungs- und Rechtsausschuss mit einem eindeutigen substanziellen Änderungsantrag, der Ihnen heute hier vorliegt, ganz klar sämtliche kritischen Hinweise der Sachverständigen aufgegriffen. Überall dort, wo die vier Praxisanwender, die vier jetzt schon tätigen Bürgerbeauftragten, gesagt haben, hier überzieht ihr, hier geht ihr etwas zu weit, hier wird es zu bürokratisch, hier sind die Eingriffsmöglichkeiten zu stark, haben wir mit dem Änderungsantrag Abhilfe geschaffen – bis hin zur Streichung zum Beispiel dieses ursprünglich vorgesehenen Rechts des Bürgerbeauftragten, Beanstandungsklage zu erheben, wenn er auf andere Weise nicht durchkommt.

Wir sind irdisch genug, um zu wissen, dass es eher nach oben schneit, bevor Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, unseren Gesetzentwurf, dem die demokratischen Oppositionsfraktionen durchweg die Zustimmung im Ausschuss gegeben haben, hier durchzulassen. Das wird dann wieder ein Nachteil für die Bürgerinnen und Bürger; sie haben den Nachteil. Es ist aber auch ein Nachteil für die Verwaltung, es ist ein Nachteil für die Entlastung von Teilen der Justiz, speziell der Verwaltungsgerichte, und es ist ein Nachteil für die Politik im Freistaat Sachsen, weil angesichts der sich immer mehr erweiternden Distanz des Bürgers zu Staat, zu Verwaltung und zum Glauben an wirkliche demokratische Partizipation solche symbolischen Zeichen sehr wichtig wären.

Vielleicht können Sie sich angesichts dieser Aspekte noch einmal überlegen, ob es kurz vor Ende der Wahlperiode dieses Sächsischen Landtages – im 25. Jahr der Wende, der demokratischen Revolution – vor diesem Hintergrund geboten wäre, ein wenig Ihren machtverliebten Beharrungswillen aufzugeben, ihn doch einmal zu sprengen und diesem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Bartl. Nun die CDU-Fraktion; Herr Abg. Kirmes, Sie haben das Wort, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin nicht geneigt, mich darüber zu unterhalten, ob der Schnee fällt oder steigt.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Dieses Jahr war ja gar keiner!)

Sehen Sie, deshalb bleibt mir das erspart.

Mit Ihrem eingebrachten Gesetzentwurf zur Errichtung eines unabhängigen Landesbüros für Bürgeranliegen des Freistaates Sachsen wollen Sie in Sachsen einen Ombudsmann für die Bearbeitung von Bürgeranliegen gegenüber der Verwaltung auf allen Ebenen gesetzlich regeln. Diese Stelle soll unabhängig, bürgernah, unbürokratisch arbeitende Anlaufstelle für Anliegen der Bürgerinnen und Bürger sein; die Stelle soll die Verwaltung kontrollieren, einen Beitrag zur Verbesserung des Verwaltungshandelns leisten, sie soll dazu umfassende Informations-, Anhörungs-, Vorlage-, Zutrittsrechte sowie ein wirksames Beanstandungsrecht gegenüber der Verwaltung bekommen. Das Amt soll nicht der Exekutive angegliedert und mit Verfassungsrang ausgestattet werden.

Wenn ich mir das auf der Zunge zergehen lasse, dann habe ich fast das Gefühl, man will den Rechtsstaat neu erfinden. Man gewinnt den Eindruck, hier eine vierte Gewalt installieren zu wollen.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Wir haben auch einen Demokratiebeauftragten!)

Ja, wir haben feste Säulen in unserer Demokratie – das sind drei Säulen, die meines Erachtens keiner vierten Säule bedürfen, insbesondere wenn man so weit geht, dass man mit der Verfassung Artikel 53 a, der vorgesehen zur Wahrung der Rechte der Bürger gegenüber der Staatsregierung ist, Trägern der öffentlichen Verwaltung usw., zu unterstellen, dass die Rechte so nicht gewahrt werden.

Wir sind in der Legislative tätig. Wir als direkt gewählte Abgeordnete stellen uns den Fragen und Problemen unserer Bürger. Ich glaube, dass wir diese Erfahrungen auch in den Landtag einbringen.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Deshalb gibt es auch so wenige Petitionen?!)

Ich meine auch, verehrter Kollege Bartl, dass Sie die am 04.06.2014 im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss durchgeführte Sachverständigenanhörung nicht so dargestellt haben, wie sie tatsächlich abgelaufen ist. Zwar bestätigten die geladenen Sachverständigen – alles Bürgerbeauftragte in anderen Bundesländern –, dass solch eine Stelle durchaus Vorteile mit sich bringen kann, da sie als niedrigschwelliges Angebot für Bürgerinnen und Bürger nützliche Dienste leisten und Verbesserungen im Umgang zwischen Bürgern und Verwaltung herbeiführen könne. Wer diese Stelle innehat, wird wohl nicht von vornherein sagen: „Ich bin überflüssig“ oder: „Meine Stelle kann ersetzt werden.“

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Das ist eine böse Unterstellung!)

Das ist nur meine Anfügung gewesen. Eine solche Aussage wäre jedenfalls kaum zu erwarten.

In der Anhörung wurde ausgeführt, dass man mithilfe eines solchen Beauftragten Probleme oft einer praktischen, unbürokratischen Lösung zuführen könne.

