Protocol of the Session on January 24, 2008

Wenn wir in der Beantwortung der Großen Anfrage lesen, dass die Inbetriebnahme für die Jahre 2011/2012 geplant ist, müssen wir sagen: Selbst zu diesem Inbetriebnahmezeitpunkt, der nach dem Bauverzug eintritt – früher war ja mal ein ganz anderer Zeitraum geplant –, wird eine sinnvolle Einbindung des Fernverkehrs in den CityTunnel nicht möglich sein, da bis dahin die entscheidende Strecke – Elektrifizierung Reichenbach–Hof – nicht fertig bzw. vermutlich nicht einmal begonnen sein wird.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

In der Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag der CDU- und der SPD-Fraktion zur Sachsen-FrankenMagistrale können wir nachlesen, dass man zwar beantragt hat, dieses Projekt in die EFRE-Förderperiode 2007 bis 2013 aufzunehmen; wir wissen aber noch nicht, ob es drin ist. Ich weiß, dass sich die Staatsregierung sehr stark dafür einsetzt, dass es so kommt, aber die Sache liegt bei

der Bundesregierung. Hier haben wir eklatante Versäumnisse. Es ist sehr bedauerlich, dass einer der größten Kämpfer für den City-Tunnel, Oberbürgermeister Tiefensee, damals das Projekt mit durchgedrückt hat und heute als Bundesverkehrsminister offenbar nicht in der Lage ist, die Voraussetzungen für die Sinnhaftigkeit dieses Tunnels zu schaffen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir in der Antwort lesen, dass das SMWA die Inbetriebnahme der Elektrifizierung Reichenbach–Hof im Dezember 2012 anstrebt – mit der Begründung, die EFRE-Fördermittel müssen bis 2013 ausgegeben sein; das wird schon klappen –, muss man dazusagen, dass das nicht so sein wird. Wir wissen alle, dass wir zwei Jahre nach der Förderperiode immer noch abfinanzieren können. Das heißt, wir können diese EFRE-Fördermittel sehr wohl noch bis 2015 ausgeben. Von daher wird deutlich, dass mit der Inbetriebnahme des City-Tunnels im Jahr 2011 eine Fernverkehrsanbindung bei Weitem noch nicht gegeben sein wird.

Ich kann nur an die Staatsregierung appellieren, den Druck auf Tiefensee zu verstärken. Sie haben uns alle hier im Hause mit im Boot, den Druck zu erhöhen, damit er endlich die Voraussetzungen dafür schafft, dass der CityTunnel zu dem Projekt wird, als das er eigentlich geplant war.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion GRÜNE der Herr Abg. Weichert, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kostensteigerungen beim CityTunnel Leipzig sind ja wirklich ein Dauerbrenner. Mir wäre es auch lieber, Frau Dr. Raatz, wenn der Dauerbrenner beim Ausschuss bleibt. Nun haben wir ihn wieder hier. Ich glaube auch, wir hätten noch viel mehr Empörung im Blätterwald erzeugt, wenn dies nicht die Sachsen LB im Weihnachtsgeschäft etwas relativiert hätte. Trotzdem, Dr. Külow, werden Sie mir sicher recht geben: 0,7 bis 0,8 Milliarden Euro in Leipzig in den ÖPNV investiert ist allemal besser, als 2,75 Milliarden Euro in die Esse schreiben.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP)

In der Aktuellen Debatte im September 2006 ging es schon einmal um die Stichpunkte Kostenexplosion, Fass ohne Boden, Kartell des Verschweigens, Missmanagement usw. Ich habe ein interessantes Zitat von Kollegen Prof. Bolick gefunden. Er sagte damals: „Es sind noch keine Kosten explodiert, explodiert ist nur die Vernunft manches Oppositionspolitikers. Sie verunglimpfen ein Großprojekt Sachsens mitten in seiner Realisierung.“ Nun ist Zeit vergangen, und es sieht etwas anders aus. Nicht die Opposition zieht das Projekt in Misskredit, sondern

offensichtlich ein ziemlich blauäugiges Missmanagement. Fakt ist jedenfalls: Juli 2006 571 Millionen Euro, August 2007 645 Millionen Euro, jetzt, Anfang 2008, sind wir bei 705 Millionen Euro. Das sind schon Steigerungen um über 23 %, also um fast ein Viertel. Vom Millionen- zum Milliardengrab?

