Protocol of the Session on November 8, 2007

Bundeskanzlerin Merkel sprach zu Recht von einem großen Erfolg. Portugals Regierungschef und derzeitiger EU-Ratspräsident Rosé Sócrates formulierte: „Die EU geht aus diesem Gipfel gestärkter hervor, um sich den globalen Herausforderungen zu stellen.“

Der Vertrag bewahrt den Kern des ursprünglichen Verfassungsentwurfs, verzichtet aber weitgehend auf die verfassungstypischen Symbole. Neue Abstimmungsregeln, die eine Mehrheit statt Einstimmigkeit als Prinzip festschreiben, sind gemeinsam verabredet worden. Das Prinzip der doppelten Mehrheit wird erst 2014 in Kraft treten. Entscheidungen innerhalb der EU sollen leichter fallen, da das Vetorecht eines Landes nur noch in Ausnahmefällen gelten soll.

Aber auch neue Themen werden auf die Tagesordnung gesetzt. Dabei geht es insbesondere um Terrorismusbekämpfung, Reaktion auf die Märkte Amerikas und Asiens aber auch um soziale Probleme innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Zugleich wird die EU-Kommission kleiner, da ab 2014 nicht mehr jedes Land einen Kommissar stellen wird. Die Länder der Gemeinschaft werden sich zukünftig in der Kommission abwechseln. Für mehr Kontinuität soll ein für zweieinhalb Jahre gewählter EUPräsident sorgen. Damit die Europäische Gemeinschaft bei der Außen- und Sicherheitspolitik einheitlich auftreten kann, wird das Amt eines Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik geschaffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Besonders wichtig ist die vorgesehene Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments und der nationalen Vertretungen. Künftig muss das EU-Parlament fast allen Entscheidungen der Europäischen Union zustimmen. Ziel ist es, mit diesem Lissabonner Vertrag auf die Herausforderungen, die an die EU gestellt sind und werden, demokratischer, schneller und geeinter zu reagieren. Und genau mit diesen neuen Vereinbarungen wird die EU ihre zukünftigen Herausforderungen demokratischer gestalten können.

Die Einzigen, die das überhaupt nicht verstehen wollen oder können, sind die Herren und die Dame von der NPD. Was wir heute mit diesem Antrag erleben, ist der x-te Aufguss Ihrer vollkommen absurden Behauptungen zur EU.

(Holger Apfel, NPD: Konsequent nennt man so was!)

Dazu missbrauchen Sie wiederum den Begriff der Freiheit. In Ihrem Antrag heißt es „Europa muss frei bleiben!“. Von wem oder von was soll Europa frei bleiben?

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Auf jeden Fall von Ihnen und Ihresgleichen, da kann ich Ihnen durchaus zustimmen, und sicherlich auch meine Kolleginnen und Kollegen in diesem Hohen Haus.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion, der FDP und den GRÜNEN)

Ansonsten braucht Europa Ihre Hilfe überhaupt nicht. Sie wollen kein Europa der Gemeinschaft und Verständigung, sondern der Grenzen und Nationalstaaten.

(Zuruf des Abg. Dr. Johannes Müller, NPD)

Wahrscheinlich meinen Sie mit Freiheit nur die Freiheit des europäischen Binnenmarktes, den Sie ja eifrig nutzen, klammheimlich, aber es kommt eben immer wieder heraus, ob in Polen oder in Litauen.

(Zuruf von der NPD: Das musste ja kommen!)

Und dann jammern Sie in irgendwelchen Zeitungsartikeln, wie schade, dass alles so ist. Ach Gott, Sie tun uns ja so leid.

Jetzt zu Ihrem Prof. Schachtschneider. Ihn ziehen Sie als Kronzeugen für eine aus den Wolken gegriffene Verfassungswidrigkeit des EU-Vertragswerkes heran und bezeichnen ihn als den führenden Europarechtler in Deutschland. Eine Illusion, denn niemand aus seiner Zunft erkennt Herrn Schachtschneider an. Er wird überhaupt nicht mehr ernst genommen. Davon konnten selbst wir uns am 26. September 2006 überzeugen, als wir bei einer Anhörung im Rechtsausschuss verfolgen durften, wie er Schiffbruch unter den Sachverständigen, die ebenfalls geladen waren, erlitt.

Aber das kommt vor allem daher, dass er – wie auch Sie von der NPD – unfähig ist, die Urteile des Bundesverfassungsgerichtes zum EU-Einigungsprozess oder das Grundgesetz zu verstehen.

Es gibt einen ganz wichtigen Artikel, Herr Apfel, vielleicht sollten Sie und Ihresgleichen ihn auch einmal durchlesen.

(Jürgen Gansel, NPD: Alle Macht geht vom Volke aus, aber nicht in Deutschland!)

