Meinungsfreiheit und solche Dinge zu diskutieren und vorzuschlagen, das ist jederzeit zulässig. Aber ob es dem Leitbild entspricht und ob wir damit dauerhaft die von mir formulierten Ziele erreichen – das hat die Ausschussberatung gezeigt – ist eben nicht der Fall.
Im Ergebnis haben wir für das Leitbild Folgendes festzuhalten: Eine punktuelle Zusammenarbeit ist möglich. Dafür sind die Instrumentarien im Sächsischen KomZG geschaffen.
Es gibt aber keine Alternative zu einer Gebietsreform, die geeignet ist, Klarheit gebietlicher Strukturen zu erreichen. Dafür sind Freiwilligkeitsmodelle eben nicht geeignet.
Wir können die verfassungsrechtlichen Bedenken, die durch die Sachverständigen geäußert wurden, nachvollziehen. Denn eins ist auch klar: Die Gebietsstruktur muss nicht nur für die neuen Gebietskörperschaften passen, sondern sie muss in einer Gesamtschau für den gesamten Freistaat Sachsen insgesamt leitbildgerechte Gebietskörperschaften abbilden. Schwebezustände darf es nicht geben.
Welcher dieser drei Vorschläge jetzt das sogenannte vogtländische Modell sein soll, kann ich nicht sagen. Ich sehe auch noch eine andere Unsicherheit an der Stelle. Wenn das vogtländische Modell im Gesetz etabliert würde, hieße das, dass es später für entsprechende kreisfreie Städte zur Neuordnung der Stadt-Umland-Beziehung tauglich wäre; aus meiner Sicht und aus der Sicht der Koalition ein fataler Ansatz. Der Schritt zu Regionalkreisen wäre dann nicht mehr weit. Das kann nicht in unser aller Interesse sein.
Lassen Sie mich auf die Kriterien der Kreisneugliederung zu sprechen kommen. Die angestrebte Einwohnermindestgröße von 200 000 Einwohnern in künftigen Landkreisen und kreisfreien Städten sind zum einen der Einsparnotwendigkeit und Leistungsfähigkeit der Verwaltungsstrukturen und zum anderen der Personalausstattung geschuldet.
Bei den genannten Zahlen handelt es sich um einen Richtwert. Ein Aspekt für diesen Richtwert ist die Tragfähigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Landkreise, weil diese die untereinander durch das Funktionalreformgesetz erweiterten Aufgaben erfüllen müssen. Hierbei darf der Gesetzgeber typisieren.
Die eingangs erläuterten Rahmenbedingungen geben Anlass, die Einkreisung von kleineren kreisfreien Städten im Rahmen der landesweiten Neugliederung der Kreise neu zu bewerten. Auch wenn es in der Bundesrepublik noch kleinere kreisfreie Städte gibt, ist es verfassungsrechtlich aus unserer Sicht nicht bedenklich, wenn man hier eine möglichst hohe Verwaltungseffektivität und den Aspekt der Wahrung eines ausreichenden Maßes an Bürgernähe in die Abwägung eingestellt hat und diese beiden Elemente in die Entscheidung einbezieht. Für eine Gebietsreform werden immer rationale und nachvollziehbare Leitlinien als Bewertungsmaßstab für die konkreten Einzelschritte eingefordert.
Die CDU-Fraktion geht davon aus, dass dieser Richtwert von 200 000 Einwohnern als Regelmindestgröße im vorliegenden Gesetzeswerk umfassend begründet ist.
Grundlage war die Vierte Regionalisierte Bevölkerungsprognose für den Freistaat Sachsen, die wir der Entscheidung für diese Neugliederung zugrunde gelegt haben. Wir
teilen nicht die Auffassung, dass der Prognosezeitraum bis zum Jahre 2020 zu kurz sei. Wie Sie alle wissen, bergen Prognosen immer Unsicherheiten in sich, aber dennoch muss man auf Prognosen zurückgreifen, denn Kaffeesatzleserei allein reicht hier nicht aus.