Da reicht es auch in den Antworten nicht mehr, auf die Bodenbeschaffenheiten zurückzukommen. Auch da gibt es noch einmal ein nettes Zitat: „Was kann der Sand dafür, wenn auf ihm gebaut wird?“

Wichtig wäre, dass jetzt endlich auch alle Fragen, vor allem die Kostenfragen beantwortet werden. Vielleicht wäre es günstig, auch einmal einen worst- zu einem bestcase zu inszenieren, damit man weiß, in welchem Korridor wir uns in Zukunft bewegen. Natürlich müssen dort alle Risiken, die man vorausschauen und einschätzen kann, verankert sein.

Herr Minister Jurk, in Ihrer Antwort auf meine Frage vor einem Jahr haben Sie gesagt, es wird eine verstärkte Innenrevision geben. Ich habe nicht bemerkt, dass es inzwischen Veränderungen gegeben hat. Im Gegenteil. Es scheint ja immer weiter so, dass die DEGES mit diesem Projekt überfordert ist. Vielleicht sollte man auch einmal über personelle Konsequenzen nachdenken.

Die nächste Frage: Wie ist das mit den Nachträgen, die von den Firmen gestellt werden? Wie werden sie überprüft? Hat das mit dem Angebot, das sie am Anfang gemacht haben, noch etwas zu tun? Kann man die Frage zulassen, ob hier bewusst ein Dumpingangebot gemacht worden ist, weil man wusste, man kann hinterher Nachträge stellen, um damit sozusagen diesen Auftrag vor anderen zu bekommen? Was macht eigentlich die angekündigte Task force? Es bleiben jede Menge Fragen.

Die Beantwortung der Großen Anfrage hat eigentlich wieder eine Große Anfrage erzeugt. Es wäre schön, wenn wir in Zukunft endlich einmal alle Antworten auf dem Tisch des Hauses hätten und eine ständig zeitnahe Information des Parlamentes dazu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hier liegt noch eine Wortmeldung der Linksfraktion vor. Bitte, Herr Dr. Pellmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst eine frohe Botschaft, insbesondere an Herrn Bolick und seine CDU-Fraktion – wir sind eben so: Meine Fraktion ist selbstverständlich dafür, dass das Projekt City-Tunnel zu Ende gebaut wird. Ich sage das ganz bewusst, denn wir haben sonst in Sachsen und anderswo genügend Investruinen; eine weitere brauchen wir nicht.

Deshalb sage ich auch, Herr Bolick: Was wir mit unserer Großen Anfrage und der heutigen Debatte angestrengt haben, hat mit unsachlicher Polemik nichts zu tun. Das sage ich Ihnen deutlich. Wenn Sie es als unsachliche Polemik bezeichnen, dass eine Oppositionsfraktion – ich

könnte inzwischen sagen, auch die anderen Oppositionsfraktionen – hier die Staatsregierung auffordert, Farbe zu bekennen,

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das ist unsere Aufgabe!)

dann ist das Verfassungsauftrag und hat nichts mit billiger Polemik zu tun.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: So ist das! – Beifall bei der Linksfraktion)

Sie werden sich vielleicht gefragt haben: Warum setzt die Linksfraktion die Große Anfrage, obwohl die Antworten vom Mai vergangenen Jahres stammen, erst heute auf die Tagesordnung? Dazu sage ich, dass wir sehr wohl die Antworten abzuwägen hatten. Wir stellen doch keine Großen Anfragen, um dann die Antworten nicht ausreichend zu prüfen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wir sind nämlich seriös!)

So ist es, Herr Dr. Hahn.

Aber wir haben festgestellt, dass vieles offengeblieben ist. Manche Antworten – ich könnte sogar sagen: die meisten Antworten – sind mehr ein Drumherumreden. Wir wollten der Staatsregierung auch mit der heutigen Debatte die Möglichkeit einräumen, in einer Reihe von Fragen, die die Öffentlichkeit bewegen, endlich Klarheit zu schaffen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren; denn es sind nicht die Gelder des Freistaates oder der EU, es sind unser aller Steuergelder. So ist die Welt!

(Beifall bei der Linksfraktion)

Deswegen möchte ich noch einmal auf einige Fragen, die für mich offengeblieben waren und nach wie vor offen sind, eingehen.