Im Artikel 23 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes heißt es unter anderem, dass die Bundesrepublik Deutschland an der Verwirklichung eines vereinten Europas mit demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen mitwirkt.

Wir leben das Grundgesetz. Sie bemühen das Grundgesetz immer nur dann, wenn es Ihnen in den Kram passt.

Auch bei dieser Diskussion um die EU beziehen Sie sich ständig darauf. In Wirklichkeit ist Ihnen das Grundgesetz doch nicht das Papier wert, auf dem es steht. Denn Sie wollen die Bundesrepublik ja gar nicht so. Für Sie ist die

Bundesrepublik ein von den Siegermächten installierter Staat.

(Beifall bei der NPD)

Genau deswegen!

Ein Grundgesetz dieses Staates ist doch für Sie überhaupt nicht akzeptabel. Das lehnen Sie doch ständig – wie Sie sich auch eben wieder geäußert haben – mit Inbrunst ab. Sie träumen doch noch immer von einem großen Deutschland, zu dem selbstverständlich auch die ehemaligen Ostgebiete gehören. Das ist Ihr Traum. Und den träumen Sie völlig aussichtslos.

Wer aber solche Träume hegt, hat absolut kein Recht, das Grundgesetz für seine Zwecke zu missbrauchen. Sie müssen für sich entscheiden, was Sie wollen: entweder Grundgesetz oder ein Großdeutschland. Beides geht nicht, das ist zum Glück unvereinbar.

(Zuruf von der NPD)

Denn Sie sind nicht auf demokratischem Boden. Ihnen von der NPD fehlt doch jedes Bekenntnis und Verständnis für demokratische, rechtsstaatliche, soziale oder föderale Grundsätze. Kein Wunder, dass Sie auch mit einem vereinten Europa Probleme haben, das diese Prinzipien des Grundgesetzes verwirklichen möchte.

Wir Demokraten im Sächsischen Landtag werden verhindern, dass Ihre braunen Utopien jemals Wirklichkeit werden, weder im Freistaat noch in Deutschland

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

noch in Europa.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion, der FDP und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Dr. Martens, bitte.

(Zuruf von der NPD: Deshalb wollen Sie uns verbieten, weil Sie keine Argumente mehr haben! – Zuruf von der SPD: Sie kläffen ganz schön!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag – Frau Weihnert hat es schon gesagt –: Was ist das eigentlich? Er zeugt von einem erheblichen Unverständnis, und wieder einmal begegnet uns nichts weiter als hohles, nationalpathetisches Wortgeklingel. Herr Apfel stellt sich hierher und sagt: Dieser Antrag werde jetzt gegen uns, gegen die herrschende Klasse gerichtet.

Die herrschende Klasse vertritt mehr als 90 % der Wahlbevölkerung dieses Landes.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Aber die Wahlbevölkerung nicht die Mehrheit des Volkes!)

Um es einmal ganz deutlich zu sagen: Diese herrschende Klasse lässt sich nicht mit derartigen – ich sage jetzt mal

schlichten Anträgen ins Bockshorn jagen. Aber schauen wir uns doch einmal an, was das geistige Prekariat in diesem Haus so herüberreicht.

Der EU-Reformvertrag soll danach „gegen den erklärten Willen der europäischen Völker“ installiert sein. Das ist dummes Zeug. In mehr als zehn Staaten haben die Parlamente dem Ursprungsvertrag längst zugestimmt.

(Jürgen Gansel, NPD: Aber nicht die Völker!)

Moment: Wenn die Völker in repräsentativen Demokratien ihre politische Willensbildung über Parlamente durchführen, dann haben sie zugestimmt. Das ist das, was Sie nicht verstehen können. Bei Ihnen geht das eben etwas anders zu. Aber das versuche ich gerade zu erklären.

Dann schreiben Sie dort hinein, de jure gäbe es für die EU einen Status – dessen konsolidierter deutscher Text noch nicht einmal vorliegt – „als Pseudo-Bundesstaat“.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Also entweder ein PseudoBundesstaat oder sie erhält de jure rechtlich einen solchen Status. Beides in einem Satz geht nicht.

Herr Dr. Martens, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte.

Herr Dr. Martens, eine Frage: Sie sagten vorhin, dass die Völker in verschiedenen europäischen Staaten dem EU-Verfassungsentwurf zugestimmt hätten. Auf meinen Zwischenruf haben Sie dann relativiert, dass es Parlamente gewesen seien. Rufen Sie uns noch einmal die beiden Länder in Erinnerung, wo in einem Fall 55 % des Volkes in einer direkten Volksabstimmung gegen den EU-Verfassungsvertrag gestimmt haben und im anderen Fall 62 %? Erstens also die Frage, ob Sie das noch einmal in Erinnerung rufen können.