So weit, so gut. Man könnte das noch so hinnehmen, wenn es nur darum ginge, eine weitere Möglichkeit in diesem Sinne zu schaffen. Letztlich äußerten jedoch alle Sachverständigen übereinstimmend kritisch, dass dieser Gesetzentwurf in wesentlichen Teilen deutlich über das Ziel hinausschieße.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Darum haben wir einen Änderungsantrag erarbeitet!)

Ich komme noch auf den Änderungsantrag zu sprechen, Herr Kollege.

Hervorgehoben wurde insbesondere die Überfrachtung mit Aufgaben, die der Bürgerbeauftragte erfüllen soll. Der Entwurf sieht nämlich neben der Bearbeitung von Bürgeranliegen zahlreiche Anhörungsrechte vor. Besonders kritisch wurde das umfangreiche Beanstandungsrecht eingeschätzt; dieses gehe deutlich zu weit. Schließlich bestanden bei den Sachverständigen erhebliche Zweifel, ob der/die Bürgerbeauftragte mit Verfassungsrang ausgestattet werden müsse. Zusammengefasst hieß es von Sachverständigen: Weniger ist oftmals mehr.

Dieser Kritik der Sachverständigen schließt sich die CDU-Fraktion uneingeschränkt an, und zwar unabhängig von der Frage, ob wir aufgrund des in Sachsen doch recht weitgehenden Petitionsrechts überhaupt einen Bürgerbeauftragten brauchen. Wir sehen eine solche Notwendigkeit – insbesondere die Notwendigkeit, dem Bürgerbeauftragten Verfassungsrang zu verleihen – nicht.

Auch die Pflicht zur rechtzeitigen Anhörung zu – ich zitiere – „Entwürfen der Staatsregierung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften... deren Regelung seinen Aufgabenbereich oder Gegenstände seiner Kontroll- und Prüftätigkeit nach diesem Gesetz, insbesondere Rechte und Stellung der Bürger gegenüber der Verwaltung, die bürgernahe und bürgerfreundliche Gestaltung der Verwaltung, und soziale Angelegenheiten der Bürger berühren“, ist unseres Erachtens viel zu weitgehend. Kurz gefasst könnte man sagen: Er wäre zu nahezu allem anzuhören.

Zwar versucht nun die einreichende Fraktion, mit einem Änderungsantrag den Gesetzentwurf in diesem Punkt und auch hinsichtlich des zu weit gehenden Beanstandungsrechts zu korrigieren; das ist aber meines Erachtens nicht ausreichend gelungen.

Mir ist unklar, worin der Unterschied im neu gefassten § 7 Abs. 2 des Gesetzentwurfs liegen soll. Die neue Formulierung heißt – ich zitiere –: „Dem Sächsischen Bürgerbeauftragten ist Gelegenheit zu geben, sich rechtzeitig zu Entwürfen der Staatsregierung von Rechts- und Verwal

tungsvorschriften zu äußern oder Stellungnahmen abzugeben.“ Der restliche Teil ist gleich geblieben.

Außer der formalen Umstellung des Absatzes und dem Ersetzen der Wörter „ist zu hören“ durch die Wörter „Gelegenheit zu geben … Stellungnahmen abzugeben“ hat sich meines Erachtens inhaltlich und hinsichtlich dessen, was der Beauftragte dann darf oder zu tun hat, nichts geändert.

Die Bedenken, die ich hier vorgetragen habe, sind von den Sachverständigen in ähnlicher Weise dargetan worden.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Die Sachverständigen haben doch gar keinen Änderungsantrag gesehen!)

Insgesamt zu dem Entwurf. Aber vielleicht wollen Sie eine Zwischenfrage stellen; dann geht das nicht von meiner Redezeit ab.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend festhalten, dass wir als CDU-Fraktion durchaus erkennen, dass die Errichtung eines Bürgerbüros eine sinnvolle Ergänzung der bestehenden Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung sein könnte. Wir meinen jedoch, dass es dieser formalen Hilfen als solcher nicht bedarf. Die Instrumente und Möglichkeiten, die unsere – ich möchte hinzufügen: mündigen – Bürger haben, reichen aus. Daher wird die CDU-Fraktion – Kollege Bartl, Sie haben es schon vorausgesehen – Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Carsten Biesok, FDP)

Herr Bartl?

Herr Präsident, ich würde gern vom Recht der Kurzintervention Gebrauch machen.

Bitte sehr.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Verehrter Herr Kollege Kirmes, Sie haben sinngemäß gesagt, dass wir uns fast an den Rand der Verfassungswidrigkeit begeben würden, da wir angeblich „auf die Kalte“ eine Vierte Gewalt etablieren wollen. Ich zitiere aus der Startseite der „Eifel-Zeitung“ von gestern: „Malu Dreyer: Wichtige Institution in der Demokratie.

Der Bürgerbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, Dieter Burgard, hat Ministerpräsidentin Malu Dreyer am 11. April 2013 seinen Jahresbericht 2012 überreicht. ‚Das Amt des Bürgerbeauftragten ist für die Gesellschaft sehr wichtig. Er ist ein Vermittler zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung und festigt damit unsere Demokratie‘, sagte die Ministerpräsidentin bei dem Gespräch in der Staatskanzlei. … In diesem Sinne wird die Landesregierung auch diesen Jahresbericht sorgfältig auswerten‘, sagte Ministerpräsidentin Dreyer.“

Deren Parteizugehörigkeit ist Ihnen bekannt. Ich kann wirklich nicht erkennen, dass Rheinland-Pfalz, Thüringen