Erstens. Ja, wer ist denn nun für Fehlplanungen verantwortlich? Dass es sich um Fehlplanungen gehandelt haben muss, ist ja offensichtlich, das haben wir in vorhergehenden Debatten bereits dargestellt. Es ist doch abenteuerlich, wenn man lesen kann, es war nicht damit zu rechnen, dass unter Leipzig Braunkohle ist. Jeder Bauingenieur, der irgendwann einmal mit dem Leipziger Bauuntergrund zu tun hatte, hätte sagen, ja, aufzeichnen können, wo die Quarzite liegen, die das Tempo von „Leonie“ etwas verlangsamt haben. Da gehe ich davon aus, dass aus einer bestimmten Überheblichkeit heraus der Sachverstand, der auch in Leipzig da war, nicht ausreichend berücksichtigt worden ist.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Zweitens. Wann wird denn der Tunnel nun fertiggestellt? Ich hatte gesagt, dass wir dafür sind, dass er zu Ende gebaut wird. Aber ob es nun wirklich 2011 ist, wissen wir nicht, und die Staatsregierung weiß es sicher auch nicht. Ich erinnere Sie daran – das wird ja immer vergessen:

Eigentlich sollte der City-Tunnel schon 2006 zur Fußballweltmeisterschaft übergeben sein.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Was?)

Na, selbstverständlich!

Es war doch dann eine Riesenkraftanstrengung, mit mehreren Platten vorübergehend den Markt zu schließen. Das war doch alles nicht geplant.

Drittens. Was kostet das Vorhaben wirklich? Die Glaubwürdigkeit der Bauherren – und der Bauherrenvertreter ist nun einmal die Staatsregierung; sie hat sich ja selbst dazu ernannt – ist erschüttert. Die Kostenentwicklung war von Anfang an unseriös.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Über Geld spricht man nicht!)

Ich weiß noch, als wir im Stadtrat in Leipzig die erste Vorlage erhielten, kostete das Ganze weit unter einer Milliarde DM. Wir haben das damals schon für sehr viel erachtet, aber wir waren der Auffassung, dass es durchaus so sein kann, dass es im Rahmen liegt. Inzwischen müssen wir möglicherweise am Ende – Herr Morlok hat insbesondere auf einiges aufmerksam gemacht – mit einer Verdoppelung der ursprünglichen Kosten rechnen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Wir haben ja jetzt auch zwei Regierungsparteien!)

Und das, muss ich sagen, hat mich schon auf die Palme gebracht.

Viertens. Welches Ergebnis haben denn die Strafanzeigen, die im September 2006 vom Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit eingereicht wurden, gebracht? Es ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, dass gegen jene, die die Öffentlichkeit über Tatsachen informieren, ermittelt wird. Warum wird nicht zumindest gefragt, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist, wenn die Kosten so explodiert sind? Bestraft werden also offenbar nicht die Fehlplaner, sondern diejenigen, die das aufdecken, und das kann nicht ernsthaft so gemeint sein, denn die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information.

Ich will in der Zusammenfassung noch einmal deutlich machen – fünfter Punkt: Ich würde heute schon gern wissen: Stehen uns denn die ursprünglich veranschlagten Fördermittel der EU zur Verfügung oder drohen sie zu verfallen? Herr Morlok hat es deutlich gemacht.

Der sechste und letzte Punkt – das liegt mir schon am Herzen, und da greife ich auf einen Entschließungsschnellschuss der CDU-Fraktion vor, den wir später noch behandeln sollen. Darin steht: Alle beteiligen sich an den Mehrkosten. Dazu sage ich in aller Verantwortung auch als Leipziger Stadtrat: Das wird meinen erbitterten Widerstand finden. Ich bitte darum – und wir werden es heute genau anschauen; es gibt eindeutige vertragliche Regelungen, das hat Herr Tiefensee beschworen, dass Leipzig nicht an eventuellen Mehrkosten beteiligt wird.

(Peter-Wilhelm Patt, CDU: Das stimmt nicht!)

Es gibt Verträge. Glauben Sie ernsthaft, dass ansonsten – es gibt auch in der CDU vernünftige Menschen in Leipzig – alle dem Projekt zugestimmt hätten, wenn wir in Größenordnungen hätten draufzahlen müssen?

(Zuruf der Abg. Jutta Schmidt, CDU)