Allerdings muss man diese Unsicherheiten – das haben wir getan – in die Abwägung einstellen. Wenn Sie sich zum Beispiel die 11. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes aus dem November 2006 ansehen, stellen Sie fest, dass hier eine Prognose bis zum Jahre 2050 getroffen wird. Selbst innerhalb dieser Bevölkerungsvorausberechnung gibt es weit auseinanderliegende Variantenberechnungen. Das zeigt, dass diese Unsicherheiten nicht auszuräumen sind. In jedem Fall muss man aber von einem weiteren Rückgang der Bevölkerung ausgehen.
Wichtig war für uns auch die Erkenntnis, dass die Bevölkerungsvorausberechnung bis zum Jahre 2050 keinen Schluss auf die Größe der Landkreise in Sachsen im Jahre 2007 zulässt. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Prognose, die wir nachvollziehen können, aufgrund der Vierten Regionalisierten Bevölkerungsprognose bis zum Jahre 2020 an dieser Stelle geeigneter ist.
Einer Fläche von 3 000 Quadratkilometern für die künftigen Landkreise kommt dabei im Verhältnis zur Einwohnerzahl sicherlich eine wesentlich geringere Aussagekraft zu. Allerdings geht es auch um die Überschaubarkeit des Landkreises, die Entfernung zum Landratsamt und den entsprechenden Sitzungsmöglichkeiten für den Kreistag, die Möglichkeit der Wahrnehmung und der Wahrung des bürgerschaftlichen Engagements sowie um die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrem neuen, künftigen Landkreis. Diese Aspekte sind zu beachten.
Bis auf wenige Ausnahmen überschreiten alle existierenden Landkreise in der Bundesrepublik diese Größe nicht und sie haben sich als grundsätzlich funktionsfähige kommunale Verwaltungseinheiten erwiesen. Großkreise können nicht unser Ziel sein. Das habe ich bereits ausgeführt.
Noch ein paar Worte zu den kreisfreien Städten. Diese sollen auch künftig 200 000 Einwohner nicht unterschreiten. Dieses würde im Gesamtbild des Freistaates Sachsen eine weitgehend homogene Struktur erreichen.
Ein weiterer Aspekt muss hervorgehoben werden: Die bestehenden Landkreise sollen ganzheitlich in der neuen Struktur aufgehen, das heißt, es soll zu keiner Zergliederung und zu keinem Gemeindewechsel in einen anderen Kreis kommen. Die Auflösung der alten Landkreise und deren Zusammenschluss soll auf dem bisherigen Prozess des Zusammenwachsens der von 1994 bis 1996 gebildeten Landkreise aufbauen. Damit wird der damaligen Integrationsleistung Rechnung getragen und darauf aufgesattelt. Das schließt zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus, dass Gemeinden bei Kreisneugliederungen einen Kreiswechsel vornehmen wollen und können. Der Vorbehalt des Ministeriums ist diesbezüglich eindeutig.
Die CDU-Fraktion hält nach reiflicher Abwägung und Entscheidung an den Vorschlägen für die künftigen Kreissitze fest. Natürlich beschäftigt diese Frage die Menschen vor Ort und es ist auch bekannt, dass diese Voten sehr unterschiedlich in der Intention sind. Die überwiegende Mehrheit akzeptiert aber die vom Innenminister und vom Kabinett vorgeschlagenen Kreissitze.
Der Landtag ist seit Mai 2007 Herr des Verfahrens und zu Recht haben einige Abgeordnete darauf hingewiesen. Der Innenausschuss hat sich an mehreren Tagen über viele Stunden diesem Abwägungsprozess gewidmet und in sehr umstrittenen Fällen wurde vieles mehrfach hinterfragt und diskutiert. Wenn Sie von der LINKEN fragen, woher wir das wissen, kann ich Ihnen sagen, dass wir das aus den uns erreichten Stellungnahmen wissen. Ich gehe davon aus, dass auch Sie diese Stellungnahmen erhalten haben.
Das haben wir nicht bestritten! – Diese Vorwürfe habe ich erwartet und möchte dem entgegnen: Herr Staatsminister Dr. Buttolo hat einen Vorschlag für die Neugliederung vorgelegt. Das war die Grundlage für die Diskussion. Die Festlegung der Kreissitze erfolgte anhand fachlicher Kriterien.
Neben der Anforderung, dass es sich um eine Stadt mit heutigem Kreissitz handeln müsse, waren die landesplanerischen Ansätze im Landesentwicklungsplan 2003 sowie historische und wirtschaftliche Gesichtspunkte ausschlaggebend. Dazu komme ich aber noch. – Von einem politischen Kuhhandel, meine Damen und Herren von den Linken, kann eben gerade nicht die Rede sein.
(Zurufe der Abg. Klaus Tischendorf, Dr. Michael Friedrich und Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)
Die CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages und allen voran der Arbeitskreis Inneres weisen öffentlich die Vorwürfe zurück. Dass es sich um ein ergebnisoffenes Verfahren gehandelt hat, zeigt der Umstand, dass noch am 10. Januar 2008 Änderungen an beiden Gesetzentwürfen vorgenommen worden sind. Es existiert ein klares Leitbild, das die Umsetzung der landesentwicklungspolitischen Zielvorgaben des Landesentwicklungsplanes 2003 zugrunde legt. Im Vordergrund steht eindeutig die Stärkung des Zentrale-Orte-Systems. Konsequenterweise war daher der Stadt den Zuschlag zu erteilen, die eine höhere zentralörtliche Funktion innehat.
In der Expertenanhörung im Innenausschuss wurde gelegentlich die Auffassung vertreten, dass entweder einheitlich die stärkere oder die schwächere Stadt als Kreissitz zu benennen sei. In die Abwägungsentscheidung – das haben wir nachgeprüft und uns danach erst zu eigen gemacht – sind bei zentralörtlich gleichwertiger Einstu
fung landesplanerische, historische und wirtschaftliche Gesichtspunkte eingeflossen. Was wir gleichermaßen festgestellt haben – ich halte es auch hier für richtig und wichtig, dies nochmals zu erwähnen –: dass alle Kriterien konsequent herangezogen wurden und sie mit ihrem doch recht speziellen Gewicht in die Abwägung eingeflossen sind.
Es galt die Frage zu beantworten, wie die konkrete Situation im Hinblick auf das landesentwicklungspolitische Interesse an der Stabilität des Zentrale-Orte-Systems zu bewerten ist. Unter Berücksichtigung der Größe des zentralörtlichen Verflechtungsbereiches, für den die zentralörtlichen Aufgaben wahrzunehmen sind, haben wir in die Abwägung eingestellt, für welche Stadt die Kreissitzentscheidung im Hinblick auf die im Landesentwicklungsplan festgelegte zentralörtliche Einstufung zur Erreichung der Ziele des Landesentwicklungsplanes 2003 die beste Wirkung entfalten kann. Die Stärke oder Schwäche einer Stadt hat aber nicht allein als Kriterium im Vordergrund gestanden.
(René Fröhlich, Linksfraktion: Das haben wir in der Zeitung gelesen! – Zuruf von der Linksfraktion: Aber etwas anderes!)
Bei der Abwägung war immer der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Unterschiede sind dennoch möglich. Es können sich aus der notwendigen Erfüllung der zentralörtlichen – also über den eigenen Bereich hinausgreifenden – Funktion von Gemeinden Unterschiede ableiten, etwa aus der Bedeutung des Kreissitzes für die Entwicklung des neuen Kreises als Ganzes. Wir gehen davon aus, dass dies auch einen maßgeblichen Belang des Allgemeinwohles darstellt.
Es geht nicht – das haben wir im Ausschuss auch ganz substanziell diskutiert –, die Entscheidung über den Kreissitz den Landkreisen oder gar einem Bürgerentscheid zu überlassen oder, wie DIE LINKE vorgeschlagen hat, sogar einen Probekreissitz für eine bestimmte Zeit zu benennen und dann einmal zu schauen, was dabei herauskommt. Grundsätzlich muss der Gesetzgeber den Kreissitz festlegen.
Das ist unsere Entscheidung. Was bedeutet dies im Einzelnen in den im Innenausschuss sehr umstritten diskutierten Fällen? Ich erlaube mir, eine von mir festgelegte Reihenfolge der Einzelfälle, die umstritten sind, abzuarbeiten.
Im Übrigen kann der vorgenommene Abwägungsprozess anhand der Begründung zum gebietlichen Teil der Einzelfallregelungen und der Protokolle der Innenausschussberatungen nachvollzogen werden.
Zunächst galt es die Entscheidung zu treffen, wie der neue Landkreis in Mittelsachsen aussehen soll. Wir haben im Innenausschuss deutlich herausgearbeitet, dass die Neugliederung der Landkreise unabhängig von vorhandenen staatlichen Strukturen erfolgen muss. Staatliche Strukturen sind zwar zu berücksichtigen, aber sie sind kein Maßstab für die Einteilung kommunaler Selbstverwaltungsstrukturen.
Deutlich ist ebenfalls geworden, dass es zwei durchaus gleichwertige Alternativen für den Landkreis Döbeln gibt. Es wäre zum einen durchaus leitbildgerecht, Döbeln dem neuen Landkreis Leipzig mit den Landkreisen Leipziger Land und Muldentalkreis zuzuordnen. Die Koalition plädiert jedoch für die vorgeschlagene Bildung des Landkreises Mittelsachsen, bestehend aus den Landkreisen Döbeln, Freiberg und Mittweida.
Ausschlaggebend war die Abwägung anhand sachlicher Kriterien. Die Betrachtung der arbeits- und sozialräumlichen Verflechtung der Folgen für andere Landkreise, aber auch landesentwicklungspolitische Vorteile ergaben letztlich den Vorzug. Eine Analyse des Arbeitspendlerverhaltens kam zu dem Ergebnis, dass ein deutliches Dafür für den Mittweidaer Raum und ein Danach für den Freiberger Raum existiert. Pendlerverhalten ist Ausdruck dessen, wie sich Menschen verhalten.
Bei den Kreissitzen stellt sich die Situation etwas anders dar. Die Staatsregierung hat zutreffend formuliert, dass ein Kreissitz nur einmal zu vergeben ist und nur einmal vergeben werden kann. Deshalb diskutierten wir zunächst die Frage, ob Bautzen oder Kamenz Kreissitz des künftigen Landkreises Bautzen werden soll. Flankiert wurde die Diskussion durch die Forderung der Bürgerinitiative „Pro Kamenz“ für den Kreis Kamenz, die dafür 12 000 Unterschriften gesammelt hat. Unter Zugrundelegung der sachlichen Kriterien stellte sich im zukünftigen Landkreis Bautzen nicht die Frage des künftigen Kreissitzes Bautzen oder Kamenz, sondern die Fragestellung lautete: Bautzen oder Hoyerswerda? Kamenz hat mittelzentrale Funktion und damit keine gleichwertige zentralörtliche Einstufung. Bautzen wäre bereits deshalb der Vorzug zu geben, da der Stadt als Mitglied im oberzentralen Städteverbund Bautzen-Görlitz-Hoyerswerda eine höhere funktionalräumliche Bedeutung zukommt. Den Ausschlag für den Kreissitz Bautzen gab letztlich die Tatsache, dass für Bautzen die zentrale Lage, die größere historische Bedeutung, die gute Erreichbarkeit und das politisch-kulturelle Zentrum sprachen – im Verhältnis zu Hoyerswerda.
Die Koalition folgt – auch im Ergebnis der Abwägung – dem Vorschlag für den Kreissitz in Annaberg-Buchholz.
Dort liegen die gleichen Überlegungen zugrunde. Es gibt keine gleichwertige zentralörtliche Einstufung von Annaberg-Buchholz und Aue. Annaberg ist originäres Mittelzentrum.